Home Michel Dierickx

 

Freimaurerei, die grosse Unbekannte. Frankfurt, Hamburg: Bauhütten-Verlag 1968, 162-163 (holl. 1967); 3.  Aufl. 1975;
Neuausgabe Innsbruck: Edition zum rauhen Stein 1999.

 

 

Warum keine Frauen in der Freimaurerei?

 

Im ersten Augenblick ist es sehr befremdend, dass Frauen in der Freimaurerei nicht zugelassen sind. Können wir das für die vorausgegangenen Jahrhunderte noch einigermassen verstehen, im 20. Jahrhundert, dem Jahrhundert der Emanzipation der Frau, scheint das doch sehr veraltet. Geht die Freimaurerei nicht mit der Zeit?

 

In der Konstitution von Anderson aus dem Jahre 1723 lesen wir, dass Frauen in den Logen nicht zugelassen werden. Die Zünfte des Mittelalters nahmen keine Frauen auf. Als dann die operative zur spekulativen Freimaurerei überging, behielt man die Old-Charges, die Alten Pflichten, bei. Wir haben neben anderen Grundfragen bereits im Überfluss behandelt, warum die Freimaurerei, die einen angelsächsischen Charakter beibehalten hat, an alten Zuständen, Formeln, Bräuchen, Verpflichtungen und dergleichen mehr, festhält. So auch hier.

 

Selbstverständlich haben die Frauen das nicht so einfach hingenommen, vor allem seit dem 18. Jahrhundert, als Frauen häufig eine bedeutende Rolle spielten: Denken wir nur an die energische Kaiserin Maria Theresia und an Katharina die Grosse, die Zarin von Russland, und vielleicht noch mehr an die adeligen Damen des 18. Jahrhunderts, die ihre Salons zu Treffpunkten aller derjenigen machten, die einen Namen hatten.

Wir haben bereits darüber berichtet, dass die Frauen von Bern, die bei ihren Freimaurer-Ehemännern vergeblich nach dem Geheimnis der Bruderschaft forschten, schliesslich die Gesellschaft durch den Magistrat der Stadt verbieten liessen. Mehr als einmal hat eine als Mann verkleidete Frau versucht, an einer Logenarbeit teilzunehmen; man erzählt das sogar von Maria Theresia. So ist es auch geschehen, dass die junge Tochter des irischen Lords Viscount Doneraile ungesehen eine Logenarbeit von Freimaurern miterlebt hat, und um sie zum Schweigen verpflichten zu können, hat man sie dann in die Loge aufgenommen: die erste und einzige echte Freimaurerin!

Das soll uns nicht übermässig erstaunen, denn auch der Jesuiten-Orden, der nicht wie mehrere andere Orden auch eine Frauenabteilung besitzt, hat im langen Verlauf seiner Geschichte ein weibliches Mitglied gehabt: die Tochter Kaiser Karls, Johanna, Regentin von Spanien.

Was ist denn, ausser der Tradition, der entscheidende Grund, um die Frauen von der Loge auszuschliessen?

„Das Erscheinen der Frau in der Loge würde dem Verhältnis der Brüder zueinander sowie ihrer Eintracht nicht zuträglich sein und die Offenherzigkeit würde einer Zurückhaltung weichen" (Croiset van Uchelen).

Männer unter sich geben sich von Natur aus anders, als wenn Frauen an der Gesellschaft teilhaben. Das ist keine Abwertung weiblicher Beiträge zu geselligen und sogar hochgeistigen Gesprächen. Abgesehen von seltenen Ausnahmen, die alle nur die Regel bestätigen, würde die ganze Logenarbeit sicherlich anders sein, falls zahlreiche Frauen zu den Mitgliedern gehörten, auch dann, wenn man alle sexuellen Elemente ausschalten könnte. Hinzu kommt noch, dass Männer auch einmal gern unter sich sind, so wie Frauen gesellige Teestunden unter sich abhalten.

 

Ein Gedankengang wie der von Henry Knapp hat auch einige Bedeutung, wenn er schreibt:

„Vor allem ist auch der junge Ehemann ausserhalb seiner Arbeit im allgemeinen zuviel in der Gesellschaft seiner Frau und damit oft auch zwischen den grossen und kleinen Problemen seiner Familie, um sich noch zu einer besonderen Persönlichkeit weiterentwickeln zu können. In der Freimaurerei jedoch verkehrt er als Einzelgänger mit anderen Einzelgängern, frei von seinem häuslichen Milieu, weniger beschwert durch den Gedanken, ‚was seine Frau nun wohl dazu sagen würde', und noch weniger beschwert davon, welchen Eindruck er durch sein Handeln oder seine Rede auf andere Frauen machen könnte. In der Freimaurerei ist der Mann, kurz gesagt, viel mehr er selbst."

 

Wenn dadurch auch die ausgesprochen männliche Atmosphäre in der Loge betont wird, so stehen die Freimaurer doch den Frauen nicht ablehnend gegenüber. In den Niederlanden ist es so, dass kein verheirateter Mann angenommen wird, wenn seine Frau mit seiner Aufnahme nicht einverstanden ist. Obendrein veranstalten die Logen mehrmals im Jahr Zusammenkünfte, zu denen auch die Frauen der Freimaurer kommen können. So bestehen an einigen Orten Abteilungen der „Vereinigung van Vrouwen von Vrijmetselaren" (V. V. V. V.).

 

Dass die Frauen hiermit nicht zufrieden sein wollen, kann man sich wohl a priori denken. Seit dem 18. Jahrhundert hat es daher Logen gegeben, die Frauen als Mitglieder aufnahmen.

Heutzutage gibt es verschiedene sogenannte Freimaurer-Organisationen für Frauen, wenn nicht ausschliesslich für Frauen, dann gemischt. Die Vereinigungen sind jedoch nicht als „regulär" anerkannt worden, und so gibt es auch keinen offiziellen Kontakt zwischen diesen Organisationen und dem Freimaurer-Orden.

 


Return to Top

Home

E-Mail



Logo Dr. phil. Roland Müller, Switzerland / Copyright © by Mueller Science 2001-2016 / All rights reserved

Webmaster by best4web.ch