Home Quintessenz der ächten Freymaurerey

                     entworffen von einem Meister der Schottischen Brüderschaft.

                     [Leipzig:] 1746.

 

 

 

Dem Durchlauchtigstem Fürsten und Herrn,

Herrn Friederich,

 

Marggrafen zu Brandenburg,

in Preussen, zu Schlesien, Magdeburg, Cleve, Jülich, Berg, Stettin, Pommern, der Cassuben und Wenden, zu Mecklenburg und zu Crossen Herzogen, Burggrafen zu Nürnberg, Fürsten zu Halberstadt, Minden, Camin, Wenden, Schwerin, Ratzeburg und Mörs, Grafen zu Hohenzollern, der Mark, Ravensberg und Schwerin, Herrn zu Ravenstein, wie auch der Lande Rostock und Stargardt etc.

Des Löblichen Fränkischen Crayses bestalten General-Feldmarschalls und Obristen über drey Regimenter zu Ross und Fuss etc. etc.

 

Meinem gnädigsten Fürsten und Herrn.

 

 

Durchlauchigster Marggraf,

Gnädigster Fürst und Herr!

 

Der edle und heutiges Tages so Welt berühmte Frey-Maurer Orden würde schwerlich so hoch gestiegen seyn, woferne derselbe nicht von Zeit zu Zeit an grossen Fürsten die mächtigsten Beschützer und Vertheidiger gefunden hätte. Wie glückselig aber ist nicht unsere Königliche Kunst in Teutschland zu preisen, da selbe unter dem Schutz und dem Schatten Ew. Hochfürstlichen Durchlaucht einer recht beneidenswürdigen Ruhe genüsset. Alle rechtschaffenen Frey-Maurer erkennen billig ein so Grossmüthiges Verfahren mit dem allerempfindlichsten Dank; Und eben dieser Bewegungs-Grund, Durchlauchtigster Marggraf, veranlasset mich, Ew. Hochfürstlichen Durchlaucht gegenwärtigen Abriss unserer Gesellschaft mit allerunterthänigster Submission zuzueignen, in der zuversichtlichen Hoffnung, dass Höchst Dieselben, wo nicht diese Blätter, dennoch meine bezeugte allerunterthänigste devotion einer gnädigsten Aufnahme würdigen werden.

 

Durchlauchigster Marggraf,

E. Hochfürstlichen Durchlaucht

 

allerunterthänigst gehorsamer Knecht

der Verfasser.

 

[Philipp Friedrich Steinheil]

 

 

 

Unter so vielen vortreflichen Grund-Reguln, welche zur Glückseligkeit des Menschlichen Lebens etwas beytragen, ist ohne Zweifel diejenige eine derer heylsamsten, und die unsrem Gedächtnisse niemahls entfallen sollte, welche uns lehret, jederzeit nach dem ächten und vollkommenem zu streben.

 

Bey dieser Unbeständigkeit und Vergänglichkeit der Menschlichen Sachen verdienet alles flatterhafte Wesen unsere Aufmerksamkeit nicht. Wir füllen unsere Einbildung an mit betrüglichen Schein-Gütern, und sehen uns so gar in dem Augenblick selbst, da wir am sichersten darauf Rechnung machten, in unserer herrlichen Hoffnung betrogen.

 

Ein jedes Gebäude, so prächtig es auch immer seyn mag, muß und wird ganz gewiß über den Haufen fallen, wann es auf blossem Sande erbauet ist, und je höher es aufgeführet wird, desto mehr drohet ihm der Untergang. Eine ganz andere Bewandniß aber hat es mit dem ächten und festen. Dessen Stärke so wohl als dessen Werth beruhet auf dem Grunde, und weil diesen wanckend zu machen nichts in der Welt fähig ist, so kan alles, was darauf gebauet wird, der Vernichtung zukünftiger Zeiten Trutz biethen.

 

Von so weitläuftigem Nutzen nun diese weise Moral auch überhaupt zu achten, so ist sie dennoch besonders in Ansehung der Menschlichen Gesellschafft von einem unschätzbaren Werth. Die Menschlichen Herzen, so von Natur unbeständig und flatterhafft, sind wenig geneigt, sich selbst ein unveränderliches Gesetz vorzuschreiben; sondern verwerffen gar bald mit Abscheu, was sie kurtz vorhero mit sehnlichen Verlangen gesuchet hatten. Um also das Band dieser Gesellschafft desto fester zu verknüpfen, ist ohnumgänglich nöthig, daß die Weisheit denen Menschen zu Hülfe komme, und durch Vorschreibung gewisser Grund-Reguln, so sie niemahls aus den Augen lassen sollten, ihrer Wanckelmuth und Unbeständigkeit Schrancken setze.

 

 

Der Frey-Maurer Orden ist in der Welt allein diejenige Gesellschafft, wo diese Arten von Grund-Reguln am glücklichsten sind angebracht, und festgesetzet worden. Eben dadurch, daß wir alles meiden, was verderblich seyn kan, und im Gegenteil alles suchen, was zu unserer Glückseligkeit und Erhaltung gereichen kan, sehen wir denselben noch biß auf den heutigen Tag so wohl befestiget, daß kein Zufall noch Verhängnisß dessen Grund umzustürtzen vermag.

 

Soll ich dem vernünfftigen Leser von der Vortrefflichkeit unsrer Brüderschafft einen völligen Begriff geben, so muss ich Stück vor Stück zur Hand nehmen, und ihm erklären, worinn das Wesen und die Eigenschaften derselben eigentlich bestehen. Weil aber die Hoheit der Materie an und vor sich selbst keiner anderen Erhebungen noch geborgter Zierrathen bedarf, so werde ich meine Erklärung ohne alles Wort-Gepränge und so kurtz als möglich. fassen.

 

 

Die zu unsern Zeiten so berühmte Frey-Maurerei, ist ihrem Wesen nach nichts anders, als eine Gesellschafft kluger Personen, welche durch das Band der brüderlichen Liebe unterhalten, und durch die Reguln der Moralischen Tugend geführet werden, anbey sich bestreben, eine vernünfftige Geselligkeit zu beobachten, worzu jedes Mit-Glied alles, was dieselbe nur nützlich und angenehm machen kan, beyzutragen verbunden ist.

 

Da der Mensch unter allen lebenden Creaturen am meisten die Geselligkeit liebet, und so beschaffen ist, dass keiner den andern entbehren kan, so liegt ja hieraus am Tage, daß die Grund-Reguln der gesunden Maurerey zugleich mit der Welt entstanden sind; Nur vor einigen Jahrhunderten sind selbige in diejenige Form und Gestallt, worinn wir sie heutiges Tages sehen, gebracht worden.

 

Die so am ersten Sorge getragen, unsere Gesellschafft in diese vortreffliche Verfassung zu setzen, haben vor gut befunden, sich durch ein Symbolisches Gleichniß den Namen derer Freyen Maurer beyzulegen. Der Mechanische Maurer führet das Winckel-Maaß und die Richt-Schnur in der Hand, und ist bemühet, sein unterhabendes Werck auf das genaueste gerade und wohl passend zu machen. Eben also sollen auch wir Menschen alle unsere Handlungen nach dem Winckelmaaß und Richtscheit der Tugend und Klugheit auf das schärfeste in Erwegung ziehen, um dieselben gleich und wohl passend zu machen, und nichts unanständiges daran zu lassen.

 

Ferner suchet der erste durch die Gebäude, so er aufführet, sich vor dem ungestümen Wetter zu bewahren; Und wir sollen auch nach dessen Beyspiele uns eyfrigst bemühen, gegen den Unfall und Unbestand des Glückes uns eine unverletzliche Schutz-Wehre zu verschaffen,, wann wir nemlich hauptsächlich die vornehmsten und ohnumstößlichsten Reguln zum Grunde unseres gantzen Lebenslaufes setzen.

 

 

Aus diesem Abriß wird man bereits zum voraus leicht urtheilen können, daß, um ein ächter und rechtschaffener Maurer zu werden zu werden, keine gemeine Gaben und Begriffe erforderlich sind. Unsere bewundernswürdige Kunst hat auch vor allen anderen Menschlichen Gesellschafften darinn einen Vorzug, daß sie auf festen und beständigen Grund-Sätzen beruhet, und nicht eher als mit der Welt ein Ende nehmen kan.

 

Diese Grund-Sätze sind, nach Maurer Art zu reden, die Verschwiegenheit, die Moralität und die gute Gesellschafft, als die drey Säulen und Stützen, welche dieses gantze prächtige Gebäude halten. Jedem dieser dreyen Grund-Sätze zu Folge haben wir besondere Pflichten, an welche wir auf das allerheylichste gebunden sind.

 

Was die Verschwiegenheit anlanget, so müssen wir nicht nur alles, was unter uns schlechterdings Geheimniß genennet wird, ohnverletzlich geheim halten, sondern uns auch überhaupt bestreben, in allen unseren Reden und Handlungen verschwiegen zu seyn. Jedermann siehet allzuwohl ein, von was vor ungemeinem Nutzen diese so wenig geneine Tugend sey, als daß ich mich auf die Anpreisung derselben länger aufhalten sollte.

 

Die Moralität, als der zweite Grund-Satz, und welcher die Moralische Tugend, so weit sich dieselbe erstrecket, in sich fasset, fordert von uns, daß wir nicht allein in unsern Sitten jederzeit ordentlich und ehrbar seyn, sondern auch nichts vornehmen sollen, was wider diese Moralische Tugend lauffen möchte.

Diese ist es auch, welche eigentlich der wahrhafte Probier-Stein eines ächten Frey-Maurers kan genennet werden. So ehrerbiethig wir auch sonst gegen diejenigen sind, welche in Betracht ihrer Geburth oder des hohen Ranges, den sie in der Welt begleiten, vor andern Vorzug verdienen, so betrachten wir dennoch unter uns den Menschen schlechterdings nur in so weit, als er von Natur gut und redlich ist; Und in eben dieser Betrachtung geschiehet es, dass wir dem Richtscheit der Natur zu Folge uns einander als Brüder ansehen.

Eben deswegen und nach Maaßgebung derer Gesetze nur gedachter Moralischen Tugend, welche eintzig und allein die Menschliche Gesellschafft unterhält, ziehen wir bey der Wahl unserer Brüder ihre Religion mit Recht in keine Erwegung, sondern begnügen uns, wenn ihre Redlichkeit keinem Zweifel unterworffen ist. So gar ist ausdrücklich verboten in unsern Versammlungen von Religions-Sachen zu sprechen, damit wir unsern Mit-Brüdern nicht beschwerlich fallen, und allen Zwiespallt, der bekandtlich aus dergleichen Wort-Wechsel entstehet, vermeiden. Weil übrigens unflätige Reden eben so wenig mit der Moralität übereinstimmen, so folget dahero auch, daß wir uns aller nichtswürdigen und ungeziemenden Reden enthalten, als die nur keusche Ohren ärgern, und vor edelgebohrne Seelen sich nicht schicken können.

 

Was die gute Gesellschaft, als den dritten Grund-Satz betrifft, so lehret uns derselbe insbesondere die Pflichten der Geselligkeit, nach welchen ein jeder unter uns aus allen Kräfften beytragen muß, was selbe nur nützlich und angenehm machen kan. Im Gegenteil aber sind wir verbunden, alles was zu Unordnung Anlass geben, oder die vergnügte Eintracht, so unaufhörlich unter uns herrschet, im geringsten stöhren könte, sorgfälltigst bey Seite zu setzen. Daher kommt es, daß uns ebenfalls schlechterdings nicht erlaubt ist, von Politischen Händeln oder Staats-Sachen zu sprechen, weil diese gemeiniglich auch zu nichts anders dienen als der Uneinigkeit und Zwietracht Thür und Thor zu öffnen.

 

 

Aus dieser kurtzen Zergliederung unserer Grund-Sätze und derer daher entspringenden Pflichten wird jeder, wenn er anders mit keinem Vorurtheil behafftet ist, leichtlich wahrnehmen, daß unsere berühmte Brüderschafft keinen andern, als einen guten und löblichen Endzweck haben könne. Dieser so sehnliche Endzweck aber ist überhaupt, daß wir aus einem tugendhaften Eyfer jederzeit nach dem guten und ehrbaren streben, und an unsrer aller Glückseeligkeit gemeinschafftlich arbeiten, wie nicht weniger auch darneben diejenigen Ruhe-Stunden, so zur Erquickung des Leibes und Ergötzlichkeit des Gemüthes bestimmet sind, mit Vergnügen und Nutzen zubringen mögen.

 

Das wahrhaffte Mittel nun, einen so rühmlichen Zweck zu erlangen, ist, über seine Leidenschafften den Meister zu spielen, als welcher Meisterschafft und einer so edlen Herrschafft über uns selbst wir uns besonders zu rühmen haben. Der Name derer Freyen-Mauerer, welchen wir angenommen, drücket diese Haupt-Eigenschaft eines Mauerers vollkommen wohl aus, maassen niemand Frey geschätzet werden kan, wofern er nicht die ausschweifenden hefftigen Regungen, die man insgemein Affecten nennet, zu bändigen und im Zaum zu halten weiß.

 

 

Nunmehro wird hoffentlich in die Augen fallen, von was vor weit aussehendem Nutzen und Werth unsere vortreffliche Kunst sey. Der gantze Umfang ihrer Größe lässet sich hauptsächlich in diesen eintzigen Satz, den vielleicht niemand in Zweiffel ziehen wird, einschliessen, nehmlich:

Dass nichts gutes und tugendhafftes zu finden, so man unter uns nicht könne und müsse ausüben, und daß hingegen alles was nur böse und lasterhafft genennet werden kan, gäntzlich daraus verbannet sey; Welcher Eigenschafft keine andere Gesellschafft mehr auf der Welt, als allein als die unsrige, sich rühmen kan.

 

Die glücklichen Würckungen derselben bleiben auch nicht nur bey unsrer Brüderschafft eingeschräncket. Ein ächter Frey-Mäurer ist ein höchstschätzbahres Mit-Glied in allen andern Gesellschafften und Ständen, und man darf nur dessen Betragen untersuchen, um völlig davon überzeuget zu werden.

 

Ich will sein Bildniß mit wenigen Worten abschildern:

 

Der ächte Frey-Maurer ist in der That ein Beneidenswürdiger Mensch. Die Tugend, Mäßigung und Klugheit leiten alle dessen Tritte und Schritte. Gegen seine Vorgesetzten und Höheren erzeugt er sich ehrerbiethig, gesellig und höflich gegen seines gleichen, leutseelig und mitleidig gegen die niedrigern, und so leistet er jedem, was derselbe von ihm verlangen kan. Die Beobachtung seiner Pflicht ist jederzeit seine Haupt-Beschäfftigung, und weil er sich nur an das ächte hält, so ist nichts vermögend, seine Gemüths-Ruhe zu verwirren.

Er ist mäßig in seinen Begierden; Bescheiden in seiner Aufführung; Freundlich in seinem Umgange; Verschwiegen in seinen Reden; Bedachtsam in seinem Vornehmen; Gewissenhaft in seinem Versprechen; Ein zärtlicher Bruder und treuer Freund; Ja, welche unzählige Menge anderer schöner Eigenschaften, die ich hier mit Stillschweigen übergehe, besitzet er nicht noch?

 

Dieses wird verhoffentlich zulänglich seyn, der vernünfftigen Welt von der Grösse und Schönheit unserer edlen Kunst wenigstens im grossem einen wahren Begriff beyzubringen …

 

 

[Leider hat die Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt, welche die einzige Ausgabe der „Quintessenz“ besitzt, die letzte Seite des Büchleins nicht fotokopiert.]

 


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