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Allgemeines Handbuch der Freimaurerei.

Dritte, völlig umgearbeitete und mit den neuen wissenschaftlichen Forschungen in Einklang gebrachte Auflage von

Lennings Encyklopädie der Freimaurerei.

 

Herausgegeben vom Verein deutscher Freimaurer.

Erster Band. A-L.

Leipzig. Max Hesse’s Verlag 1900, S. 320-328

 

[Die Texte haben keinerlei Zusammenhang mit den Texten, die in der 1. Auflage von Lennings Encyklopädie der Freimaurerei, 1822, 254-326,

jedoch wurden einige wenige Passagen aus dem Allgemeinen Handbuch der Freimaurerei, 1863, 401-441 entnommen.]

 

 

Inhalt

Freimaurer, Maurer

Freimaurerei, Maurerei, Masonei

I. Ursprung der Freimaurerei und des Freimaurerbundes.

II. Wesen der F.

III. Der Freimaurerbund.

IV. Organisation des Freimaurerbundes.

V. Wert und Berechtigung der F.

VI. Litteratur.

Freimaurerei, die blaue,

Freimaurerei, die rote,

Freimaurerische Wissenschaft.

Freimaurerregeln.

 

 

 

Freimaurer (Freemason, Francmaçon), Maurer (Mason, Maçon).

 

I. Der Name F. ist die wörtliche Übersetzung des englischen Freemason, eines Wortes, das völlig gleichbedeutend mit unserm Steinmetz ist und so auch hätte übertragen werden müssen (s. Mason).

Der Name Mason bezeichnet im Englischen einen Maurer überhaupt. Free-Mason wurde derjenige genannt, der den Free-Stone, Werkstein, den sichtbar bleibenden Baustein bearbeitete; Mason oder Rough-Mason ist ein Maurer, der die Bausteine (rough-stones) in die Mauer fügt, und von diesen wieder unterschieden werden in Parlamentsakten die brick-layer (Backsteinleger).

Doch ziehen diese Parlamentsakten keine scharfe Scheidelinie zwischen den Begriffen und Leistungen der Maurer im allgemeinen, und der Name Mason begreift in diesen oft alle zusammen. In den ältesten Aktenstücken Schottlands findet sich nur der Name Mason im allgemeinen gebraucht, daneben aber auch Freemen of the Masons and Hammermen (freie Männer der Maurer und Zimmerer), worunter wohl alle Bauhandwerke verstanden werden sollen.

 

Auch die ältesten englischen Urkunden sprechen nur von Maurerei und Maurern und verstehen darunter bisweilen noch andre Gewerke, die der Kunst Geometrie gemäss arbeiteten, d. h. Bauhandwerker waren, unter die Anderson selbst Maler und Bildhauer rechnet. (Vgl. BZC. 1888, S. 42)

 

— F. heisst gegenwärtig der in den Freimaurerbund (s. d.) Aufgenommene. (S. Aufnahme.) Nach den in Deutschland wenigstens durchgängig befolgten Grundsätzen muss jeder F. auch einer bestimmten Loge angehören; in Frankreich und England aber ist die Mitgliedschaft in einer Loge noch verschieden von der Angehörigkeit zum Bunde überhaupt.

Durch Austritt aus dem Bunde (s. Deckung) verliert der F. die rechtlichen Eigenschaften eines Bundesglieds. Als solches hat er teils gewisse Verpflichtungen, teils stehen ihm gewisse Rechte innerhalb des Bundes zu. Verschieden von beiden sind die besondern Rechte und  Pflichten, die er als Mitglied einer Loge (s. d.) hat. Die moralischen Eigenschaften, die ein F. haben oder doch sich zu eigen machen soll, ergeben sich teils aus dem Zweck der Freimaurerei (s. d.) von selbst, teils gehen sie aus dem Inhalt der freimaurerischen Lehre hervor. (S. Aufnahme. Bh. 1863, S. 98, 181.)

[diese Abschnitt bereits in: Allgemeines Handbuch der Freimaurerei, 1863, 402]

 

 

Freimaurerei, Maurerei, Masonei

(engl.: masonry, freemasonry; französ.: maçonnerie, francmaçonnerie)

 

 

ist die Thätigkeit engverbundner Männer, die unter Anwendung sinnbildlicher, grösstenteils dem Maurerhandwerk und der Baukunst entlehnter Formen für das Wohl der Menschheit wirken, indem sie sich und andre sittlich zu veredeln suchen, um dadurch einen allgemeinen Menschheitsbund herbeizuführen, den sie unter sich im Kleinen bereits darstellen wollen. —

 

[dieser Absatz ist entnommen aus: Allgemeines Handbuch der Freimaurerei, 1863, 406]

 

 

I. Ursprung der Freimaurerei und des Freimaurerbundes.

 

Über den Ursprung des Freimaurerbundes sind von jeher die verschiedensten Meinungen gehegt worden; man hat ihn bald aus den ägyptischen Mysterien (s. d.) herzuleiten gesucht, bald bei den Pythagoräern (s. d.), bald bei den Essäern (s. d.) und Druiden (s. d.) zu finden geglaubt. Nachdem von Frankreich aus ganz fremde Elemente in die Logen gedrungen waren, suchte man den Ursprung in den Mönchsorden, namentlich den Templern (s. d.), deren Erben manche Freimaurersysteme zu sein sich rühmten.

 

Erst im 19. Jahrh. ist die wirkliche Geschichte durch das Bekanntwerden alter Urkunden, unparteiische Prüfung des vorhandnen Materials und dessen Vergleichung mit den deutschen Steinmetzordnungen (s. Ordnungen der Steinmetzen und Steinmetzbruderschaften) und das Ganze mit der Geschichte der Baukunst in einer Weise klargelegt worden, dass sie eine wissenschaftliche Grundlage gewonnen hat.

Dagegen hat das, was Anderson (s. d.) in seinem Konstitutionenbuch (s. d.) geschichtlich niedergelegt hat, keinen grossen Wert mehr. In neuester Zeit versucht sich die Ansicht Bahn zu brechen, dass der Ursprung der heutigen Maurerei auf die italienischen Akademien des spätern Mittelalters zurückzuführen sei, obwohl die desfallsigen Forschungen, namentlich von Ludwig Keller (s. d.) in den Schriften der Comenius-Gesellschaft, auch nicht als abgeschlossen und unwiderleglich, viel- mehr als sehr strittig betrachtet werden. (Vgl. Preuss. Jahrbücher 1900 Heft I.)

 

Soviel steht fest, dass die Freimaurerei in ihrer Idee in altersgraue Zeit zurückreicht und mannigfache Gestaltungen angenommen hat, das aber, was gegenwärtig darunter verstanden wird, von England stammt und mit der Gründung der englischen Grossloge 1717 zusammenhängt. so dass man sie zweifelsohne nur von da an datieren, alles, was vorher war, nur als Vorläufer betrachten kann, das nicht ohne Einfluss auf die Sache selbst geblieben ist.

Man darf überhaupt, wenn man auf Vorläufer zurückgehen will, nicht einzelne Teile herausgreifen und vergleichen, sondern muss die Freimaurerei immer ab Ganzes im Auge behalten, wenn man sich nicht Irrtümern aussetzen will. (Vgl. H. L. 1900, S. 2878.)

In das Nähere hier einzugehen, verbietet der Umfang dieses Werkes.

 

Bei den einzelnen Ländern findet man die Geschichte der Freimaurerei in diesen.

Über die allgemeine Geschichte der Freimaurerei vgl.

Gould, History of Freemasonry (London 1882-87);

Keller, Kurzgefasste Allgemeingeschichte der Freimaurerei (Giessen 1860);

Findel, Geschichte der Freimaurerei von der Zeit ihres Bestehens (6. Aufl., Lpz. 1893);

ders., Grundsätze der Freimaurerei im Völkerleben (8. Aufl., Lpz. 1893);

FZ. 1887, S. 2,

ausserdem die zahlreichen Schriften bei Kloss, Bibliographie, Nr. 2725-2877 und Taute, Bücherkunde, Nr. 263—362.

 

Über die Vorgeschichte der heutigen Freimaurerei vgl. auch England (oben S. 225).

 

 

II. Wesen der F.

 

In Kreisen, die der F. fern stehen, werden die Freimaurerlogen vielfach nur als Wohlthätigkeitsvereine angesehen, und selbst Mitglieder des Freimaurerbundes lassen nicht selten das Hauptziel über der Pflege der Werkthätigkeit aus den Augen; das Mittel wird von ihnen zum Zweck, das Nebensächliche zur Hauptsache erhoben.

Wohl sind die Freimaurer verpflichtet, das Elend der Menschheit zu lindern, sollen sie doch allgemeine Menschenliebe üben, und Wohlthätigkeit ist ihre himmlisch schöne Tochter. Jedoch vollbringen sie damit, wie Falk in Lessings „Gesprächen für Freimaurer“ sagt, nur „Thaten ad extra“, Thaten, die nicht das Wesen der Freimaurerei ausmachen.

 

Der Freimaurerbund stellt auch keine besondere Sekte oder religiöse Genossenschaft dar; ebenso wenig ist er der Hüter von Geheimnissen, besitzt auch keine höhern, den draussen Stehenden unbekannten Wahrheiten oder ein eignes philosophisches Lehrgebäude. Im Freimaurerbunde ist von wahrer Religiosität, von Idealismus und von idealen Zwecken die Rede, jedes seiner Mitglieder muss ein religiöses Gemüt besitzen und ein Idealist sein; trotzdem wird im Bunde keineswegs eine bestimmte religiöse oder realistische Weltanschauung gepflegt.

Die F. vereinigt die Idealisten jeden Schlags, und mag der Aufnahme Suchende Jude oder Christ sein, mag er der orthodoxen Auffassung des Christentums folgen oder zu einer freiern Deutung seiner Dogmen hinneigen: er wird als Mitglied des Bundes niemals in seiner Überzeugung verletzt werden.

 

Die F. entnimmt ihre Ideenschätze den philosophischen Systemen, Religionen, Wissenschaften und Künsten, die Gedanken darbieten, die geeignet sind, die Arbeitsthätigkeit der Mitglieder des Bundes derartig anzuregen, dass die Aufgaben der F., die von praktischer Natur sind, ihrer Lösung entgegengeführt werden.

 

Die F. ist keine Wissenschaft, sondern eine Kunst. Ihr Ziel ist zunächst die Ausreifung des einzelnen Bundesglieds zur harmonischen sittlichen Persönlichkeit. Mit dessen Erreichung fällt ihre herrliche Frucht gleichsam von selbst in den Schoss. Indem nämlich Männer, die einer idealen Auffassung des Lebens huldigen, sich über alles, was die Menschen trennt, über die verschiednen Religionen, Nationen, Stände und alle sonstigen Zufälligkeiten des Lebens die Hände zu treuer Freundschaft reichen, stützen, heben und fördern sie sich gegenseitig, zu reinem, edlen Menschentume auszureifen und befähigt zu sein, solches mehr und mehr auszubreiten.

 

In der Welt tobt der wilde Kampf der Meinungen über religiöse, soziale und politische Fragen. Wohl liegt in ihm der Fortschritt. Leider wird der Kampf geführt mit blinder Leidenschaftlichkeit und kalter Selbstsucht, die unbekümmert um das Wohl des einzelnen und der Gesamtheit, unbekümmert um die schmerzenden Wunden, die den Gegnern geschlagen werden, dem Ziele zustrebt, in dem gerade sie das Glück beschlossen wähnt.

Der Freimaurer hält sich infolge seiner sittlichen Ausbildung frei von Parteileidenschaft, nicht so, dass er allen Bestrebungen gleichgültig gegenüberstünde und fadenscheinigem Weltbürgertum oder religiöser Gleichgültigkeit das Wort redete: er müht sich aber, nicht die vorhandnen Gegensätze herausfordernd hervorzukehren, nicht das Trennende zur Geltung zu bringen, sondern das allen Menschen Gemeinsame; er übt Duldung auch gegenüber andern Überzeugungen, achtet und liebt selbst im Gegner noch den Menschenbruder.

So wird der ethische Bund der Freimaurer zugleich zu einem grossen Liebes-, zu einem Menschheitsbunde, dessen Ideal die Verbrüderung der gesamten Menschheit ist.

 

Die Erreichung dieses Ziels ist noch in weite, unabsehbare Fernen gerückt; trotzdem soll jeder Freimaurer in seinem Kreise dahin wirken, dass es mehr und mehr der Verwirklichung entgegengeführt, dass einst ein Hirt und eine Herde werde.

 

Wohl ist die Wirksamkeit der F. nur eine innere, darum aber eine nicht minder bedeutungsvolle. Sie sucht in Wort und Bild und That die Herzen zu erwärmen für das Gesamtwohl der Menschheit und die Geister dadurch zu erleuchten, dass sie darauf hinweist, was den Menschen allen gemeinsam ist und sie alle vereinigt bei aller Verschiedenheit.

Mit diesen Grundanschauungen und Grundsätzen sucht sie die einzelnen Mitglieder zu erfüllen, indem sie an jeden einzelnen die Forderung stellt, sich an seinem Teile zu einem lebendigen Glied des Menschheitsbundes zu gestalten, das kräftigst mitwirkt an dem Tempelbau der Menschheit, den die F. errichten will.

 

Die Wirksamkeit nach aussen ist den einzelnen Mitgliedern überlassen. Diese können nach freier Entschliessung; die Mittel und Wege ergreifen, um auch in der Aussenwelt die Grundanschauungen und Grundsätze der F. zu verbreiten, nicht im Namen der F., sondern im Namen der Wahrheit, der zu gehorchen alle Menschen verpflichtet sind, soweit sie menschlich denken und fühlen.

Die F. hat und sucht keine andre Macht, als die Macht der Wahrheit. Daher hört die Aussenwelt nicht die F., sondern nur die Wahrheit sprechen; ebendaher wird es auch immer schwer sein zu bestimmen, was die F. in der Aussenwelt gewirkt und vollbracht hat: ihre Thaten sind rein geistiger Natur, unsichtbar und unmerklich.

 

[die letzten drei Absätze – ab: „Wohl“ -sind fast wörtlich entnommen aus:

Allgemeines Handbuch der Freimaurerei, 1863, 419]

 

 

Das Wesen der F. ist nichts anderes, als das Wesen der Menschheit selbst. Darum haben freimaurerische Grundsätze von jeher unter den Menschen gegolten, darum ward das Freimaurertum mit dem ersten Menschen geboren, ist so alt, als die Menschheit selbst.

 

— Man ist vielmal bemüht gewesen, für die F. eine kurze, begriffliche Formel zu finden, ohne dass ein allgemein befriedigender Erfolg gezeitigt worden wäre. Selbst die »Alten Pflichten« (s. d.) stellen keine bestimmte Formel auf, sondern sagen nur in der jetzt geltenden Fassung:

„So ist die Maurerei der Mittelpunkt der Vereinigung zwischen guten und treuen Männern und das glückliche Mittel, Freundschaft unter denjenigen zu stiften, die ausserdem in beständiger Entfernung bleiben müssen.“

 

Vom deutschen Grossmeistertag (s. d.) wurde 1870 als Zweck der F. bezeichnet:

„in einer zumeist den Gebräuchen der zu Bauhütten vereinigten Werkmaurer entlehnten symbolischen Form die sittliche Veredlung des Menschen und menschliche Glückseligkeit zu befördern. Indem sie von ihren Mitgliedern den Glauben an Gott als an den obersten Baumeister der Welt, an eine höhere sittliche Weltordnung und an die Unsterblichkeit der Seele voraussetzt, verlangt sie von ihnen die Bethätigung des höchsten Sittengesetzes: Liebe Gott über alles und deinen Nächsten als dich selbst.“

 

 Diese Zweckbestimmung haben jedoch nicht alle deutschen Grosslogen angenommen, so dass bis zum heutigen Tage nicht einmal innerhalb der deutschen Logen die bunte Mannigfaltigkeit der Formulierung des Prinzips der F. aufgehoben worden ist.

Besonders treffend ist die Fassung, die 1877 die Jahresversammlung des Vereins deutscher Freimaurer (s. d.) vorgeschlagen hat:

„Der Freimaurerbund erstrebt auf rein menschlicher Grundlage die harmonische Bildung des einzelnen, wie die harmonische Gestaltung der Gesellschaft, und zwar durch erziehliche Einwirkung auf seine Mitglieder mittelst Symbol, Lehre und Beispiel, durch gemeinsame Arbeit und durch Ausbildung seiner Genossenschaft zu einem Vorbilde.“(Vgl. Mittheilungen aus dem Verein deutscher Freimaurer 1877/78, S. 34.)

 

Es dürfte schwer sein, für das hohe Ideal der F. eine so kurze, dabei klare, verständliche und umfassende Formel aufzustellen, dass alle Anhänger des Bundes sich auf sie zu einigen vermöchten. Und wenn eine solche wirklich gefunden sein sollte, wird sie immerhin zeitlich begrenzt bleiben und vielleicht, ja gewiss früher oder später der neuen Kritik und neuen Fassung unterliegen.

 

Nicht die Worte thun es, sondern der Geist, den wir in der F. erkennen. In ihm haben wir uns zu vereinigen, oder sind wir eigentlich streng genommen einig.

(Vgl. über die verschiednen Versuche zur Zweckbestimmung der F. und ihre thatsächliche Feststellung L. 1895, S. 99 fg.; Mittheilungen aus dem Verein deutscher Freimaurer 1876/76, S. 44; 1876/77, S. 38; 1877/78, S. 47. Bh. 1875. S. 275; 1876, S. 76; 1877, S. 172, 242; 1888,S. 214. FZ. 1890, S 81; 1895, S. 169. Br. L. 1888/4, S. 89; 1888/9, S. 17. L. 1899, S. 57.)

 

— Es ist höchst wichtig, wie unsre deutschen Geistesheroen über das Wesen der F. gedacht haben.

Lessing (s. d.) in „Ernst und Falk“ nennt als Grundgesetz der F.,

„aus welchen sie nie ein Geheimnis gemacht hat, nach welchem sie immer vor den Augen der ganzen Welt gehandelt haben: jeden würdigen Mann von gehöriger Anlage ohne Unterschied des Vaterlandes, ohne Unterschied der Religion, ohne Unterschied seines bürgerlichen Berufes in ihren Orden aufzunehmen.“

 

Fichte {s. d.) hat in seinen Briefen an Constant über Philosophie der F. seine Anpassung ungefähr in folgendem dargestellt:

„So gewiss sich weise und tugendhafte Männer je ernsthaft mit der F. beschäftigen, so gewiss kann sie einen vernünftigen, guten, erhabnen Zweck haben. Das, was der Tugendhafte, Weise will, was sein Zweck ist, ist Endzweck der Menschheit. Diese aber ist in Teile getrennt. Jedem wird sein besonderes Feld der Mitwirkung angewiesen. Jeder einzelne bildet sich vorzüglich für den Stand, den er gewählt hat. Daraus entsteht eine gewisse Halbheit und Einseitigkeit.
Die F. kann keinen der Zwecke beabsichtigen, mit dem irgend ein in der menschlichen Gesellschaft schon bestehender Stand, Einrichtung oder Ordnung bereits beschäftigt ist; denn dann wäre sie überflüssig oder schädlich. Dieser Zweck kann daher nur ein solcher sein, für den die grössere menschliche Gesellschaft keine besondere Anstalt haben kann. Ein solcher Zweck ist, die Nachteile der Bildungsweise in der grössern Gesellschaft wieder aufzuheben und die einseitige Bildung für den besondern Stand in die gemein menschliche Bildung, in die allseitige des Menschen als Menschen zu verschmelzen.
So bildet die F. die tauglichsten Mitglieder der grössern Gesellschaft. Und da jedes Glied derselben für sie notwendig ist, muss der Maurerbund für alle geöffnet sein, die überhaupt den Trieb nach Vervollkommnung und Veredlung besitzen.
Kein Stand, kein Glaube darf ausschliessen: nur allein der wahre Mensch und der es werden will, aber auch ohne Ausnahme, hat Eintritt in unsre geweihten Hallen.“

 

Wieland (s. d.) (Betrachtungen über den Zweck und Geist der F., vorgetragen am Stiftungsfest der Loge Amalia zu Weimar 24. Okt. 1809 (Analekten, Heft 1, S. 34)):

 „Die wesentlichsten Symbole und Hieroglyphen, deren richtige Erklärung einen grossen Teil unsers sogenannten Geheimnisses ausmacht, deuten auf den Beruf, an dem Bau eines herrlichen Tempels, der in der unermesslichen Stadt Gottes aufgeführt werden soll, mit vereinigten Kräften zu arbeiten. Eine Arbeit, wozu zwar im allgemeinen alle Menschen berufen sind, zu welcher aber die maurerische Verbrüderung, weil sie nicht bloss unter dem grossen Haufen der Berufenen, sondern unter der kleinem Zahl der Auserwählten sein will, sich selbst besonders und freiwillig auf die ernstlichste und feierlichste Weise verpflichtet.
Welches ist denn nun der richtigste und würdigste Begriff, den wir uns von dem Sinn dieser symbolischen Darstellung des maurerischen Berufs zu machen haben?
Mir däucht, gerade die Wahl des Symbols und dass dazu das Heiligste, was die Menschen haben, ein Tempel und aus allen Tempeln der Salomonische gewählt wurde, der in der alten Welt nicht seinesgleichen hatte und in welchem die Herrlichkeit Gottes gleichsam unmittelbar wohnen sollte: gerade dies kann uns den erhabnen Sinn desselben nicht verfehlen lassen. Oder was könnte durch diesen geistigen Tempelbau anderes und Würdigeres angedeutet werden, als: das ernste, thätige und anhaltende Streben aller echten und redlichen Maurer, vor allem sich selbst und dann auch soviel möglich die übrigen mit ihnen verbrüderten Menschen dem Ideal der Humanität, dem, was der Mensch gleichsam als ein lebendiger Stein in der ewigen Stadt Gottes zu sein bestimmt ist und wozu er schon in seinem rohen Naturstand alle Anlagen hat, durch unermüdete Bearbeitung immer näher zu bringen.
Es ist eine der wesentlichsten Bedingungen unsers Bruderbundes, alle Menschen ohne Rücksicht auf Stand, Religionsunterschied, bürgerliche und nationale Verhältnisse als unsre Brüder anzusehen und zu behandeln.“

Er anerkennt, als den, wenn auch nicht höchsten, doch wohlthätigsten Zweck der F.,
„dass sie das Band der Eintracht und des gegenseitigen Wohlwollens zwischen Menschen werden soll, die sonst durch Religionsbegriffe, Erziehungsvorurteile oder Nationalverhältnisse in einiger Entfernung leben würden.“

 

[dieses Zitat – mit einem zusätzlichen Satz am Schluss - bereits in: Allgemeines Handbuch der Freimaurerei, 1863, 429]

 

 

Krause (s. d.) (Kunsturkunden, 2. Ausg., Dresden 1819, Bd. I, Abschn. 1, S. 17):

„Die Maurerei ist die Kunst, den Menschen als Menschen und die Menschheit als Menschheit rein und allseitig zu erziehen, d. i. ihr Leben zu wecken, zu leiten und auszubilden und die ganze Bestimmung des Menschen und der Menschheit zu erreichen.“

 

[dieses Zitat – mit einem viel längeren davor - bereits in: Allgemeines Handbuch der Freimaurerei, 1863, 430]

 

 

 — Zschokke (s. d.) (Überblick des gegenwärtigen Zustandes der F. in Europa (Überlieferungen zur Geschichte unsrer Zeit, Jahrg. 1817), abgedruckt in FZ. 1850, Nr. 37 und 38):

„Schaffe dir ein Urbild der Menschheit in ihrer einstigen Vollendung; alle Nationen ohne Unterschied der Farbe, Sprache, Verfassung, Religion und Staatsverhältnisse aufgelöst in eine einzige Geschwisterschaft, alle losgeschält von den Vorurteilen der Örtlichkeit, des Standes und Handwerks, ohne National- und Religionshass, alle in brüderlicher Gleichheit und Liebe um den Allvater vereint, alle das Verdienst und die Tugend höher achtend als äussern Rang, Gunst des Zufalls, der Geburt, des Glücks, alle in Demut, Liebe und Treue wetteifernd am Bau allgemeiner Glückseligkeit, alle bei ungleichen Glücksgütern einander dienstbar, bei ungleichen Kräften einander wohlwollend, bei ungleichen Ansichten und Einsichten duldsam und sich gegenseitig ehrend, nirgends Gewaltherrschaft, nirgends Knechtschaft, im Genuss der ewigen Rechte aller Sterblichen keinem leibeigen, keinem geisteigen als dem Vater der Geister.
Schaffe dir ein Urbild, und du kennst nach Massgabe deiner Bildungsstufe Wesen und Zweck der Maurerei. […] Das Maurerthum ist das höchstgedachte ideale Verhältnis der Sterblichen unter sich selbst im Wechsel des Vergänglichen als menschliche Gesellschaft.“

 

[dieses Zitat – mit zusätzlichen Sätzen vorher und nachher - bereits in: Allgemeines Handbuch der Freimaurerei, 1863, 431]

 

 

 — Goethe (s. d.), in einer 15. Juni 1821 gehaltnen Logenrede (Analekten der Loge Amalia in Weimar, IIa):

„Unser Bund hat viel Eigenes, wovon gegenwärtig nur das eine herausgehoben werden mag, dass, sobald wir uns versammeln, die entschiedenste Art von Gleichheit entsteht: denn nicht nur alle Vorzüge von Rang, Stand und Alter, Vermögen, Talenten treten zurück und verlieren sich in der Einheit, sondern auch die Individualität muss zurücktreten. Jeder sieht sich an der ihm angewiesenen Stelle gehalten. Dienender Bruder, Lehrling, Geselle, Meister, Beamte, alles fügt sich dem zugeteilten Platz und erwartet mit Aufopferung die Winke des Meisters vom Stuhl; man hört keinen Titel, die notwendigen Unterscheidungszeichen der Menschen im gemeinen Leben sind verschollen; aber auch nichts wird berührt, was dem Menschen sonst am nächsten liegt, wovon er am liebsten hört und spricht; man vernimmt nichts von seinem Herkommen, nicht, ob er ledig oder verheiratet, vater- oder kinderlos, zu Hause glücklich oder unglücklich sei; von all diesem wird nichts erwähnt, sondern jeder bescheidet sich, in würdiger Gesellschaft, in Betracht höherer allgemeiner Zwecke, auf alles Besondere Verzicht zu thun;“

— „das Innere ihrer Jünger“ — sagt er an einer andern Stelle — „ohne Beziehung auf eine bestimmte Religion religiös zu entwickeln. Die Pflege des reinen Menschentums, der Humanität und Bruderliebe, frei von allen Vorurteilen der Rasse, des Standes und einer allein selig machenden Religion ist ihm die Aufgabe der F.“

 

[das erste Zitate bereits in: Allgemeines Handbuch der Freimaurerei, 1863, 431]

 

 

 — Mahlmann (s. d.) (A. Z. 1824, S.148):

„Der Zweck der F. ist Humanität, d. h. sie lehrt uns die hohe Aufgabe kennen und lösen: in jedem Stande und unter allen Verhältnissen wahrhaft Mensch zu sein.“

 

[dieses Zitat bereits in: Allgemeines Handbuch der Freimaurerei, 1863, 431]

 

 

Herder (s. d.), der Apostel der Humanität, spricht in seinem Gespräch zwischen Horst und Linda:

„Steht die Gesellschaft auf dem Gipfel, auf welchen wir sie wünschen, ist sie das, wonach zu allen Seiten alle Guten streben, jeder Religion und Standesverfassung unbeschadet, gleichsam das Auge und das Herz der Menschheit, so bringt sie, über allen Unterschied der Stände, über jeden Sektengeist erhaben, den freien Seelen, die zu ihr gehören, die goldne Zeit zurück, die in unser aller Herzen lebt.“

In seinem Gespräch über eine unsichtbare sichtbare Gesellschaft bezeichnet Herder als den Freimaurerbund
„alle denkenden Menschen in allen Weltteilen.“

 

(Noch viele andre Aussprüche aus älterer und neuerer Zeit s.

in der vorigen Auflage, I, S. 421 fg., [wie auch bereits – mit sehr vielen aus Frankreich und England - in der ersten Auflage, 1822, 274-326] sowie

Voigts, Die Kunst der F. im Lichte von Fürstenstimmen und im Urtheile grosser und edler Männer (Hann. 1858).

Vgl. auch Philosophie der Freimaurerei)

 

 

III. Der Freimaurerbund.

 

Die F. findet ihre Ausübung in dem Freimaurerbund. Jene ist der Geist, dieser der Körper, jene die Idee, dieser die Gestalt. Zwischen beiden muss notwendig unterschieden werden, worauf schon Fessler (s. d.) in seinen Briefen aus Kleinwall (Sämmtliche Schriften 1807, III, S. 5] hingewiesen hat, mit dem Bemerken, dass die Verwechslung beider Begriffe als die Quelle alles Unheils und Übels anzusehen sei, unter dem das Logenwesen leide.

„Die F. ist unwandelbar, durch ihre umfassende Tendenz in sich selbst vollendet und durch die unbestreitbare Überlieferung für ewige Zeiten geschlossen.
Der Freimaurerbund ist von den wandelbaren Bedingungen der Zeit, des Orts und der Personen anhängig. Religion, Sittlichkeit und Kraft, welche die Überlieferung für die wesentlichen Bestandteile der F. erklärt, werden ewig das Wesen der menschlichen Vollendung ausmachen, aber dem Freimaurerbund bleibt es über- lassen, sich zu organisieren, ihre Lehrbegriffe, ihre Kultur und ihre Konstitution so einzurichten, dass sie in ihren Gliedern die Anlagen zur F. immer vielseitiger, vollständiger und reiner entwickelt.“

 

 Wenn daher der Freimaurerbund als etwas Menschliches unvollkommen ist, selbst auf Irrwege gerät, ist daran nicht die F., sondern sind die unvollkommnen, irrenden Glieder des Bundes schuld, und man kann auf jene nicht übertragen, was dieser yerschuldet.

So zeigen alle Angriffe und Anschuldigungen diese Verwechslung, beziehen sich allein auf die menschliche Einrichtung der F. im Freimaurerbund, nicht auf diese selbst

(Vgl. Logentum.)

Statt Freimaurerbund sagt man auch hier und da Freimaurerorden (s. Orden).

 

 

IV. Organisation des Freimaurerbundes.

 

Die Mittel, in denen der geistige Gehalt der F. in äussere Erscheinung tritt, die ihm ureigen sind, sind Ritual (s. d.) und Symbolik. Durch sie wirkt der Freimaurerbund erzieherisch auf seine Mitglieder ein.

 

Der Ort der Ausübung ist die Loge (s. d.), der höchste Beamte (s. d.) der Meister vom Stuhl (s. d.), dem stellvertretende (zugeordnete) Meister (s. d.) und zwei Aufseher (s. d.) zur Seite stehen. Diese bilden den Logenvorstand (s. d.).

Er wird in der Begierung der Loge, nämlich in der Ausübung des Rituals und in den Geschäften der Verwaltung, von mehreren andern Beamten (s. d.), sowie von verschiednen Ausschüssen unterstüzt.

 

Die Johannislogen führen ihre Mitglieder durch die drei symbolischen Stufen des Lehrlings, des Gesellen und des Meisters.

 

Logen mit sog. Hochgraden (s. d.) haben noch weitere solche Stufen.

 

Aufnahme (s. d.) in eine Loge und damit in den Bund der Freimaurer kann jeder volljährige und verfügungsfähige Mann von gutem Rufe finden, der einen gewissen Grad geistiger und sittlicher Reife, Religiosität, Ergebenheit gegen die Obrigkeit, gesellige Bildung und Sinn und Empfänglichkeit für höhere menschliche Interessen hat. In einer Anzahl Logen gehört noch das christliche Bekenntnis zu den Bedingungen der Aufnahme. (S. Humanitätsprinzip.)

 

Die Logen vereinigen sich zu Grosslogen (s. d). Mehrere Grosslogen haben fürstliche Protektoren (s. d.).

 

Eine einheitliche Organisation besitzt der Freimaurerbund nicht; ebenso wenig hat er „unbekannte Obere“ (s. d.), von denen er geleitet würde, und es hat auch niemals solche gegeben. Ist doch sogar die Arbeitsweise verschieden (s. Lehrarten).

 

Der Freimaurerbund ist nur eine durch die maurerischen Zwecke, die Grundidee der F. und durch gewisse geschichtliche, traditionelle Formen verbundene Brüderschaft von Angehörigen aller Völker und Religionen. In Ermangelung einer zentralen Leitung des Bundes ist die gegenseitige Anerkennung der Logen und Grosslogen als rechtmässige freimaurerische Verbände die notwendige Voraussetzung ihrer formellen Geltung.

 

 

V. Wert und Berechtigung der F.

 

Die Gegner der F. haben behauptet, sie habe sich überlebt, um so mehr, als andre menschliche Verbände, die Kirche und der Staat, denselben Zweck sittlicher Vervollkommnung der Menschheit hätten, die Kirche unmittelbar, der Staat mittelbar.

Allein neben beiden hat der Freimaurerbund die volle Berechtigung zu seinem Bestand, da er einesteils den Wirkungskreis der Kirche und des Staats nicht beeinträchtig, andernteils die sittlichen Aufgaben der Menschheit mit solchen Mitteln zu erreichen strebt, die weder der Kirche, noch dem Staate eigen sind.

 

Lessing sagt in dem zweiten der Gespräche für Freimaurer (1778):

„Die Staaten vereinigen die Menschen, damit durch diese und in dieser Vereinigung jeder einzelne Mensch seinen Teil von Glückseligkeit desto besser und sicherer gemessen könne. Allein selbst bei der besten Staatsverfassung würden in der bürgerlichen Gesellschaft verschiedne Nationen, verschiedne Religionen, verschiedne Stände u. s. w. bestehen. Die bürgerliche Gesellschaft kann die Menschen nicht vereinigen, ohne sie zu trennen, nicht trennen, ohne Klüfte zwischen ihnen zu befestigen, ohne Scheidemauern durch sie hindurchzuziehen.
Jenen Trennungen muss daher wiederum entgegengearbeitet werden. Es ist sehr zu wünschen, dass es in jedem Staate Männer geben möchte, die über die Vorurteile der Völkerschaft hinweg wären und genau wüssten, wo Patriotismus Tugend zu sein aufhört, die dem Vorurteil der angebornen Religion nicht unterlägen, nicht glaubten, das alles notwendig gut und wahr sein müsse, was sie für gut und wahr erkennen, welche bürgerliche Hoheit nicht blendet und bürgerliche Geringfügigkeit nicht ekelt, in deren Gesellschaft der Hohe sich herablässt und der Geringe sich dreist erhebt.“

„Wie“, lässt Lessing seinen Falk am Schlusse dieses Gesprächs fragen, „wie, wenn es die Freimaurer wären, die es sich mit zu ihrem Geschäft gemacht hätten, jene Trennungen, wodurch die Menschen einander so fremd werden, so eng als möglich wieder zusammenzuziehen?“

 

Lessing hat hier, wenn auch nur mehr in negativer Weise, den Hauptstützpunkt für die soziale Berechtigung des Freimaurerbundes bezeichnet und hat damit zugleich den ausdrücklichen Hinweis verbunden, dass er mit dem Gesagten keineswegs das Ganze, sondern nur einen Teil der Aufgabe bezeichnen wolle. Die Idee der F. selbst, die er die esoterische (s. d.) nennt, im Gegensatz zu der geschichtlichen F., der Gestalt , in der das Wirken des Freimaurerbundes sich gegenwärtig darstellt, ist ihm eine ebenso erhabene, wie die der Religion, welche beide nur auf den höchsten Stufen der Aufklärung und Herzensreinheit des Menschengeschlechts erreicht werden können und auf welche die positive Religion, wie die geschichtliche F. nur vorbereitend wirken.

Klar und bestimmt spricht Lessing die Notwendigkeit und den hohen Wert der F. in den Worten aus:

„Die F. ist nichts Willkürliches, nichts Entbehrliches, sondern etwas Notwendiges, das in dem Wesen des Menschen und der bürgerlichen Gesellschaft gegründet ist.
— Die wahren Thaten der Freimaurer sind so gross, so weit aussehend, dass ganze Jahrhunderte vergehen können, ehe man sagen kann: das haben sie gethan. Gleichwohl haben sie alles Gute gethan, was noch in der Welt ist, und fahren fort, an alle dem Guten zu arbeiten, was noch in der Welt werden wird.
— Die wahren Thaten der Freimaurer zielen dahin, um grösstenteils alles, was man gemeinhin gute Thaten zu nennen pflegt, entbehrlich zu machen.“

 

Eine ähnliche Darlegung giebt Fichte in seinen Briefen an Constant (s. oben S. 283). Er tritt der Sache selbst dadurch noch um vieles näher, dass er (in seinem achten Brief) auf das Verhältnis des menschlichen gegenwärtigen Lebens zu dem hohem Dasein hinweist, für das jenes nur Vorbereitung und Keim sei; alles unser mögliches Handeln stelle sich uns nur vor als eine Beförderung jener höchsten Zwecke des gegenwärtigen Lebens. Er legt diese dann weiter dar und weist nach, in welcher Weise die Beförderung dieser Zwecke die Aufgabe einer aus allen Ständen und allen gebildeten Völkerschaften durch Absonderung von der grössern entstandnen kleinem Gesellschaft sei, „welche sich nun eben F. nennt“.

 

Und schön sagt Herder (s. d.) (Adrastea, I, Freimaurer 1801-3):

„Religiöse und bürgerliche oder Staatsbeziehungen rein ab- und ausgeschlossen, was bleibt dem denkenden und thätigen Menschen, was bleibt einer bauenden Gesellschaft übrig, als der Bau der Menschheit? Ein grosses Werk, ein schönes Unternehmen!
Alle bloss bürgerlichen Zwecke engen den Gesichtskreis, wie Lessing vortrefflich gezeigt hat; von ihnen rein abstrahierend steht man auf einem freien und grossen Felde. Alle Anliegen der Menschheit können, dürfen sich an dieses unsichtbare Institut wenden; es denkt, es sorgt für sie. Es hilft, wo es helfen kann, und man ist niemand Dank schuldig. Aus einer Wolke gleichsam kam die helfende Hand und zog, ehe man sie gewahr ward, sich wieder zurück in die Wolke. Es ist angenehm, sich eine geschlossene, das Wohl der Menschheit beratende, im stillen wirkende Männergesellschaft zu denken, denen ihr Werk gewissermassen selbst ein Geheimnis sein muss, daran sie wie an einem endlosen Plan arbeiten. Was gäbe es, Religion und Politik ausgeschlossen, für ein anderes, der Gesellschaft würdigeres Geschäft, als eben mit reinem Ausschluss jener Beziehungen das Beste der Menschheit für jetzt und die kommenden Zeiten?“

 

[dieses Zitat – mit einem zusätzlichen Satz am Schluss -bereits in: Allgemeines Handbuch der Freimaurerei, 1863, 427]

 

 — Diesen philosophischen Begründungen des Freimaurerbundes steht die geschichtliche Entwicklung der ihm zu Grunde liegenden Idee überzeugend zur Seite.

 

Von dem frühesten Altertume an durch den ganzen Verlauf der Bildungsgeschichte der Menschheit hindurch treten in national und zeitlich verschiednen Gestalten Vergesellschaftungen von Männern auf, die in enger Verbindung und bestimmt vorgezeichneten Grenzen und Wegen jenen notwendigen Übeln der menschlichen Kultur durch gemeinsames Hinstreben nach dem höchsten Ziel der Menschheit und Hinwirken auf dessen Erkenntnis und deren Bethätigung entgegenarbeiteten.

 

Der Freimaurerbund ist unter diesen verschiednen kulturgeschichtlichen Erscheinungen die der neuem Zeit seit dem Ausgang des Mittelalters eigentümliche, mit dem ganzen Kulturstreben dieser Zeit eng verbundne und aus ihm hervorgegangne. Er hat, dem Entwicklungsgang der geistigen und sozialen Bildung dieser Zeit entsprechend, bereits verschiedne Perioden und Zustände durchlebt und in und mit ihnen sich zu hoher Bedeutung durchgebildet.

Sein kraftvolles Bestehen, sein inneres und äusseres Wachstum sind Thatsachen, die jeden Zweifel über seine Lebensfähigkeit niederschlagen müssen. Eine kulturgeschichtliche Kraft, wie die des Freimaurerbundes, der so gewaltige Prozesse des sozialen Lebens siegreich überstanden hat, lässt sich durch keine Waffen des Geistes, ihr Wirken lässt sich durch keine Waffen der Gewalt dauernd beseitigen. Sie ist ein Erzeugnis des höhern menschlichen Kulturlebens.

 

Ja, der Freimaurerbund wird, wenn nicht alle Zeichen trügen, in Zukunft noch eine weit höhere Bedeutung erlangen, als ihm in der Vergangenheit eigen gewesen ist, und mit Recht kann man sagen, dass er jetzt entstehen müsse, wenn er nicht schon vorhanden wäre, jetzt am Ende des 19. Jahrh. mehr als je, wo die Menschheit gespalten und zerklüftet ist durch allerhand Parteiungen, wo er berufen erscheint, triumphierend über Rassenhass, Klassenhass und Glaubenshass zu stehen und siegreich zu wirken und diese darniederzuschlagen.

 

[dieser ganze Paragraph V. leicht gekürzt übernommen aus:

Allgemeines Handbuch der Freimaurerei, 1863, Stichwort „Freimaurerbrüderschaft“, 402-405, aber auch stark ergänzt]

 

 

VI. Litteratur.

 

Krause, K. Chr. F., Die drei ältesten Urkunden der Freimaurerbrüderschaft (2 Bde., je 2 Abt., Dresd. 1819 bis 1821).

—Krause, Das Urbild der Mensch- heit (Göttingen 1851).

— Kloss, Georg, Die F. in ihrer wahren Bedeutung aus den alten und ächten Urkunden der Steinmetzen, Masonen und Freimaurer nachgewiesen (Lpz. 1846).

— Lessing, G. H., Ernst und Falk, Gespräche für Freimaurer. Historisch-kritisch erläutert von Dr. J. F. L. Th. Merzdorf (Hann. 1855).

— Bluntschli, J. C, Freimaurergespräche (Nördlingen 1878).

— Ders., Wesen. Zweck und Geschichte der F. im Umrisse (Stuttg. 1860).

— Seydel, Rudolf, Reden über F. an denkende Nichtmaurer (2. Aufl., Lpz. 1860).

— Derselbe, Kritik und Fortbildung des Lessingschen Begriffs der F. in Ernst und Falk (Mittheilungen aus dem Verein deutscher Freimaurer, I, S. 16).

— Cramer, B., Die Ziele und Aufgaben des Freimaurerbundes (Lpz. 1885).

— Fischer, Robert, Briefe über F. zur Aufklärung für alle Kreise (4. Aufl., Lpz. 1893).

— Möller, G. H., Wesen und Ziele der F. (Ulm 1891).

— Reinhardt, v.. Offner Brief über die Ziele der F. an solche, welche sich für die F. interessieren (5. Aufl., Ulm).

— Findel, J. G., Der freimaurerische Gedanke und seine Berechtigung (Lpz. 1898).

— Uslar, H. v., Die F. in unseren Tagen (Wolfenbüttel 1875).

— Henne -Am Rhyn, O., Die F., deren Ursprung, Geschichte, Verfassung, Religion und Politik (3. Aufl., Lpz. 1889).

— Ders.. Adhuc stat! Die F. in zehn Fragen und Antworten. Zur Aufklärung für das Volk und dessen Freunde (5. Aufl., St. Gallen 1882).

— Adam, A., Die Geheimnisse der F. im Lichte der Zeit (Lahr 1876).

— Schäfer, Theodor, Was ist F. (Brl. 1885).

— Poszvék, Wesen und Aufgabe der F. mit besonderer Rücksicht auf Österreich-Ungarn. Briefe an einen Freund (2. Aufl., 1897).

 

Ausserdem finden sich Vorträge und Abhandlungen über die F. fast in allen freimaurerischen Zeitschriften älterer und neuerer Zeit.

Erwähnt seien nur u. a.

Bh. 1876, S. 76.

FZ. 1861, S. 113; 1884, S. 313; 1891, S. 364; 1896, S. 361; 1898, S. 11.

L. 1895, S. 141; 1897, S. 9, 17; 1898, S. 129, 177.

M. L. 1888/9, S. 104; 1889/1900, S. 85.

Ebenso vergleiche man die zahlreichen Schriften bei

Kloss, Bibliographie, Nr.218— 782, und

Taute, Bücherkunde. Nr. 1433—1840.

 

 

Freimaurerei, die blaue,

so genannt von der in der Kleidung u. s. w. der drei ersten oder symbolischen Grade vorherrschenden blauen Farbe, ist der Inbegriff der freimaurerischen Lehren und Symbole, die in diesen Graden gepflegt werden.

Sie heisst auch die symbolische oder Johannismaurerei (s. d.).

 

 

Freimaurerei, die rote,

so genannt von der in der Kleidung u. s. w. der höhern Grade (s. Hochgrade) vorherrschenden roten Farbe, ist der Inbegriff der freimaurerischen Lehren und Symbole, die in diesen hohem Graden gepflegt werden.

 

[diese zwei Erläuterungen bereits in: Allgemeines Handbuch der Freimaurerei, 1863, 440]

 

 

Freimaurerische Wissenschaft.

 

Der Freimaurerbund als kulturgeschichtliche Erscheinung und die Freimaurerei als eine in der Bildungsgeschichte der Menschheit hervortretende und in ihr sich fortbewegende Idee sind Gegenstand wissenschaftlicher Forschung und Darstellung, und diese Wissenschaft, die man als f. W. bezeichnen kann, bildet einen Teil der Kulturwissenschaft überhaupt.

 

Diese Wissenschaft — die gleich jeder andern ihre besondere Geschichte und Litteratur hat (s. Bücherei. Litteratur) — zerfällt in zwei Hauptteile:

 

 A. die Wissenschaft der Freimaurerei, und zwar teils in ihrer geschichtlichen Entwicklung und Entwicklungsfähigkeit (s. Reformen), teils in ihrem positiven Inhalt (s. Gesetzbuch, Lehrarten, Lehre, Ritual), teils in der philiosophischen Untersuchung ihrer Grundideen (s. Philosophie der Freimaurerei),

 

B. die Wissenschaft des Freimaurerbundes, und zwar teils dessen Rechtsverhältnisse nach innen (s. Recht) und nach aussen (s. Staat], teils dessen Geschichte [und Statistik].

 

Mit dieser Auffassung der freimaurerischen Wissenschaft und deren Einreihung in die gesamte Kulturwissenschaft tritt der Gesamtinbegriff dieser Lehren erst in ein richtiges Verhältnis zu den andern Gebieten des menschlichen Wissens. Nur darf nicht übersehen werden, dass die Freimaurerei an sich keine Wissenschaft, sondern eine Idee ist, die der Freimaurer in sich zur möglichst vollendeten Darstellung bringen soll, daher die Übung in der letztem und so auch die Freimaurerei selbst von jeher als eine Kunst (s. d.) bezeichnet worden ist.

(Vgl. Mittheilungen aus dem Verein deutscher Freimaurer 1896/97, S. 74. Bh. 1872, S. 305, wo eine besondere Methodologie der Freimaurerei, 1882, S. 9.)

 

[diese Erläuterungen bereits in: Allgemeines Handbuch der Freimaurerei, 1863, 440]

 

 

Freimaurerregeln.

 

Mit diesem, auch sonst vorkommenden Namen*) bezeichnet man gewöhnlich die auf dem Konvent zu Wilhelmsbad (s. d.) von 1782 angenommene Zusammenstellung von Lebensregeln und Grundsätzen für Freimaurer, die ursprünglich in französischer Sprache abgefasst, in dieser, sowie in deutscher, auch englischer Übersetzung in mehrfachen Ausgaben veröffentlicht worden sind.

(Erste Ausgabe u. d. T.: Règles maçonniquee à l‘usage des loges réunies et rectifiées. Arrètées au Convent général de Wilhelmsbad 1782;

auch deutsch im Magazin für Maurer (1806), St. 2, S. 104 und im Anhang zu Anti-Sarsena (1817), S. 205;

englisch im Freemasons' Magazine 1794, Nov. und Dez., und in Steph. Jones' Masonic Miscellanies (London 1811), S. 274.

Taute, Bücherkunde (Lpz. 1886) zu Nr. 816.)

 

Als Verfasser galt früher der Kaufmann Villermoz aus Lyon; nach Kloss aber ist es vielmehr der Baron von Dürkheim. Sie finden sich wörtlich abgedruckt in der vorigen Auflage I, [441-] 445.

 

 

*) Verschieden von diesen sind die allgemeinen Grundregeln der Freimaurerei, die von der Loge Kasimir zu den drei Sternen in Prag 1777 heraus gegeben wurden und die allgemeinen Grundregeln der Freimaurer (Pressburg 1784), die (nach Mossdorfs Angabe in Lennings Encyklopädie, I, 268) dem entsprechenden Abschnitt des Konstitutionenbuchs der Grossen Provinzialloge von Hamburg und Niedersachen zu Grunde liegen.

 

Voran steht folgende Lebensregel:

 

Trau Gott, traue nicht dir, still wirke das Deinige,

lauter

Fliess dein Gebet, dir genüg‘ wenig, die Grösse

verschmäh‘,

Vieles vernimm, sprich wenig, verschweig‘ das Vertraute,

Geringrer

Schone, dem Höheren weich, trage den Gleichen

mit Huld.

Hasse das Zaudern, bewundere nichts und verachte

die Stolzen,

Übel ertrag‘ und lern‘ leben und sterben in Gott.

 

[Diese Erläuterungen bereits in: Allgemeines Handbuch der Freimaurerei, 1863, 441, gefolgt vom vollen Wortlaut der Wilhelmsbader Regeln, 441-445; das Gedicht „Trau Gott“ auch in lateinischer Sprache.

 

Das Gedicht findet sich bereits unter dem Titel „Norma morum“ lateinisch und französisch bei den „Chansons de la Très-vénérable Confrèrie des Francs-Maçons“ gegen Schluss der Enthüllungsschrift:

Les Secrets, De L'Ordre Des Francs-Maçons: Devoilés & mis au jour par Monsieur P*** [Abbé Perau], Seconde Partie, à Amsterdam 1745.

In der deutschen Übersetzung – unter „Nachricht“ - ist zu lesen, dass diese Lieder einem kleinen Buche entnommen sind, das die Freymäurer in 1737 haben stechen lassen“.]

Zwei verschiedene deutsche Übersetzungen finden sich in:

Der neu-aufgesteckte Brennende Leuchter des Freymäurer-Ordens, 1746, 118.]

 


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