Home Warum nimmt die reguläre Freimaurerei keine Frauen auf?

 

                     Eine Zusammenstellung einiger Argumente

                     Mai 1993

 

 

Die verschiedenen Antworten auf die Titelfrage kann man in fünf Gruppen einteilen:

  1. historische
  2. juristische
  3. vereinsmässige
  4. moralische
  5. psychologische.

 

 

1. Die historische Sicht

 

Aus historischer Sicht spiegelt die Beschränkung der Freimaurerei auf männliche Mitglieder den Zeitgeist von anno dazumal (1723).

 

Dabei ist von folgenden Fakten auszugehen:

 

a) Die Frau war im Altertum und Mittelalter aktiv in Vereinen und im Arbeitsleben

  • In den alten römischen „Collegia“ waren Frauen dabei.
  • In den Gilden und Bruderschaften des Mittelalters waren Frauen dabei.
  • Es gab Frauenklöster und Frauenorden (Beginen).
  • Die Frauen übten im Mittelalter viele, mitunter recht handfeste praktische Tätigkeiten aus, z. B. managten sie das Anwesen, Gehöft oder Schloss, wenn der Mann auf Kreuzzügen unterwegs war, oder sie wirkten als Ratgeberinnen, Kräuterkundige und Hebammen.
  • In der Basler Bauleutezunft wurden bis 1629 Frauen aufgenommen.

 

b) Die scholastischen Theologen werteten die Frauen ab

Doch seit etwa 1250, im Gefolge der scholastischen Theologie, vor allem seit Thomas von Aquin seine Lehre verkündete (unter vielen anderen Behauptungen: „Die Frau ist ein Missgriff der Natur“), begann eine Abwertung der Frau.

  • Kräuterkunde und Hebammenkunst wurden von Apothekern und Ärzten übernommen.
  • Ablösung von magischen Heilkräften durch Chemie und Medizin
  • Hexenprozesse (seit 1275)
  • Stadtverordnungen  schränken den Bewegungsspielraum der Frauen ein
  • Leistungsprinzip (Rationalisierung; Weber von Florenz)

 

c) Das Bauwesen war immer männlich ausgerichtet

Das Bauwesen war freilich immer männlich ausgerichtet. Steine brechen, tragen, spalten, behauen und einfügen war eine harte und körperlich anstrengende Arbeit. Ebenso das Hantieren und Herumturnen auf schwindelerregenden Gerüsten. Und das alles erst noch bei jedem Wetter.

 

d) Die Frauen durften im Barock „Salons“ betreiben

Bei den Geheimgesellschaften des 17. Jahrhunderts spielten Frauen keine Rolle. Aber adelige oder vermögende Frauen hatten seit etwa 1600 Salons, also Orte, wo sie Gelehrte und Künstler versammelten, wo diskutiert, getanzt und Theater gespielt wurde. Berühmt geworden ist das „Hôtel de Rambouillet“ (1608-1668).

 

Die Absenz der Frauen trifft mit der Geringschätzung zusammen

 

Als sich seit 1550 die spekulative Freimaurerei entwickelte, traf die faktische Absenz der Frauen mit der damaligen Geringschätzung zusammen.

So waren die meisten Bünde der damaligen Zeit Männerbünde, und so konnten die Alten Pflichten 1723 schliesslich formulieren:

„Die als Mitglieder einer Loge aufgenommenen Personen müssen gute und aufrichtige Männer sein, von freier Geburt, in reifem und gesetztem Alter, keine Leibeigenen, keine Frauen, keine sittenlosen und übel beleumdete Menschen, sondern nur solche von gutem Ruf“.

 

Fortsetzung der Geschichte:

siehe: Die Freimaurerei und die Frauen, ab Kap.: „Ab 1730/40: Adoptionslogen in Frankreich und Deutschland“

 

Die Frauenlogen sind „irregulär“

 

Es gibt heute durchaus diverse Vereinigungen mit Frauen, die sich als Maurer oder Freimaurerinnen bezeichnen. Allerdings sind sie aus Sicht der englischen Grossloge „irregulär“.

Es ist freilich noch komplizierter: Es gibt auch eine rein männliche Freimaurerei, die ebenfalls als irregulär betrachtet wird, z. B. der liberale „Grossorient der Schweiz“ oder die weitaus wichtigste Grossloge Frankreichs, der „Grand Orient de France“.

 

Plump ausgedrückt: Heute kann jede Frau der Freimaurerei beitreten, allerdings nicht der regulären. Aber das könnte in ihren Augen ja ein rein vereinsmeierisches Kriterium sein, das sie nicht interessiert.

Aus diesem Grund ist die nächste Argumentation, die juristische, nicht besonders ergiebig.

 

2. Die juristische Sicht: Jeder Verein kann seine Mitglieder selber bestimmen

 

Die juristische Sicht basiert auf den Menschenrechten. In der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“, die von der Generalversammlung der UNO am 10. Dezember 1948 verkündet wurde, heisst es:

Art. 18: „Jeder Mensch hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Dieses Recht umfasst die Freiheit ..., seine Religion oder seine Überzeugung  allein oder in Gemeinschaft mit andern zu bekunden.“

 

Art. 20: „Jeder Mensch hat das Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit zu friedlichen Zwecken“.

 

Nun kann aus juristischer Sicht jeder Verein selber bestimmen, wen er zum Mitglied aufnimmt. Ausschluss bedeutet nicht Minderwertigkeit oder Ungleichheit. Sonst müsste die ganze Menschheit einen Klub bilden.

 

3. Bloss 1 der halben Weltbevölkerung sind etwa 1 % ihrer Zeit in einer Loge

 

Was das Vereinsmässige betrifft, muss man sehen, dass die „weltumspannende“ Bruderkette riesige Lücken aufweist: Es gibt, mit wenigen Ausnahmen, in Diktaturen, kommunistischen und islamischen Ländern - also bei der halben Weltbevölkerung - keine Freimaurerei. In der andern Hälfte sind es insgesamt etwa 3 Millionen.

 

Von den rund 200 Staaten, welche der UNO angehören, verfügen rund 110 über reguläre Freimaurerlogen.

 

Wo es Freimaurerei gibt, sind – mit Ausnahme von Schottland - höchstens 1 Prozent der Bevölkerung dabei. Die Freimaurer sind also eine kleine Minderheit. In Schottland sind etwa 10 % der Männer Freimaurer. In Irland und Island sowie in England und USA sind es ca. 3 resp. 2 %. Gut vertreten ist die Freimaurerei auch in Kanada, Australien und Neuseeland sowie in Kuba, ferner in Norwegen, Schweden und Dänemark.

http://www.bessel.org/intstats.htm

 

Der einzelne Freimaurer lebt „materiell“ bloss etwa 1 Prozent seiner Zeit in der Loge. Hier, in diesen seltenen Stunden, lernt er, unter Männern, an sich selber zu arbeiten. Die Einsichten daraus sollte er ins profane Leben hinaustragen. Dort sollte er wirken.

 

Die Freimaurerei strebt keine Weltrevolution an. Jeder soll bei sich selber beginnen und dann nach aussen wirken.

 

In der Verfassung der Schweizerischen Grossloge Alpina heisst es:

„… Im weiteren setzt sich der Freimaurerbund zum Ziel, seine Grundsätze ausserhalb der Loge zu verbreiten, die Bildung und Aufklärung nach Kräften zu fördern, gemeinnützige Anstalten zu unterstützen und nötigenfalls solche zu gründen und der Intoleranz entgegenzutreten.“

“Die einzelnen Mitglieder sollen sich in Betätigung maurerischer Grundsätze an den öffentlichen Angelegenheiten beteiligen und dabei so handeln, wie es nach ihrer innersten Überzeugung für das Wohl und das Gedeihen des Vaterlandes am besten ist.“

http://www.akazia.ch/grundsaetze/

 

 

4. Müssen Frauen in alle männlichen Berufe und Vereinigungen eindringen?

 

Die moralische Argumentation entzündet sich an der Frage, ob Frauen nicht nur in sämtliche Berufe, sondern auch in sämtliche Vereinigungen von Männern eindringen sollen, dürfen, müssten.

Besteht eine echte Gleichberechtigung tatsächlich darin?

 

Auch in der Berufswelt gibt es viele Gebiete, die den weiblichen Bedürfnissen weniger entsprechen, z. B. Kaminfeger, Schreiner, Automechaniker, Lastwagenchauffeur.

Und der Soldat?

 

Anderseits kann man heute sicher nicht mehr wie Gottlieb Imhof (I, 73) 1955 sagen:

„Für den Freimaurer ist die Frau immer noch die Priesterin des häuslichen Herdes.“

 

5. Die psychologische Sicht: Erotik irritiert - die Geisteswelt ist männlich

 

Die psychologische Argumentation schliesslich geht in mehrere Richtungen:

  1. In Familie und Schule, am Arbeitsplatz und in Vereinen können sowohl das „erotische“ Moment wie die weiblichen Fähigkeiten überall zum Zuge kommen. Es ist also nicht nötig, sie auch in Freimaurer-Logen zu tragen.
  2. Die Geisteswelt der Freimaurerei mit Symbolik und Ritual kommt, wie erwähnt aus dem Bauhandwerk, genauer noch aus der Welt der Steinmetzen. Diese Welt entspricht nicht der weiblichen Geisteswelt.
    Ja, noch mehr: Frauen bewerten und erleben anders. Die maurerische Symbolik und die maurerischen Arbeiten könnten sie daher gar nicht erfüllen. Daher auch die verhältnismässige Bedeutungslosigkeit des „Droit Humain“, den es immerhin seit weit über 100 Jahren gibt. Es ist keine starke Frauenbewegung geworden.
    Gottlieb Imhof (I, 10) schlägt daher vor: „Die Frauen mögen sich anderer weiblicher Werkzeuge zur symbolischen Arbeit an der menschlichen Seele bedienen.“ Bereits um 1900 hat Oswald Wirth nach der „Frau von Genie“ gerufen, „die eines Tages ihre Schwestern den Symbolismus der Nadel wieder lehren werde“ (Alec Mellor, 1985, 460).
    Der amerikanische gemischte Royal-Arch-Orden „
    Grand Courts Heroines of Jericho“ hat ein Spinnrad als Emblem, vielleicht auch ein entsprechendes Ritual.
    Seit 1947 gibt es in Holland ein Ritual der Weberinnen (
    Orde van Weefsters Vita Feminea Textura).
    Bereits seit 150 Jahren gibt es bei den Odd Fellows die Rebekka-Logen mit einem eigenen Ritual, in dem die weiblichen Tugenden dargestellt werden.
    Das Ritual des amerikanischen  „Eastern Star“ basiert
    auf Ereignissen aus dem Leben von fünf biblischen „Heldinnen“ Adah, Ruth, Esther, Martha und Electa (ursprünglich die griechischen Gottheiten Luna, Flora, Hebe, Thetis sowie die ägyptische Gottheit Areme).
  3. Gerade die strengste Pflege der Überlieferung hat in den letzten 200 Jahren verhindert, dass die Freimaurerei das Schicksal der ungezählten anderen Institutionen mitmachen musste: Vereinigung und Untergang.
  4. Es ist nicht wahrscheinlich, dass der Eintritt von Frauen die Freimaurerei „besser“ machen würde. Das Frauenstimmrecht seit dem Ersten Weltkrieg (in Dänemark und Norwegen), in den USA (1916) und in England (1918), also seit bald 100 Jahren, hat die Politik nicht besser gemacht.

 

Den Frauen steht das Herz offen

 

Soweit die wichtigsten Typen von Argumenten.

 

Es gibt unter Brüdern die einen, welche für eine Öffnung sind, die andern, welche das spezifisch Freimaurerische, wie das Geheimnis und das Idealistische „rein“ bewahren möchten.

 

Und unter den Frauen wird es ebenfalls zwei Gruppen geben: Die einen möchten Einlass begehren, die anderen interessieren sich nicht dafür.

 

Gerne schliessen Freimaurer mit einem Satz, den der Dichter Wieland vor 200 Jahren (1785) formuliert hat:

„Bei den Freimaurern steht den Frauen wohl das Herz offen, aber die Loge ist geschlossen.“

 


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