Home Thomas Bauer

 

 

Stil(l)zeit. Eine Collage freimaurerischer Gedanken. Norderstedt: Books on Demand 2010, 38-40.

 

 

 

 

Als Mitglieder eines ethischen Bundes treten die Freimaurer für Menschlichkeit, Brüderlichkeit, Toleranz, Friedensliebe und soziale Gerechtigkeit ein. Doch warum stellt sich dieser Bund als eine rein gleichgeschlechtliche Zusammenkunft dar. Hat der Freimaurer Angst vor dem „anderen" Geschlecht? Diese Frage kann wohl mit einem hinreichenden „nein" beantworten. Die ursprünglichen Gründe hierfür sind sicherlich historisch bedingt. Mittlerweile gibt es heute neben den rein männlich ausgerichteten Logen weibliche Gegenstücke und auch gemischte Logen sind immer häufiger anzutreffen.

 

Man könnte meinen, in einer Zeit, in der unsere ganze Gesellschaft in allen Lebensbereichen den Ruf nach Gleichberechtigung verlauten lässt, könne sich auch die Freimaurerei vor dieser Frage nicht verschliessen. Die Gleichberechtigung der Frau hat sicherlich erst seit Beginn des 20. Jahrhundert wesentliche und auch unbedingt erforderliche Erfolge erzielt. Die Frau hat besonders in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts eine deutliche Entwicklung in ihrer Selbstfindung und Selbstdarstellung durchgemacht. Der Mann hat dabei eher tatenlos zugesehen. Anstatt sich selbst neu zu definieren, sich auch zu emanzipieren, haben Männer bisher meist die Tendenz gezeigt, sich den neuen Gegebenheiten, die durch die weibliche Emanzipation entstanden sind, nur anzupassen.

 

Die Welt der Männer spaltet sich dabei in zwei Lager: das eine sind die ewig Gestrigen und Konservativen und das andere sind die modernen Männer, die sich allerdings durch das definieren, was „frau" von ihnen erwartet. So war es in den 1970er Jahren der Softie und einige Zeit später wieder der Macho. Während die Frau gelernt hat, genau zu definieren, was sie will, erlebt man bei Männern nur die Position zu definieren, was sie nicht wollen. Die Frau als „multitasking"-fähiges Allroundtalent in Personalunion Mutter, Geldverdienerin, Geliebte und Hausfrau erlebt den Mann als unselbständig und schwach. Das Festhalten am traditionellen Rollenverhalten der Männer bestätigt nur seine Angst vor dem Verlust an Macht und Einfluss.

 

Männer müssen lernen, dass die Zeiten der Jäger und Sammler vorbei sind und sie sich nicht mehr allabendlich nach der „Jagd" stumm um das moderne Lagerfeuer, den Fernseher, versammeln können. Männer müssen anfangen zu kommunizieren und vor allem eine umfassende Verantwortung für ihr direktes Umfeld, aber auch besonders für sich selbst zu übernehmen. Die üblichen Vereinigungen, in denen Männer sich ergehen, sind meist durch das Teilen gemeinsamer körperlicher Aktivitäten geprägt. Leider spielen dabei viel zu oft die Leistungsprinzipien aus dem Arbeitsleben eine zu wesentliche Rolle und dienen vornehmlich der Erhaltung und Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Geht es jedoch darum, den Geist weiter zu entwickeln und das eigene Seelenheil aktiv zu bessern, neigen Männer eher zu Zurückhaltung, reagieren mitunter sogar mit Ablehnung und erkennen dabei nicht, dass sie eine Chance für ein erfülltes Leben verpassen.

 

Genau darin sehe ich einen Grund für eine Bruderschaft der Männer. Er dient als Ort der stetigen Entwicklung von Geist und Seele. In früherer Zeit wurden die jungen bei ihrer Entwicklung zum Mann von ihren Vätern initiiert. Dabei gab es bestimmte und wiederkehrende Rituale, die bei jeder heranwachsenden Generation vollzogen wurden. Selbst heute geschieht dies noch bei einigen Naturvölkern, indem der Heranwachsende von den Männern des Stammes aus der Obhut der Mütter in die Welt der Männer, beispielsweise in die Rituale der Jagd eingeführt wird. Sie dienen zur Erhaltung der Sippe. Die vollzogenen Rituale dienen aber auch dazu, dem Initiierten ein Gefühl der Beständigkeit und der Sicherheit zu vermitteln. Diese Initiation geschieht gänzlich ohne den Einfluss von Frauen um für sich selbst einen Weg zum Mann zu finden, der das Entwickeln männliche Werte ermöglicht. Durch diese Entwicklung erfahren weibliche Werte nicht nur Akzeptanz, sondern eine besondere Wertschätzung.

 

In unserer heutigen Industriegesellschaft gibt es keine Initiationsrituale mehr. Die Flucht vieler Väter in die Arbeit lässt den heranwachsenden Sohn meist ausschliesslich oder wesentlich unter der Obhut der Mutter aufwachsen und er erlebt das „Mann-sein" nur als Form von väterlicher Abwesenheit.

 

Die Aufnahme in diesen Bund habe ich wie eine solche Initiation erlebt. Das wiederkehrende Ritual steht als Symbol für eine Initiation und als Zeichen für die geistige Bereitschaft zur Selbstfindung. Für die innere Entwicklung zum Mann-sein bedarf es einer Umgebung, die es erlaubt, sich auch ohne weibliche Einflüsse entwickeln zu können. Damit möchte ich nicht zum Ausdruck bringen, dass ich weibliche Einflüsse als schädlich empfinde. Nur gibt es heute ein Zuviel von weiblichen und ein Zuwenig von männlichen Einflüssen auf dem Weg zur Mannwerdung. In den Logen wird die Entwicklung zu einer eigenen männlichen Spiritualität gefördert. Sie trägt zu einem Bewusstsein bei, das im Zusammenleben beider Geschlechter das Erleben von Männlichkeit als eine Bereicherung empfinden lässt. Damit lehne ich nicht die Gleichberechtigung ab, sondern die Gleichmacherei von Mann und Frau.

 

Der reine Männerbund steht für mich nicht im Widerspruch, er ist für mich eine Notwendigkeit für die gelebte Gleichberechtigung von Frau und Mann.

 


Return to Top

Home

E-Mail



Logo Dr. phil. Roland Müller, Switzerland / Copyright © by Mueller Science 2001-2016 / All rights reserved

Webmaster by best4web.ch