Home Das maurerische Geheimniß: „Meister über ihre Leidenschaften zu seyn“

 

 

 

In den von J. Georg B. F. Kloß 1842 herausgegebenen „Annalen der Loge zur Einigkeit“, lesen wir, S. 6-7, dass Joseph Uriot (1713-1788) am 11. Juli 1742 in der neugegründeten Loge „Zur Einigkeit“ in Frankfurt am Main, als besuchender Bruder, eine Rede gehalten hat:

Lettre d’un francmaçon à un de ses amis, adressée à Mr. De. Vaux.

Sie fand soviel Anklang, dass Uriot sogleich gratis affiliert wurde und eine kleine Ehrenkelle von der Loge erhielt.

Die Rede wurde sogleich in französischer und darnach in deutscher Übersetzung abgedruckt.

 

Sendschreiben eines Freymäurers der hiesigen Einigkeits Loge, an den Herrn von Vaux, Königl. Pohlnisch-Herzoglich-Lothring- und Churpfältzischen Raths, das Geheimniß der Freymäurer-Gesellschaft betreffend:

aus d. Frantz. Übers.

Franckfurt am Mayn 1742, 22 Seiten

1744, 28 Seiten]

 

Dt. Übersetzungen ferner in:

Anhang zum Constitutionen-Buch Der Frey-Maurer, 1743, 149-164.

Der sich selbst vertheidigende Freymäurer, 1744, 195-208.

J.K. Rademacher: Zwey Schreiben eine Freymäurers an seinen Freund, 1760, 21-40.

Die ersten sieben von neun Seiten auch in kleiner Schrift in:

Der neu-aufgesteckte Brennende Leuchter des Freymäurer-Ordens, 1746, 212-217.

 

Zahlreiche Abschnitte auch in anderer Übersetzung in:

 Allgemeines Handbuch der Freimaurerei. Dritter Band, 1867, 400-402

 

Kurze Nacherzählung mit Auszügen aus dem französischen Original in:

Karl Demeter: Die Frankfurter Loge zur Einigkeit 1742-1966. Frankfurt am Main: Waldemar Kramer 1967, 38-41.

 

Hier zitiert nach:

Schutz-Schrifft für dem Orden der Frey-Mäurer,

Durch den Herrn N***, Mitglied des Ordens. Aus dem Französischen ins Deutsche übersetzet, und mit einem Send-Schreiben eines Frey- Mäurers der Einigkeits Loge zu Franckfurt am Mayn, das Geheimniß der Frey-Mäurer Gesellschafft betreffend, begleitet.

Halberstadt, bei Christian Friderich Schopp 1743, 79-96

 

 

Sendschreiben Eines Frey-Mäurers

Der Einigkeits Loge zu Franckfurt am Mayn,

an den Herrn von Vaux, Königl. Pohlnisch-Herzoglich Lothring- und Churpfältzischen Rath,

Das Geheimniß der Freymäurer Gesellschaft betreffend:

 

 

Mein Leser!

 

Kleine Wercke brauchen keine Vorreden. Die gantz nagelneue Gewohnheit, eine Schrifft von 3 Bogen mit einer Vorrede von anderthalb Bogen zu vermehren, scheinet mir so vernünftig, daß ich sie nur demjenigen überlassen will, die sich bey der Welt den Ruhm unsterblicher Vorredenschreiber erwerben wollen. Sie wäre auch hier weggeblieben, wenn ich nicht meinen Leser einige Nachricht von der Uebersetzung geben müste.

 

Die Frey-Mäurer haben in der Welt allezeit ein grosses Aufsehen gemacht. Der Vorwitz hat alle seine Bemühungen angewendet, um in das geheime Cabinet derselben einzudringen. Die Unwissenheit und Mißgunst hat die meisten zu denen schändlichsten Vorurtheilen verleitet, und die heilige Einfalt, die alles zu Ketzern macht, was ihr nicht gleich blindlings beyfället, stellet diese Gesellschaft in einer solchen abscheulichen Gestalt dar, daß auch der blosse Nahme der Welt das fürchterlichste Schrecken verursachen kan.

 

Leute, deren Einsicht nur ein wenig geschärfet ist, sind eines weit besseren überzeuget. Sie wissen, daß diejenigen, welche von einer Sache, die ihnen nach dero eigenen Geständniß ein Traum ist, nichts gewisses sagen, noch vielweniger dieses Geschwatz vor eine ausgemachte Wahrheit ausgeben können.

Doch:

Wer schon in Lastern steckt, ist insgemein verwegen.

Gottsched.

 

Dahero hat es der Welt an irrenden Rittern nicht gefehlet, die ihr durch ihre meistenheils abentheurlichen Schriften etwas aufbrennen, oder denen Maurern die unvernünftigsten Handlungen zueignen wollen.

Es hat hier geheissen was Opiz schreibet.

welch schändlicher Gebrauch!

Indem uns manche so/ den guten Nahmen stehlen/

Und/ was wir nie gedacht/ geschweige thun/ erzehlen.

 

Beydes ist fruchtlos abgelaufen. Die Tugenden der Frey-Mäurer haben noch biß jetzo gesieget, und da sie das Geheimniß: Meister über ihre Leidenschaften zu seyn besitzen, hat es ihnen bey ihren vernünftigen Stillschweigen an Verehrer nicht gefehlet.

Denn

Die Mißgunst macht sich allezeit

An Leute von besondren Gaben.

Der Schluß hat seine Richtigkeit:

Wer Neider hat, muß auch viel gutes haben

Stoppe.

 

Ein Schreiben, welches man einem geschickten Mit-Glied der Frey-Mäurer zu dancken hat, und welches auf Bewilligung der gantzen hiesigen Loge an das Licht getreten, wird vielen eines gantz andern belehren. Diejenigen, so bißhero auf fremde Unkosten in den Tag hinein geschrieben, finden ihre völlige Abfertigung darinnen, ob es gleich gewiß, daß weder die Gesellschaft, noch der Verfertiger des Schreibens, die Absicht gehabt, dergleichen kleinen Geistern zu antworten.

Ihre Großmuht kan sich ohnmöglich mit dergleichen niederträchtigen Sachen aufhalten. Noch weniger aber, haben ihre vortrefliche Eigenschaften grosse Lob-Redner nöhtig, die sich mit ihren Schmeicheleyen biß in das oberste Firmament des blau und mit Sternlichtern befärbten Himmels sitzen; Ihr geseztes Gemüth hat einen Abscheu an dergleichen Eitelkeiten, und findet eine schlechte Belustigung daran.

 

Die Liebe zur Billigkeit, die jeder seinem Nächsten schuldig ist, war der Bewegungs-Grund, daß gegenwärtiges Schreiben in unsere deutsche Mutter-Sprache übersetzet worden, in der Absicht, denenjenigen, so der Frantzösischen Sprache nicht mächtig, eine wahrhaftige Nachricht von denen Frey-Maurern in die Hände zu liefern, und sie zugleich von einem Irrthum zu befreyen, der ihnen durch den Neid und Mißgunst ohnwissend beygebracht worden.

An die Wörter hat man sich bey der Uebersetzung nicht gebunden, sondern sich nur der Ausdrückung des Sinnes beflissen. Wer übrigens der Uebersetzer sey? Was er glaube ? und vor was man ihn halten solle?

Hält er vor unnöthig zu entdecken, indeme es jedem gleich viel gelten kan. So viel aber ist er zu sagen verbunden, daß dieses eine Probe seiner ersten Uebersetzung, daß er ein Mensch, der fehlen kan, daß er was zu lernen begierig, und daß jederman zu dienen verbunden.

 

Der Uebersetzer.

 

 

Honni soit, qui mal y pense.

 

Mein Herr!

 

Ohne Zweifel erinnern Sie sich noch derjenigen Verdrüßlichkeiten, die man denen Frey-Mäurern, vor einigen Jahren verursachet hat. Wir nahmen schon damahls an ihrer Verachtung grossen Antheil, ohne daß wir sie vorhero kandten. Dieses eben ist die wahre Eigenschaft der verfolgten Tugend, daß sie diejenigen Hertzen, welche sich ihr einmahl ergeben, allezeit noch mehr an sich ziehen, und zum Mitleiden bewegen kan.

Die Bemühungen der Verläumdung, sie anzuschwärzen und verdächtig zu machen, sind vergeblich, sie durchdringet allezeit, der Furcht zum Trutze, alle diejenige Dunckelheiten, worinnen ihre Feinde, sie zu verbergen suchen; Ja! sie zerstreuet den Verdacht des Neides, und zernichtet sein einziges Vergnügen, sie schwartz zu machen.

 

Die damahls aufgebrachten und unruhigen Staats-Männer sagten, ohne die Staats-Lehren des Machiavels zu wissen:

"Der Staat hat sich von dieser Gesellschafft alles Wiedrige zu befürchten. Sie verbirgt ihr gantzes Wesen der Welt. Ihre Glieder sind durch ein dermassen dauerhaftes Band vereiniget,daß ohnmöglich etwas von ihnen an das Tageslicht kommen kan. Ein eintziges Wort ist vermögend sie in der Geschwindigkeit zu versammlen. Der allgemeine Nutzen ihrer Loge macht sie alle zu Brüdern. Unter ihrem Geheimniß ist eine gänzliche Zerrüttung des Staats verborgen, der man nochwendig zuvor kommen muß, und wenn sie nicht auf das geschwindeste, ohn einniges Ansehen der Person, ausgerottet werden, so ist der gantzen Welt ohnfehlbar die Sclaverey gedrohet."

 

 

Die Scheinheiligen, die gewohnt sind, in die leichtgläubigen Hertzen den stärckesten Gift cinzugiessen, wieder alle diejenigen, so ihnen verdächtig scheinen, besonders aber wieder die Tugend, welche sie nicht anders als dem Nahmen nach kennen, von welcher aber der andern ihre Ausübung ihrem Nutzen sehr nachtheilig ist, brachte ihnen, wie sie wohl noch wissen, die abscheulichsten Vorurtheile, von dieser ehrwürdigen Gesellschaft bey. Ein blinder Eyfer, so allen Schwärmereyen die Nahrung giebt, und denen Staaten ihre besten Fürsten raubet, nahm sie noch mehr ein, sie glaubeten, die Frey-Mäurer müsten noch das Opfer ihrer Rache werden.

 

Die Eifersucht gab ihnen die Waffen dazu, der Ehrgeitz beförderte ihren Streit, und Rom, durch diese Betrüger verleitet, schoß seinen erschrecklichen Bannstrahl wieder die Frey-Mäurer, sie gänzlich zu vertilgen. Es ist wahr, es fehlete dieser letztern an solchen erleuchteten Leuten, welche kein Vorurtheil dieser Scheinheiligen annehmen konte, gar nicht, aber an statt daß man diesen die Untersuchung der der Frey-Maurerey beschuldigten Verbrechen hätte auftragen sollen, so hat man hingegen lieber nichts versäumet, alles anzuwenden, um sie gänzlich zu verstöhren.

Diese wackere Männer waren zwar allezeit bereit, ihrem Oberhaupte zu dienen, ob sie schon es gleichgültig ansehen konten, daß ihnen andere von schlechteren Werth vorgezogen worden. Sie warteten, biß man sie rufen würde, und wolten sich in Verheidigung der Frey-Mäurer keinen Verdacht zuziehen, welches geschehen, wenn sie dem auf sie gesetzten Vertrauen zuvor kommen wären. Oefters kennet das Oberhaupt seine besten Glieder nicht, und weiß folglich auch nicht den Vortheil, den es von ihnen zu gewarten hat. Ein aufrichtiges Hertz kan sich keine falsche Hertzen vorstellen, es hält jedes von der Beschaffenheit des seinigen, und glaubet, daß alle, wie es selbsten, des Hasses und der Ungerechtigkeit unfähig sind.

 

Und dieses eben hat die so liebreiche Mutter Rom so öfters zu der Schärfe gegen ihre besten Kinder bewogen; Die Historie zeiget uns, daß sie ihre erstgebohrne Söhne damit gantz unschuldig beleget hat, sie selbsten wissen, daß sie ihren Arm wieder die Frey-Mäurer ausgestreckt hat, die ihr doch so vollkommen ergeben, als beständig gehorsam sind.

Man hat ihr mit der grösten Wahrscheinlichkeit beygebracht, daß in unsern Logen die Tugenden unter der Menge der Laster seufzen müssen, daß die Frey-Mäurer eine Verschwörung wieder die Kirche machten, und daselbsten der Atheisterey einen Thron aufbaueten.

 

Sehen sie, Mein Herr! Dieses waren die Haupt-Ursachen der bisherigen ausgeübten Verfolgungen der Frey--Mäurer. Der gemeine Mann hielte sie vor billig, und untersuchte nicht, ob nicht etwa die Verläumbdung davon Mutter sey.

Wir, Mein Herr! waren viel vorsichtiger, unsre Sinne wurden von keinem Vorurtheil eingenommen; Bevor wir das Verdammungs-Urtheil der Angeklagten mit unterschreiben halfen, wolten wir zuvor auch ihr Verbrechen untersuchen. Eine grosse Anzahl Frey-Mäurer, die mehr, wegen ihrer Tugenden, als Hoheit verwundernswürdig waren, schienen uns das vollkommenste Zeugniß ihrer Unschuld zu seyn. Hatten wir andere Proben, als diese nöthig, von ihnen ein gutes Urtheil zu fallen ? Nein! gewiß nicht; Doch aber wolten wir indessen unsere Ueberzeugung niemand anders, als uns selbst zu dancken haben.

Dahero versprachen wir uns, daß derjenige, welcher von uns beyden am ersten in diese Gesellschaft würde aufgenommen seyn, dem andern Nachricht von denen Pflichten geben solte, die denenjenigen, welche man bishero so scharf angeklaget hat, auferleget sind; Die Zeit ist da, mein Versprechen zu erfüllen; Ich kan, und ich muß sie auch vor der ganzen Welt rechtfertigen. Ich bin ein Frey-Mäurer, und dieser Nahme würde mein Glück zur grösten Vollkommenheit bringen, wenn ich ihn anders würdig wäre.

 

Sie wissen demnach, werther Freund, daß die Freymäurerey, eine Gesellschaft Menschen ist, von jedem Alter, von allen Ständen, und aus allen Ländern, wenn sie anders Liebhaber der Tugend sind, und sie beständig suchen. Die das Vermögen haben, sie niemahls zu betrügen, und sich glücklich schätzen, solche von ihren rechtschaffenen Brüdern ausgeübet zu sehen. Sie haben die völlige Freyheit in der Religion zu leben, darinnen sie gebohren sind, sie sind noch mehr, als andere, verbunden, ihrem Vaterlande getreu zu seyn; Die Verbindung, so sie zu Frey-Mäurern macht, befreyet sie gar nicht von dem Eyd, den sie Gott und ihrer Obrigkeit geleistet haben.

 

 

Diese Erklärung nun solte unsere Feinde vollkommen befriedigen; Allein sie fordern noch andere Sachen, als eine blosse Versicherung unserer Unschuld ; Ihre Neugierigkeit will etwas entdeckt sehen, welches nur vor diejenigen, so in unsere Gesellschaft treten, aufgehoben wird; Um nun ihren Beyfall zu erhalten, begehren sie, daß wir eine Unbesonnenheit begehen und unser Wort brechen sollen. Andere mögen ihn auf diese Art erlangen, wir bewilligen es gerne; Allein wir wollen ihn um diesen Preiß nicht. Und was kan man denn für eine Gnugthuung finden, in dem Genuß eines Guten, das man auf Unkosten seiner Redlichkeit erwirbt ? gewißlich keine!

Sie sehen wol, daß ich hier von demjenigen Geheimniß rede, das so viele wieder uns aufgebracht hat. Ich bekenne ihnen, daß die Bewahrung desselben, keine von unseren Haupt-Pflichten ist Unterdessen aber ist es doch eine, und wir müssen allen vollkommene Genüge leisten. Dahero ist auch unser Geheimniß niemahls entdeckt worden, und wird auch, versichert, nimmermehr entdecket werden.

 

 

Damit aber das Wort: Geheimniß, ihnen keinen Vorurtheil wieder uns beybringe, so wissen sie, daß wir dadurch nichts anders verstehen, als: die Ordnung, so unsere Gesellschaft regieret, und welche das Siegel der wahren Weißheit ist. Und wie könten wir ohne dieses unsere Brüder von denen anderen, die ausser uns sind, unterscheiden, wenn wir uns nicht einander so heilig versprächen, niemanden dasjenige zu entdecken, woran wir uns erkennen?

 

Die Beflissenheit, diese Verbindung zu erfüllen, betrüget den Frey-Mäurer nicht, und befindet er sich dann und wann durch einige falsche Brüder betrogen, so findet er in dem Unterricht, welchen er bekommen, dasjenige Mittel, wodurch er den Betrug gar leicht einsehen kan. Sein Irrthum ist von keiner Folgerung, sein Geheimniß bleibet verborgen, und er überlässet dem Betrüger die Schande, sich durch Abreissung der Maske völlig entdeckt zusehen.

Ist diese Vorsichtigkeit nicht aller Hochachtung würdig? Könte wohl ohne diese Tugend die Gesellschaften der Menschen einen Augenblick bestehen? Nein gewiß nicht! sie zeuget alle andere Tugenden, sie versammlet selbige, und ziehet sie alle an sich.

Dieses wolte uns eben Juvenal in seiner 10. Satyre lehren:

Nullum numen abest, si sit Prudentia

Es kan niemand bestehn, wann ihm die Klugheit fehlet.

 

Die Religion und der Staat würden nicht so oft denen blutigsten Empörungen ein Raub gewesen seyn, wenn diejenigen, so sie regieret, diese Tugend, welche man denen Frey-Mäurern vor ein Laster ausgelegt, gekandt und ausgeübet hätten.

 

Ohne Zweifel werden sie mich nach dem Nutzen des Geheimnisses einer Sache fragen, das nach der Wahrscheinlichkeit doch an sich selbsten nichts ist, und von welchen die Bekandtmachunng denen Frey-Mäurern nicht den geringsten Nachtheil bringen kan? ich will ihnen Genüge leisten, und ihnen auch zugleich einen Irrthum benehmen.

 

Wissen sie demnach mein Herr! daß man niemand in unserer Gesellschaft aufnimmt, wenn nicht einer von unseren Brüdern, nach einer genauen Untersuchung vor die guten Eigenschaften des vorgeschlagenen, die ihn unsere Gesellschaft würdig machen, stehet.

Dieses ist eine allgemeine und sehr nothwendige Vorsicht. Wir haben in der ganzen Welt unsere Logen, sie sind alle untereinander so vereiniget, als die Mit-Glieder einer einzigen. Dieses ist nun der Bewegungsgrund zur genauen Beobachtung unseres Geheimnisses. Wir unterrichten dahero die Neuangenommenen, wie sie sich allen Logen sollen zu erkennen geben, um in allen aufgenommen zu werden. Wenn es nur mit Annehmung des Tituls eines Frev-Mäurers genug wäre, so würden wir alsobald einen gantzen Schwarm neugieriger, und vielleicht auch untugendhafter Leute, ohn alle Schwierigkeit, in die Gesellschaft ehrlicher Menschen eindringen sehen, deren Glück und Vergnügen doch nur das einzige ist. sich mit denen Lastern nicht zu vermischen. Müssen dann die Urtheile der Menschen allezeit aufs falsche gehen? und sind diejenigen, so ihnen den Weg zur Vollkommenheit zeigen, auch solchen ihnen würcklich vorgehen, immerdar dem Vorwurf ihrer Eifersucht und Verfolgung ausgesetzet?

 

 

Es ist wahr, die Frey-Mäurer können in ihren Logen allerhand Religions-verwandte ohne Unterschied aufnehmen. Was kan man nun aber hieraus wieder sie schliessen? haben denn nicht alle Menschen ein gleiches Vermögen die Pflichten unserer Gesellschaft zu erfüllen? Wir haben keine andere als solche. Die Ausübung desjenigen, was man insgemein das Rechte der Natur nennet, machet drey und ein halb Viertel eines Frey-Mäurers aus.

 

Ein zum Christenthum getretener Amerikaner, der fähig ist, dasjenige, was er will gethan haben, an andere auszuüben, ist würdig mein Bruder zu seyn. Es fehlet ihm nichts anders zur Erhaltung dieses Nahmens, als, daß die Frey-Mäurer einer wohleingerichteten Loge seiner Tugend Recht wieder, fahren lassen, und ihn in ihrer Gesellschaft aufnehmen.

Die Redlichkeit des Hertzens ist ein ohnstreitiges Recht der Maurerey. Alle ehrliche Leute, die in dieser Gesellschaft aufgenommen zu werden begehren, haben weiter nichts nöthig, als sich nur erkennen zu geben. Tugendhafte ziehen ihres gleichen an sich, und tragen kein langes Bedencken, sich miteinander zu vereinigen. Ja! ihre Verbindung befördert ihr Glücke.

 

 

Was Chaulieu in einem Brief an den Herrn von Farre schreibet, kommt mit der wahren Beschaffenheit eines Frey-Mäurers völlig überein, er spricht;

 

Ein der Gerechtigkeit beständig treuer Geist

Entfernet weit von mir, was ihr zuwieder heißt.

Und hat gleich meine Brust die Laster erst erzogen:

So hat sie doch niemals die Wahrheit nicht betrogen,

Noch weniger das Band, so die Gesellschaft seht,

Durch Meineyd, durch Betrug, durch Ränck und List verletzt.

 

Ich fürchte also nichts, als Gott in seiner Rache,

Der von mir fordern kan, die Rechnung meiner Sache,

Der meines Bruders Blut und Gut von meiner Hand

Kan nehmen, wann ich Hab der Wittwen Scherf entwandt,

Der Waysen Haab bezwackt, durch Arglist meiner Thaten

Des Armen Feld geraubt, die Freundschaft gar verrahten.

Ein mir vertrautes Pfand unrecht an mich gebracht,

Und durch die Laster selbst allein mein Glück gemacht.

 

Ich bin versichert, daß die gröste Klugheit diejenigen nicht werde straffen können, die sich mit allen Kräften vereinigen, sich der Abschilderung des Chaulieu gleichförmig zu machen.

 

Was ich jetzo gesaget, ist noch nicht alles. Man hat, um die Einigkeit, welche der Haupt-Zweck unserer Handlung ist nicht zu stöhren, vornehmlich alles aus unserer Loge verbannet, was ihr nur in wenigen Stücken zuwieder. Absonderlich aber den Religions-Eyfer, der zu allen Zeiten, den Vater wieder den Sohn, einen Bruder wieder den andern, den Unterthan gegen den Fürsten aufgebracht hat. Die Wiederhersteller der Frey-Mäurer haben diese Quellen der Uneinigkeit bey uns gäntzlichen verstopfen wollen, sie haben uns ausdrücklich verbohten, die Gründe, die einen Juden, oder Heyden, einen Christen, oder Mahometaner rechtfertigen, niemahlen an Tag zu bringen.

Wie ich schon gesagt habe, so ist jeder unter uns Herr in der Religion zu leben, darinnen er gebohren ist. Unsere Verbindungen, die wir denen Frey-Mäurern leisten, hebet unsere ersteren gar nicht auf. Derjenige, so um das zweyte Versprechen zu halten, das erstere brechen wolte, würde kein ehrlicher Mann, ich will sagen, kein wahrer Frey-Mäurer mehr seyn.

 

Unsere Wiederhersteller der Loge, haben, um das Band, so uns verknüpfft, nicht zu zerreissen, noch mehr gethan. Sie haben denen mit Staats-Sachen verwirrten Geistern allen Zutritt in unserer Versammlung untersagt, und gäntzlich verbothen, uns mit selbigen darinnen zu unterhalten. Der Eyd, der uns an unsere Fürsten verbindet, ist so heilig unter uns, daß es das gröste Laster wäre, ihn zu brechen.

Und wie unsere Logen allen Nationen offen stehen, so würde die Fackel der Uneinigkeit durch die Zancksucht bald angezündet seyn, so ferne man den Staats-Vortheil eines jeden Fürsten darinnen zum Vorwurff machte. Durch dieses Feuer würden die Oerter, so wegen der Freystadt der Einigkeit und Eintracht verehrungs-würdig sind, bald in Asche verwandelt werden.

Unter dem Zelt des Friedens findet die Tugend ihr gröstes Vergnügen. Und, was thun nicht ihre Verehrer, um sie zu erhalten? Mit einem Wort, alles, was der Religion einen Stoß geben, den Staat beunruhigen, die guten Sitten verkehren, und die Liebe verletzen kan ,ist denen Frey-Mäurern gar nicht zugelassen.

 

So bald wir versammlet sind, werden wir alle Brüder, der übrige Theil der Welt aber ist uns fremde. Der Fürst und der Unterthan, der Edelmann und Bürger, der Reiche und Arme, ist einer so gut, als der andere, nichts unterscheidet sie von einander, und nichts trennet sie. Die Tugend macht sie alle sich einander gleich. In denen Logen sitzet sie auf ihrem Thron, unsere Hertzen sind ihre Unterthanen, und unsere Handlungen der Weyrauch, welcher von ihr willig angenommen wird.

 

 

Nunmehro sind sie, mein Herr, vielleicht auch begierig zu wissen, worinnen unsere Beschäftigungen, wann wir versammlet sind, bestehen? ich will ihnen dienen: Alles, was nicht böse ist, ist uns erlaubet. Diejenigen Künste, welche ihnen nur ein Zeitvertreib, und von welchen dero Erkäntniß ihre grösten Meister bewundert, sind uns eine ernsthafftige Beschäfftigung. Die Baukunst, Beredsamkeit, Poesie, Mahlerkunst, Music, Weltweisheit, Sitten-Lehre, Historie, alle sinnreiche Belustigungen von Witz und Verstand erzeuget, sind alles die Vorwürffe unserer Unterhaltungen. Streitigkeiten, wie sie Nahmen haben mögen, sind vor uns nicht. Man weiß uns ein Stillschweigen aufzulegen, wenn dergleichen Sachen sich in unseren Unterredungen einzuschleichen suchen solten.

 

Nachdem ich ihnen nunmehro eine Abschilderung von unseren Pflichten gemacht habe, so erfordert es meine Schuldigkeit, ihnen einen Abriß zu geben, von denenjenigen Vortheilen, die mit dem Nahmen eines Frey-Mäurers verknüpffet sind. Dahero muß ich mit ihnen von den Folgerungen dieser Vereinigung noch etwas mehrers reden.

Wissen sie demnach, mein Herr! daß wir unsere Brüder unter der Last der Dürfftigkeit nicht lange seufzen lassen. Zu ihrer Hülffe ist nichts mehrers nöhtig, als nur die Zeit, ihr Unglück zu erfahren. Wir halten warhaftig davor, daß bey uns alle Tugenden ohne die Liebe nichts sind, sie ermuntert uns, und ihre Ermunterung ist bey uns nicht vergeblich. Kein einziges Mit-Glied aller wol eingerichteten Logen, entschlägt sich in der Gesellschafft etwas beyzutragen, so zur Erquickung der durch das Glücke versiegten tugendhafften Brüdern, gereichen kan; und zwar nach dem Vermögen desjenigen, der es giebt, und denen Umstanden desjenigen, der es empfanget.

Dieses aber ist noch nicht genug. Diese Handlung der Liebe erzeiget sich mit der grösten Hochachtung und Annehmlichkeit. Die Mit-Glieder der Loge wollen nicht einmahl wissen, wem ihre Wohlthaten zu Theil werden. Ja sie würden einen grossen Fehler begehen, wenn sie sich es gegen die Unglücklichen mercken liessen, daß ihre Gütigkeit sie aus der Nothdurft gerissen hätte, ja, wir gehen so weit, daß wir ihnen diejenige Danckbarkeit entlassen, worzu sie unsre Hülfe verbunden. Das Hertz ist die Wohnung dieser Tugend, würde sie sich nun öffentlich an Tag legen, so würde es eben so viel seyn, als wenn man darinnen eine Verdienst suchen wollte.

 

Der zweyte Vortheil wird sie in gleiche Bewunderung, als der erster setzen, er besehet darinnen, daß, wenn ein Frey-Mäurer sich nebst anderen Personen zu einer Beförderung in Vorschlag findet, und wir das Vermögen haben, ihn zu heben, so sind wir verbunden, uns vor unserm Bruder darum zu bewerben. Doch müssen wir vorher untersuchen, ob er auch so würdig und fähig, als diejenigen, die mit ihm in gleichem Vorschlag sind. Dann wäre er von geringerer Geschicklichkeit, würde uns gewiß die Gesellschaft verdammen, daß wir der Religion und dem Staat einen Menschen gegeben hätten, der unfähig, ihnen eine Ehre zu machen.

Die Loge hat in der Gefälligkeit, so sie ihren Brüdern erzeiget, allezeit auf die Ehre des grossen Bau-Meisters der Welten und dem Nutzen der Könige der Erden, ein genaues Augenmerck gehabt.

So ansehnlich nun diese Vortheile scheinen, so sind sie doch noch nicht diejenigen, so uns am meisten rühren. Wir würden sie mit gleichgültigen Augen ansehen, wenn sie nicht auf die Tugend gegründet wären. Diese halten wir alleine vor vermögend, unser einziges Glück zu machen.

 

 

Dieses nun ist verhoffentlich genug, die Liebhaber zu überzeugen, und diejenigen, welche die Religion und der Staat verdammet, bey ihnen zu rechtfertigen. Die Liebe wird sie bey noch weniger Proben erkennen, sie vergiftet niemahls die Meinung der Sterblichen, sie schöpfet aus ihrer Aufführung keinen ungegründeten Verdacht, und ohne eine gründliche Ueberzeugung von ihrer Unterordnung würde sie sich nicht wieder sie erklären.

 

Es sey ferne, daß ich sagen solle, daß die Frey-Mäurer gantz vollkommen sind; Nein, mein Herr, wir untersuchen nicht allezeit auf das genaueste diejenigen, welche wir aufnehmen, oder vielmehr, die bey uns aufgenommen werden wollen. Es giebt Leute, die sich mit qrosser Sorgfalt lange Zeit verstellen können, so daß ihre böse Eigenschaften nicht eher, als biß sie angenommen sind, zum Vorschein kommen. Ihre Verstel!ung, und unsere fehlgeschlagenen Vorsicht, sind von keiner gefährlichen Folge wieder die gantze Gesellschaft. Wir wissen diese unreine Glieder so einzuschräncken, daß der ganze Cörper keiner Ansteckung zu befürchten hat.

Sie werden sagen, dergleichen Schärfe könte das nachtheiligste unserer Gesellschaft seyn? Nein mein Herr! Wir bezeugen öffentlich vor alle dergleichen Bruder, daß wir mit ihnen nichts zu schaffen haben wollen, und fürchten uns gar nicht, daß ihre Rache und Boßheit unser Geheimniß entdecken werde.

Lernen sie die Frey-Mäurer kennen, so werden sie selbsten sehen, daß die allerverdorbensten nicht so weit gehen können.

 

Künftighin werden sie von denen Frey-Mäurern mehreres erfahren, und dieses wird hernach auch ohne Zweifel Dero Hochachtung und Bewunderung gegen sie vermehren. Werden sie ein Frey-Mäurer, ich werde der Bürge ihrer Tugenden bey meinen Brüdern seyn. Biß dahin haben sie keine weitere Entdeckung zu gewarten, als die ich ihnen bereits gemacht habe.

 

Visu carentem magna pars veri latet.

Senec. Oedip. 295

Wem das Gesichte fehlt, dem bleibet viel verborgen.

 

Ich bin und werde allezeit seyn

 

Franckfurth, den 15. Julii

1742

 

Dero getreuer Freund

Uriot.

Mit-Glied der Einigkeits-Loge.

 


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