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Der Mythos der Freimaurer. Leipzig: Bohmeier-Verlag 2003, 114-119.

 

 

Ist die Nabelschnur gekappt?

 

Frauen und die Loge

 

Bei der Besprechung der Mysterien von Eleusis haben wir gesehen, dass diese der Getreidegöttin Ceres alias Demeter geweiht waren. Hades, der Gott der Unterwelt, spielt im Prinzip eine Nebenrolle. Das bedeutet konkret, dass in diesen Mysterien von Eleusis das weibliche Element eine Vorrangstellung einnimmt. Und so war es in den meisten antiken Mysterien, zumindest zu ihrer Hochblüte, als sie noch nicht degeneriert waren. Genauso hatten zahlreiche alte Kultstätten ursprünglich mit einer Göttin zu tun. Der Tempel von Delphi mit seinem berühmten Orakel war dem Gott Apollo geweiht. Nur handelt es sich um einen ehemaligen Kultort der Erdgöttin Gäa. Der Marmorblock, genannt Omphalos, welcher den Nabel der Welt symbolisiert, deutete sogar noch in späterer Zeit auf diese Verbindung zur Erdmutter hin. Denn ohne Mutter gibt es logischerweise weder eine Nabelschnur noch einen Nabel.

 

Wir haben in den vorangegangenen Kapiteln besprochen, wie sich die Freimaurer auf diese antiken Mysterien berufen, wenn nicht über eine direkte Filiation, so doch ideologisch. Freimaurerische Grössen wie der Chevalier Ramsay in seinem berühmten »Diskurs« [1736] beriefen sich sogar unumwunden auf diese Mysterien von weiblichen Gottheiten: Er nennt namentlich die der Ceres in Eleusis, die der Minerva in Athen, die der Urania bei den Phöniziern, die der Diana bei den Skythen. Wir haben weiterhin demonstriert, dass das weibliche Element in den Logen eine wichtige Stellung einnimmt, sei sich nun der durchschnittliche Freimaurer dessen bewusst oder nicht. Angesichts dieser Zusammenhänge mag es befremden, dass die einflussreichsten und bekanntesten Freimaurer-Systeme es nach wie vor ablehnen, auch Frauen aufzunehmen.

 

Die mächtigste Institution dieser Art ist die englische Grossloge beziehungsweise das von ihr angeführte System. Es verweigert nicht nur all den Systemen, welche Frauen einweihen, seine Anerkennung, es geht sogar so weit, dass es seine eigenen Mitglieder, welche solche »irregulären« Logen auch nur besuchen, ausschliesst.

 

Warum?

 

Es gibt inzwischen einen ganzen Katalog von Begründungen.

 

Die primitivste lautet, Frauen könnten den Mund nicht halten und würden die Geheimnisse der Loge prompt beim nächsten Kaffeeklatsch verraten. Dass intelligente Freimaurer dieses Vorurteil schon immer ablehnten, haben wir bei der Besprechung der »Zauberflöte« gesehen, wo der Freimaurer Mozart genau dieses Argument durch die Plaudertasche Papageno widerlegte - schon vor mehr als zweihundert Jahren.

 

Eine weitere Begründung besagt, es habe in den Zünften - und somit auch in den Steinmetz-Logen - gleichfalls keine Frauen gegeben. Dies stimmt nicht. Es gab durchaus Frauen, die nach dem Tod ihres Mannes dessen Handwerksbetrieb weiterführten. In den so genannten »Alten Pflichten« [z. B. 1390] gerade der Steinmetzzünfte sprechen einige Passagen konkret von den Pflichten dem Meister und der Meisterin gegenüber. Wobei es sich nicht um unterschiedliche Pflichten handelt. Sabine, die Tochter von Hervé de Pierrefonds (alias Erwin von Steinbach), dem Architekten des Strassburger Münsters, setzte das Werk ihres Vaters fort - wenn sie auch nicht so berühmt wie dieser wurde.

Auch das Regius-Manuskript, eines der frühesten Dokumente der Steinmetzzünfte, datiert auf Ende des 14. Jahrhunderts, spricht nicht nur von Brüdern, sondern auch von Schwestern.

 

Eine andere Erklärung für den Ausschluss der Frauen aus den regulären Freimaurer-Logen geht davon aus, dass eine gemischte Mysteriengesellschaft ihren guten Ruf aufs Spiel setzen würde. Schon die Gnostiker seien bezichtigt worden, bei ihren Zusammenkünften fürchterliche Orgien zu feiern. Auch diese Begründung klingt nicht stichhaltig, selbst wenn sie bereits vom Chevalier Ramsay vorgebracht wurde - ironischerweise im gleichen Atemzug, in dem er das Freimaurertum von den Kulten weiblicher Gottheiten ableitet. Alles deutet darauf hin, dass es gnostische Gruppen gab, welche tatsächlich solchen Praktiken huldigten. Aber wenn die Gnostiker an sich damit assoziiert wurden, dann nicht deshalb, weil sie in ihrer Gesamtheit sämtlichen Lastern frönten, sondern weil sie als Ketzer galten und deshalb diskreditiert werden mussten. Den Orden der Tempelritter, der keine Frauen aufnahm, klagte man eben der Homosexualität an, zu einer Zeit, als diese mit der Todesstrafe geahndet wurde. Genau gleich erging es den Freimaurern, obwohl es zu ihrer Zeit keine fatalen Auswirkungen mehr hatte. Schon um 1730 gingen Spottgedichte um, welche die Freimaurer homosexueller Praktiken bezichtigten. Hätten sie Frauen aufgenommen, wäre diese Anschuldigung hinfällig geworden.

 

Eine weitere Begründung, diesmal mit wissenschaftlichem Anstrich, behauptet, Frauen könnten mit den Ritualen der Freimaurer sowieso nichts anfangen, weil diese nun einmal auf die psychischen Strukturen von Männern ausgerichtet seien. Es sieht so aus, als hätten die Vertreter dieser Theorie Angst, dass eine Frau sich das Kichern nicht verkneifen könnte, wenn sich wohlbeleibte Herren fortgeschrittenen Alters in Schürzen kleiden und mit Imitationen von Werkzeugen zu manipulieren beginnen. Weil sie dadurch eventuell an ihren vierjährigen Sohn erinnert werden könnten, der mit seiner Spielzeugwerkstatt genau das Gleiche tut.

 

Auf der einen Seite beweisen die weiblichen Freimaurer in gemischten Logen, dass diese Angst unbegründet ist. Und wenn es sich dabei um Ausnahmen handeln sollte, wenn tatsächlich eine psychische Barriere den »normalen« Frauen das Begreifen eines Rituals dieser Art unmöglich machen würde, müssten sich allsonntäglich aus den Kirchen der Welt, speziell den katholischen, Stürme weiblichen Gelächters erheben. Denn auch dort führen ältere Herren in seltsamer Gewandung mit verschiedenen Instrumenten Rituale durch, welche nicht speziell für Frauen konzipiert wurden und für den Nichteingeweihten keinen Sinn ergeben.

 

Eine der Begründungen für den Ausschluss der Frauen aus den »regulären« Logen ist recht interessant. Sie lautet, das Freimaurertum sei eine Neuauflage der Männerbünde, welche in der Frühzeit der Menschheit, als die Frauen eine wirtschaftliche und somit auch soziale Vorrangstellung hatten, entstanden waren. Denn viele Historiker gehen inzwischen davon aus, dass es eine solche Epoche des Matriarchats gab. (Sogar Sigmund Freud, der den Frauen insgesamt einen »Penisneid« unterstellt, gibt zu, dass vermutlich früher im gesamten Mittelmeerraum der Kult einer grossen Muttergöttin herrschte.) Fast alle Darstellungen von Menschen aus dieser Zeit stellen Frauen dar, mit betonten sekundären Geschlechtsmerkmalen beziehungsweise in schwangerem Zustand. Von den Frauen hing das Überleben des Stammes ab, Frauen kannten die Früchte, Körner und Beeren, welche man zu bestimmten Zeiten pflücken konnte. Zu dieser Zeit hätten die Männer beschlossen, sich an geheimen Orten zu treffen, geheime Rituale auszuarbeiten und ihre Söhne bei Eintritt in das Erwachsenenalter in diese einzuweihen. Diese Rituale hatten tatsächlich mit der Sphäre zu tun, die den Männern vorbehalten war, so wie die Jagd. Ziel dieser Männerbünde war es, die Frauen durch Einschüchterung in Schach zu halten. (Um die im Zusammenhang mit dieser Theorie gerne auftretenden Reklamationen vorwegzunehmen, möchte ich darauf hinweisen, dass diese Theorie nicht von mir stammt, sondern von verschiedenen Autoren, darunter auch männlichen, aufgestellt und vertreten wurde. Wäre die Autorin ein Autor, würde sich dieser Hinweis erübrigen.)

 

Nur passt das nicht zu der Vorrangstellung, welche gerade die Mysterien von Eleusis in der Ideologie der Freimaurer einnehmen. Eleusis war alles andere als ein Männerbund.

 

 

Das Ritual der Wiedergeburt

 

Abgesehen davon gab es genauso »Frauenbünde«, und zwar noch in relativ später Zeit. Die Mysterien des Weingottes Bacchus oder Dionysos wurden ursprünglich ausschliesslich von Frauen gefeiert. Diese Frauen nannten sich Mänaden und rasten in wilder Verzückung - und vermutlich völlig berauscht - durch die Wälder.

 

Auch waren es nicht die Männerbünde, welche die Rolle der Frau bei der Ernährung und Verjüngung des Stammes in den Hintergrund zu drängten. Vermutlich kamen die Männer irgendwann dahinter, dass auch sie bei der Fortpflanzung eine Rolle spielten. Gleichzeitig änderte sich die wirtschaftliche und soziale Umgebung. Als die Anbaumethoden sich verbesserten, vergrösserten sich die Siedlungen. Es bot sich an, die Häuser zu Verteidigungszwecken näher zusammenzubauen und die Felder ausserhalb des Dorfes zu legen. Allmählich übernahmen die Männer Aufgaben in der Landwirtschaft, welche vorher Frauen vorbehalten waren.

 

Dennoch blieben die Männerbünde bestehen. Anthropologen haben sie auf der ganzen Welt lokalisiert. Allerdings fragt man sich, bis zu welchem Grad diese Männerbünde tatsächlich »männlich« sind. Denn die meisten, wie auch das Ritual der Freimaurer, handeln von Tod und Wiedergeburt. Und bei einer Geburt spielt nun einmal eine Frau die Hauptrolle. Selbst wenn während der Zeremonie, in welcher der junge Mann in die Welt der Erwachsenen seines Stammes aufgenommen wird, ein Mann diese »mütterliche« Rolle spielt oder eine Höhle die Funktion der Gebärmutter übernimmt. Jeder der Beteiligten weiss, dass es sich tatsächlich nur um ein Spiel handelt.

 

Wir haben in einem anderen Zusammenhang den Mithraskult besprochen. Auch dieser zeichnete sich dadurch aus, dass er Frauen streng ausschloss. Nur fanden auch seine Kulthandlungen in unterirdischen Höhlen oder Krypten statt. Und die Einweihungsmethode an sich entsprach genau der des Kybelekultes. Sie bestand aus einer »Bluttaufe«, bei welcher der Einzuweihende sich unter ein Gitter zu stellen hatte, auf dem der Priester einem lebenden Stier die Hauptschlagader öffnete. Der Einzuweihende wurde von dem Blut des Tieres übergossen. Es ist eindeutig, dass es sich um eine Imitation des Geburtsvorgangs handelt, der schliesslich gleichfalls eine reichlich blutige Angelegenheit ist.

 

Die Parallelen dieser alten Mysterien mit dem Freimaurertum beginnen im Übrigen nicht erst im dritten Grad, welcher tatsächlich ein Wiedergeburtsritual ist. Im ersten Grad heisst es, dass der Kandidat »das Licht des Freimaurertums erblicke« - eine eindeutige Anspielung auf das Licht der Welt, das ein Kind bei der Geburt erblickt.

 

Freimaurerische Interpretationen geben sogar zu, dass es sich bei dem Strick, welchen der Kandidat um den Hals trägt, um ein Symbol der Nabelschnur handelt. Nur erkennen dies viele Freimaurer vermutlich erst im Royal-Arch-Grad, wo dieser Strick an der »richtigen« Stelle sitzt: um die Hüften geschlungen. Mehr noch: der Kandidat wird mit diesem Strick um den Bauch in das Innere der Erde hinabgelassen, im System der Grossloge direkt in ein Gewölbe. Der Royal-Arch-Grad des Perfektionsritus geht noch weiter: Der Kandidat durchquert einen langen und engen Gang von neun senkrecht aufeinanderfolgenden Gewölben. Neun: die Anzahl der Monate, die ein Kind im Mutterleib verbleibt.

 

Daneben gibt es noch eine relativ »neue« Sage - »neu« bezieht sich hier auf den Vergleich mit den antiken Mysterien - welche einen direkten Zusammenhang zwischen dem Bauhandwerk und einem weiblichen, sogar mütterlichen Fabelwesen herstellt. Es geht um die Fee Melusine, der Überlieferung nach die Stammmutter der französischen Grafen von Lusignan. Die Lusignans rückten zur Zeit der Kreuzzüge - sprich: der Templer - in den Blickpunkt der damaligen Weltöffentlichkeit: Sie waren zeitweise Könige von Jerusalem und Zypern.

B

esagte Melusine, auf welche diese Lusignans ihre Abstammung zurückführen, soll sich, so behauptet zumindest die Legende, als eifrige Baumeisterin betätigt haben. Sie führte in ihrer Schürze Unmengen von Steinen herbei und errichtete, beinahe über Nacht, verschiedene Bauwerke. Konkret: Kirchen.

 

Und dennoch, die Grossloge von England beziehungsweise die ihr angeschlossenen Systeme bleiben hart: keine Frauen in ihren Logen! Die einzig logische Erklärung hierfür haben wir bereits im Vorwort angedeutet: Angesichts der massiven weiblichen Präsenz in der Ideologie bedarf es eines männlichen Gegengewichtes, würden Frauen aus Fleisch und Blut irgendwie stören. Einem ähnlichen Phänomen begegnen wir im Aberglauben von Seeleuten und Minenarbeitern. Sowohl die See als auch das Innere der Erde gelten traditionell als weiblich - und dennoch soll es Unglück bringen, wenn ein Seemann beziehungsweise Kumpel auf dem Weg zur Arbeit einer Frau begegnet.

 

Was nicht heisst, dass es gar keine weiblichen Freimaurer gibt.

 

 

Die weiblichen Freimaurer

 

Die »offizielle« erste Freimaurerin hiess Marie Deraismes. Sie wurde 1882 in eine Loge in der Nähe von Paris aufgenommen. Allerdings in eine Loge, die sich selbst als »Schottenloge« bezeichnete. 1893 wurde aus der Ausnahme die Regel: Die Grossloge »Droit Humain« wurde gegründet. Sie hatte das gemischte Freimaurertum bereits in ihren Statuten vorgesehen. Ab 1900 bearbeitete der »Droit Humain« offiziell auch die Hochgrade.

 

Marie Deraismes selbst war Schriftstellerin und aktive Feministin. Was damals soviel hiess wie Suffragette: eine Frau, die sich für das Wahlrecht auch für Frauen einsetzte. Dieses erlangten die Frauen gerade in Frankreich, der Heimat von Marie Deraismes, erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Ein seltsamer Widerspruch, dass gerade in dem Land, das länger als jedes andere westliche Land das Wahlrecht als männliches Privileg verteidigte, das weibliche Freimaurertum entstehen konnte.

 

Dieser Widerspruch löst sich rasch auf, wenn wir berücksichtigen, dass es sich bei dem System, aus dem »Le Droit Humain« hervorging, um eine im Vergleich mit dem französischen »Grand Orient« und der gleichfalls in Frankreich vertretenen Tochter der englischen Grossloge relativ unbedeutende Abspaltung handelte, die eventuell auf diese Weise, durch die Aufnahme von Frauen, Mitglieder anzuwerben hoffte, welche für das reguläre Freimaurertum gar nicht in Frage kamen.

 

Auch ging die Rechnung vermutlich nicht ganz auf, weil sich 1945, gleichfalls in Frankreich, ein rein weibliches Freimaurertum gründen sollte, das seit 1959 gleichfalls auch die Hochgrade des Alten und Angenommenen Schottischen Systems anbietet.

 

Die These, dass die Aufnahme von Frauen vielleicht weniger ideologische als ganz prosaische Gründe hatte, mag auf den ersten Blick schockieren. Noch mehr das Bedürfnis, diesem geschenkten Gaul genauer ins Maul zu blicken. Sollten die Frauen nicht froh sein, dass überhaupt ein System ihnen die Pforten der Loge öffnet, anstatt kleinlich zu untersuchen, welche Gründe es hierfür hat?

 

Wenn Frauen das tun, graben sie sich eine Grube, in die sie schon oft genug gefallen sind. Es ist eine altbekannte Tatsache, dass eine gesellschaftlich voll anerkannte Institution nicht auf die Unterstützung von Randgruppen angewiesen ist, wobei der Ausdruck Randgruppe sich hier nicht auf die zahlenmässige Stärke bezieht, sondern auf das gesellschaftliche Ansehen. Es ist weiterhin sattsam bekannt, dass eine Institution, die ihre Ziele mit Hilfe von solchen Randgruppen durchgesetzt hat, sich dieser Randgruppen meist recht schnell wieder entledigt, wenn sie nicht mehr darauf angewiesen ist.

 

Das frühe Christentum kannte weibliche Prediger, als Beispiel sei hier nur die heilige Thekla (Der Überlieferung nach eine Schülerin des heiligen Paulus, die im frühen Christentum innige Verehrung genoss und als die Apostelgleiche bezeichnet wurde. Obwohl der heilige Paulus ansonsten das Recht der Frauen, in der Kirche zu sprechen, bestritt) genannt. Von ihrer Ablehnung des weiblichen Priestertums kann die katholische Kirche auch nicht mehr Abstand nehmen - wenn sie diese Entscheidung rückgängig macht, beginnt das ganze dogmatische Gebäude zu wanken. Dafür besteht nach beinahe zwei Jahrtausenden inzwischen wieder die Aussicht, dass Frauen in der katholischen Kirche wieder Diakonissinnen werden. Eine Erklärung für die relative Freizügigkeit der Frauen in den Urgemeinden besagt, die ersten Christen seien davon ausgegangen, das Ende der Welt stehe unmittelbar bevor, so dass sowieso alles egal sei. Als jedoch abzusehen war, dass sich das Christentum mit der damaligen Weltmacht, dem römischen Imperium, würde arrangieren müssen, übernahmen Frauen prompt auch in der Kirche wieder die Rolle, die ihnen in diesem Staat zustand, nämlich die dienende.

 

Ob es nun eine Ironie des Schicksals ist oder eine tiefe Symbolik darstellt: Auch in der Urform des »schottischen« Freimaurertums, bei den Jakobitern, spielten Frauen eine wichtige Rolle. Frank McLynn [The Jacobites. Routledge & Kegan Paul, London, 1985] ist der Meinung, dass die permissive Gesellschaft des 18. Jahrhunderts generell Frauen mehr Möglichkeit der Einflussnahme bot als das 19. Er beschreibt den romantischen Nimbus, der die Sache der Stuarts auszeichnete, und vergleicht ihn mit der Anziehungskraft, welche der Radikalsozialismus auf manche Feministinnen ausübt. Weder die eine noch die andere Ideologie förderte die Interessen der Frauen direkt, und dennoch wurden beide begeistert von diesen aufgenommen. Zahlreiche intelligente und gewitzte Frauen hätten in Intrigen und Spionage zugunsten der Jakobiter eine Möglichkeit gesehen, ihr Dasein interessant zu gestalten.

 

So entstand zur Zeit der Stuart-Rebellionen eine merkwürdige Symbiose. Die Frauen, die sich der Sache der Stuarts verschrieben, trachteten danach, sich selbst zu verwirklichen, und die Jakobiter waren für jede Hilfe dankbar. Nicht, dass diese Haltung generell etwas am Bild der Frau in den Augen der männlichen Jakobiter änderte. Trotz allem galten Frauen nach wie vor als das schwache Geschlecht - selbst als eine schottische Lady 1746 bei der Schlacht von Culloden an der Spitze ihres Clans für den Stuart-Prinzen kämpfte. Nur scheint die Gegenseite noch frauenfeindlicher gewesen zu sein. So ist es bezeichnend, dass Königin Maria II., die älteste Tochter Jakobs II. und somit - nach der Absetzung ihres Vaters und Aberkennung der Rechte ihres Halbbruders - Erbin des Thrones von England, auf allen Herrscherlisten gemeinsam mit ihrem Gemahl auftaucht, der als König Wilhelm III. bezeichnet wird und nach ihrem Tod noch acht Jahre lang allein regierte.

 

Das ist äusserst ungewöhnlich: Eigentlich war Wilhelm von Oranien nur Prinzgemahl, genau wie die Gatten von Königin Maria I. (1516-1558) und Elisabeth 11., der derzeitigen Königin von England.

 

In Grossbritannien selbst bleibt den Frauen auch die Möglichkeit, Mitglied im bereits besprochenen »Order of the Eastern Star«, dem »Orden Stern des Ostens«, zu werden. Aus unerfindlichen Gründen muss jedoch bei den Zeremonien ein männlicher Freimaurer anwesend sein. Und die männlichen Freimauer geben unumwunden zu, dass der »Eastern Star« nichts mit dem »wirklichen« Freimaurertum zu tun hat.

 

Natürlich gibt es in England auch einen Ableger der gemischten Logen. Er wurde 1902 als »Human Duty«, menschliche Pflicht, gegründet. Ein Name, der für nicht Sprachkundige zwar an den der wichtigsten gemischten Loge in Frankreich erinnert, den »Droit Humain«, aber nichts mit ihm zu tun hat. Denn »Droit Humain« heisst Menschenrecht, auf Englisch »Rights of Man«. Auch hier werden die Frauen also wieder auf die Pflicht beschränkt. »Human Duty« bearbeitet alle Grade - nur seien die Rituale geändert worden. Also wiederum keine »echte« Freimaurerei.

 

Ich persönlich schätze die Möglichkeiten, als Frau Eingang in eine »reguläre« Loge zu finden, in absehbarer Zeit eher pessimistisch ein. Noch pessimistischer als die Möglichkeit, katholischer Priester zu werden. Denn, anders als die katholische Kirche, hat das Freimaurertum trotz aller Unkenrufe noch keinen Mangel an Kandidaten aufzuweisen.

 


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