Home Plädoyer für die Frauenbildung

 

 

Der Freymäurer.

 

Seiten 154-160

 

Das zwanzigste Stück.

 

Leipzig, Sonnabends, den 17 May 1738.

 

            Elementa velint vt discernere prima.

 

Horat.

 

Mein Herr,

 

Sie haben schon vieles von dem angenehmen Geschlechte erinnert, so, daß sich manches Frauenzimmer daraus etwas zur Warnung und zum Unterrichte nehmen kann: Allein Sie werden vermuthlich noch öfters Gelegenheit bekommen, desselben in ihren Blättern zu gedenken. Was läßt sich nicht von dem Frauenzimmer sagen? Ich will Ihnen doch meine Einfälle, auf welche ich dabey gebracht worden bin, hiermit bekannt machen. Vielleicht finden Sie etwas darinnen, welches Sie für gut halten, der Welt wissen zu lassen.

 

Das weibliche Geschlechte hat unter den Menschen den größten Vorzug, und derjenige muß ein erschrecklicher Sauertopf seyn, der ihm selbigen abstreiten wollte. Wenn es Verstand, Artigkeit und Sitten in seinen Handlungen zeiget: So kann es dadurch sein Recht in die größte Sicherheit setzen. Darinnen aber versehen es viele, oder es wird mit ihnen so gleich in der ersten Jugend versehen, daß sie Mühe haben, auch nur die allgemeinen Vortheile des Vorzugs zu behaupten. Man versäumet sie, ihre Gemüths- und Seelenkräfte recht zu gebrauchen.

 

Es ist bekannt, daß das Frauenzimmer vornemlich zur Erlernung häuslicher Geschäffte erzogen werden solle; wenigstens hört man diese Regel sehr fleißig einschärfen. Dieses ist auch sehr löblich, weil es mit der Zeit die schwere Last des Hauswesens über sich nehmen muß. Das weis ich aber nicht, wie man den Personen des schönen Geschlechts, zumal wenn sie Fähigkeit und Witz besitzen, das Recht absprechen will, sich solchen Lehrern anzuvertrauen, welche ihnen nicht allein die ersten Gründe der Weisheit, sondern auch von unterschiedenen andern Künsten die nöthigste Erkenntniß beyzubringen suchen würden.

Eine junge Person des zärteren Geschlechtes hat ja eben sowohl fünf Sinne von dem Schöpfer erhalten, als ein Knabe, welcher der Aufsicht seines Meisters übergeben wird. Es fehlt ihr auch an der Urteilskraft nicht. Man darf nur in Gesellschaften auf ihre Gespräche Achtung geben; es wird niemand, auf welchen sie zu reden kömmt, so glücklich seyn, daß er ihren Urtheilen entgehen könnte. Wie sollte es ihr also daran fehlen? Das Unglück dabey ist nur, daß sie nicht selten sehr übel urtheilen wird.

 

Haben Frauenzimmer aber Sinne und Verstand: So sehe ich nicht, warum sie nicht sollten angewiesen werden, sowohl als die Mannspersonen Künste und Wissenschaften zu erlernen. Die Anführung kann so klug eingerichtet werden, daß nicht die geringste Hinderniß daraus entstehet, sie dabey zur Wirthschaft, zum Nähen und Stricken und andern weiblichen Verrichtungen zu erziehen. Was kann liebenswürdigers gefunden werben, als ein vernünftiges Frauenzimmer, welches um desto höher geschätzt wird, je seltner man eine solche Seele antrifft, die sich der weiblichen Einfalt zu entreißen suchet?

 

Die Hauptursache, warum man so viele ungeschickte Töchter findet, ist wohl in der Nachläßigkeit der Aeltern zu suchen, die sich gemeiniglich um ihre Kinder am allerwenigsten bekümmern. Sie haben entweder selbst nicht Geschicklichkeit genug, die natürlichen Fähigkeiten zu prüfen; oder sie wollen sich von andern nicht rathen lassen.

Lucilla ist zwar neidisch, wenn man die belesenen und gesitteten Töchter der klugen Crispinen in Hochachtung zieht: Sie vergißt aber dabey, sich zu erinnern, daß sie ihre Töchter auf gleiche Art erziehen lassen könnte. Es fehlet ihr weder am Verstande, noch am Vermögen, die nöthigen Unkosten auf der. selben Unterricht zu verwenden: Allein sie denkt, wie viele Mütter ihres gleichen:

„Studiren gehöret für die Söhne, die müßen dereinst ihr Brodt damit verdienen. Was hilft es einem Mädchen, wenn es sich in Erlernung der Wissenschaften noch so viel Mühe giebt, es wird ihm doch niemals so einträglich belohnt, als dem männlichen Geschlechte? Man läßt es weder Beichte sitzen noch Urthel [!] sprechen.

Was hat es auch mehr davon, als das Bißchen Ruhm: Die hat auch studiret, sie hat viel Bücher gelesen; dazu der unhöfliche Herr Klotz noch setzt, die ist auch über dem Dichten eine Närrinn geworden?

Ob man meine Töchter in diesem Falle rühmt oder nicht, sie bekommen doch wohl Männer; genug, wenn sie mir nur nicht über dem Halse bleiben; ein dummes Frauenzimmer ist die beste Frau.“

 

Das ist alles wahr, was Lucilla und ihre Frau Schwester denken, bis auf das letzte. Es taugt aber zu keiner gültigen Entschuldigung. Es ist ein großer Unterschied unter gelehrt seyn, und mehr wissen, wie man seinen Verstand und Willen bessern kann, als man aus der bloßen Erfahrung lernet. Nach dem Ruhme der Gelehrsamkeit, in dem genauesten und eigentlichsten Verstande, zu streben, hat ein Frauenzimmer nicht Ursache; das andere aber machet ihr Vortheil und Ansehen genug, wenn sie es weit darinnen gebracht hat. Poesie, Beredsamkeit, Sprachen, Vernunft- und Sittenlehre, die Hauptgründe der Weltweisheit, Historie, das sind Dinge, um welche sich, außer der gründlichen Erkenntniß der Religion, ein Frauenzimmer mit großen Nutzen bemühen kann; sich aber, wie Laura Baßi, in der Zergliederungskunst sonderlich hervorthun, hieße, die Sache ein wenig zu weit treiben. Eine ist zur Seltenheit hierinnen schon genug.

 

Allein wenn es auch seine Richtigkeit hätte, daß es etwas Ueberflüßiges wäre, ein Frauenzimmer zu Wissenschaften anzuführen: So ist es doch unverantwortlich, daß viele so gar in den ersten Regeln der Schreibekunst höchstunwissend sind. Man sollte sich nicht einbilden, daß diejenigen, welche doch den Unterschied der Kartenblätter so wohl wissen, weder buchstabiren noch die Sylben gehörig unterscheiden können.

 

Ich habe mich neulich über die Verfasserinnen zweener Briefe recht geschämt, die alle Hochachtung, auch bey dem geringsten Schüler, verliehren würden, wenn sie nach der Vollkommenheit ihrer Rechtschreibung, und nicht nach den Adrienen, Lackeyen, Kutsche und Pferden hochgeschätzt werden müßten. Weil ich die Namen verschweige: So kann ich die Briefe hersetzen.

 

Hochadler Harr.

erkandichen Se sich dog ob heyde meyn Bachder bei dem kerigts Halder kewessen, und denzelben uff den Freutag Kerigtstog su halten pes tellthad, ig Gabe mig son dersu besickt gemagt, ig werte for dieze Bemügung ferpunten bleiben und mig wieter pfänten lassen als etc.

 

Meyn harr

ig hobe bei dem Gauffmann em pluen Mengel einen Wegsel zou ergalden, wulden sei wuhl denenselpgen vor mech hegen sou woülle ig daz Kelt met der arsten Bust ergarten ond for dei Bemoguug dungpar sin.

 

Da diese Briefe einer Uebersetzung vonnöthen haben: So will ich sie sogleich darzu sehen.

 

Hochedler Herr,

Erkundigen Sie sich doch, ob heute mein Pachter bey dem Gerichtshalter gewesen, und denselben auf den Freytag Gerichtstag zu halten bestellt hat. Ich habe mich schon dazu geschickt gemacht. Ich werde für diese Bemühung verbunden bleiben, u. mich wieder finden lassen als etc.

 

Mein Herr,

Ich habe bey dem Kaufmann im blauen Engel einen Wechsel zu erhalten, wollten Sie wohl denselben für mich heben: So wollte ich das Geld mit der ersten Post erwarten, u. für die Bemühung dankbar seyn.

 

 

Waren diese Meisterstücke einer unrichtigen Schreibart aus einer gemeinen Feder geflossen: So hätte ich mich dabey nicht aufgehalten. Da sie aber aus vornehmen Häusern stammen: So habe ich mich bey dem Anblicke dieser verunstalteten Worte fast in etlichen Tagen nicht erhohlen können. Und ich glaube, ich wäre darüber gar in eine Tiefsinnigkeit gefallen, wo mich nicht einige lustige Einfälle davon zurück gehalten hätten. Ich gerieth darauf, wenn ich bedachte, was daraus entstehen könnte, wenn die Worte, Heyde, kerigts Halder, pfänten, unrecht verstanden würden.

 

Auf wen hat man nun hierbey die Schuld zu schieben? Ich bin ungewiß, ob man sich mehr über ihren Informator, oder über ihre Aeltern erzürnen soll. Der erste kann es zuweilen aus Nachläßigkeit versehen haben; weil er sich mehr darum bekümmert, in dem Hause, wo er ist, versorgt zu seyn, als für den Unterricht der Kinder zu sorgen. Er geräth zu der Zeit nicht auf die Gedanken, daß man dereinst fragen wird, wer derjenige gewesen, der die unschuldigen Kinder so schrecklich versäumet hat.

Das meiste hat man wohl bey diesem Fehler den Aeltern beyzumessen. Ich wollte gewiß um was großes wetten, daß unter hundert Aeltern nicht zehne eines so edlen Gemüthes sind; (es giebt ihrer aber noch) daß sie den Informator nach ihnen, als die vornehmste Person in dem ganzen Hause ansehen sollten, den sie deswegen vor allen andern zu ehren Ursache hätten, weil er den Grund zu der Glückseligkeit ihrer Kinder leget. Der größte Haufen hält ihn für den geringsten im Hause, und da er ihm also auch den schlechtesten Lohn giebt, so ist vielmals die Nachläßigkeit des Lehrmeisters eine natürliche Strafe unvernünftiger Aeltern.

 

Was herrschen auch nicht für Vorurtheile bey der Erziehung, sonderlich der Töchter? Der liebe Papa denkt, es sey schon genug, wenn das Töchterchen nur schreiben könne; ob es zierlich oder schlecht, richtig oder unrichtig geschehe, daran liege nichts. Die weichherzige Mama verzärtelt vollends das liebste Töchterchen. Sie bindet es dem Herrn Informator aufs nachdrücklichste ein, seine Schülerinn ja nicht zu zwingen, weil sie nur zur Lust und zum Zeitvertreibe in die Schule geschicket würde. Nöthiget ihm das leichtfertige Ding zuweilen ja etliche harte Worte, oder nach Befinden, gar eine empfindliche Strafe ab, mein Gott! was für gräßliche Gesichter giebt es da, und da soll der Kerl (denn das ist der gewöhnliche Titel des Informators) den Augenblick zum Teufel gehen. Bey solchen Umständen kann man den Fehler der Versäumniß nicht wohl auf die Rechnung desjenigen schreiben, welcher den Unterricht gegeben hat.

 

Ist die liebe Tochter erwachsen, so freut sich die glückliche Mama, wenn sie die nöthigsten Eigenschaften einer wohlgesitteten, oder doch die gewöhnlche [!] Mode Aufführung besitzt. Die bestehet in einer gelösten Zunge, zweydeutigen Augen, höhnischen und stolzen Geberden. Eine solche vornehme aber doch ungescheide Mutter verräth dadurch ihre einfältige Einsicht in die Handlungen wohlgesitteter Frauenzimmer. Trifft sie ihres gleichen an, so sieht man eine rechte Gesellschaft der Schwätzerinnen beysammen

 Hierbey frage ich alle vernünftige Kenner menschlicher Gesellschaften, ob es einem klugen und verständigen Menschen zu verdenken sey, wenn er sich, bey dergleichen plauderhaften und unnützen Gesprächen, nicht enthalten kann, unzähligemal zu gähnen, oder aus der Gesellschaft durch ein kluges Nachdenken über andere Sachen zu gehen, wenn er auch dem Leibe nach zugegen seyn muß.

 

Und wie sollte auch wohl die geringste Lust zu einiger Wissenschaft entstehen, wenn die sich selbst klugdünkende Florinde in Gegenwart ihrer Töchter, wohl gar in die Worte ausbricht:

„Daß ich nicht mein Kind durch die Gelehrsamkeit verderben, und sie etwan in dem närrischen Versmachen unterrichten ließe, damit sie noch vor dem vierzehnten Jahre ein Haasensaft würde. (Denn um die Zeit mag sich bey ihrer Tochter die lustige Verwandlung anfangen.) Da will ihr auch ein und der andere gute Freund Anweisungen in der deutschen Sprache geben, als wenn sie es nicht von mir und unsern Leuten im Hause lernen könnte. Nein das lasse ich nicht zu.“

 

Ich beklage alle diejenigen, welche ihr geschicktes Naturell und ihr edles Feuer auf eine so gewaltige Weise in sich selbst ersticken müssen. Diejenigen sind hingegen glücklich zu preisen, die noch, auch bey erwachsenen Jahren, auf den rechten Weg des Erkenntnisses und der Weisheit, entweder durch mündlichen Unterricht, oder aus fleißiger Lesung wohlgeschriebener Bücher, am meisten durch ein ordentliches Nachdenken gerathen, die sich in der Vernunft und Sittenlehre, sonderlich in der Erkenntniß ihrer selbst, unermüdet üben, und durch allerhand Proben versuchen, wie weit sie es in einem so nützlichen Unternehmen bringen können.

Unsere Zeiten weisen bereits, daß es einem Frauenzimmer auch nicht unmöglich sey, Ruhm und Ehre durch ihr Wissen in der Welt zu erlangen.

 

Viele versehen es aus einem eitlen Ehrgeize dabey, da sie etwas nachahmen wollen, wozu sie doch weder Witz noch Verstand genug besitzen. Sie schreiben, bey allen sich ereignenden Gelegenheiten, in den Tag hinein, nur damit man etwas von ihrem Namen in der gelehrten Welt wissen möge, es mag nun zu ihrer Ehre oder zu ihrem Nachtheile gereichen. Von Gedanken und vom Ausdrucke wissen sie von einem so viel als von dem andern; und sie machen es bey ihren Schriften, wie bey ihren Gesprächen. Was ihnen zuerst einfällt, das sagen sie zu erst heraus, es mag wahr oder falsch seyn, sich schicken oder nicht.

Wie man sich die Mühe genommen, von den elenden Scribenten etwas in die Welt zu schicken, so möchte man auch bald von den elenden Scribentinnen etwas aufsetzen.

 

 

Es ist gut, meine Herren, daß ihre Gesetze es nicht zu geben, ein Frauenzimmer in ihre Gesellschaft aufzunehmen. Die meisten können so wenig das Plaudern als das Lästern unterlassen. Sie aber lieben die Verschwiegenheit, und sehen sie als eine Haupteigenschaft ihrer Mitbrüder an. Was für eine Last würden sie dem weiblichen Geschlechts dadurch auflegen, wenn sie dasselbe unter dieser Bedingung in ihre Versammlung einnehmen wollten? Da würde sich die Schwachheit zu erst, und am deutlichsten zeigen, die man ihm so gerne vorwirft.

Ich wollte wünschen, daß man doch ein bewährtes Mittel erfinden könnte, viele des angenehmen Geschlechts vom Schreiben abzuhalten, und daß man sie hingegen bloß antriebe, gute Schriften zu lesen. Wenig sind fähig, etwas taugliches hervorzubringen; die es aber zu thun im Stande sind, sollen hierdurch nicht abgeschrecket werden. Hierbey fällt mir eine gewisse Fabel ein.

 

Der Seydenwurm wurde durch das Zwitschern einer Schwalbe verleitet, derselben aufmerksam zuzuhören. Je fleißiger sie dieses that, desto mehr Lust empfand er daran. Die Schwalbe merkte dieses, und fuhr damit fort, machte es auch so schön, als sie nur immer konnte. Endlich fragte sie den Seydenwurm, woher diese Aufmerksamkeit bey ihm entstünde. Er gab zur Antwort: Aus der Artigkeit ihrer Stimme. Wie? versetzte die Schwalbe, mein Zwitschern sollte dich aus deiner Trägheit ermuntern? Du bist ein so schönes, ein so edles, zärtliches und nützliches Geschöpfe; wie solltest du dich an mir vergnügen, da du so viel Gutes an dir hast?

Der Seydenwurm ließ sich dadurch nicht abhalten, die Schwalbe zu bitten, ihn zu ihrem Schüler anzunehmen. Sie schlug es damit ab: Daß er schon wegen seiner ihm eignen Vortrefflichkeiten liebenswürdig sey. Der Seydenwurm blieb auf seinem Vorsätze, und überwand die Schwalbe, ihm Unterricht zu geben. In kurzer Zeit merkte der Seydenwurm seine Ungeschicklichkeit, und wurde in seinem Fleiße matt. Der Schwalbe verdroß dieses, und sie flog davon, nachdem sie ihm dieses zur Lehre hinterlassen: Man muß nichts unternehmen, wozu man nicht geschickt ist, dasjenige aber lernen, wozu man Kräfte hat, und durch seinen Stand verpflichtet ist.

R.

 

 

Ich habe diesen Aussatz meinen Lesern um so viel lieber mitgetheilet, weil er selbst von der Hand eines Frauenzimmers kömmt, wie ich solches aus verschiedenen Umständen schliessen kann. Die geschickte Verfasserinn desselben hat eine Materie erwählet, die bereits vielen vernünftigen Personen zu eifern Anlaß gegeben. Man beliebe nur die Tadlerinnen nachzusehen: So wird man finden, wie daselbst hin und wieder dieses Vorurtheil bey Erziehung der Töchter bestritten worden. Sie haben es bald mit ernsthaften, bald mit satirischen Waffen angegriffen. Sie theilen auch in ihrem 23. Stücke gleichfalls einen solchen unrichtig geschriebenen Brief mit, dergleichen wir auf diesem Blatte ein Paar zu lesen bekommen haben, um die Aeltern zu bewegen, ihre Töchter auch im Rechtschreiben unterrichten zu lassen.

 

Allein diese Unart ist dadurch noch nicht ausgerottet. Sie hat gar zu tiefe Wurzel geschlagen, und ist daher schon werth gewesen, daß man wieder einige Mühe auf die Ausreutung desselben gewandt hat.

 

Ware es aber nicht rathsamer wenn man Vorstellungen thäte, daß das Frauenzimmer nur nichts lernen möchte? Es stehen ia itzo solche sinnreiche Geister auf, die uns mit den wichtigsten Gründen, auserlesensten Gleichnissen und im Sinne behaltenen Beyspielen zu bereden suchen, eine Frau, die etwas mehr verstünde, als Kochen, Nahen. Stricken, Waschen, brächte ihren Mann an den Bettelstab. Sollte man diesen scharfsinnigen Köpfen nicht glauben, da sie eine so neue Wahrheit entdecken? Ich bedaure nichts mehr dabey, als das arme Gesinde. Denn wozu wird es alsdann nöthig seyn, wenn eine jede vornehme Frau ihr Zinn selbst scheuren, ihre Wasche selbst flicken, ihre Stube selbst auskehren, und den Salat selbst lesen wird?

 

Ich will einen Anschlag geben, wozu man es etwa brauchen kann. Die Römer ließen ihren Knechten stark Getränk im Ueberflusse geben, damit sie trunken würden. Darauf zeigten sie ihren Kindern, was für närrische Handlungen die besoffenen Kerl anfiengen, um ihnen dadurch einen Abscheu vor der Trunkenheit beyzubringen. Könnte man nun nicht auch unsere Mägde anhalten, die Historie, Geographie, eine reine und richtige Sprache, die Vernunft- und Sittenlehre und andere Künste und Wissenschaften zu erlernen, die man itzo von einem wohlgezogenen Frauenzimmer fordert? Könnte man sie darauf nicht unsern vornehmen Töchtern vorstellen, und ihnen daran zeigen, wie schändlich und häßlich es sey, wenn man etwas gelernt habe? Vielleicht würden sie sich da eher schämen, ihnen gleich zu werden, als es einige von ihnen itzt thun.

 

B.

 


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