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Robert Fischer: Die Schwesternloge. Ritual und Material zu Schwesternversammlungen. Leipzig: Bruno Zechl 1878, 256 Seiten.

 

Vorrede und zwei Auszüge

 

 

Vorrede.

 

Es ist schon oft und wiederholt die Frage aufgeworfen worden, ob die Freimaurerei für die Schwestern zugänglich und ob es räthlich sei, denselben Eintritt in Logenräume und zu Logenversammlungen zu gewähren.

Dass die Schwestern zur Aufnahme in den Freimaurerbund nicht zuzulassen und dass förmliche Logen nach dem bestehenden Rituale für dieselben nicht abzuhalten sind, ist wohl im Allgemeinen übereinstimmend als richtig zu bezeichnen. Dagegen ist in vielen Bauhütten auch sonst noch eine Abneigung zu bemerken, überhaupt den Schwestern einen Eintritt in die Freimaurerlogen zu gestatten. Diess erachte ich nicht für berechtigt. Vielmehr meine ich, dass die Schwestern doch wohl einen Antheil an dem Bunde haben sollen, und zwar nicht blos an den Vergnügungen, sondern auch an ernsten Arbeiten. Dadurch wird ihr Interesse für die Sache geweckt und ein Verständniss vorbereitet, das auch auf die Brüder nicht ohne Rückwirkung bleibt.

In jedem Jahre sollten ein oder je nach den Verhältnissen zwei Versammlungen mit den Schwestern in den Logenräumen abgehalten werden, wobei ernste Vorträge auch über Freimaurerei zum Gehöre kommen. Es lassen sich hierbei eine Menge Anknüpfungspunkte finden, welche die Aufmerksamkeit der Schwestern fesseln und ihnen zugleich Geschmack an der Sache der Freimaurerei beibringen. Sind ja die Frauengemüther ebenso empfänglich für das Wahre, Gute und Schöne und haben ein gleiches Anrecht auf Veredelung. Warum sollte man ihnen die Segnungen des Freimaurerbundes versagen, sofern sie in einer passenden Form geboten werden können? Diese ist leicht zu finden, und eine analoge Anwendung unserer Ritualien und Liturgien macht die gebotene Arbeit noch besonders schmackhaft und anregend.

 

In meiner Loge sind solche Schwesternversammlungen schon seit vielen Jahren gebräuchlich; sie finden theils zur Confirmandenbekleidung, theils zu Weihnachten, theils zu Sylvester statt und haben stets einen guten Anklang gefunden.

 

In dem Nachstehenden habe ich auf gegebene Anregung verschiedenes Material zu solchen Versammlungen geboten und wünsche, dass dasselbe dazu beitrage, das Interesse an jenen immer mehr anzuregen.

 

Die Sammlung des fraglichen Materials soll aber nicht allein als Stoff für die Logen selbst dienen; sondern dürfte sich ebenso eignen, den Schwestern als Lectüre in die Hand gegeben zu werden. Sie werden, namentlich aus den Vorträgen, manches Samenkorn entnehmen und in angenehmer Weise manche Stunde verbringen, die sie in immer nähere Verbindung mit unserem Bunde und seinen Lehren bringt. Die Mannigfaltigkeit des Stoffes und seine Beziehungen auf das Frauenleben dürften Veranlassung sein, den Schwestern eine willkommene Gabe zu bieten.

 

Möchte der Zweck, den ich mit Herausgabe dieser Schrift verbinde, sich verwirklichen, dass die Schwestern ein immer tieferes Verständniss und Interesse für unseren Bund gewinnen und in That und Wahrheit unsere Gehilfinnen am Baue der Menschheit werden!

 

Gera, im October 1878.

Br Robert Fischer,

Meister vom Stuhle der Loge Archimedes z. e. Bunde

und Ehrenmitglied der St. Johannislogen

Harmonie in Chemnitz,

zum golden Apfel und Asträa zur grünenden Raute und zu den drei Schwertern in Dresden,

zur Verbrüderung der Menschheit in Glauchau,

Lessing zu den drei Ringen in Greiz,

Karl zum Bautenkranz in Hildburghausen,

Balduin zur Linde und Minerva in Leipzig,

Charlotte zu den drei Nelken in Meiningen,

Humanitas in Wien,

Victoria zur beglückenden Liebe in Zeitz

und zu den drei Schwanen in Zwickau.

 

 

Einer von 9 Vorschlägen zu Eröffnung und Schluss einer allgemeine Schwesternloge

 

Version 4: 10-12

 

a. Eröffnung.

 

Meister vom Stuhl (thut einen Schlag, der von beiden Aufsehern wiederholt wird):

Br zweiter Schaffner, wo befinden wir uns?

 

Zweiter Schaffner:

Wir sind in unserm Heiligthume,

Darin der Mensch den Menschen schaut.

 

Meister vom Stuhl:

Br erster Schaffner, was ist hier unsere erste Pflicht?

 

Erster Schaffner:

Dass frei wir sind von eitlem Ruhme,

An Einem Tempel Jeder baut.

 

Meister vom Stuhl:

Br zweiter Aufseher, warum hüllen wir uns in das Dunkel des Geheimnisses?

 

Zweiter Aufseher:

Was ein weiser Gott gedacht,

Deckt geheimnissvolle Nacht;

Nur der Demuth wird's gelingen,

Durch die Nacht zum Licht zu dringen.

 

Meister vom Stuhl:

Br erster Aufseher, wie können wir so thatkräftig wirken?

 

Erster Aufseher:

Was auch der Mensch nur Gutes schafft,

Stets aus dem Innern los sich rafft:

Hier wächst dem Menschen Götterstärke

Zu jedem edlen Liebeswerke.

 

Meister vom Stuhl:

Ew'ger Weisheit helles Licht,

Strahl' in unser Angesicht,

Dass wir schauen, was wir bauen,

Unserm eignen Werk wir trauen!

 

Brr Aufseher, entzünden Sie die Kerzen!

(Beim Entzünden der Kerzen):

 

Zweiter Aufseher:

Licht der Wahrheit,

Deine Klarheit

Steig' hernieder

In den Geist der Schwestern, Brüder!

 

Erster Aufseher:

Licht der Liebe,

Unsre Triebe

Adle, stärke,

Allbereit zu gutem Werke!

 

Meister vom Stuhl:

Erheben wir uns zum Gebet!

 

 

b. Schluss.

 

Meister vom Stuhl (thut einen Schlag, der von beiden Aufsehern wiederholt wird):

Br zweiter Aufseher, die Festarbeit ist geschlossen, was ist des Maurers Pflicht beim Schlusse der Arbeit?

 

Zweiter Aufseher:

Der Herr gewährt uns jede Stunde

Des Lebens, ihm gebühret Dank

Auch für die Arbeit; drum im Bunde

Der Maurer tönt sein Lobgesang.

 

Meister vom Stuhl:

Br erster Aufseher, wie bringen wir solchen Dank am besten dar?

 

Erster Aufseher:

Des Herren Willen zu erfüllen,

Ihm nachzuspüren jeder Zeit,

Und nie in Dunkel zu verhüllen

Die Wunder seiner Herrlichkeit.

 

Meister vom Stuhl:

Lasst, Brüder, uns vereinigt schaffen

Am Werk, dem unser Bau geweiht,

Lasst uns vom Erdentand aufraffen,

Gewinnen Herzensfreudigkeit!

Wenn Schwestern dann mit uns im Bunde

Getreu des Lebens Wege geh'n,

Wird durch die Welt sich zieh'n die Kunde

Von Maurer's Frühlings-Aufersteh'n.

 

Brr Aufseher, löschen Sie die Kerzen!

 

Zweiter Aufseher:

Das Lieht verschwindet,

- doch getreue Herzen

Wird Licht der Wahrheit stärken

selbst in Schmerzen.

 

Erster Aufseher:

Das Licht verlöscht,

- doch in uns strahlt die Liebe

Und nährt der edeln Freundschaft

sanfte Triebe.

 

Meister vom Stuhl:

Wir erheben uns zum Gebet.

 

 

Einleitende Worte

Für die allgemeine Schwesternloge innerhalb der Loge.

 

30-39

 

In dem Schmucke der Maurerfarben sind Sie, verehrte Schwestern, heute hier eingetreten und zu ernster Arbeit vereinigt.

 

Weisse Handschuhe und blaue Schleifen kennzeichnen Sie als unsere Genossen am Baue, der sich in diesen Hallen still vollzieht. Weisse Handschuhe tragen auch wir Brr in unseren Versammlungen und wo wir uns als Maurer zu erkennen geben wollen; am blauen Bande führen auch wir sonst das Zeichen der Loge. Die weisse Farbe ist das Symbol der Unschuld, die blaue Farbe das Bild der Treue. In Beiden spiegelt sich die Liebe, welche in der Erkenntniss des Guten dieses standhaft pflegt und übt.

 

So ist Ihr Erscheinen im Tempel der Wahrheit ein wohlberechtigtes, das unserem Wirken an dieser Stätte nicht fremd, sondern verwandt entgegentritt. Zwar sind Sie in der Regel von unseren ernsten Arbeiten ausgeschlossen. Dies geschieht indess nicht, um Sie nicht auch der Güter für theilhaftig zu erklären, die Gott den Menschen allen auf Erden bescheert hat, auch nicht, um die Wohlthaten von Ihnen fern zu halten, die der Maurerbund seinen getreuen Jüngern spendet. Wir wollten nur Sie dem schönsten Berufe edler Weiblichkeit nicht entfremden und Sie einer Verdächtigung nicht mit aussetzen, der der Freimaurerbund noch jetzt zum Theil vor der Welt preisgegeben ist.

 

Dass wir im Gegentheil Sie gern als Gehilfinnen an unserem Baue willkommen heissen, sehen Sie aus Ihrer zeitweisen Mitberufung zu demselben, wie am heutigen Tage, und haben Sie vielleicht auch schon aus den Ihnen von Ihren Brüdern eingehändigten weissen Handschuhen entnommen. Wir geben solche jedem Neuaufgenommenen als ein Zeichen unserer Achtung vor der Unschuld des weiblichen Herzens und mit der Ermahnung zur Erneuerung des Gelübdes der Treue. Wir wollen, indem wir sie Ihnen unmittelbar nach der Aufnahme überreichen liessen, dass der Mann kein Geheimniss vor der Frau in Bezug auf seine Stellung zum Maurerbunde habe, als was sich von selbst durch dessen Charakter einer geschlossenen Gesellschaft ergiebt, und wünschen, dass die Frau lebendigen Antheil nehme an den geistig-sittlichen Bestrebungen, die in diesen stillen Hallen sich kund geben.

Demjenigen aber, der noch allein im Leben steht, geben wir bei dieser Gelegenheit den wohlgemeinten Rath, bei der Auswahl Derjenigen, die mit ihm die Leiden und Freuden der irdischen Pilgerfahrt theilen soll, sein Augenwerk nicht sowohl auf äussere Güter, als auf innere Eigenschaften des Herzens zu richten, um sich einen ewigen Besitz und dauernde Glückseligkeit zu erwerben. Alle aber haben die Weisung, auf einen makellosen Wandel zu achten und das heilige Unterpfand treuer Gemeinschaft unbefleckt zu erhalten, da wir von Zeit zu Zeit Rechenschaft fordern werden.

 

Sie erkennen nun wohl, hochverehrte Schwestern, dass wir nicht gleichgiltig als Maurer Ihnen gegenüber uns stellen, sondern dass ein geweihtes Band uns innig verkettet. Die Maurerfarben weiss und blau sind dessen Kennzeichen. Sie sind von edlem Charakter; jeder leise Flecken wird auf ihnen sichtbar und der unerbittliche Ankläger und Verräther gebrochenen Gelübdes.

 

Indem Sie heute im Schmucke dieser Maurerfarben sich mit uns um den Altar der Wahrheit gruppiren, über dem sich das blaue Himmelszelt mit der aufgehenden Sonne der göttlichen Liebe wölbt, sind Sie die lebendigen Zeugen von dem Verhalten Ihrer Brüder, rücksichtlich der diesen auferlegten Pflichten gegen Sie. Die Brüder stehen mit ihren Schwestern am Ort, und der Herr, der Alles schaut; schwebt über uns. Möge die Stunde gemeinsamer Einkehr in diese von der Aussenwelt abgeschlossenen Räume von Neuem das Band der Unschuld und Treue in Liebe befestigen.

 

Sie sind aber, hochverehrte Schwestern, auch als Gehilfinnen an einem Werke der Mildthätigkeit hier, das der Unschuld bewährter Kinderseelen für die treue Befolgung der ihnen ertheilten Lehren ein Zeichen. der Aufmunterung zu fernerem Ausharren sein soll. In solchem Sinne und nach dieser Richtung ist Ihre Mitwirkung uns stets angenehm; entspricht sie ja gerade am meisten einer der schönsten Seiten Ihres weiblichen Berufes!

 

Und so heisse ich Sie insgesammt von ganzem Herzen willkommen. Mögen Sie mit den reinen Blumen der Unschuld und Treue die Früchte der wahren Liebe zu einem herrlichen Kranze winden, der dem heiligen Bunde der Brüder zur schönsten Zierde gereiche und seiner stillen Wirksamkeit die Krone aufsetze.

 

Wie in allen Dingen die neuere Zeit mehr und mehr der Oeffentlichkeit zudrängt, so ist auch der Freimaurerei das Geheimnissvolle ihres Wirkens und Verhaltens vielfach zum Vorwurfe gemacht worden. Ja man hört wohl gar, dass andere ähnliche Verbindungen sich damit vor dem Freimaurerbunde hervorthun wollen, dass sie kein Geheimniss besässen. Nun, hochverehrte Schwestern, Sie sind in den letzten Jahren, meine ich, gar mannigfach in Das eingeweiht worden, was man gemeiniglich Geheimniss der Freimaurer nennt; Sie haben alljährlich einmal Zutritt zu unseren Arbeiten und befinden sich sonst öfter in unseren Kreisen und gemischten Versammlungen. Ich darf annehmen, dass Sie nicht nur wissen, was wir hier treiben, sondern, dass Sie auch den Sinn und die Bedeutung vieler Dinge kennen, die Ihnen hier entgegentreten. Habe ich Ihnen doch vor Kurzem die sämmtlichen Symbole vor Augen und vor die Seele geführt, welche Sie an diesen Wänden erblicken, sammt der ganzen Einrichtung der Logenordnung.

Sie wissen, wie wir, dass auch die Freimaurer, ausser den Erkennungszeichen - sehr unschuldiger Art - eigentlich kein Geheimpiss besitzen als das rechte Verständniss und die praktische Bethätigung ihrer Gebräuche und Sinnbilder. Dieses aber ist tief innen im Herzen des Einzelnen und damit von selbst verschlossen, theils der lebendige Ausdruck des inneren Gefühls und in Folge dessen von selbst Allen offenbar.

 

Und doch - werden Sie sagen -- liegt etwas Geheimnissvolles in der Art und Weise, wie wir unsere Versammlungen abhalten, - fern von dem Licbte des hellen Tages beim künstlichen Flammenscheine und bei wohl verschlossenen Thüren. Wozu diese Zurückziehung und jene ängstliche Furcht vor fremder Einmischung? Muss da nicht von selbst der Gedanke entstehen, dass irgend etwas vorgeht, das die Entdeckung zu scheuen hat?

 

Nun, Ihnen selbst, verehrte Schwestern, ist längst nicht mehr unbekannt, dass nur der Geist des Wahren, Guten und Edlen in diesen Räumen herrscht und herrschen soll, und unsere heutige Versammlung hat Ihnen von Neuem bewiesen, dass des Maurers Wirksamkeit nur dem Wohle der Menschheit gilt. Vielleicht ist Ihnen dabei auch der Gedanke nicht fern geblieben, dass die Mildthätigkeit nicht vor Aller Augen prangen, sondern im eigenen zufriedenen Herzen ihren Lohn finden soll.

 

Wie Alles in unserem Kreise - und wenn es für den ersten Anschein noch so sonderbar erscheinen mag - seine wohlbedachte Bedeutung hat, so ist unser Abschluss von der Aussenwelt bei den Versammlungen, weitab von jenem Verdachte des Unrechten, ein sehr begründeter. Fast möchte ich meinen, Sie empfänden es selbst schon längst; doch lassen Sie mich mit wenig Worten dessen gedenken.

 

In diesem Tempel ist nur die ernste Arbeit heimisch. Wer arbeitet, zieht sich, wenn er nicht mit seinem Werke draussen zu thun hat, zurück, um ungestört zu sein; er will und muss seinen Geist sammeln, um ihn voll auf Das, was er vor hat, hinzulenken. Bei einer Arbeit, die, wie die unsere, dem inwendigen Menschen, der Einkehr in uns selbst, der Stärkung unseres Willens, der Erwärmung des Herzens gilt, ist dieses Ungestörtsein ganz vorzugsweise nöthig. Der Mensch, an äussere Eindrücke gewöhnt, wird von diesen so leicht angezogen, dass er Alles zu vermeiden hat, was auf seine Sinne wirkt, wenn er seine volle Aufmerksamkeit auf ein geistiges Interesse lenken will. Dazu, meine verehrten Schwestern, dient in erster Linie unsere Zurückgezogenheit. Sie weist uns zugleich, da wir hier nichts ohne lehrreichen Bezug auf das Aussenleben kennen, an, bei aller unserer Arbeit so zu verfahren.

 

Wir sammeln uns hier von Zeit zu Zeit als Gleichgesinnte und Gleichstrebende, um uns, unbekümmert um das Drängen, Treiben und Jagen der Welt, zu erheben und als Menschen glücklich zu fühlen. Dann treten wir um so gekräftigter hinaus in unseren Wirkungskreis, der uns als Männern im bürgerlichen Leben vorgezeichnet ist.

Da haben Sie, meine verehrten Schwestern, ein deutliches Bild Dessen, was der häusliche Kreis Ihnen und uns sein soll; er ist ein reines Spiegelbild unserer Maurerhallen, in denen wir uns nicht mit Unrecht eine Familie nennen.

 

Wie könnten wir glücklich uns fühlen am heimischen Heerde, wenn wir nicht abgeschlossen wären von der Aussenwelt? Ist nicht gerade die Ruhe und Stille, der Frieden und die Ungestörtheit des Familienkreises so überaus wohlthätig und erquickend, dass wir uns jeder Zeit gern in ihn zurückziehen? Die Wahrung dieses echt germanischen Zuges ist eine Hauptaufgabe der Frauen; sie sind die Herrscherinnen in ihrem Heim und bilden den Anziehungspunkt für die jederzeitige Sammlung ihrer Angehörigen.

Sie gleichen dem Meister vom Stuhl einer Loge. Wie dieser für die Brüder die Sonne sein soll, welche ihre erwärmenden und erhellenden Strahlen aussendet, so ist die Frau der flammende Stern, dessen segnendes Licht auf die Glieder ihres Hauses fällt. O, wenn doch jedes Heim in seiner Abgeschlossenheit dem Bilde der Loge entspräche! Würde man auch daran denken, dass in ihm nur das Unrecht genährt werde, oder sind wir nicht fest überzeugt, dass gerade dadurch der Keim des Guten sich entwickelt?

 

Warum aber schliessen sich die Fenster und wird das Licht des Tages verdrängt, dass es finster werde und erst die künstlichen Lichter den Raum erhellen? Auch das, meine verehrten Schwestern, bat seinen guten Zweck.

Man braucht uns nicht Lichtfeinde zu nennen; im Gegentheil, dieser Gebrauch kennzeichnet uns als Lichtfreunde. Nach Licht wollen wir streben auch da im Leben, wo es mitunter dunkel wird und Nacht. Der Maurer soll stets die Leuchte des göttlichen Geistes hoch halten. Dazu mahnt ihn der Schein der Kerzen in seinem verschlossenen Tempel.

Sehen Sie, das ist auch ein schönes Bild des häuslichen Kreises. Die Frau mag immerhin sagen, dass es Licht sei daselbst, Ihre Einwirkung auf den Gatten soll jede finstere Wolke auf seiner Stirn verscheuchen und in trüben Tagen des wechselvollen Lebens das Licht des Glaubens anfachen, dass der rechte Weg nicht verfehlt werde. Und hat die Mutter nicht den heiligen Beruf, das erste Licht dem aufstrebenden Kinde zu geben? Wo sie mit klarem Verstande und hellem Blicke waltet, da wird immer die Sonne des Glückes scheinen und in der Nacht des Schicksals das milde Licht der Ergebung im Mondscheinglanze dem gebeugten Herzen wohl thun.

 

Das mattere Licht unserer Kerzen ermahnt uns zugleich, dass wir uns mit unserer Weisheit nicht erheben vor Dem, der mehr ist, als wir Alle, sondern in bescheidenen Grenzen menschlicher Erkenntniss uns nur nach mehr Licht sehnen und ihm zustreben in unermüdetem Eifer. Sehen wir nicht, wie die Menschen sich blähen und brüsten ob ihrer geistigen Schätze, und ist doch ihr ganzes Wissen nur Stückwerk. Man verlangt ja selbst für die Frauen immer erweitertere Kenntnisse und will sie erheben zum nützlichen Gebrauche im bürgerlichen Leben. Nicht, dass man den Frauen die erhöhte Bildung missgönnen dürfte; es ist etwas Schönes um eine hochgebildete Frau; haben wir ja Einzelne, welche es den Männern vorausthun an Produkten ihres klaren Geistes und feinen Geschmackes, selbst an Thaten der kühnen Entschlossenheit und starken Muthes. Allein im grossen Ganzen erinnern die Kerzen in unseren Tempeln an die gemessenen Schranken jedes menschlichen Berufes auch nach dieser Seite hin und warnen vor dem grellen, blendenden Lichte des Tagesgestirns im hohen Zenith.

 

So, meine verehrten Schwestern, sehen Sie, wie auch unsere Abgeschlossenheit hier kein Geheimniss birgt, als das des rechten Verständnisses. Wer dieses nicht besitzt, für den bleibt auch dieser Gebrauch ein Geheimniss und mit dichtem Schleier verhüllt. Und wenn wir beiderseitig hier uns eine Lehre mit hinwegnehmen für unser Leben, so sei diese die Folge einer lebendigen Erinnerung an diese Stunde.

Schliessen wir, wenn wir in unseren Familienkreis gekommen, uns ab von dem Tumulte des Lebens; zünden wir an die Leuchte sittlicher Wahrheit und göttlicher Weisheit; üben wir Werke der thatkräftigen Liebe an uns und Anderen im Stillen, und die Zufriedenheit des Herzens, wahre Glückseligkeit wird einziehen, die Stätte zu segnen, da Unschuld und Tugend weilen.

 

Werden wir nicht einseitig und pedantisch durch solche Zurückgezogenheit? Liegt nicht hierin der Keim einer Eigenart, welche Sonderlichkeit erzeugt? Gewiss nicht, so wenig als im Familienleben!

Die Familie ist der lodernde Heerd aller Tugenden; sie weckt Ordnung und Zucht, nährt Fleiss und Sparsamkeit, stählt Liebe und Treue, regt das Gefühl der Gemeinsamkeit an und führt so aus der Welt im Kleinen zur grossen Menschenfamilie. Schon die Alten erkannten, dass ein blühendes Familienleben wahren Patriotismus erzeuge, da das Vaterland nur die Summe der einzelnen Familien sei und mit dem Glücke und dem Wohlstande dieser die Wohlfahrt jenes eng zusammenhänge.

Kann also durch die zeitweise Zurückgezogenheit in die kleinen Kreise der Angehörigen Engherzigkeit entstehen? Ist durch Belebung eines rechten Familiengeistes die Befürchtung für das grosse Ganze der menschlichen Gesellschaft begründet? Mit nichten. Und auf wem beruht wiederum der mächtige Einfluss, der so vom Kleinen auf das Grosse ausgeübt wird? Auf der Frau, der Priesterin von Zucht und Sitte, der Vestalin der Liebe und Treue im Hause, ihrem eigensten Reiche!

Haben die jüngst verflossenen Tage uns nicht in dieser Hinsicht das leuchtende Beispiel einer hohen Frau aus der Vergangenheit von Neuem vor Augen geführt, die so bestimmend auf die Geschicke eines ganzen Landes eingewirkt hat durch ihre Tugenden und ihre strenge Haltung am häuslichen Heerde, der Königin Louise von Preussen? Können wir nicht auch mit Freude und Stolz auf unser eigenes Fürstenhaus blicken?

 

So, meine verehrten Schwestern, ist auch die Zurückgezogenheit in unseren Räumen nur der stillwirkenden Kraft zu vergleichen, welche das im Schoosse der Erde ruhende Samenkorn treibt, dass es den Boden durchbreche und fröhlich ans Tageslicht trete; es ist der Sammelpunkt aller geistig-sittlichen Strebungen für das wahre Gute und Schöne, von dem aus durch den Einzelnen das gewonnene Ergebniss sich auf die bürgerliche Gesellschaft in Amt und Beruf, wie im öffentlichen Leben ergiesst.

Nicht ein Parteigeist, sondern Gemeingeist wird hier gepflegt; denn wir sind nicht als eine besondere Klasse, sondern als Menschen hier vereinigt, nicht Hass und Neid findet hier Nahrung, sondern Duldung und Liebe. Wir wollen die unvermeidlichen Lücken der menschlichen Gemeinschaft überbrücken; nicht Glaubenseifer und politische Eifersucht hat hier Raum, sondern Freiheit des Denkens und der Ueberzeugung gewinnt Boden; denn wir achten jede ehrliche Meinung.

 

So finden Sie auch nach dieser Richtung in unseren abgeschlossenen Hallen nichts Geheimnissvolles, als das rechte Verständniss der wahren Menschlichkeit, die freilich nur Wenigen eigen ist, aber hier angestrebt wird.

 

Möchte so Ihnen der Freimaurertempel von Neuem eine freundliche und segensvolle Seite zeigen in Dem, was vielleicht mancher Schwester sonderbar erschienen ist, und mögen Sie, wie wir hier durch den Einzelnen auf die sittlich-geistige Förderung der gesammten Menschheit zu wirken suchen, in Ihrer Loge, als welche das Haus und die Familie erscheint, in gleicher Weise durch Gatten und Kinder das Ihrige zur Wohlfahrt der Menschheit beitragen; dann geht Loge und Haus mit einander im rechten Einklange den Weg zur Glückseligkeit Aller! –

 


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