Home Widerlegung von einigen Vorwürfen gegen die Freimaurerei

 

 

Anhang zum Constitutionen-Buch Der Frey-Maurer

Worin Eine Sammlung Verschiedener Zum Vortheil dieser Ehrwürdigen Gesellschafft

Ans Licht gekommenen merckwürdigen Schutz-Schrifften, Reden Und anderer Vertheidigungen, enthalten.

Franckfurt am Mayn, In der Andreaeischen Buchhandlung 1743, erneut 1762

Seiten 10-19, 30-39, 72

 

Identischer Text, in leicht veränderter Wortwahl, auch in:

Schutz-Schrifft für dem Orden der Frey-Mäurer,

Durch den Herrn N***, Mitglied des Ordens. Aus dem Französischen ins Deutsche übersetzet, und mit einem Send-Schreiben eines Frey- Mäurers der Einigkeits Loge zu Franckfurt am Mayn, das Geheimnis der Frey-Mäurer Gesellschafft betreffend, begleitet.

Halberstadt, bei Christian Friderich Schopp 1743, 10-18, 30-42, 78

 

siehe auch: Der sich selbst vertheidigende Freymäurer. Leipzig 1744, 58-87 und 119-120.

http://digitale.bibliothek.uni-halle.de/vd18/content/pageview/1677369

http://vd18.de/de-ulbsa-vd18/content/pageview/6880854
 

Siehe auch eine teilweise wörtliche Nachschrift in:

Der neu-aufgesteckte Brennende Leuchter des Freymäurer-Ordens, 1746, Vorbemerkung 207-219, Die Antworten zu den Vorwürfen 219-261.

 

Kurz besprochen in:

Freymäurer-Bibliothek. Erstes Stück. Zweyte Auflage. 1782, 95-97.

 

die französische Ausgabe: Apologie Pour l’Ordre des Francs-Maçons, 1742

http://digitale.bibliothek.uni-halle.de/vd18/content/titleinfo/1656035

 

 

Zu beachten:

Obwohl diese „Vertheidigungen“ im Anhang zur deutschen Übersetzung der 2. Auflage des englischen Constituionen-Buchs erschienen sind, bieten sie einen völlig anderen Text als denjenigen, der im Anhang zur englischen Ausgabe (1738) zu finden ist.

Letzterer trägt den Titel

A Defence of Masonry, Occasion’d by a Pamphlet called Masonry Dissected. 1730;
nachgedruckt auch in der 2. Aufl. von Smiths „Pocket Companion“, 1738.

dt in: Neues Constitutionen-Buch Der Alten und Ehrwürdigen Brüderschafft der Frey-Maurer, 1741, 347-374;

ferner in: Der sich selbst vertheidigende Freymäurer. Franckfurt und Leipzig 1744, 24-50;

 

 

 

… Jetzo werde ich zum Werck schreiten, und auf alle Vorwürffe, so wider den Orden selbst, oder wider die aus dessen Grund-Sätzen fliessende Folgerungen gemacht werden tönten, Punct für Punct antworten.

 

 

Erster Vorwurff.

Daß diese Versammlungen der Religion überhaupt zuwider seyn, oder wenigstens dahin abzielen können, daß man eine der Christlichen Gemeinen auf den Verfall aller übrigen fest setze.

 

Dieser erste Einwurff scheinet zwey unterschiedene und besondere Fragen in sich zu fassen; weil aber die meisten Beweis-Gründe, so zu Wiederlegung des Einwurffs angeführet worden, beyde Fragen wegen ihres Zusammenhangs auf einmahl erläutern, so habe ich geglaubet, es würde unnützlich seyn, die Materien allzusehr zu trennen, wenn man sie mit einander abhandeln kan, ohne der Deutlichkeit Eintrag zu thun, als welche man jederzeit vor Augen haben muß, um einen Beweis in sein völliges Licht zu setzen.

 

I. Man hütet sich mit allem Fleiß, einen Atheisten oder Deisten in den Orden aufzunehmen, so fern es möglich ist, an einem Candidaten irgend eine Meynung, so zur Deisterey oder Atheisterey leitet, oder in seiner Aufführung einigen Schein, daß er dergleichen Grundsätzen zugethan sey, wahrzunehmen: z. E. wenn ein Mensch viele Jahre den Gottes-Dienst nach den Gebräuchen der Gemeine, in welcher er getauffet worden, öffentlich zu besuchen unterlassen. Diese Arten von Fehlern sind schon hinlänglich, die Ausschliessung von dem Orden nach sich zu ziehen, wenn gleich die Person sonsten in der bürgerlichen Gesellschafft wegen anderer Eigenschafften hochgeschätzet würde.

 

II. Der Orden lässet nur Christen zu: Ausser der Christlichen Kirche kann und muß kein Frey-Maurer aufgenommen werden. Daher sind die Juden, Mahometaner und Heyden, als Ungläubige, davon ausgeschlossen.

Diese beyden Anmerckungen würden bereits mehr als zureichend seyn, um augenscheinlich zu erweisen, daß der Orden keineswegs einige Absicht hege, welche der Religion überhaupt, oder der Christlichen Religion insbesondere, zuwider lauffe, sondern daß vielmehr derselbe einen Theil seines Ruhms darin suche, nur allein das Christenthum in seine Gemeinschafft zuzulassen. Durch welches Verhalten er zu erkennen giebt, daß die Grund-Sätze des Ordens aus der Bekänntniß zum Christlichen Glauben herfliessen.

 

Doch wird die Antwort auf die zweyte Frage, so in dem ersten Vorwurff befindlich, annoch neue Beweis-Gründe darreichen.

 

III. Alle Christliche Gemeinen haben eine Befugniß zu dem Orden, und werden ohne Unterscheid in denselben aufgenommen. Dieses ist eine ausgemachte Wahrheit, welche durch einen beständigen Gebrauch unterstützet wird, daher mir niemand solche wird läugnen können.

 

Da nun dieser Satz seine Richtigkeit hat, wie kan man sich einbilden, als wenn eine von den Christlichen Gemeinen mit geheimen Absichten umgienge, sich auf den Verfall der übrigen zu gründen? Man müste alsdann ein Geheimniß voraus setzen, das nur den Mitgliedern einer gewissen Gemeine bekannt wärre; welches schlechterdings unmöglich ist.

Denn wie viele Menschen giebt es, die von einer Gemeine zu einer andern treten, und also ein so gefährliches Geheimniß mit sich nehmen würden? Wie viele Personen findet man, welchen alle Gemeinen bey nahe gleichgültig sind? Hierzu kommt noch die Gefahr, sich dereinst in eine Parthey verwickelt zu sehen, welche bey den eiferigen Bemühungen aller andern Gemeinen, die sich mit gutem Fug gegen sie vereiniget, den kürtzern ziehen müste. Dieses würde schon mehr als hinlänglich seyn, den gantzen Orden unter dem Verfall seiner Geheimnisse zum Grabe zu führen.

 

Wann also kein besonderes Geheimniß vorhanden ist, und wann der gantze Orden überhaupt, ohne Ausnahme, an einerley Heimlichkeiten Theil hat, wie es unmöglich anders seyn kan, bin ich dann nicht berechtiget, daraus den Schluß zu ziehen, es sey eben so wenig möglich, daß eine der Christlichen Gemeinen damit umgehe, sich unter dem Schutz des Ordens zum Nachtheil der übrigen Christlichen Gemeinen zu erheben? Würden nicht die Christen von so vielen unterschiedenen Gemeinen einander bey einem so unvernünfftigen Vorhaben ohne Unterlaß zu hindern suchen? Würden sie nicht immerfort lauter Spionen seyn, die einer auf des andern Vornehmen Achtung gäben?

 

IV. Dieser Beweis-Grund bekömmt neue Kräffte aus dem folgenden, welcher zugleich wider das Vorgeben, als ob der Orden gar keine Religion habe, gerichtet ist. Man nimmt beständig wahr, daß diejenigen, so in den Orden getreten, nichtsdestoweniger eiferige Anhänger des Christenthums überhaupt, und jeder den Lehr-Sätzen und dem Gottesdienst der Gemeine, wovon sie Mit-Glieder sind, zugethan verbleiben. Diese Wahrheit wird durchgehends aus der Erfahrung bewiesen, daher sich niemand einfallen lassen kan, selbige in Zweiffel zu ziehen.

 

Ich schliesse hieraus, 1) daß die Religion, und zwar nur allein die Christliche, in dem Orden vorhanden ist, auch so wenig davon getrennet werden kan, daß sie vielmehr demselben gleichsam zum Grund und zur Stütze dienet; Und 2) daß unmöglich eine der Christlichen Gemeinen zum Nachtheil der übrigen sich einiger Vorrechte zu bemeistern suchen könne, weil der Orden alle Christliche Gemeinen ohne Unterscheid zu seinen Geheimnissen zulässet.

 

Diesemnach kan eine Gesellschafft, die weder das Vermögen noch den Willen hat, von der Religion überhaupt, und vornemlich von der Christlichen Religion ins besondere, sich zu trennen, unmöglich die Absicht hegen, solche umzustossen.

Eben so wenig kan eine Gesellschafft, welche alle Christliche Gemeinen ohne Unterscheid in ihren Schooß aufnimmt, den Zweck haben, eine von diesen Gemeinen auf den Untergang aller übrigen fest zu setzen.

 

 

Zweyter Vorwurff.

Daß das grosse Geheimniß dieser Versammlungen selbige wegen einiger heimlichen Unordnungen verdächtig mache.

 

Dasjenige, was ich bereits gesaget, da ich erwiesen, wie sehr die Religion in dem Orden verehret und hochgeschätzet werde, könte schon hinlänglich seyn, diesen zweyten Einwurff zu vernichten. Denn folget nicht daraus, wann die Religion nicht allein in dem Orden zugelassen, sondern eben derjenigen Unterwerffung, als das höchste Wesen und der Urheber derselben, würdig geachtet wird, daß in unsern Versammlungen nichts vorgehen könne, welches den schärffsten Gesetzen des Christenthums im geringsten zuwider sey.

 

Man wird also auf diesen zweyten Vorwurff nur bloß aus dem Grunde der Liebe, welche man den Irrenden schuldig ist, wegen eines Umstands, worüber man ihnen Erläuterung zu geben vermag, und zwar zum Uberfluß antworten. Und weil es jederzeit sowohl Boshafftige als Irrende gibt, so wird man jene bis in ihre letzte Verschantzung zurück treiben.

 

Zum Voraus thue ich hier die Erklärung, daß, wenn ich gleich zuweilen mich auf die Religion gründe, um daraus zum Vortheil des Ordens Folgerungen zu ziehen, dabey niemahls meine Absicht sey, eines dem andern gleich zu setzen.

Wir erkennen und nehmen den Satz von gantzem Hertzen an: Daß die Religion die älteste, norhwendigste und heiligste unter allen Anordnungen ist. Und daß wir derselben allein den ersten Rang geben müssen, weil sie ihren Ursprung unmittelbar von demjenigen herleitet, welcher allein alles gemachet hat.

 

I. Es ist jederman bekannt, daß die gottseligen Versammlungen der ersten Christen, ihrer Redlichkeit und Unschuld ohngeachtet, den verhaßten Anklagen der Heyden, als der geschwornen Feinde ihres Glaubens und Gottesdienstes, nicht entgehen können. Die Gewaltthätigkeit und Strenge der Verfolger nöthigten diese alten Gläubigen, sich nur bey der Nacht, und in sehr abgelegenen Orten, ja offt gar in unterirdischen Höhlen, zu versammlen. Nichts desto weniger war eben diese Tyranney welche sie ihre Zusammenkünffte so heimlich zu halten gezwungen, die erste, welche ihnen die erdichteten Folgen einer Vorsicht, worzu man sie durch Zwang gebracht, boshaffter Weise vorwarff. Der Pöbel fiel, ohne die Ursachen zu untersuchen, gantz blindlings solchen Begriffen bey, die man demselben bloß in der Absicht eingab, um ihn mehr und mehr wider die Religion und alle ihre Bekenner aufzubringen. Doch kam endlich die Zeit, da die Unschuld der Gläubigen triumphirte.

 

Hat also eine so reine Religion, als die Christliche, die greulichsten Beschuldigungen ausstehen müssen, wie darff man sich verwundern, daß eine Gesellschafft nicht verschonet worden, welche sich zwar eines Geheimnisses rühmet, das den Auswärtigen unerforschlich ist, gleichwohl aber sich niemahls einer Göttlichen Eingebung, noch der Untrüglichkeit, angemasset hat?

 

Gesetzt, daß die Oerter, wo Logen gehalten werden, den Auswärtigen unbekannt seyn, weil diese Logen durch eine ausdrückliche Erlaubniß des Lands-Herrn nicht zugelassen, oder aufs höchste nur geduldet werden; oder daß dieselben in den Ländern, wo der Fürst ihnen vergönnet, sich öffentlich zu versammlen, niemahls anders, als mit verschlossenen Thüren, gehalten werden; so sind dieses solche Mittel der Behutsamkeit, woraus man nicht ohne Ungerechtigkeit verhaßte Folgerungen ziehen kan.

Denn im ersten Fall erfordert die Ehrfurcht gegen den Lands-Herrn, daß man sich einer Nachsicht, welche man bloß seiner Gütigkeit zu dancken hat, auf bescheidene Art bediene. Was aber die öffentliche Logen betrifft, so ist es gar natürlich, daß man selbige mit verschlossenen Thüren halte, weil die Verschwiegenheit eines der wesentlichsten Stücke des Ordens ist.

Man hat also dem Orden seine geheime oder bey verschlossenen Thüren angestellte Versammlungen nicht vorzuwerffen, weil es ihm eben so wenig möglich fällt, eine solche Gewohnheit zu ändern, als seine Geheimnisse zu entdecken.

 

II. Ich gehe noch weiter: Ich setze auf einen Augenblick, daß redliche Leute und angesehene Personen sich dadurch, wie andere, verleiten lassen, weil sie vor ihrem Eintritt die Unordnungen, so in diesen schlimmen Zusammenkünfften vorgiengen, nicht voraus gesehen, und zu der Zeit solches Eintritts nicht mehr die Freyheit gehabt, wieder umzukehren, indem sie entweder durch Überredung, oder durch Gewalt, oder durch beyde zugleich, genöthiget worden, ihre Aufnahme vor sich gehen zu lassen, also, daß sie den einmahl angefangenen Fehler schlechterdings fortsetzen müssen.

Wie ist es aber möglich, daß man an eben diesen Personen, deren Redlichkeit und Gottesfurcht niemahls einen Abfall erlitten, nachdem sie so schrecklich betrogen worden, wahrnehmen solte, daß sie nachmahls die Parthey und die Ehre dieses Ordens mit einem so beständigen Eifer zu behaupten suchten? Würde ihnen nicht ihr Gewissen wegen ihres Fehltritts einen stetigen Vorwurff machen? Und würde nicht ein gerechter Unwille gegen Versammlungen, welche der Gottseeligkeit und den guten Sitten so sehr zuwider lieffen, sie veranlassen, wenigstens im Hertzen eine solche Zusammenkunfft zu verschwören, und sich auf ewig von dem Besuch so schändlicher Oerter zu enthatten, wann sie auch gleich wegen gewisser Verbindungen sich nicht erkühnen dürfften, das Geheimniß zu offenbaren?

 

Man könte mir hierauf den arglistigen Einwurff machen, daß eben diejenige Nothwendigkeit, welche sie gezwungen, das Werck ihrer Aufnehmung zu vollziehen, ihnen gleichfalls durch einen höchstfeverlichen Eyd auflegen können, wenigstens dann und wann die Versammlungen des Ordens zu besuchen; so grossen Abscheu sie auch in ihrem Gemüts) vor diesen Geheimnissen empfunden hatten.

 

Ein jeder wird die Schwäche dieses Einwurffs leichtlich erkennen. Man darff nur ein Christ seyn, so wird man wissen, daß ein Eyd, welcher uns zum Bösen verbindet, wann er auch freywillig und ohne Zwang geleistet wäre, schlechterdings ungültig sey, und daß es ein grösser Verbrechen seyn würde, denselben zu halten, als geleisteten haben. Noch viel stärcker aber würde man sich überzeuget finden, daß man einen solchen Eyd, welcher bloß durch Betrug oder Gewalt abgedrungen worden, widerruffen müsse.

 

 

Vierter Vorwurff.

Daß die Geheimniß-volle Versammlungen der Frey-Maurer unruhigen Köpfen ein Mittel darreichen könten, unter dem Vorwand, als wann sie von diesem Orden wären, heimliche Zusammenkünffte anzustellen.

 

Es würde sehr unbillig seyn, wann man dem Orden die eingebildete Gefahr zur Last legen wolte, daß nemlich dessen geheime Versammlungen unruhigen Köpfen zum Verwand dienten, um unter eben diesem Titul solche Zusammenkünffte, die dem Staat zum Nachtheil gereichten, anzustellen.

Wenn diese Regul einmahl angenommen wäre, so dürffte es mit dem gemeinen Wesen gar schlecht aussehen. Wie viele nützliche Gesellschafften, wie viele vortheilhaffte Errichtungen, müste man nicht unterdrücken, wenn man auf die Misbräuche, so daraus künfftig entstehen könten, oder auch würcklich zuweilen entstehen, eine Betrachtung machen wolte?

 

Ohne mich jedoch von meinem Vorhaben zu entfernen, kan ich mit gutem Fug sagen, daß, weil noch niemahls heimliche Zusammenkünffte unruhiger Köpfe, unter dem Namen oder Vorwand der Versammlungen des Ordens, vorgegangen, es die gröste Ungerechtigkeit seyn würde, auf einer so wenig gegründeten Gefahr zu beharren.

 

Ich gehe noch weiter, und behaupte, daß unmöglich dergleichen Zusammenkünffte unter dem angeführten Vorwand vorgehen können und daß die zufällige Ursache derselben dem Orden nicht beyzumessen sey.

Dieses werde ich durch nachfolgende vier Betrachtungen erweisen..

 

I. Das Publicum stimmet durchgehends darin überein, daß die Frey-Maurer unter sich gewisse Zeichen und eine besondere Sprache haben, woran sie einander so untrüglich erkennen, daß ein Mensch, der sich fälschlich für einen Frey-Maurer ausgäbe, nimmermehr in der Probe dieser Zeichen und Sprache bestehen würde. Es würden also dergleichen Friedens-Störer oder gegen den Staat übel gesinnte Leute sich vergebens unterstehen, eine Zusammenkunfft unter dem Namen der Frey-Maurer anzustellen: vielmehr würden sie durch die wahrhafften Glieder des Ordens entdecket, und vor der gantzen Welt für falsche Brüder erkläret werden.

 

II. Wann diese Verschworne, unter besagtem Vorwand, es dahin brachten, daß sie einige Zusammenkünffte ruhig anstellen könten, in welchen ihnen leichter fiele, von den Mitteln zu Erreichung ihrer Absichten zu handeln, als wenn sie nur unter sich besonders und mit gar zu grossem Schein der Heimlichkeit zu Rathe giengen, was würde aus diesem allen erwachsen? Dieses, daß ihr Geheimniß, weil es gantz anders als der Frey-Maurer ihres beschaffen, mit den Geheimnissen aller andern Verschwornen gleiches Schicksal haben, bald an den Tag kommen, und die Straffe mit sich bringen würden

 

III. An den Orten, wo die Logen öffentlich und mit Einwilligung des Fürsten gehalten werden, würde es unmöglich seyn, daß solche Verschworne gewisse falsche Logen unter dem Vorwand der Ordens-Versammlungen anstellen könten. Denn es ist kein eintziger der Frey-Maurer, der nicht zu allen Logen in der Welt einen Zutritt habe. Wie könten also diese Versammlungen der Ungerechtigkeit den Frey-Maurern, welche eingelassen zu werden begehrten, ihre Thüre verschliessen? Hierdurch würden sie der Verfassung des Ordens entgegen handeln, und den Titul, welcher ihnen zum Schild dienen sollen, unkräfftig machen. Noch weniger könten sie in ihre Versammlungen einen Menschen zulassen, welcher sie alsofort für lauter Betrüger erkennen, und, wann er diese Begebenheit öffentlich ausgebracht, der Obrigkeit Anlaß geben würde, die Ursachen einer solchen Zusammenkunfft genau zu untersuchen.

 

IV. Was aber diejenigen Oerter betrifft, wo die Logen nur bloß geduldet werden, und wo der Orden sich nicht anders, als auf geheime Art, versammlen kan, so würde allda die Gefahr schädlicher Zusammenkünffte weder grösser noch geringer seyn. Denn da sowohl diese, als jene, genöthiget sind, sich heimlich zu halten; so würden übel gesinnte Leute nichts desto weniger ihre Versammlungen anstellen, wann sich auch kein eintziger Frey-Maurer an solchen Orten befände. Ja sie würden in diesem Fall daselbst noch darzu weit sicherer seyn, indem sie sich ausser Gefahr sähen, durch einigen Frey-Maurer entdecket zu werden, welcher von ohngefehr den Ort einer Versammlung, die man unter dem Namen des Ordens angestellet, erfahren und den Zutritt in selbige verlangen könte.

 

Ich glaube, daß dieses mehr als zureichend sey, um den angeführten Vorwurff zu widerlegen.

 

 

Fünffter Vorwurff.

Daß die Bewahrung des Geheimnisses bloß von einem lächerlichen oder gar schimpflichen Brauch herrühre, wodurch der Neu-Aufgenommene, nach seinem Eintritt, zum Stilleschweigen gebracht werde.

 

Bey der Widerlegung des zweyten Vorwurffs habe ich bereits zu erkennen gegeben, wie es unmöglich sey, daß in unsern Versammlungen etwas vorgehen könne, das den Vorschrifften der Religion, in Ansehung des Glaubens und der Sitten, zuwider sey; es ist also unnöthig, solches zu wiederholen.

 

Dieserhalb haben uns auch diejenige nicht in Verdacht, welche den Vorwurff thun, dem ich ietzo begegnen werde. Sie sagen:

Es könte seyn, daß, ohne der Religion Eintrag zu thun, bey unsern Geheimnissen eine Ceremonie vorkäme, welche fähig wäre, einen Neu-Aufgenommenen zu beschämen, wenn die Welt erführe, daß er sich derselben unterziehen müssen; und daß hiernächst die Begierde, andere nach ihm gleichfalls berücket zu sehen, ihn zu einer unverbrüchlichen Verschwiegenheit fähig machte; daß es ferner für einen einmahl Aufgenommenen kein geringer Zeitvertreib seyn müsse, hinwiederum die Thorheiten so vieler Leute aus allen Ständen, Grosser und Kleiner, welche nach ihm in eben diesen Fallstrick gerathen, mit seinen Augen anzusehen; und insonderheit wahrzunehmen, daß Personen von ernsthafftem Wesen und geehrtem Stande sich, wie die andern, fangen lassen.

 

Es brauchet wenig Mühe, auf einen Vorwurff zu antworten, welchen man vielmehr für einen darzu ersonnenen Schertz, daß man einiges Bckänntniß von uns herauslocken möge, als für eine im Ernst vorgelegte Schwierigkeit, ansiehet. Man berühret selbigen auch nur deswegen, weil man gar nichts zurücklassen will.

 

I. Wann man auch alles voraussetzen wolte, dessen man sich am meisten schämet, (ich rede nicht von Lastern, sondern verstehe hier nur dasjenige, was nach den Begriffen, so die Menschen sich von gewissen Dingen machen, für schändlich geachtet wird) so sehe ich nicht, daß ein ehrlicher Mann durch das Geständniß einer solchen Einweihung sich eyne Schande zuziehe. Denn

1. Wuste er vor seiner Ausnehmung nicht, was für Sachen er sich unterwerffen müste, und wo er daran unvorsichtig gehandelt, daß er sich solcher Gefahr bloß gestellet, so hat er doch solchen Fehler allererst nach vielen andern Personen begangen, deren Redlichkeit, Stand und Herkunfft, lauter Bewegungs-Gründe waren, ihn wegen mancher Bedencklichkeiten zu versichern.

 

2. Würde er allenfalls so viele ansehnliche Mtgenossen seines Fehlers haben, daß er selbige nur nennen dürffte, um sich der Spott-Reden der Leute zu entladen, und selbige auf eine grosse Anzahl Personen von allerhand Rang und Eigenschafften zurück zu weisen.

 

3. Und wann es auch der Ehre sehr hart ankommen solte, ein solches Geheimnjß zu entdecken, so würde sich ja geziemen, daß ein Ehrliebender sich selbst in so weit überwünde, um sich gewisser Massen dem gemeinen Besten aufzuopfern, massen das Publicum sich in der That durch die Errichtung einer Gesellschafft verletzet finden müste, die keinen andern Zweck hätte, als mit einem guten Theil des menschlichen Geschlechts, so zu sagen, ihr beständiges Possen-Spiel zu treiben.

 

II. Ich will unterdessen die Unmöglichkeit einräumen, und voraus setzen, daß unter denen, welche der Rang, die Gebuhrt, und das erworbene Ansehen, von dem gemeinen Hauffen unterscheiden, sich noch keine Person gefunden habe, welche die Schande eines solchen Geständnisses überwinden können. Allein wie viele gibt es, die in diesen Orden aufgenommen, aber nicht in so zärtlichen Gedancken in Ansehung des „was wird man davon sagen?“ erzogen sind? Wie viele andere gibt es, die von Natur zum Schertz geneigt sind, und sich nicht lange würden bedacht haben, so lächerliche Geheimnisse zu entdecken, und sich selbst zuerst damit aufzuziehen, daß sie sich berücken lassen und so viele andere hinwiederum berücken gesehen? Und wie viele gibt es endlich, deren Stirn von keiner Schamröthe weiß, und welche das Exempel anderer würde abgehalten haben, sich zu schämen? Solte die Schwätzhafftigkeit oder der Wein nicht über kurtz oder lang ihre gewöhnliche Würckung gethan und ihre Person gespielet haben? Die Geld-Begierde allein wurde alle Schamhafftigkeit besieget haben.

 

III. Endlich können die Folgen, so aus der Einrichtung des Ordens und aus dessen Grund-Sätzen erwachsen, keinesweges die Frucht gewisser Ceremonien seyn, man mag nun diese für lächerlich oder für unanständig ausgeben.

 

Der Zweck und die Würckungen des Ordens sollen hernach erkläret werden; daher man sich allhier dabey nicht aufhalten wird.

 

 

Sechster Vorwurff,

Welcher von der übelen Aufführung vieler Mitglieder des Ordens hergenommen.

 

Dieser Vorwurff ist so schwach, daß man selbigen mit wenig Worten widerlegen kann.

 

I. Wann man sich vorgesetzet hat, eine Gesellschafft ins Geschrey zu bringen, so machet man insgemein wenig Betrachtung auf die grosse Anzahl ehrlicher Leute, woraus dieselbe bestehet; man will sich dabey nicht aufhalten, sondern gibt sich vielmehr alle Mühe, die wahrhaffte oder vermeynte Fehler einer geringen Anzahl ihrer Glieder recht groß zu machen.

Auch gegen diese letzteren handelt man unbillig; ich gebe zu, sie haben Fehler, Leidenschafften und Laster an sich; solte es aber nicht möglich seyn, an ihnen auch einige gute Eigenschafften an, zutreffen, welche den schlimmen die Waage halten? Eine herrschende Leidenschafft, welcher man, auch wohl gar auf ziemlich lange Zeit, unterworffen seyn kan, hindert nicht allemahl, daß der ehrliche Mann sich nicht zugleich blicken lasse.

 

Ich ersuche den Leser nochmahls, der Erklärung, so ich bereits im Anfang dieser Schutz-Schrifft gethan, sich zu erinnern: daß nemlich, wenn ich meine Folgerungen und Exempel von der Religion hernehme, dadurch niemahls der tieffen Ehrerbietung, so man der von Gott unmittelbar hergekommenen Wahrheit schuldig ist, etwas abgehen, sondern vielmehr die Religion jederzeit die erste Beweg-Ursache unserer Absichten und Handlungen seyn solle. Diese wiederholte Erklärung wird in Ansehung dessen, was ich noch abzuhandeln habe, genugsam hinreichen.

 

II. Man kan von dem Orden nicht füglich dasjenige fordern, was man von der Religion selbst nicht begehret. Was würde doch aus diesem Satz erwachsen. Man findet unter denen Frey-Maurern lasterhaffte, übelgeartete, betrügliche und geitzige Leute; folglich ist der Frey-Maurer-Orden an und für sich eine böse Verfassung?

So göttlich die Religion auch ist, so findet sie sich doch eben diesem Zufall unterworffen; alle Christen sind nicht gute Christen. Warum solte dann ein Orden, welcher so viel geringer ist, bloß deswegen verdammet werden, weil er sich nicht frey davon befindet? Und wie kan man, da die Religion, bey aller ihrer Vortrefflichkeit, nicht aus ihren Anhängern lauter Heilige machet, dem Orden einen solchen Fehler auf vernünfftige Art vorwerffen können?

 

 

Siebender Vorwurff.

Daß man einige Frey-Maurer, welche für solche erkannt worden, von dem Orden und dessen Geheimnissen also reden gehöret, daß man sich davon keinen grossen Begriff machen könne.

 

Diesem Vorwurff wird man eben so leicht, als dem vorigen, abhelffen, indem beyde von gleicher Schwäche sind.

 

I. Unter denen, welche zum Nachtheil des Ordens und seiner Geheimnisse einige Schertz-Worte fallen lassen, oder die Sache für geringschätzig ausgeben, giebt es viele, welches man wohl zu mercken hat, die sich Frey-Maurer nennen, und keine sind. Man siehet fast täglich, wie solchen unbefugten Besitzern dieses Tituls in öffentlicher Gesellschafft von einem oder andern Bruder, den sie niemahls fur ein Mit-Glied des Ordens gehalten, die Larve abgezogen wird.

 

Gleichwohl aber will ich frey gestehen, daß es wahre Frey-Maurer giebt, welche aus Unverstand, Leichtsinnigkeit, oder Begierde ein schlechtes „bon mot“ vorzubringen, sich so weit vergessen, daß sie von einem Orden verächtlich reden, für dessen Einrichtung sie so vielmehr Ehrfurcht bezeugen solten, da ihnen dessen Geheimnisse nicht verborgen sind. Der Wein kan ebenfalls diese anstößige Würckung nach sich ziehen: auch können leichtsinnige und mit schlechter Einsicht begabte Gemüther in eben diesen Fehler verfallen, weil sie dem Zweck solcher Anordnung, denen daher fliessenden Vortheilen, und demjenigen, was sie einer so herrlichen Einrichtung zu dancken haben, nicht gnugsam nachgesonnen.

 

Allein was hat es mit dieser geringen Anzahl mangelhaffter Mit-Glieder zu bedeuten, wenn man solche mit so vielen andern Personen vergleichet, deren Redlichkeit, ehrliebendes Wesen und Frömmigkeit, sich mit dem Eifer und der Hochachtung so wohl verbinden, welche sie zu aller Zeit und bey jeder Gelegenheit gegen einen Orden zu erkennen geben, dessen Mit-Glieder zu seyn sie sich ein beständiges Vergnügen machen? Solte wohl die Gemüths-Art dieser letztern einen Verdacht übrig lassen, als ob sie sich einer unverständigen Schwärmerey oder niederträchtigen Einstimmung zum Betrug schuldig machten?

 

II. Könte wohl ein edlerer Zweck gefunden werden, als derjenige, welchen die Christliche Religion uns vorstellet? nemlich die Ausübung der Tugend in dieser Welt, und eine ewige Dauer der Glückseligkeit in einem andern Leben? Was ist besser gegründet, als ihre Lehr-Satze, vortrefflicher, als ihre Sitten-Lehre, und erwünschter, als ihre Verheißungen?

Sehen wir aber dennoch nicht alle Tage, daß diese Tochter des Himmels den Spöttereyen der Gottlosen und Frey-Geister herhalten muß? Was sage ich? Geschicht es nicht manchmahl, daß Personen von gesetzter Frömmigkeit sich durch die Exempel verleiten lassen, solche Reden zu führen, worüber sie hernach in ihren Hertzen seuffzen müssen?

 

Achter Vorwurff.

siehe

Nur der Mann ist ein „freyes und nicht unterwürffiges Wesen“

 

 

Schluß.

Aus allem, was ich gesaget, will ich zwey Folgerungen ziehen:

 

1) Daß man wider die Regeln der Liebe, der Gerechtigkeit und der Pflicht handele, wenn man einen Orden mit übelen Nachreden, verhaßtem Argwohn oder Verleumdungen beleget, welcher niemahls in Ansehung der Religion, noch auch der Treue, so ein jeder dem Lands-Herrn schuldig ist, Anlaß darzu gegeben.

 

2) Daß diejenigen, so dem Orden ihrem Beyfall versagen, weil sie das Geheimniß nicht wissen, wenigstens es dabey lassen, und mit ihrem Urtheil zurück halten solten: Und wann es auch nur in der Befrachtung geschähe, daß unmöglich so viele rechtschaffene Leute auf ein Hirn-Gespinst bauen, noch auf eine Zeitlang eitele, unnütze oder gefährliche Grund-Sätze annehmen mögen, bloß in der Absicht, sich von den übrigen Menschen abzusondern, und die Welt zu berücken, nachdem sie selbst zuerst betrogen worden.

 


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