Home Michael Kraus (Hrsg.)

 

Die Freimaurer. Salzburg: Ecowin Verlag 2007, 152-154.

 

 

Freimaurerei und Frauen

 

Das Prinzip der regulären Freimaurerei, keine Frauen aufzunehmen, ist die Konsequenz aus der Übernahme der Gepflogenheiten der mittelalterlichen Dombauhütten. Den Frauen waren zu dieser Zeit - und auch noch später - verschiedene Berufe nicht zugänglich, darunter jede Arbeit, die mit dem Bau zu tun hatte. Ein weiblicher Steinmetz war undenkbar und die Zugehörigkeit zu einer Bauhütte unmöglich. Ebenso blieben ihnen die Handwerksgilden verschlossen. Die junge Freimaurerei übernahm mit der Tradition der Bauhütten dieses Prinzip.

 

Aber Männer haben kein Monopol auf den freimaurerischen Gedanken. Seit der Frühzeit der spekulativen Freimaurerei haben sich auch Frauen für die freimaurerischen Ideen und Organisationsformen interessiert.

 

Zuerst entstanden in der Frühzeit der Freimaurerei Adoptionslogen, die unter Aufsicht einer von Männern gebildeten Patenloge nur Frauen aufnahmen. Später sind auch selbstständige Frauenlogen und „gemischte" Logen - Logen, die sowohl Männer als auch Frauen aufnehmen - entstanden.

 

Heute gibt es weltweit und auch in Österreich Formen, in denen Frauen freimaurerisch aktiv sind. Nur die wichtigsten, die auch international tätig sind, sollen hier angeführt werden. Zu ihnen zählt der „Internationale Freimaurerorden für Männer und Frauen ‚Droit Humain’", der schon seinem Namen nach Männern und Frauen offensteht und seit 1893, der Gründung der ersten „gemischten" Loge, besteht. Ausserdem gehört die „Grande Loge Feminine de France" dazu, die in Fortführung der schon im 18. Jahrhundert existierenden „Adoptionslogen" 1945 gegründet wurde, nur Frauen aufnimmt, aber männliche Freimaurer als Besucher zulässt. Diese Grosslogen mit Sitz in Paris haben Ableger - Logen oder grosslogenähnliche Institutionen - in vielen Ländern der Welt, sodass auch sie eigene freimaurerische Systeme darstellen.

 

In diesem Zusammenhang ist auch der „Order of the Eastern Star" zu erwähnen, der 1870 in den USA als Adoptionsloge gegründet wurde, sich aber rasch international verbreitete. Seine Logen nennen sich Kapitel („chapters") und sind nur für Frauen, Töchter oder Schwestern von Freimaurern zugänglich.

 

Die Vereinigte Grossloge von England ebenso wie die Grossloge von Österreich achtet die Arbeit der Frauenlogen. Die reguläre Freimaurerei hält aber daran fest, nur Männer in ihren Reihen zu haben und gegenseitige Besuche ritueller Arbeiten zu verbieten. Das kann in einer Zeit, in der die Gleichheit und Gleichberechtigung der Geschlechter jedenfalls in den demokratischen Gesellschaften des Westens unbestrittener Konsens sind, unzeitgemäss scheinen und auf Unverständnis stossen. Nach Ansicht von Kritikern gegen den Zeitgeist zu verstossen, also „unmodern" zu sein, ist für die Freimaurerei aber kein Gesichtspunkt, der für ihre Entscheidungen eine Rolle spielt.

 

Rituell geschlechtsspezifisch zu arbeiten, ist keine Diskriminierung von Frauen und hat auch nichts mit Frauenfeindlichkeit oder Geringschätzung der Frauen zu tun. Es ist vielmehr die weise Konsequenz aus einem tiefen Verstehen menschlichen Verhaltens: Einkehr, Selbsterkenntnis und Öffnung gegenüber Fremden dürfen nicht durch geschlechtsübergreifendes Positionierungsgehabe gestört oder beeinträchtigt werden. Damit steht die Freimaurerei in der Reihe der Vereinigungen von Männern, die es zu allen Zeiten und in allen Gesellschaften gegeben hat - sie ist auch in der heutigen Zeit nicht die einzige -, und die sich, weil sie offenbar einem jenseits der sich ändernden gesellschaftlichen Verhältnisse immer vorhandenen Bedürfnis entsprechen, stets als dauerhaft und erfolgreich im Sinn der im Eingangskapitel dargestellten Zielsetzungen erwiesen haben.

 


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