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Die Freimaurer. Geschichte, Wesen, Wirken und Geheimnis der Königlichen Kunst. Zürich: Amalthea-Verlag 1929; Wien: Phaidon-Verlag 1931, 345-351;
Nachdrucke Wien: Löcker 1981; Wien: Lechner 1988; Bayreuth: Gondrom 1988.

 

(blau= wörtlich auch in:

Eugen Lennhoff, Oskar Posner: Internationales Freimaurer-Lexikon. Wien 1932; unveränderte Nachdrucke Wien: Amalthea-Verlag bis 1992, unter dem Stichwort: Frauen als Freimaurer, Sp. 518-521)

 

 

Die Frauen und die Freimaurerei

 

War früher von den Gegnern der Freimaurerei die Rede, dann wurden oft, so eigenartig das klingen mag, auch die Frauen genannt. Mancherorts, namentlich im Frankreich des 18. Jahrhunderts, machte sich weibliche Abneigung gegen den Bund bisweilen in hohem Masse geltend. Die Gründe für diese feindselige Einstellung sind unschwer zu erraten: Frauen waren nur zu leicht geneigt, in der Freimaurerei all das Böse zu sehen, was ihr von der Kirche nachgesagt wurde, und wenn schon aus keinem anderen, so aus dem Grunde, dass die Freimaurerei von Anfang an als Männerbund auftrat und Frauen von der Aufnahme grundsätzlich ausschloss.

Das sollte nicht Missachtung ausdrücken; wir haben ja bereits gesehen, dass die Loge in ihrer feierlichsten Stunde, im Augenblick, da sie ihrer Kette neue Glieder einfügt, der Frauen, die sie Schwestern nennt, herzlichst gedenkt und dem Neophyten weisse Handschuhe überreicht

„für jene Frau, die seinem Herzen am nächsten steht".

 

Es ist hier nicht der Ort, das Thema abzuhandeln, warum Anderson in seinen „Alten Pflichten" [1723] die Frauen von der Zulassung zum Bunde ausdrücklich ausschloss, und seither kein Wandel eintrat. Anderson folgte jedenfalls nur den Grundsätzen der alten Werkmaurer, die die Zunft allen weiblichen Personen streng verschlossen hielt. Nur eine einzige weibliche Person wurde der Ehrung durch die Zunft teilhaftig: die Königin von Saba. Das Aufstellen ihres Bildes in den Statuenreihen der deutschen Dome ist, zumal das gewöhnlich in Verbindung mit jenem des Königs Salomon geschah, sicherlich keine Zufälligkeit. Die Zunft ehrte sie als eine zum Legendenkreise des Tempelbaues gehörige Gestalt.

Allen anderen weiblichen Personen blieb die Zunft streng versperrt. Selbst der Königin Elisabeth von England.

 

Anderson kann es sich nicht versagen, in die Geschichtsklitterung, die den Alten Pflichten vorangeht, den folgenden Satz einzuflechten:

„Die so hochgebildete und grossmütige Königin Elisabeth, die alle anderen Künste begünstigte, war der Freimaurerei nicht hold; nur deshalb, weil sie als Weib nicht Maurer werden konnte."

Und ein anderer Zeitgenosse, Charles Johnson, schreibt 1723:

„Eine hochstehende Fürstin konnte leider mit Rücksicht auf ihr Geschlecht nicht zugelassen werden. Ihre Neugier wurde hierdurch verletzt, und vielleicht war dies das einzige Mal in ihrer langen Regierung, dass das Weib über die Königin den Sieg davontrug."

 

Auch Maria Theresia mag aus ähnlichen Gründen ihren berühmten Befehl zur Aushebung der Loge „Zu den drei Kanonen" gegeben haben. Eine in Wien im 18. Jahrhundert viel erzählte Fabel wusste sogar zu berichten, dass sie einmal in Männerkleidern einer Arbeit in einer Wiener Loge beigewohnt habe.

 

Jedenfalls wurden Klagen über die Ausschliessung der Frauen von der Logentätigkeit sehr früh laut. Davon geben die Zeitungen des 18. Jahrhunderts einen Begriff. Im Januar 1733 meldete die „Vossische Zeitung" aus Grossbritannien:

„... Das Geheimnis (der Freimaurer) wird denen Gliedern der Gesellschaft bey ihrer Aufnahme offenbaret, es müssen sich aber selbige mittelst eines scharfen Eides verbinden, solches niemandem zu entdecken. Derart, dass, als eine gewisse vornehme Prinzessin, die dieses Geheimnis gerne wissen wollte, einen auch vornehmen Herrn dazu beredete, dass er sich in diese Fremesen würde begeben und hiernächst die Eröffnung solchen Geheimnisses von ihm begehrte, derselbe ihr solches gleichwohl abgeschlagen."

 

1737 glaubte ein Pariser Korrespondent des gleichen Blattes, dass in Frankreich den Freimaurern sicherlich bald „das Cantate gelegt" werde.

„Das Frauenzimmer lässt ihre Scheelsucht, dass sie das männliche Geschlecht von den Geheimnissen ihrer Brüderschaft ausgeschlossen, ... ziemlich widerfahren."

 

In Bern verstanden es Frauen sogar, die Regierung gegen den Orden aufzustacheln.

„Die Frey-Mäurer-Eheweiber", die, wie es in einem damaligen Schriftstück heisst, „ungeachtet ihrer Liebkosungen und Listen und Ränke zu ihrem grössten Verdruss zur Ergründung des pretendierenden Frey-Mäurer-Sekrets niemals gelangen können."

 

Beschwerden auch in Deutschland. 1785 druckte Wieland in seinem „Teutschen Merkur" eine Auseinandersetzung über das Thema ab,

„dass bei den Freimaurern den Frauen wohl das Herz offen stehe, aber die Loge geschlossen sei".

Und auch Goethe trug sein Scherflein dazu bei. Als sein Sohn August, bei einer Veranstaltung der Loge „Amalia", zu der die Schwestern geladen waren, deren Dank zum Ausdruck bringen sollte, liess er ihn die scherzhafte Versfrage stellen:

„Sollen aber wir, die Frauen,

Dankbar solche Brüder preisen,

Die ins Innere zu schauen,

Immer uns zur Seite weisen?"

 

Eine Antwort auf diese bis auf den heutigen Tag immer wieder aufgerollte Frage, versuchte Herder in seinen Freimaurergesprächen, in denen er Linda (seine Frau Karoline) zu Faust (Herder selbst) folgendes sagen lässt:

 

„Der Mann bedarf eines Aufschwunges, und wir gonnen ihm solchen gern. Er muss sich zuweilen erweitern und erheben, dass er, Mann mit Männern lebe, sonst wird er bei aller Müh und Liebe selbst uns alltäglich. - Verübelt mir aber nicht Freunde: Euer Geschlecht begrenzt oder, wie man sagt, borniert sich zu bald und erschwert sich seine Fesseln. - Oft sinkt ihr unter ihrem leisen, aber fortwährenden Druck nieder und veraltet. Veraltet vor der Zeit unter Gewohnheiten, die Ihr nicht ändern wollt. Vorurteile umschlingen uns vielleicht leichter als Euch; aber an Euch sind sie drückender und fester. Mit unserer mehreren Elastizität und Seelenfreiheit sind wir geborene Freimaurerinnen am reinen Bau und Fortbau der Menschheit. - Welchen grossen und schönen Gedanken hatte Sokrates, den ihm Aspasia nicht eingab?"

 

Herder antwortet:

 

„Und doch gehört Ihr bei Euren grossen Gedanken doch nicht in das geschlossene Viereck des Beratene und Wirkens. Läuft nicht die Phantasie oft mit Euch fort? Ist nicht der gute Trieb bei Euch immer voran? Ihr seid zu tätig, zu barmherzig, der Augenblick übernimmt Euch. Auf einmal würdet Ihr der gesamten Menschheit helfen wollen und alles verderben. Schon deshalb gehört Ihr nicht in jenes stillberatende, leidenschaftslos wirkende Viereck."

 

Solche Antwort befriedigte viele Frauen schon in einer Zeit nicht, in der deren Emanzipation sehr wenig weit fortgeschritten war. Manche von ihnen liehen nur zu gerne ihre Hand, wenn es sich darum handelte, die Freimaurerei zu bekämpfen oder ihr Geheimnis zu profanieren. Manche bemühten sich, trotz aller Verbote, in Logen zu gelangen. In einigen Fällen gelang ihnen dies auch.

Der erste weibliche Freimaurer soll Mrs. Elizabeth Aldworth gewesen sein, die als Tochter des Viscount Doneraile, der auf seinem irischen Landsitz Loge hielt, einmal Zeuge einer Arbeit war und aufgenommen wurde, damit sie Verschwiegenheit bewahre.

Auch von anderen Frauen werden ähnliche Geschichten erzählt. Fest steht, dass unter dem französischen Konsulat die Gattin des Generals Xaintrailles, die von Napoleon zum Rittmeister der Kavallerie gemacht worden und Adjutant ihres Mannes war, bei einer Logenarbeit der Bauhütte „Les Artistes" in Paris erschien, und dass 1877 die Gräfin Helene Hadik-Barkoczy in eine ungarische Bauhütte aufgenommen wurde. Die Gräfin wurde beim Tode ihres Vaters, des letzten männlichen Erben der Familie Barkoczy, als Sohn substituiert und somit zivilrechtlich vom Gesetz als Mann angesehen. Das Studium der freimaurerischen Literatur hatte in der geistvollen Frau (Sie war die Gattin des Grafen Béla Hadik, Generaladjutanten des Erzherzogs Max, späteren Kaisers von Mexiko.) den Wunsch keimen lassen, Mitglied des Ordens zu werden, und die Loge in Ungvar kam dem Wunsche, trotz Einspruchs des Grossorients von Ungarn, nach. Die Aufnahme wurde dann allerdings von diesem für ungültig erklärt.

 

Bei diesen Einweihungen handelt es sich nur um ganz vereinzelte Fälle. Um aber den Wünschen der Frauen doch entgegenzukommen, schuf man im 18. Jahrhundert eigene freimaurerähnliche Vereinigungen. In Frankreich entstanden zunächst der Orden der Ritter und Nymphen von der Rose, die Gesellschaft der Genossen der Penelope, der Orden der Glückseligkeit, der Holzhauerorden, der Ankerorden usw.; an allen diesen mehr oder minder geheimnisvollen Gesellschaften konnten Männer und Frauen teilnehmen. Die Versammlungsorte hiessen Haine, Lustwäldchen, Liebestempel, die weiblichen Mitglieder wurden „Cousinen" oder „Freundinnen" tituliert. Manche dieser Gesellschaften, die natürlich mit Freimaurerei gar nichts zu tun hatten, wurden auch gestiftet, um hohen Herren, wie dem Herzog von Chartres, denen der Ernst und die Würde der Freimaurerlogen auf die Dauer unbehaglich wurden, eine Zerstreuung zu verschaffen.

 

Auch nach Deutschland verirrte sich diese Ausartung, und es gründete sich unter den Auspizien des galanten geistlichen Kurfürsten Klemens August von Köln der Mopsorden. Die Mitglieder, Männer und Frauen, mussten römisch-katholisch sein. Als Abzeichen trugen sie kleine Möpse aus Porzellan. Die Gebräuche dieses „Ordens", der hauptsächlich an den kleinen deutschen Höfen verbreitet war, waren ausserordentlich läppisch; jeder tiefere ethische Gehalt ging ihnen ab. Sinnbild war der Gesellschaft „der Mops", das Symbol der Treue im Orden; dabei sollte der Zirkel einer jeden Mopsloge, wie das Ritual besagt, die Mitglieder lehren:

„gleich wie alle Durchschnitte des Kreises durch eben denselben Mittelpunkt gehen, also müssen alle Handlungen eines Mopses aus einer Quelle gehen, nämlich der Liebe".

 

Während in den Mopsorden hauptsächlich Hofgesellschaft Eingang fand, die mit der Freimaurerei nichts zu tun haben wollte (er entstand kurz nach dem Erscheinen der ersten Bannbulle), zum Beispiel Mitglieder der Antimassonischen Sozietät des pietistischen Grafen Heinrich XII. von Reuss-Schleiz, bildete sich, von Frankreich ausgehend, in loser Verbindung mit einzelnen Logen, die sogenannte Adoptionsmaurerei. Das waren Vereinigungen für Männer und Frauen mit einem eigenen, dem freimaurerischen nicht verwandten Ritual, das, in Anlehnung an die Schöpfungsgeschichte, die Tätigkeit der „gemischten Freimaurerei" in den Garten Eden verlegte.

Es handelte sich, wie sich ein bekannter zeitgenössischer freimaurerischer Schriftsteller, der Baron de Tschoudy, ausdrückte, um eine „angenehme Bagatelle", die namentlich den Wünschen der grossen Damen des Hofes entgegenkam und die Neugierde aller dieser Herzoginnen, Prinzessinnen, Gräfinnen und Marquisen befriedigte. War doch die erste Grossmeisterin die Herzogin von Bourbon. Ihr folgten die Prinzessin Lamballe und die Herzogin von Chartres, auch Mme. Helvetius, die geistvolle Gattin des Philosophen, trat in der Adoptionsmaurerei hervor. „Die ganze Welt tut da mit", schrieb am 26. Januar 1781 die Königin Marie Antoinette.

Man war glücklich, es dieser Art, wie man glaubte, den Männern gleichtun zu können. Wie gross das Sehnen danach war, geht wohl am besten daraus hervor, dass eine ganze Anzahl damaliger Theaterstücke das Problem behandelten, warum man Frauen nicht zur Freimaurerei zulasse. Die meisten dieser Stücke, so die „Francs-Maçons" von Pointinet und „Les femmes curieuses ou les francs-maçons" von Castaing, liessen die Weiblichkeit schliesslich doch die ersehnten Pforten erobern ¢Albert Lantoine, „Hiram couronné d'epines", Paris 1926).

Dass die Neugierde unbezwinglich schien, zeigt die reizende Novelle „Les soupers de Daphné" von Meusnier de Querlon, in der sogar die Idee eines Ehestreiks junger Damen geschildert wurde, die unter allen Umständen das „Geheimnis" ihrer Männer verraten sehen wollten. Der „Garten Eden", den man ihnen nun auftat, versöhnte sie hinlänglich, zumal die Frauenlogen mit viel Aufwand und grosser Pracht abgehalten wurden. Die berühmtesten Künstler fanden sich ein, gelehrte und künstlerische Vorträge wurden gehalten, Konzerte veranstaltet, Preise ausgesetzt, Denkmünzen für verdienstvolle Handlungen der Menschenliebe gestiftet, Wohltätigkeitssammlungen veranstaltet. Man sang reizende Lieder wie etwa:

Amour! ne cherche plus ta mère

Aux champs de Gnide ou de Paphos.

Venus abandonne Cythère

Pour prendre part à nos travaux.

Den Schluss des Abends bildete immer ein glänzender Ball.

 

Die Adoptionslogen hatten aber kein sehr langes Leben. Nach der Revolution tauchten sie zwar wieder auf, und es ist verbürgt, dass die Kaiserin Josephine, die Gattin Napoleons, die Adoptionsloge „Les Francs Chevaliers" in Strassburg besuchte. Aber allmählich hörte die Spielerei auf.

Erst in allerletzter Zeit hat die Grossloge von Frankreich neuerdings zwei Adoptionslogen geschaffen, die aber von denen des 18. Jahrhunderts wesentlich verschieden sind. Diese beiden Logen sind Vereinigungen, in denen die Frau zur Mitarbeit an den ethischen Aufgaben der Menschheit herangebildet werden soll. Mit der Freimaurerei als solcher stehen sie in keiner Beziehung.

 

Gar keinen Zusammenhang mit dieser hat auch die sogenannte „gemischte Freimaurerei" der Grossloge „Droit humain", die dadurch entstanden ist, dass im Jahre 1881 eine isolierte Loge in Le Peq in Frankreich die Frauenrechtlerin Maria Deraismes zum Mitglied machte. Der Senator Georges Martin propagierte daraufhin die Idee, Frauen allgemein zuzulassen, und als er damit nicht durchdrang, gründete er einen „gemischten Orden", der den Namen „Droit humain" annahm. Dieser rekrutierte in einer Reihe von Ländern hauptsächlich in den Kreisen der Theosophen. Sein geistiges Oberhaupt ist die Führerin dieser Bewegung, die leidenschaftliche Agitatorin Miss Annie Besant.

 


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