Home Begriffsklärungen

 

im Umkreis von Esoterik, Okkultismus, Geheimwissenschaften, Spiritualität

 

I.                    auf 5 Seiten das Wichtigste an Inhalt und Literatur

 

II.                   auf 15 Seiten Begriffsklärungen im einzelnen

 

            Okkult, Okkultismus

            Theosophie

            Gnosis, gnostisch

            Mystik

            Mysterien

            Aberglauben

            Geheimlehre, Geheimwissenschaften

            Esoterisch, Esoterik

            Arkandisziplin, Arkanschule

            Hermetisch, Hermetik

            Vom Spiritismus zur Parapsychologie

            Grenzwissenschaften

            Spiritualismus

            Spirituell, Spiritualität

            New Age

            Transzendent, transzendental, Transzendenz

            Metaphysik, metaphysisch

            Philosophia perennis

 

Die umfassendste und beste Website zur Esoterik: www.eso-garden.com

siehe dazu: 100 Eso Categories According to Ursi Spaltenstein

 

Esoterik: Alter Wein in neuen Schläuchen?

 

Das Geheimnis sei vorweg gelüftet: Die Antwort auf die Titelfrage lautet Ja. Was früher Okkultismus, Geheimwissenschaft oder Aberglaube hiess, läuft seit etwa 1970 unter der Sammelbezeichnung „Esoterik“. Dazu gehören neben parapsychologischen Phänomenen meist auch New Age, Positives Denken und Mentaltraining.

 

 

I: Das Wichtigste im Umkreis des Begriffs Esoterik

 

Vorbemerkungen zu den Begriffen ...

 

Die meisten Begriffe der deutschen, französischen, italienischen und englischen Sprache stammen aus dem Griechischen oder Lateinischen, haben eine lange Geschichte und mindestens eine enge und eine weite Bedeutung, sowie weitere Bedeutungen dazwischen.

 

Zahlreiche Wörter haben die Bedeutung „verschlossen“ oder „geheim“

(engl. und frz.: secret), z. B.:

  • arkan
  • esoterisch
  • hermetisch
  • mystisch
  • Mysterium
  • okkult.

 

Um 1820 wurde im Deutschen erstmals der Begriff „Esoterik“ gebraucht. Um 1830-40, tauchen in den romanischen Sprachen die Begriffe „ésotérisme“, „occultisme“ und „sciences occultes“ (resp. die engl. und it. Formen davon) auf – und dazu die Bezeichnungen „neue Zeit“ und „New Age“.

 

Der Okkultist und Freimaurer Eliphas Lévi soll über 200 Schriften verfasst haben. Er brauchte um 1840-60 schon ziemlich unbekümmert die Wörter Okkultismus, okkulte Wissenschaft oder Philosophie, hermetische Magie, Mysterien, magische Mystik, Esoterik, transzendent, usw.

 

 

... zur Theosophie ...

 

Nicht nur für die Kulturgeschichte und die Geschichte der modernen Esoterik, sondern auch für Begriffsklärungen im Umkreis von Esoterik ist Helena Petrowna Blavatsky mit ihren Anhängern und Nachfolgern absolut zentral.

Diese Abenteurerin und Spiritistin gründete 1875 mit dem Reporter Oberst Henry Steele Olcott, einem Freimaurer aus New York, und dem Rechtsanwalt William Q. Judge die Theosophische Gesellschaft.

Frau Blavatsky hat einiges von Eliphas Lévi (und anderen) abgeschrieben, vieles schlicht erfunden und vor allem buddhistische und hinduistische Vorstellungen und Techniken in die westliche Okkultszene gebracht. Von Frau Blavatsky wiederum haben Rudolf Steiner, die Bewegungen der Naturisten und des Monte Verità sowie die Ideologen des Nationalsozialismus (Guido von List und Jörg Lanz von Liebenfels) manches übernommen.

 

Strenggenommen ist die Theosophie paradox: Blavatskys erstes Buch trug den Titel „Isis unveiled“ (1877; dt. 1907), das Hauptwerk heisst „The secret doctrine“ (1888; dt. 1898 und 1901-2). Wie kann „geheim“ bleiben, was „entschleiert“ resp. publiziert ist? Ähnlich paradox ist der Titel „The voice of the silence“ (1889; dt.: Die Stimme der Stille. 1902).

 

Als Reaktion auf das „esoterische Christentum“, das von der Spiritistin Anna Bonus Kingsford um 1880 entdeckt worden war, gab einer der ersten Theosophen, A. P. Sinnett, seiner Studie über die östlichen Weisheiten den Titel: „Esoteric Buddhism“ (1883; dt.: Die esoterische Lehre oder Geheimbuddhismus. 1884). Zwei Jahre vorher war von ihm „ The Occult World“ (dt.: Die okkulte Welt. 1896) erschienen.

 

Auch die Kennzeichnung „spirituell“ entlehnten die Theosophen der christlichen Theologie und verallgemeinerten sie auf ihr ausser-christliches Lehrgebäude.

 

Zwei neuere Pamphlete betreffen die Theosophische Gesellschaft:

  • S. Holthaus: Theosophie. Speerspitze des Okkultismus. 1989.
  • H. J. Ruppert: Theosophie. Unterwegs zum okkulten Übermenschen. 1993.

 

 

... und zur Parapsychologie

 

Viel Verwirrung rührt von den Erforschern parapsychologischer Phänomene her. Seit ca. 1860 bezeichneten ihr Gebiet – offenbar weil sie sich auf wissenschaftlich dünnem Eis bewegten - je nach Lust und Laune als Spiritismus, Mediumismus, Metapsychik, Okkultismus, Parapsychologie oder Grenzwissenschaft.

 

 

Theosophen und Anthroposophen schaffen weiterhin Verwirrung

 

In Abgrenzung von Blavatskys „Geheimlehre“ (1888) nannte der abtrünnige Rudolf Steiner seine Lehre „Geheimwissenschaft“ (1910). Er schwenkte später zu den für ihn gleichbedeutenden Begriffen „Okkultismus“ und (in seinem Sinne) „Geisteswissenschaft“ über.

Weitere Verwirrung schufen die Theosophen Annie Besant, Alice Ann Bailey, Franz Hartmann und Gottfried von Purucker sowie Dion Fortune, Mitglied des „Golden Dawn“. In ihren Veröffentlichungen verwenden sie je nach Lust und Laune die Wörter okkult, esoterisch, spirituell, mystisch, magisch, usw.

Die 1923 von der Theosophin Alice Ann Bailey gegründete Arkanschule besteht heute noch.

In Hannover gibt es seit ca. 1974 einen „Verlag Esoterische Philosophie“, der explizit als theosophisch deklariert ist, und u. a. Schriften von Purucker aus den 30er Jahren herausgibt.

 

 

New Age mischt alles auf

 

Erst die New-Age-Bewegung (1960-90) mischte die Szene gehörig auf.

 

Im Wesentlichen war New Age die Wiederentdeckung und Popularisierung der theosophischen Lehren. Nun wurden Sie öffentlich –  wie der Aberglaube.

Gegenüber der Theosophie war der Fokus jedoch viel mehr auf das Individuum und seine Selbstverwirklichung gerichtet.

Die wichtigsten Bezeichnungen für die Inhalte des New Age sind: Neues Bewusstsein, kosmisches Bewusstsein, Bewusstseinswandel, Transformation und ganzheitlich. Markenzeichen wurde das Wort „Spiritualität“. Es erlebte in den 80er Jahren einen geradezu inflationären Gebrauch.

 

Kritiker des New Age bezeichneten diese Bewegung gerne auch als „okkult“ (z. B. Richard Kriese: Okkultismus im Angriff. 1976).

 

 

Fünf Bedeutungen von Esoterik

 

Esoterik wird in fünf verschiedenen Bedeutungen gebraucht.

 

1.

Thomas L. Nichols, ein Pionier der Wasserkur (1850) und der Naturheilkunde (1875), veröffentlichte 1853 den Bestseller „Esoteric Anthropology“ (14. Auflage 1916; Reprint 1972). Der Titel kommt nicht von ungefähr. Mit seiner Frau war Nichols ein Verfechter der Emanzipation, der freien Liebe und der Spiritualität. Zusammen mit seinem nächsten Buch („Marriage“ 1854) löste er eine ganze Volksbewegung aus. „Dr. Nichols now found himself accepted as the prophet of a new age”, heisst es in einer Geschichte der freien Liebe.

 

2.

Seit Anna Bonus Kingford um 1880 das „Esoterische Christentum“ entdeckte, kann man gnostische Strömungen und Mystiker darunter fassen. Frau Kingsford gründete die „Hermetische Gesellschaft“, welche mit den Theosophen und dem Golden Dawn in engem Kontakt stand. Der Geistheiler Warren Felt Evans (1886), die Begründerin der Theosophie, Helena Blavatsky (1887/88), und ihre Nachfolgerin Annie Besant (1898) bemächtigten sich sofort des Themas.

 

3.

Etwa hundert Jahre lang (1875-1975) bezeichnete Esoterik die Lehre der Theosophen und Anthroposophen. Sie wurde auch „okkulte“ Lehre oder „Geheimlehre“ (d. h. nur für die „Eingeweihten“ bestimmt) genannt.

 

4.

Seit 1940 in Frankreich (aber recht selten), ab 1970 auch im angelsächsischen und deutschsprachigen Raum, dient Esoterik als Sammelbegriff für alle Strömungen, die vorher unter den Titeln Okkultismus, Geheimwissenschaften oder Aberglauben liefen - also auch die Parapsychologie und, je nach Laune, Theosophie und New Age, ja sogar das positive Denken (ab 1880) und Mentaltraining (ab 1970). Freilich werden auch die Begriffe Okkultismus und Geheimwissenschaften weiter gebraucht.

 

Der Okkultismus umfasst bei Agrippa von Nettesheim (1510) „nur“ Alchemie und Astrologie, Hermetik und Kabbala. Doch im Laufe der Zeit zählte man auch Magie und Mantik, Gnostik und Mystik, Naturheilkunde und Parapsychologie, indianische und schamanische Praktiken dazu.

Fast alles wurde aus kirchlicher Sicht als Aberglaube bezeichnet.

 

Dabei gibt es mehrere Möglichkeiten der historischen Darstellung.

Man kann bei den Höhlenbewohnern (Friedrich W .Doucet 1980; Bernard Vaillant 1983; Hans-Dieter Leuenberger 1985) oder bei Atlantis (Leni und Hermannn J. Dörr 1984; Ben Alexander Bohnke 1989), bei den ägyptischen Mysterien (Erik Peters 1986) oder um die Zeit von Christi Geburt (Antoine Faivre) beginnen.

Hernach kann man drei verschieden Entwicklungen sehen:

1.     Kontinuität bis heute (Leuenberger, Doucet, Vialet)

2.     Ein Neubeginn in Renaissance und Barock (Faivre)

3.     Eine späte Hochblüte in der Renaissance und ein Neubeginn um 1600 mit Rationalismus und später Aufklärung (Peters, Bohnke).

 

Die Wurzeln von New Age orten die meisten Autoren (z. B. J. Gordon Melton 1990) in der Theosophischen Gesellschaft.

 

5.

Zwischen diesen Bedeutungen wird „Esoterik“ für den „Weg nach innen“ gebraucht, unabhängig davon ob es dazu „Einweihung“ oder „Offenbarung“ braucht oder nicht. Der Sektenspezialist Georg Schmid („Im Dschungel der neuen Religiosität“ 1992) sieht in dieser Auffassung der Esoterik „die Liebe zum überall verborgenen inneren Geheimnis alles Wirklichen“. Sie wird von so verschiedenen Bewegungen wie Freimaurerei, „Analytische Psychologie“ C. G. Jungs und New Age vertreten.

Gerne werden für die dabei gewonnenen Erkenntnisse in einem sehr verallgemeinerten Sinn die Wörter spirituell, gnostisch, transzendent, mystisch oder metaphysisch gebraucht. (Diese Wörter stammen ursprünglich als Fachausdrücke aus dem Bereich der Philosophie und Theologie).

Für den Weg nach innen kann man sich heute wie in einem Selbstbedienungsladen allen „öffentlich“ gewordenen Geheimlehren oder „okkulten“ Praktiken bedienen. Unzählige selbsternannte Therapeuten, Schamanen und Gurus bieten ihre Unterstützung an. Der Markt für Kurse und Seminare, Beratungen und Sitzungen, Bücher und Hilfsmittel floriert.

 

 

Auch heute noch: Begriffsverwilderung

 

Leider wird heute noch viel Schindluder mit den Begriffen getrieben. So hat jüngst das Ehepaar Dahlke die erste Auflage ihres geschwätzigen Büchleins betitelt mit: „Okkultismus. Der Esoterik-Boom: Ursachen – Gefahren – Chancen“ (1990). Vier Jahre später erschien eine Neuausgabe desselben Büchleins unter dem Titel: „Die spirituelle Herausforderung – Eine Einführung in die zeitgenössische Esoterik“.

 

Ziemlich wirr verwandte auch der evangelische Pfarrer Friedrich-Wilhelm Haack (1965-91 Leiter der Abt. für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Ev.-Luth. Kirche in Bayern) die Begriffe, z. B.:

  • Geheimreligion der Wissenden. Neugnostische Bewegungen. 1966.
  • Rendezvous mit dem Jenseits. Der moderne Spiritismus. Spiritualismus und die Neuoffenbarungen. Bericht und Analyse. 1973.
  • Neue „Jugendreligionen“. 1974.
  • Hexenwahn und Aberglaube in der Bundesrepublik. Eine Dokumentation. 2. ed. 1976.
  • Die Fraternitas Saturni (FS) als Beispiel für einen arkan-mystogenen Geheimorden des 20. Jahrhunderts. 1977.
  • Wotans Wiederkehr – Blut-, Boden- und Rassen-Religionen. 1981.
  • Scientologie – Magie des 20. Jahrhunderts. 1982.
  • Hinduismus und Guruismus. 1982.
  • Satan – Teufel – Luzifer. Alter Aberglaube – neuer Satanskult. 1987.
  • Jugendspiritismus und –satanismus. 1988.

 

 

Einfache Definitionshinweise

 

 

Esoterik ist eine Auffassung der Welt und der Versuch einer Deutung, wie es je ganz anders und verschieden auch Religion, Kunst und Philosophie, die Mythen und Sagen, die Ideologien und die Wissenschaft betreiben.

 

Die Mysterien, und die Gnosis, aber auch Mystik und Theosophie sind historisch und inhaltlich ziemlich genau bestimmte kulturelle Erscheinungen im Bereich der praktischen Religionsausübung. Sie werden allerdings auch stets in der Geschichte der Philosophie behandelt.

 

Spiritismus, Spiritualismus und Spiritualität muss man scharf auseinanderhalten.

Spiritismus ist die Lehre von den Geistern, besonders Verstorbener, mit denen der Mensch in Verbindung treten möchte. (Im Englischen heisst die Lehre aber meist Spiritualism; daher ist auch in einigen deutschen Übersetzungen von Spiritualismus die Rede.) Heute spricht man von Parapsychologie.

Spiritualismus ist in der Philosophie das Gegenteil des Materialismus und in der Theologie eine gegen den Dogmatismus der Kirche gerichtete Lehre.

Spiritualität ist eine Weise der Lebensführung - ähnlich wie Gnosis, Mystik und Theosophie, aber mit weniger präziser Geisteshaltung.

 

Metaphysik ist ein Teilgebiet der Schulphilosophie.

 

Philosophia perennis wird seit ca. von Theologen, Philosophen und Psychologen ganz unterschiedlich gebraucht.

 

Transzendent und transzendental sind Begriffe der Schulphilosophie, besonders der Erkenntnistheorie.

 

Da die Alchemie oft auch als hermetisch (oder Arkandisziplin) bezeichnet wurde, bezeichnet man ihre spekulative Übernahme seit ca. 1700 – z. B. durch die Freimaurer - gerne als „hermetisch“.

 

 

II: Begriffsklärungen im einzelnen

 

Okkult, Okkultismus

 

Die Bezeichnung Okkultismus wird in mindestens drei Bedeutungen gebraucht:

1.     seit 1510 für Astrologie, Alchemie, Kabbala, Hermetik; manchmal gehören auch Magie (samt Hexenglaube und Aberglaube) und Mantik, Gnosis und Mystik, Heilkunde und Parapsychologie, indianische und schamanische Praktiken usw. dazu.

2.     seit ca. 1890 für die Erforschung parapsychologischer Phänomene

3.     seit ca. 1880 für den Einbezug östlicher Weisheiten und Techniken, insbesondere hinduistische und buddhistische Vorstellungen, durch die Theosophische Gesellschaft.

 

Der Theologe und Arzt Agrippa von Nettesheim hat sich in seinem Buch „De occulta philosophia“ (1510 handschriftlich; 1531 erstmals gedruckt) gegen Vorstellungen von niederem Zauber- und Hexenwesen abgesetzt, um die Weisheit des esoterischen Wissens – Astrologie und Alchemie, Kabbala und die hermetischen Traditionen – von dem Verdacht des schwarzmagischen Missbrauchs, des „Teufelsumgangs“ fernzuhalten (nach „Historisches Wörterbuch der Philosophie“).

 

Okkultistische und hermetische Freimaurerei

 

Recht ausführlich gehen Lennhoff/ Posner in ihrem Internationalen Freimaurer-Lexikon (1932) auf die okkultistische und hermetische Freimaurerei von ca. 1740-1800 ein. So arbeiteten etwa die „Elus Coëns“ (1761) des Martines de Pasqually okkultistisch. Über den Mystiker Willermoz ging manches in den Rektifizierten Schottischen Ritus ein. Ein Schüler von Pasqually, der Graf von Saint Martin, gründete den eher „gnostisch-esoterischen“ Martinistenorden (1775). Mit Alchemie und dergleichen befassten sich auch die „Philaleten“ (1773).

Das Ritual des AASR (1801) sei gestopft voll mit Hermetismen, insbesondere Alchemie und Kabbala, meint Alec Mellor („Logen, Rituale, Hochgrade“, 1967) und bezieht sich dabei auf den „Catéchisme“ des Barons von Tschoudy (1766) und Oswald Wirths „Symbolisme hermétique“ (1909).

Der freimaurerische Schriftsteller Jean-Baptiste Marie Ragon, der 1816 in Paris die Loge „Les Trinosophes“ gründete, schreib bereits eine Studie „L’Orthodoxie maçonnique suivie de la Maçonnerie occulte et de l’initiation hermétique“.

Vom Arzt und okkultistischen Schriftsteller Papus, der zahlreiche Orden, auch für Freimaurer, gründete, stammen die Untersuchungen „Traité élémentaire de Science Occulte“ (1888; dt.: Die Grundlagen der okkulten Wissenschaft, 1926), „Traité méthodique de Science Occulte“ (1891) und „L’occultisme et le spiritualisme“ (3. ed. 1911). Vom gebürtigen Schweizer Freimaurer Oswald Wirth stammt die einflussreiche Schrift „Le Symbolisme occulte de la Franc-Maçonnerie“ (1928 – mit Bezug auf Ragon).

 

Die Mitglieder der 1866 gegründeten „Societas Rosicruciana in Anglia“ (SRIA) beschäftigten sich mit dem Studium von christlicher, rosenkreuzerischer Kabbala, Astrologie, Alchemie, Theosophie, Talismanen und mystischen Zeichen.

Ein Mitbegründer des „Golden Dawn“ (1883) und enger Freund von Helena Blavatsky, Wynn Westcott, trat 1892 an die Spitze des Ordens. Der dubiose Freimaurer und Ordensgründer Theodor Reuss wollte die SRIA 1902 nach Deutschland verpflanzen, ohne Erfolg. Später soll Reuss die „Hermetische Bruderschaft des Lichts“ (1906) gegründet haben.

 

 

Zum Begriff Okkultismus

 

1. Die Bezeichnung Okkultismus taucht genau wie „ésotérisme“ um 1830-40 erstmals im Französischen auf - also vor den beiden oft genannten Autoren Baron de Potet und dem Freimaurer Eliphas Lévi. Lévi unterschied (1856) vier okkulte Systeme: Kabbala, Magie, Hermetik und Magnetismus. Er soll über 200 Schriften verfasst haben. Sie wurden reichlich u. a. auch von Helena Blavatsky geplündert.

Lévi löste – zusammen mit dem Spiritismus – mit seinen Schriften von 1840-65 eine richtiggehende okkulte Welle aus. In seinen Schriften verwandte er ziemlich unbekümmert die Wörter Okkultismus, okkulte Wissenschaft oder Philosophie, hermetische Magie, magische Mystik, Mysterien, Esoterik, transzendent, usw.

 

2. Siehe unter „Vom Spiritismus zur Parapsychologie“

 

3. Auch die Theosophen bemächtigten sich rasch des Begriffs.

 

Ein Signal setzte das Buch von A. P. Sinnett: The Occult World. 1881; dt.: Die okkulte Welt. 1896.

Im allgemeinen gebrauchte Helena Blavatsky den Begriff Okkultismus.

1898 gab Annie Besant aus nachgelassenen Schriften von Helena Blavatsky (gest. 1891) den dritten Band der „Geheimlehre“ heraus (I: Cosmogenesis; II: Anthropogenesis), und zwar unter dem Titel „Occultism“. (Die deutsche Übersetzung davon erschien 1919 unter dem Titel: „Esoterik“.)

 

Eine interessante Frage ist, wie weit die Ansätze von Helena Blavatsky und weiterer Theosophen einen Einfluss auf den Nationalsozialismus hatten. Nicholas Goodrick-Clarkes Klasiker „The Occult Roots of Nazism 1890-1935“, (Reprint 1985) erschien 1997 in deutscher Übersetzung.

 

 

Theosophie

 

Die Bezeichnung Theosophie wird in drei verschieden weiten Bedeutungen gebraucht:

 

1.     am allgemeinsten: „Mystische, unmittelbare Schauung und Erkenntnis Gottes, höheres Wissen um Gott und die Geheimnisse der Schöpfung“. Theosophen sind die Neuplatoniker (1. Jh. n. Chr.), Gnostiker (2. Jh. n. Chr.) und Mystiker (Eckart bis Böhme), ferner Swedenborg, Oetinger, Schelling.

2.     In einem engeren Sinne Jakob Böhmes Mystik, die u. a. vom Grafen (und Freimaurer) Louis Claude von Saint Martin aufgenommen wurde. Dazu gehört auch die „schwäbische christliche Theosophie“ (Friedrich Christoph Oetinger, ab 1731; mit Wirkung auf Hegel, Hölderlin und Schelling, auf Goethe und Franz von Baader sowie auf die Dichter Kerner und Mörike)

3.     Im engsten Sinne, was die Mitglieder der 1875 gegründeten Theosophischen Gesellschaft praktizieren. Ziel dieser Art ist „ Erkenntnis der wahren Menschennatur oder des göttlichen Wesens, das allem Dasein als Einheit zugrunde liegt“.

 

 

Gnosis, gnostisch

 

Die Gnosis ist eine ziemlich genau umrissene Bewegung in den ersten Jahrhunderten nach Christus. Es geht auch hier um „höhere Erkenntnis“, insbesondere Erkenntnis Gottes, des Göttlichen, der geistigen Welt.

Der monistische Typus hat sich bei Juden (Simon Magus) und Christen (Valentinus) mit Schwerpunkt in Ägypten und Rom ausgebildet, der dualistische vor allem bei den Persern (später: Manichäismus ab 3. Jh. und Mandäer).

Oft waren Mysterienkulte damit verbunden (Simonianer, Ophiten); wegen der sexualmagischen Praktiken spricht man auch von Sperma-Gnosis.

Die Schriften der Gnostiker, von denen die Lehre des Christentums (seit Clemens und Origenes) trotz aller Abwehr manches aufnahm, wurden seit etwa 400 systematisch vernichtet. Dennoch überlebte die Gnosis und wurde nach dem Jahr 1000 bei den Katharern und Albigensern zur gefährlichsten Rivalin der katholischen Kirche. Sie wirkte über Jakob Böhme (um 1600) und die Rosenkreuzer bis zur Anthroposophie.

 

Das Lexikon von Lennhoff/Posner ergänzt: „Im Mittelalter galten in erster Linie die Templer als Hüter gnostischer Überlieferung. Wie der Neuplatonismus, so beeinflusste die Gnosis stark die neuchristliche Form der Kabbala (bei Pico della Mirandola um 1460) und andere Systeme und insbesondere auch Reuchlin (1494) und Jakob Böhme und damit die Rosenkreuzer. Mit der Freimaurerei kamen gnostische Systeme im 18. Jahrhundert in Berührung, als christliche Mysterien in die Freimaurerei einsickerten... Die Gnosis wurde auch – zu Unrecht – herangezogen, um in der Zeit der maurerischen Verirrungen die Abstammung der Freimaurer von den Tempelrittern zu erhärten... gnostisch-esoterischen Kultus enthielt die Lehrart der Martinisten (um 1770). Auch bei Fessler (um 1800) sollte die höchste Stufe in einer vollständigen Geschichte der sogenannten maurerischen Gnosis die letzten Aufschlüsse geben.“

 

Seit 1890 wurden mehrere sog. „gnostische“ Kirchen gegründet:

Jules Doiniel gründete 1890 die erste, die Ecole Gnostique Universelle, später Eglise Catholique Gnostique. Sie tat sich schon 1893 mit den Martinisten unter Papus zusammen.

Mehrere ähnliche Kirchen wurden in der Folge gegründet

  • von den Theosophen die Liberal-Katholische Kirche (1916), zurückgehend auf eine Idee von Eliphas Lévi und inspiriert von Annie Besants „Esoterischem Christentum“
  • von den Anthroposophen die Christengemeinschaft (1922); ebenfalls auf Lévi zurückgehend
  • vom O: T. O. die gnostisch-katholische Kirche (1918); sie arbeitet in Ritual und Liturgie nach Unterlagen von Aleister Crowley
  • von Jan van Rijkenborgh, einem Anhänger der Heindel-Bewegung, die Bruderschaft Lectorium Rosicrucianum (1924).

Horst Miers verzeichnet noch zahlreiche andere gnostische Vereinigungen, die sich zum Teil „die Umbildung der Sexualkraft“ auf die Fahnen geschrieben haben.

 

 

Mystik

 

Das Wort kommt von griechisch „myein“ = „die Augen resp. Lippen schliessen“, um alle sinnliche Wahrnehmung auszuschalten und statt ihrer zur inneren, göttlichen Erleuchtung zu gelangen. Es bedeutet aber auch, den Mund schliessen, um den Uneingeweihten die Mysterien (ta mystika) nicht zu verraten.

Es gibt

1.     eine jüdische Mystik (Philon von Alexandria, Merkaba-Mystik, Kabbala, Chassidismus)

2.     eine christliche Mystik (Dionysius Areopagita, Bernhard von Clairvaux, Eckart, Böhme, Baader)

3.     eine islamische Mystik (Sufi) sowie

4.     eine protestantische Mystik (Franck, Schwenckfeld, Weigel).

Seit etwa 1900 spricht man auch von der fernöstlichen Mystik.

 

1906 gründete Rudolf Steiner für seine Anthroposophie einen "inneren Kreis": „Mystica Aeterna“.

 

Selbstverständlich wird „mystisch“ auch viel unspezifischer gebraucht:

 

 

Mysterien

 

Es ist in gewissen Kreisen viel von "ägyptischen Mysterien" die Rede. Das ist falsch. (Die Bezeichnung kommt aus dem Neuplatonismus: Jamblichos verfasste um 300 n. Chr. ein Werk unter diesem Namen.)

Es handelt sich dabei um Feste, die öffentlich waren. Geheim blieben einzig die Rituale der Priester-Kaste (W. Burkert, 44); z. B. der Gottes-Dienst im Heiligtum des Tempels (Casson, 78f).

Die griechischen Mysterien waren nicht so elitär, sondern volkstümlich. Sie bargen dagegen vitale Geheimnisse. Man kann sagen, es ging in ihnen um die Verwandlung, um das "Stirb und Werde". Die Mysterien waren Feste, an denen das "Geheimnis" mitgeteilt wurde.

Nach neuesten Forschungen sind die Mysterien von Eleusis der Modellfall für alle anderen. Sie sind seit etwa 600 v. Chr. bezeugt. Nur wenig jünger sind die dionysischen oder bakchischen Mysterien. Ihnen wurden nachgebildet die Mysterien der Meter (bekannter als Magna Mater oder Kybele), der Isis und des Mithras. Alle diese Kulte waren griechisch, auch wenn Kybele aus Phrygien stammt, Isis eine ägyptische Göttin und Mithras ein persischer Gott war.

Ausser beim Mithras-Zeremoniell, der ein Soldatenkult war, durften überall auch Frauen und Kinder mitmachen.

Den Isiskult schildert Apuleius im letzen Buch seines Romans "Der goldene Esel". Die Mysterien hielten sich, bis sie 391 vom Christentum verboten wurden.

 

Mysterien sind nicht zu verwechseln mit Mystik. Mysterien sind Geheimkulte, festliche Anlässe der Initiation von Menschen, und zwar solchen, die sich freiwillig dafür entschieden haben.

 

Rudolf Steiner schrieb seit 1902 immer wieder über Mysterien und hielt zahlreiche Vorträge zu diesem Thema. Er verfasste auch selber vier Mysteriendramen (1910).

 

Häufig wird „Mysterium“ auch in einem viel weiteren Sinne für etwas Rätselhaftes oder Wunderbares gebraucht. So trug die erste der vielen sog. „Verräterschriften“ der Freimaurerei den Titel: The Grand Mystery discovered“ (1724).

 

 

Aberglauben

 

Selbstverständlich waren die Okkultisten, Magier, Spiritisten und Esoteriker nie begeistert, wenn man sie des Aberglaubens bezichtigte.

Dabei ist Aberglauben ein altehrwürdiger Begriff, der schon seit dem 15. Jh. gebraucht wurde „zur Kennzeichnung desjenigen alten volkstümlichen oder übernommenen, vermeintlichen oder echten Erfahrungs-, Weisheits- und Glaubensgutes, das sowohl mit den theologischen als auch mit dem naturwissenschaftlichen Rationalismus nicht übereinstimmt“ (Hoffmeister).

 

Legendär wurde das zehnbändige „Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens“, hrsg. von H. Bächtold-Stäubli und E. Hoffmann-Krayer (1927-42; Reprint 1987), worin definiert wird: „Aberglaube ist der Glaube an die Wirkung und Wahrnehmung naturgesetzlich unerklärter Kräfte, soweit diese nicht in der Religionslehre selbst begründet sind.“

Gemäss Schmitts Philosophischem Wörterbuch von 1951 gehören dazu: Gespensterglaube, Kartenschlagen, Spiritismus, Okkultismus, Astrologie, Chiromantie sowie der Glaube an die magischen Kräfte gewisser Zeremonie, an Zauberei, Beschwörungen, Besprechungen, Hellsehen, Wahrsagen, Wunder, Amulette, usw.

Ganz ähnlich zählt Hans Biedermann in seinem Lexikon der magischen Künste (1968) dazu: Alp, Böser Blick, Elementargeister, Entsprechung, Hexenglaube, Mantik, Pentagramm, Talisman, Volksmedizin, Zaubersprüche.

 

Von dieser Zuordnung wollen freilich die neuen Esoteriker nichts wissen. In Marc Roberts Lexikon der Esoterik (1993) heisst es: „Die moderne Esoterik versteht unter Aberglauben wieder die alten heidnischen Vorstellungen und Bräuche, die vom Christentum unterdrückt wurden... In der Kräuterheilkunde, Edelsteinmedizin, Aromatherapie und Farbtherapie wird uraltes Menschheitswissen, das lange als Aberglaube belächelt wurde, neuentdeckt und zur Heilung genutzt.“

 

Anderseits stellt Wolfgang Hund im „Lexikon der Parawissenschaften“ (1999) fest: „Um die subjektive Seite und damit Werturteile  zu vermeiden, wird in neuerer Zeit meist von ‚Volksglaube’ gesprochen, der durchaus auch wahre Inhalte enthalten kann.“

 

 

Geheimlehre, Geheimwissenschaften

 

Seit dem 17. Jahrhundert wird der Begriff Geheimwissenschaften gleichbedeutend mit Okkultismus gebraucht.

In seinem berühmten Rosenkreuzerroman „Le Comte de Gabalis, ou entretiens sur les sciences secretes“ (1670) - manche sprechen von einer satirischen Novelle - führt Abbé de Villars vier fingierte Gespräche mit einem deutschen Kabbalisten, eben dem Grafen von Gabalis.

1786 veröffentlichte Johann Gottlieb Stoll: „Etwas zur richtigen Beurteilung der Theosophie, Cabbala, Magie und anderer geheimer übernatürlicher Wissenschaften“.

 

Seit ca. 1800 wurde das deutsche Wort „Geheimlehre“ für die jüdisch-mystische Kabbala gebraucht.

 

1877 veröffentlichte Helena Blavatsky „Die entschleierte Isis“. Darin behauptet sie, laut Hans-Dieter Leuenberger (117f), dass es seit jeher ein Geheimwissen gibt, das den gemeinsamen Kern aller grossen Weltreligionen und der wichtigsten philosophischen Systeme bildet.

1888 veröffentlichte sie ihr Hauptwerk: „The Secret Doctrine“ (dt.: „Die Geheimlehre“). Im Vorwort schrieb sie, dass der Titel gleichbedeutend sei mit dem „Esoteric Buddhism“ von A. P. Sinnett von 1883.

Der Freimaurer und Theosoph Franz Hartmann schrieb 1895 „Geheimlehre in der christlichen Religion nach den Erklärungen von Meister Eckhart“, 1898 „Geheimschulen der Magie und ‚okkulten Übungen‘“ sowie 1899-1900 zwei Bände „Populäre Vorträge über Geheimwissenschaft“. Ebenfalls 1899 gab er eine Kurzfassung von Helena Blavatskys Hauptwerk auf Deutsch heraus („Grundriss der Geheimlehre“).

 

1910 prägte der Theosoph Rudolf Steiner - der 1913 seine eigene Gesellschaft, die „Anthroposophie“ gründete - den Begriff „Geheimwissenschaft“ für seine Lehre, den er später durch die gleichbedeutenden Begriffe „Okkultismus“ und „Geisteswissenschaft“ (bereits 1906 gebraucht) ersetzte. Ohne Zweifel wollte er damit seine eigene Lehre derjenigen von Blavatsky entgegenstellen. Dahinter steht die Vorstellung, dass das esoterische Wissen in der Vergangenheit durch die „Arkandisziplin“ (= Pflicht zur Geheimhaltung) von einer Verbreitung in die Öffentlichkeit geschützt war und als „geheim“ gelten konnte (nach Marc Roberts).

 

Von 1916-46 wies das „Bibliographische Bulletin der schweizerischen Landesbibliothek“ die Rubrik auf: „Philosophie, Ethik, Geheimwissenschaft (sciences occultes).“

In der deutschen Bibliographie wird von 1956-80 unter „Esoterik“ stets auf „Geheimlehre“ verwiesen; erst ab 1981/85 ist „Esoterik“ ein eigenständiges Schlagwort.

 

 

Esoterisch, Esoterik

 

Zur Wortgeschichte

 

Das Wort „esoterisch“ stammt von den alten Griechen. Es war bis ca. 1700 nur im Bereich der Philosophie gebräuchlich, und zwar für die Schriften des Aristoteles. Sie wurden eingeteilt in exoterische (z. B. populär gehaltene Dialoge) und esoterische (Vorträge über schwierigere Themen). Gelegentlich bezeichnete man (seit Jamblichus) auch die Schüler und die Lehre des Pythagoras als esoterisch.

Die Unterscheidung von exoterischen und esoterischen Schriften blieb bis 1720 rein pädagogisch. Erst dann übertrug sie der Deist John Toland auf eine religiöse Ebene in seiner Schrift Tetradymos“, wo er die exoterische und die esoterische „Philosophie“ unterscheidet.

 

Ebenfalls wurde seit 1700 der Begriff allgemeiner gebraucht, und zwar in der Grundbedeutung „nur für die Eingeweihten bestimmt“. Im Englischen gibt es den Begriff „esoterick“ seit 1660, im Französischen „ésotérique“ seit 1752, im Deutschen „esoterisch“ seit ca. 1780 und im Italienischen „esoterico“ seit 1785.

 

Die weitere Entwicklung des Wortes verläuft in allen Sprachen zeitlich und bedeutungsmässig fast gleich.

 

1818 veröffentlichte der merkwürdige Professor Christian Ernst Wünsch eine zweibändige Schrift: „Esoterica oder Ansichten der Verhältnisse der Menschen zu Gott. Nebst neuen Erörterungen unserer heiligen Urkunden der Geschichte der Menschheit“. Und etwa zur selben Zeit schrieb der deutsche Philosoph Hegel: „Das Esoterische ist das Spekulative“.

 

Das Wort „ésotérisme“ taucht erstmals 1828 im Französischen auf und nicht viel später als „esoterisch“ (1835) und „esotericism“ (1846) im Englischen und als „esoterismo“ 1846 im Italienischen.

Einen wichtigen Gebrauch findet sich beim Freimaurer und Sozialisten Pierre Leroux im zweiten Band seines Werkes „ De l‘Humanité“ (1840).

 

Esoterik bei den Theosophen

 

In „Isis entschleiert“ (1877) verkündete Helena Blavatsky „die esoterische Lehre“.

1883 schrieb einer der Theosophen der ersten Stunde, A. P. Sinnett, das Buch „Esoteric Buddhism“ (dt.: Die esoterische Lehre oder Geheimbuddhismus, 1884), womit er die neue Lehre der Theosophischen Gesellschaft meinte.

Bereits 1884 erschien von Thomas Lake Harris in theosophischer Sicht: „The wisdom of the adepts. Esoteric science in human history“ (Reprint 1975).

1886 gründete Helena Blavatsky die ES, die „Esoterische Schule“, als innere Abteilung der Adyar-Theosophischen Gesellschaft.

Ab etwa 1890 bezeichnete Helena Blavatsky ihre Anhänger als „Esoteriker“ (allgemein = Eingeweihte in die Geheimnisse einer Religion, Lehre, Schule oder Sekte).

Der von Annie Besant 1898 herausgegebene dritten Band von Helena Blavatskys „Geheimlehre“ („Occultism“) erschien 1906 in deutscher Übersetzung unter dem Titel: „Esoterik“.

 

Einige Verwirrung schufen die Theosophen Annie Besant, Alice Ann Bailey, Franz Hartmann und Gottfried von Purucker sowie Dion Fortune, Mitglied des „Golden Dawn“. In ihren Veröffentlichungen verwenden sie je nach Lust und Laune die Wörter okkult, esoterisch, spirituell, mystisch, magisch, usw.

In Hannover gibt es seit 1974 einen „Verlag Esoterische Philosophie“, der explizit als theosophisch deklariert ist.

 

Das esoterische Christentum

 

Das „esoterische Christentum“ wurde um 1880 von Anna Bonus Kingsford „entdeckt“. Sie gründete die „Hermetische Gesellschaft“, welche mit den Theosophen und dem Golden Dawn in engem Kontakt stand. Ihr enger Freund Edward Maitland gründete nach ihrem frühen Tod (1888) 1891 die „Esoteric Christian Union“.

Doch es waren die Theosophen, welche die Idee weitertrugen. Helena Blavatsky hatte schon 1887/88 eine Studie über „The esoteric character of the Gospels“ publiziert. Ihre Nachfolgerin Annie Besant veröffentlichte 1898 mit ihrem „Esoterischen Christentum“. 1910 folgte Max Heindels „Weltanschauung der Rosenkreuzer“ mit dem Untertitel „ or occult christianity“ (engl.) resp. „mystisches Christentum“ (dt., 1913).

 

1963 wurden nachgelassene Schriften von Paul Sédir (gest. 1926) unter dem Titel „Esoterisches Christentum“ publiziert. 1967 schrieb Ernst Benz über „Esoterisches Christentum“. Und schliesslich spannte Gerhard Wehr in seinem „Esoterischen Christentum“ (1975) den Bogen von der Gnostik über Jakob Böhme bis Helena Blavatsky, Rudolf Steiner und C. G. Jung.

Seit 1985 gibt es ein Organ der Brüderschaft vom Christian Rosenkreuz (Kreuzlingen) mit dem Titel: „Das esoterische Christentum“.

 

Esoterik als Sammelbezeichnung

 

1940 erschien in Paris eine „Bibliotheca esoterica“ (Reprint 1975). Dieses bibliographische Handbuch verzeichnete 6707 französische Buchtitel zu Alchemie und Astrologie, Kabbala und Magie, Mystik, Hexerei, Spiritismus, usw. Dieses Werk markiert den Beginn einer neuen Verwendung des Begriffs Esoterik, nämlich als Sammelbezeichnung für alles, was früher unter Okkultismus oder Geheimwissenschaft oder Aberglauben lief. Freilich wurde diese Bedeutungsvariante in den ersten dreissig Jahren nur selten benutzt.

Dieser Gebrauch von Esoterik wurde erst seit 1970 im angelsächsischen Sprachraum und seit etwa 1980 im deutschsprachigen Raum aufgenommen.

 

Etwa Mitte der 80er Jahre begannen mehrere deutsche Taschenbuch-Verlage (z. B. Knaur, Heyne, Goldmann, Ullstein), spezielle „Esoterik“-Reihen herauszugeben.

 

Ein kleiner Bestseller wurde das Büchlein des reformierten Pfarrers (und Berner Freimaurers) Hans-Dieter Leuenberger: „Das ist Esoterik. Eine Einführung in esoterisches Denken und in die esoterische Sprache“ (Freiburg i. Br.: Bauer, esotera Taschenbuch 1985; 8. Auflage 1999). Ärgerlich ist, dass ungenau und unkritisch Gesichertes mit Legenden vermischt wird. Immerhin ist die Schilderung ausserordentlich breit; sie beginnt mit den Höhlenbewohnern, geht über die Gnosis und die Rosenkreuzer zu Helena Blavatsky und endet mit Gurdjieff und dem New Age.

 

 

Arkandisziplin, Arkanschule

 

„Disciplina arcani“ wurde schon im 17. Jahrhundert für christliche Riten gebraucht, zu welchen der Ungetaufte keinen Zutritt hatte, und zwar im Anschluss an die Geheimhaltungsgebote der antiken Mysterienkulte.

Als Arkandisziplin galt auch die Alchemie, weil sie nur mündlich von Lehrer auf den Schüler weitergeben wurde.

Emanuel Swedenborg nannte seine „Privat-Offenbarungen“: „Arcana coelestia“ (1749-56; dt. 1842-70).

 

Die Esoterische Schule der Theosophischen Gesellschaft sollte ursprünglich nach dem Buch eines Freundes von Helena Blavatsky, des englischen Hochgradfreimaurers John Yarker („The Arcane Schools“), Arkanschule heissen. Diese Idee griff später die Theosophin Alice Bailey auf. Sie gründete 1923 in New York die sogenannte Arkanschule als Übungsschule für Meditation. Diese Schule betrachtet sich als "magnetisches Zentrum" der gesamten Freimaurerei.

 

Alice Baileys Mann war Freimaurer. Vielleicht hat sie auf seinem Schreibtisch die seit 1904 erscheinende Monatszeitschrift der US-Hochgradfreimaurer, das in mehreren 100 000 Auflage erscheinende "New Age Magazine", gesehen. Der Schulleiter der Arkanschule in Genf war gleichzeitig Generalsekretär der Universellen Freimaurer-Liga.

 

Die Arkanschule existiert heute noch im Rahmen des 1922 gegründeten Lucis-Trusts.

 

 

Hermetisch, Hermetik

 

Hermetisch wird in einem engeren und in einem weiteren Sinne gebraucht.

Im engeren bezeichnet man damit die 17 Schriften des sog. „Corpus Hermeticum“( um 100 n. Chr. entstanden) sowie die Tabula Smaragdina.

Im weiteren Sinne bezeichnet man damit auch die Alchemie, denn eines der wichtigsten Sammelwerke alchemistischer Traktate erschien 1625 unter dem Titel „Musaeum Hermeticum“. Eine englische Übersetzung gab A. E. Waite 1893 heraus. (Sonst hiessen die Sammelwerke eher „Ars Chemica“ oder „Theatrum Chemicum“.)

Ein „Hermetisches ABC“, das 1778-79 erstmals erschienen ist, wurde immer wieder neu herausgegeben, z. B. 1921 und 1979.

Der italienische Baron Julius Evola beschreibt in seinem Buch „La Tradizione Ermetica“ (1931; dt.: „Die Hermetische Tradition“ 1989) nicht die Schriften des Hermes Trismegistos, sondern die Alchemie!

 

Hermes Trismegistos kommt bereits in dem für die Freimaurer wichtigen Cooke-Manuskript (um 1410) vor. Er gilt auch als Erfinder der Alchemie und der Magie, daher der Name „hermetische Kunst“ für die Alchemie, die in einer hermetischen Kette als Geheimlehre weitergegeben wird (nach Lennhoff/Posner). Seit 1740 ist viel Hermetisches in die Freimaurerei eingedrungen – man denke u. a. an den „Rite hermétique“ des Benediktiners Pernetty (1766). Ragon arbeitete 1818/19 an der Zeitschrift „Hermès, ou Archives maçonniques“ mit. Einflussreich wurde das Buch des gebürtigen Schweizer Freimaurers Oswald Wirth: „Le symbolisme hermétique dans ses rapports avec l’Alchimie et la Franc-Maçonnerie“ (2. ed. 1931). Von Wirth stammt auch eine Interpretation des Tarot: „Le tarot des imagiers du Moyen Age“, 1927.

 

Der 1883/90 gegründete „Golden Dawn“, nannte sich „Hermetischer Orden von der Goldenen Dämmerung“. Er nahm auch Frauen auf und wurde zu einer der einflussreichsten Strömungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Viele Mitglieder taten sich als populäre Autoren hervor, z. B. der für seine Deutungen des Tarot bekannte Arthur E. Waite (seit 1886), ferner Bram Stoker („Dracula“ 1886), Wynn Westcott (1887), Arthur Machen (1890), J. W. Brodie-Innes (1892), der Nobelpreisträger W. B. Yeats (Das Drama „Gräfin Kathleen“ 1892), Algernon Blackwood (1907), Gustav Meyrink ( auch Theosoph und Freimaurer; 1916), die bekannte Okkultistin Dion Fortune (1927) und Francis Israel Regardie (1935).

 

Im weiteren Sinn wird hermetisch gleich gebraucht wie okkult oder esoterisch.

 

 

Vom Spiritismus zur Parapsychologie

 

Spiritismus ist die Lehre von den Geistern, besonders Verstorbener, mit denen der Mensch in Verbindung treten möchte. Seit einem Spukereignis 1848 im Hause Fox bei New York breitete sich der Spiritismus explosionsartig aus.

Vermutlich gab ein Buch von Allan Kardec („Le livre des ésprits“, 1857 (engl.: „The Lives of the Spirits“) dem Gebiet den Namen. Vier Jahre später publizierte er: „Le Livre des médiums“ (engl. „Medium’s Book“). Daraus entstand eine ganze Bewegung, der Kardecism, insbesondere in Brasilien und den Philippinen. Seither spricht man auch von „Mediumismus“.

 

1882/4 wurden zur wissenschaftlichen Untersuchung dieser und anderer Phänomene (Telepathie, Telekinese, Materialisation – aber auch des sog. „tierischen Magnetismus“, von Hypnotismus, Schlafwandeln und Traum) in England und USA je eine „Society for Psychical Research“ gegründet.

 

Etwa seit 1890 verwendete man für diesen Bereich auch die Begriffe „Okkultismus“ und „Parapsychologie“ (im Französischen auch „Metapsychique“ – der Begriff Metapsychologie wurde 1837 von Görres geprägt.).

Eine Renaissance, ja einen richtigen Boom, erlebte die Parapsychologie – zusammen mit dem Begriff Psi – in den 70er Jahren.

 

1946 führten die beiden englischen Psychologen Robert Thoulness und W. P. Weisner die Funktion „Psi“ für das Gemeinsame an Aussersinnlicher Wahrnehmung (ASW, engl. Extrasensory Perception, ESP) und Psychokinese (PK) ein. Mit der Zeit wurde PSI immer mehr auch für allerlei andere Phänomene gebraucht.

Ein Bestseller wurde von Sheila Ostrander und Lynn Schroeder: „PSI“, 1970.

 

 

Grenzwissenschaften

 

Grenzwissenschaften“ wird in zwei ganz verschiedenen Bedeutungen verwendet. Entweder streng bezogen auf die Parapsychologie oder der Wortbedeutung nach auf alle Forschungsgebiete  „zwischen“ den etablierten Wissenschaften. Dazwischen liegt der „Buchhändler“-Begriff für alles, was nicht herkömmlichen Rubriken zuzuteilen ist.

 

 

Spiritualismus

 

Der Begriff Spiritualismus wird sowohl in der Philosophie wie in der Theologie gebraucht.

 

1.

Seit 1748 Lamettries „L’Home machine“, die „Bibel“ des Materialismus erschienen war, braucht man in der Philosophie den Begriff Spiritualismus als Gegenbegriff zum Materialismus. „Der Spiritualismus ist eine Form des ontologischen Monismus, tritt aber auch als eine Art des psychologischen (anthropologischen) Dualismus auf“, heisst es im Handwörterbuch der Philosophie.

Anlass zu Verwirrung gibt, dass im Englischen seit etwa 1870 meist „spiritualism“ für den Spiritismus gebraucht wird (z. B. bei W. Crookes).

 

2.

Der religiöse Spiritualismus ist eine gegen den Dogmatismus der Kirche gerichtete Lehre. Mehrere christliche Gemeinschaften vertreten die Auffassung, dass allein die unmittelbare Ergriffenheit des Einzelnen durch den Geist Gottes die Voraussetzung für ein authentisches Leben als Christ bilde. Im Zeitalter der Reformation (die „Schwärmer“ und der Mystiker Schwenckfeld) und danach (etwa im radikalen Pietismus, 1675, und bei den Quäkern) gehörten die Vertreter des Spiritualismus zu den Kirchenkritikern. Im starken Masse durch spiritualistische Frömmigkeitsformen geprägt sind die Pfingstbewegung (ab ca. 1900) und die „charismatische Bewegung“ (ab 1960, eine evangelikale Bewegung).

 

 

Spirituell, Spiritualität

 

1.

Spiritualität ist ein alter Begriff aus der christlichen Theologie und Philosophie und bezeichnet meist eine „geistige“ Ebene oder Seinsform im Unterschied zur körperlichen oder materiellen. Sofern „spirituell“ den Lebenswandel betrifft, soll dieser gemäss der Heiligen Schrift erfolgen und die „fleischlichen“ oder „animalischen“ Bedürfnisse unterdrücken.

Um 1700 findet sich der Begriff in einer Kontroverse (von Bossuet und Fénelon) über die Mystik, d. h. die neue „Spiritualität“ der französischen Quietisten. Mehrere Traktate bestimmen den „homme spirituel“ und die Spiritualität als Abwendung von äusseren Leben und Hinwendung zu Gott.

Erst seit 1900 wird der Begriff häufiger gebraucht. Spiritualität ist im Unterschied zur äusseren Erfüllung der (christlichen) Gebote und zur Befolgung der (religiösen) Riten das „innere“ religiöse Leben (L. Bouyer: Einführung in die Christliche Spiritualität. 1965; Ch. Schütz, Ed.: Praktisches Lexikon der Spiritualität. 1988).

Vielfach wurde Spiritualität gleichbedeutend mit „Frömmigkeit“ gebraucht, es klingt vornehmer.

Neuere Definitionsversuche habe u. a. Hans Urs von Balthasar (1960) und Josef Sudbrack S. J. (ab 1966) unternommen. Um dem Zeitgeist gerecht zu werden, müsste die Theologie heute nicht mehr dogmatisch, sondern „spirituelle Theologie“ sein (Th. Sartory, 1967; J. Weismeyer, 1975).

 

2.

Die Theosophen brauchten bereits „spirituell“ in einem aussser-christlichen Sinn, d. h. auf ihre Lehre zugeschnittenen Sinn, z. B. Rudolf Steiner in einem Vortrag (1903/4), Annie Besant („The spiritual life“, 1912) und Alice Ann Bailey („Spiritual Leadership“, 1922).

 

3.

Die New-Age-Bewegung nahm in den 60er Jahren diese theosophische Bedeutung wieder auf und verhalf ihr zum Durchbruch, zuerst in den USA, dann auch in Europa.

 

1967-1971 entstanden hauptsächlich in Kalifornien, aber auch in Neu England, zahlreiche sog. „spirituelle“ Gemeinschaften, z. B. Zen-Klöster, Lama-Foundation, Ananda-Gemeinschaft und das Agro-Labor New Alchemy.

Die ersten Führer und Adresslisten erschienen schon recht früh, z. B. der «Spiritual Community Guide» 1972 und Peggy Masons «New Age Companion» 1975. Letzteres Verzeichnis bietet einen frühen Hinweis darauf, dass sich die unzähligen Gruppen und Kommunen langsam als «New Age Movement» zu betrachten begannen.

Die wichtigsten Bezeichnungen für die Inhalte des New Age sind:, Neues Bewusstsein, Kosmisches Bewusstsein, Bewusstseinswandel, Transformation, ganzheitlich und –absolut zentral: „spirituell“. Das Wort „Spiritualität“ erlebte in den 80er Jahren einen geradezu inflationären Gebrauch.

 

Beste und genaueste Information bietet die «American Encyclopedia of Religions» (1987); sie verzeichnet über 300 Gemeinschaften spiritualistischer und okkulter Art - bis hin zu Hexen- und Satanskulten.

 

Aus den Bemühungen um ganzheitliche Medizin entstand z. B. die „Kunst des spirituellen Heilens“ (1984), wobei der Autor Keith Sherwood auf die Hermetischen Prinzipien zurückgreift. Weibliche Heilkunst beruft sich auf Diane Steins „Women’s Spirituality Book“ (1987).

 

Es gibt Autoren, die fassen unter „spirituelle“ Techniken: Yoga, Meditation, Mantra, rituellen Tanz, Psychedelik etc.

 

 

New Age

 

Sergius Golowin meinte 1980, das Wort «New Age» sei in den vergangenen 20 Jahren unter den «jungen Suchern», irgendwo zwischen Kalifornien und Katmandu, geboren worden. Weit gefehlt! Es kommt ausgerechnet aus der von ihm als «spiessbürgerlich» bezeichneten Zivilisation des 19. Jahrhunderts.

Schon Lessing hoffte 1777: «Sie wird gewiss kommen, die Zeit eines neuen ewigen Evangeliums.»

Als Zeitschriftentitel war «Die neue Zeit» seit 1830 resp. 1846 beliebt; seit 1915 erschienen die Deutschen Evangelischen Volkshefte unter dem Titel «Das neue Zeitalter».

Die englische Bezeichnung «New Age» taucht ebenfalls um 1840 als Titel von religiös orientierten Zeitschriften in den USA und in England auf.

Seit 1865 trägt das Organ der Odd Fellows, eine in San Francisco erscheinende Wochenzeitung, diesen Titel, seit 1904 die auflagenstarke Monatszeitschrift der amerikanischen Hochgrad-Freimaurer.

 

Die Theosophin Alice Ann Bailey sprach häufig von „New Age“. Ihr Mann war Freimaurer.

 

Die 1962 im Norden von Schottland gegründete Findhorn-Gemeinschaft machte «New Age» seit Anfang der 70er Jahre als Begriff erneut bekannt. Ein weiterer Markstein der New-Age-Bewegung bildete die Gründung des Esalen-Instituts bei Big Sur 1962. Um 1990 verebbte die Bewegung.

 

 

Transzendent, transzendental, Transzendenz

 

Diese Begriffe gehören primär in das enge Gebiet der Schulphilosophie. Sie kommen aus dem Griechischen und bedeuten: „etwas übersteigend“. Seit Kant haben sie eine präzise erkenntnistheoretische Bedeutung.

 

Transzendent bedeutet dreierlei:

1.     es übersteigt die Erfahrung

2.     es übersteigt jede mögliche Erkenntnis (z. B. das absolute „An sich“ der Wirklichkeit)

3.     es übersteigt das menschliche Bewusstsein (z. B. das relative „An sich“ der Dinge und die „objektive“ Sphäre der Existenz)

 

Transzendenz heisst zuerst der Vorgang des Übersteigens der Grenzen der Erfahrung, der Erkenntnis oder des Bewusstseins, dann aber auch das Ziel des Vorgans: das Übersinnliche, Absolute, Gott.

 

Transzendental bedeutet nicht etwas, das alle Erfahrung übersteigt, sondern umgekehrt, was ihr vorangeht. „Transzendental“ betrifft also die „Bedingungen der Möglichkeit“ der Erfahrungserkenntnis. Das transzendentale Bewusstsein ist, rein logisch, ein Inbegriff apriorischer Formen und Geltungen als Bedingung aller Erkenntnis und deren Objekte.

 

Transzendentalismus ist der Standpunkt des transzendentalen Idealismus, in den USA eine Art idealistische Metaphysik, z. B. bei Emerson („Nature“, 1836). Man spricht auch von den Transzendentalisten.

 

Alle diese Begriffe werden auch sehr frei gebraucht. So wurde etwa Eliphas Lévis Buch „Dogme et rituel de la haute magie“ (1854-56) auf Englisch (1896) und Deutsch unter dem Titel „Transzendentale Magie“ angeboten.

Maharishi Mahesh Yogi führte 1958 im Westen die „Transzendentale Meditation“ als „Wissenschaft vom Sein und der Kunst des Lebens“ ein.

 

 

Metaphysik, metaphysisch

 

Metaphysik hat im Prinzip mit allem bisher Beschriebenen gar nichts zu tun. Sie ist das Kerngebiet der Philosophie. Und Philosophie versucht, möglichst rational, mit Denken und Schliessen in die Geheimnisse der Welt vorzudringen. Hegel hat Philosophie definiert als „Anstrengung des Begriffs“.

 

Das Wort hat folgende Geschichte: Ursprüngliche Bezeichnung der in der Sammlung des Aristoteles „nach der Physik“ (meta ta physika) stehenden Bücher, die von der „Ersten Philosophie“ oder der „sophia“ handelten. Die Neuplatoniker deuteten den Ausdruck dahin, dass ihr Gegenstand „das, was über die Natur hinausgeht“, oder das „hinter der Natur“ als deren Ursache Liegende und die eigentliche Wirklichkeit sei.

Metaphysik ist ein Teil der Schulphilosophie und zerfällt in die Lehre vom Seienden (Ontologie), vom Wesen der Welt (Kosmologie), des Menschen (philosophische Anthropologie) und von der Existenz und dem Wesen der Gottheit (Theologie).

 

In einem allgemeinen Sinne wird „Metaphysik“ und „metaphysisch“ freilich auch verwendet, es bedeutet dann etwa „über alle Erfahrung hinausgehend, transzendent“.

Nach dem Psychologen Wilhelm Wundt (1885) sind metaphysisch „Annahmen, die irgendwie hypothetische Ergänzungen der Wirklichkeit sind“, Theorien, die irgendein empirisch gegebenes Verhältnis über alle Grenzen der Erfahrung hinaus erweitern.

 

 

Philosophia perennis

 

Der Begriff wurde 1540 von A. Steuco (Steuchus Eugubinus) durch seinen Buchtitel „De perenni philosophia libri X“ geprägt, und zwar zur Bezeichnung „derjenigen Grundwahrheiten, die bei allen Völkern zu allen Zeiten vorhanden sein und zusammen die eine Wissenschaft aus dem einen Prinzip (Gott) ausmachen sollen ...

Der Ausdruck wurde im Zuge der Rehabilitierung des theologischen Rationalismus Thomas von Aquins von katholischer Seite aufgegriffen (ca. 1880) und bezeichnet seitdem allgemein das von einem festen Bestand philosophischer Dogmen ausgehende Denken ...

 

Neben dieser Deutung gibt es andere neuere Auffassungen der Philosophie, die man als ‚philosophia perennis’ bezeichnet oder bezeichnen könnte, z. B. als Problemdenken (N. Hartmann), als Gespräch der wenigen grossen Philosophen miteinander über die Zeiten hinweg (Jaspers) oder als das wache kritische Bewusstsein über die ewige Flut dunkler und heller Bilder, die aus der Tiefe der Seele aufsteigen’ (Rothacker)“ (Hoffmeister).

 

Aldous Huxley (1945) verstand unter Philosophia perennis „die Metaphysik, die von einer der Welt der Dinge, des Lebendigen und des Geistes innewohnenden göttlichen Wirklichkeit ausgeht; die Psychologie, die in der Seele etwas findet, das der göttlichen Wirklichkeit gleicht oder gar mit ihr identisch ist; und die Ethik, die des Menschen Bestimmung in der Erkenntnis des immanenten und transzendenten Grundes allen Seins sieht“.

 



Return to Top

Home

E-Mail



Logo Dr. phil. Roland Müller, Switzerland / Copyright © by Mueller Science 2001-2016 / All rights reserved

Webmaster by best4web.ch