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Handbuch der Freimaurerei. Im Auftrage der Schweizerischen Grossloge Alpina. Aarau: Sauerländer 1894, 132-135.

 

Derselbe Text auchergänzt durch die roten Stellen - in:

Geschichte der Freimaurerei. 2. Aufl. Aarau: Sauerländer 1906, 182-185.

 

 

Die Franzosen lernten die Freimaurerei noch in ihrer reinen unverfälschten Form kennen. Sobald sie aber auf katholischen Boden übertragen worden war, musste sie sich verändern. Denn in Frankreich stiess sie mit der katholischen Kirche zusammen.

 

 

Viel gefährlicher als die Feindschaft der Kirche war die Feindschaft der Damen, denn diese besassen damals in Frankreich. eine ungeheure Macht.

„Die Damen," sagt Taine, „sind damals Königinnen ; und im Salon haben sie ein Recht zu sein."

„Jede Frau," erzählt Oberst Forsyth in Stendhals Rom, Neapel und Florenz [1817], „die dem Herzog von Choiseul liebenswürdig erschien und die seiner Schwägerin, der Herzogin von Gramont gefiel, konnte sicher sein, über alle beliebigen Obersten- oder Generalstellen verfügen zu dürfen. Selbst in den Augen der Greise und Geistlichen besassen die Frauen Wichtigkeit; sie waren in erstaunlichem Grade mit dein Gange der öffentlichen Angelegenheiten vertraut, und kannten genau die Charaktere und Gewohnheiten der Minister und Freunde des Königs."

 

Die Frauen von einem Zirkel ausschliessen war ein unverzeihbares Verbrechen. Begreiflicherweise wurden die Logen, in der die Damen keinen Zutritt hatten, viel besprochen und man sagte ihnen die schimpflichsten Dinge nach. Daher sahen sich die Verteidiger und Lobredner der Freimaurerei genötigt, auf diese Vorwürfe einzugehen und sie zu widerlegen.

Im Discours von Ramsay [1736] schildert der Verfasser die Entartung der heidnischen Mysterien.

„Der Quell dieses Verderbens lag in der Zulassung von Personen beiderlei Geschlechts bei den nächtlichen Zusammenkünften, im Gegensatz zu der ursprünglichen Einrichtung. Um solchem Missbrauch vorzubeugen, hat man die Frauen von unserem Orden ausgeschlossen. Wir sind nicht so ungerecht, jenes Geschlecht für unfähig zur Verschwiegenheit zu erachten, aber seine Gegenwart könnte unvermerkt die Reinheit unserer Grundsätze und Sitten schädigen.“ (1)

 

„Die Frauen, die überall sein wollen, wo Männer sind, haben ungemeinen Anstoss daran genommen, sich beständig von der Gesellschaft der Freimaurer verbannt zu sehen. Sie hatten es viel geduldiger ertragen, in mehreren Orden nicht zugelassen zu werden, die zu verschiedenen Malen in Frankreich geblüht hatten. Diese waren ebenso viele Bacchische Gesellschaften, in denen man nur den Gott des Weines feierte. Man sang daselbst wohl auch Lieder zu Ehren des Gottes von Cythera; aber man begnügte sich damit zu singen, während man dem Bacchus sehr reichlich und sehr reelle Opfer spendete. Es war nicht schwer, die Damen von dergleichen Gesellschaften fern zu halten. Sie schlossen sich selbst schon aus Eitelkeit von denselben aus und verbargen unter dem Schein des Anstandes, was im Grunde nur eine ihre Reize erhöhende Fürsorge war.
Ganz anders haben sie vom Orden der Freimaurer gedacht. Als sie erfuhren, mit welcher Mässigkeit sich diese bei ihren Mahlzeiten benehmen, sowohl bei den feierlichen, als bei den gewöhnlichen, haben sie sich nicht vorstellen können, welche Gründe diese achtbaren Brüder bewogen hatten, sie aus ihrer Genossenschaft auszuschliessen. Überzeugt, dass ohne sie die Männer nur verbrecherische Vergnügungen geniessen könnten, haben sie die Annehmlichkeiten, die die Freimaurer in ihren Versammlungen geniessen, mit den gehässigsten Farben gemalt." (2)

 

Mit diesen Anschuldigungen hängt die Stiftung des Mopsordens zusammen, d. h. Damenlogen, die zur Verhöhnung der Freimaurerei die maurerischen Gebräuche nachäfften (3), Spässe zu einfältiger Art, als dass ich mich näher darauf einlassen wollte.

 

[Auch die Adoptionsmaurerei gehört hieher, indem die Franzosen den Frauen nicht widerstehen konnten und ihnen Zutritt in die Logen gestatteten.

Die Antworten auf diese Angriffe blieben begreiflicherweise nicht aus.]

 

Aber es gelang den Damen doch, sich in die Logen einzudrängen und vollwichtige Mitglieder derselben zu werden. Das nannte man in Frankreich Maçonnerie d'Adoption oder Maçonnerie blanche. 1742 gründete M. de Chambonnet den Orden der Glückseligkeit (Ordre de la Félicité). Herren und Damen unternahmen symbolisch eine Seereise nach der Insel der Glückseligkeit d. h. der Liebe. Die Ausdrücke des der Freimaurerei entlehnten Rituals waren dein Seewesen entnommen (4), Einige Jahre darauf, 1747 stiftete der Chevalier de Beauchaine den Orden der Holzhauer (Ordre des Fendeurs charbonniers), eine burleske Nachahmung freimaurerischer Zeremonien. Ähnlicher Art war der von M. Chaumont, Vergnügungsmeister des Herzogs von Chartres (Philippe Egalité) gestiftete Ordre des Chevaliers et des Nymphes de la Rose etc.

Die vornehme Französische Gesellschaft dürstete nach Vergnügungen jeder Art, also war ihr auch die Adoptionsmaurerei willkommen. Darüber täuschte sich selbst die öffentliche Meinung nicht. Am 28. August 1754 liess Poinsinet auf einend Pariser Theater eine Parodie der Oper Fêtes de l'Amour et de l'Hymen (Musik von Rameau) aufführen, betitelt: Les Fra-ma-çonnes. Die Hauptfiguren waren der Vénerable (der sehr ehrwürdige Meister) und Hortense, die zum Schluss die Verse sang:

 

Vos lois outragent la Nature,
N’en croyez jamais que sa voix
Elle a formé les deux noeuds
Qui nous joignent l'un ä l'autre:
Votre sexe n’est heureux
Qu'alors qu'il s'unit au nôtre ... (5)

 

Und diese Meinung teilten wohl auch die meisten Französischen Freimaurer. Ja, anstatt dass die freimaurerische Oberbehörde, der Grossorient von Frankreich, sich diesem heillosen Unfug entgegengestemmt hätte, erkannte er vielmehr durch Beschluss vom 11. Juni 1774 die Adoptionsmaurerei an.

Diese Adoptionslogen hatten entweder vier oder acht oder auch zehn Grade und der Tempel hiess Eden. Keine schwangere oder kranke Frau oder Mädchen oder eine solche unter 18 Jahren sollten zugelassen werden, und die Statuten verlangten von ihr einen guten Ruf und reine Sitten, allein an diese Vorschrift hielt man sich nicht. Die Herren wollten sich eben vergnügen, gleichviel mit wem. Wohl widmete man die Sitzungen der Adoptionslogen dem Werke christlicher Wohltätigkeit, indessen die Hauptsache waren doch die Bälle und andere verschiedene Festlichkeiten, und schliesslich wurde man auch dieses Spiels am Ende des 18. Jahrhunderts müde.

 

Begreiflicherweise riefen diese Verirrungen der Freimaurerei viele Angriffe hervor, auf welche die Antworten nicht ausblieben.

Eine der wichtigsten apologetischen Schriften ist die 1738 in Dublin erschienene: Relation apologique et historique de la Société des Franc-Maçons par J. G. D. M. F. M., die früher mit Unrecht dem A. M. Ramsay zugeschrieben worden ist (6). Sie wurde in Rom öffentlich durch den Henker verbrannt und zwar wegen ihres pantheistischen Inhalts, der viel Verwandtschaft mit dem Ideenkreis Tolands hat. Sie berührt sich zugleich mit Rosenkreuzerischen Gedanken.

 

 

Fussnoten

 

(1) Abgedruckt bei de la Tierce, Histoire, Obligations et Statuts etc. Frankfurt 1742 p. 134f
Schiffmann, A. M.. Ramsay. Leipzig 1878 p. 89f.

(2) L'Ordre des Francs-Maçons trahi p. 3ff.

(3) Dto. p. 119ff.
Vgl. Schauberg in den Mitteilungen aus dem Verein d. Freimaurer I, 3, 9ff. II, 40ff. etc.

(4) Thory, Histoire de la fondation du Grand Orient de France p. 350 und
Thory, Acta Latomorum I, 313.

(5) H. d'Alméras, Cagliostro. La Franc-Maçonnerie et I'Occultisme au 18. siècle. Paris 1904 p. 88 ff.

(6) Schiffmann, A. M. Ramsay p. 13ff.

 


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