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Histoire générale de la Franc-Maçonnerie. 1981;
dt.: Geschichte der Freimaurerei. Fribourg: Office du Livre/ Frankfurt: Ullstein, Propyläen 1982, 223-230.

 

 

Die Freimaurerei und die Frau

 

Die Ausschliessung der Frau

 

Die Freimaurerei hat als höchstes Ziel die Hinführung des bewussten Menschen zum Weg der Erkenntnis. Ihre Herkunft, das Wesen der Initiation, ihr Symbolismus und ihre sittliche Grundhaltung bestimmen diesen Weg. Es ist klar, dass dieser Weg nicht von vornherein allen offen stehen kann, er ist für den bestimmt, den ein geistiges Verlangen antreibt, und er erfordert eine Phase der Vorbereitung und der Läuterung. Aus diesem Grunde wurde und wird in allen Riten gefordert, dass der Bewerber »ein freier Mann von gutem Ruf« sein muss. Man erkundigt sich sehr genau nach seinen geistigen und moralischen Qualitäten und nach den Gründen, die ihn zu seiner Bewerbung geführt haben. Die Beurteilung des Bewerbers erstreckt sich auch darauf, ob er die Fähigkeit besitzt, für das profane Leben zu »sterben«, also der Dunkelheit zu entweichen, ob er sich allen Metalls, also der Symbole der irdischen Materie, entblössen kann, um sich zu einem anderen Leben, dem des Lichts, zu erheben. Man könnte also denken, dass es vom Prinzip her keinen Grund gibt, a priori gewisse Gruppen wegen ihres Geschlechts oder ihrer physischen oder sozialen Umstände auszuschliessen.

 

Es steht indes ebenso fest, dass in den Konstitutionen von Anderson (1723) unverrückbar als »landmark« festgelegt ist, dass Frauen keinen Zutritt zum Bund der Freimaurer haben. Zur Begründung dieser Regel, die von der Weltfreimaurerei strikt eingehalten wird, beruft man sich auf die Statuten der operativen Maurer, wie sie von der spekulativen Freimaurerei übernommen wurden. Tatsächlich bezog sich die alte Regel auf die physischen Voraussetzungen zur Ausübung des Berufs.

Es wäre kindisch, wenn man heute, in unserer Zeit, behaupten wollte, dass die Freimaurerei, die eine göttliche Wahrheit in sich birgt und die höchste Moral lehrt, ihr Licht nicht auch der Frau mitteilen kann. Dies nur, weil die Natur ihr nicht die genügende physische Kraft gegeben hat, um das Buch des Heiligen Gesetzes zu öffnen und Winkelmass und Zirkel zu handhaben?

 

Die historische Begründung ist im übrigen unrichtig: Im Mittelalter wurden Frauen in England und auf dem Kontinent zur Mitgliedschaft in Gilden und Zünften zugelassen. Man kann dies nachlesen im Livre des Mestiers von Paris (1268), den Statuten der Zimmermannsgilde von Norwich (1375) und in den Statuten der Loge von York (1693).

 

 

Die Adoptionslogen

 

Nachdem sich die Freimaurerei in Frankreich rasch ausgebreitet hatte, erregten diese rein männlichen Konventikel die Neugier nicht nur der Obrigkeit, sondern vor allem der Frauen. Sie gründeten zunächst Vereinigungen, die als Verspottung der Freimaurerei gedacht waren, wie den Orden der Glückseligkeit, die Ritter vom Anker oder der Rose. In ihnen wurde, mit oder ohne männliche Beteiligung, Geselligkeit in der Art der Zeit getrieben.

Auch in Deutschland entstanden solche »Orden«, wie der Argonauten-Orden in Braunschweig und der Mopsorden, der jedoch eine bewusst antifreimaurerische Tendenz hatte. Der Mops diente als Symbol der Treue (zur Religion, zum Fürsten und zu den Freunden).

 

In diesem 18. Jahrhundert hatten die Frauen jedoch auch einen nicht geringen geistigen Einfluss. So konnte es nicht ausbleiben, dass der Gedanke an eine weibliche Freimaurerei mit vier Graden etwa ab 1744 auftauchte. Solche Logen entstanden von 1760 an, und 1774 sah sich der Grossorient veranlasst, hier regelnd einzugreifen, ohne jedoch seine Statuten zu verletzen. Es wurden Adoptionslogen geschaffen, die an reguläre Logen angeschlossen waren, deren Beamte die Arbeiten leiteten und die Werke der Wohltätigkeit steuerten.

Der Grossmeister Herzog von Chartres liess seine Frau und seine Schwester aufnehmen, und diese, die Herzogin von Bourbon, wurde Grossmeisterin der Adoptionslogen. Ihre Nachfolgerin wurde die Prinzessin von Lamballe, deren tragisches Ende wir kennen. Es ist wohl möglich, dass die Königin Marie-Antoinette an diesen Veranstaltungen teilnahm, sie schrieb an ihre Schwester Marie Christine von Sachsen-Teschen:

»Alle Leute sind dabei und man weiss alles, was sie machen.«

Die von Cagliostro erfundene Ägyptische Maurerei war ganz eindeutig androgyn.

 

Diese Adoptionslogen wurden auch in Deutschland nachgeahmt, so gab es in Hamburg die Logen Le Bonheur Supreme und Concordia.

 

 

Die gemischte Freimaurerei

 

Die emanzipatorische Bewegung unserer Zeit unter den Frauen musste wohl auch ihre Rückwirkungen auf die Freimaurerei haben. Die Initialzündung ging am 14. Januar 1882 von der dissidenten Loge des Schottischen Ritus, Les Libres Penseurs in Le Pecq, und von einer damals berühmten Feministin, Marie Deraismes, aus. Diese hochkultivierte und äusserst energische Frau gründete zusammen mit Dr. Georges Martin, einem Arzt und begeisterten Republikaner, am 4. April 1893 eine gemischte Obödienz, Le Droit Humain - Grande Loge Symbolique Ecossaise.

Obwohl von den übrigen französischen Grossbehörden nicht anerkannt, waren ihre Anfänge recht erfolgreich, und schon 1901 bildete das Droit Humain eine internationale Organisation, die heute 40 nationale Verbände umfasst, darunter in Deutschland, Belgien, Dänemark, Finnland, Schweden, der Schweiz, den Niederlanden, Zentral- und Südamerika.

 

In Frankreich gibt es etwa 150 Logen mit 5000 Mitgliedern trotz einer Spaltung, die 1973 zur Gründung einer Universalen Gemischten Grossloge geführt hat, die sich auf die Tradition der Menschenrechte beruft.

 

In den Niederlanden gibt es eine eigene gemischte Obödienz, die Niederländische Grossloge der Gemischten Freimaurerei.

 

 

Die weibliche Freimaurerei

 

Neben der gemischten Freimaurerei des Droit Humain wurden von 1907 an Frauen in Adoptionslogen aufgenommen, die von der Grande Loge de France gebildet worden waren. Nach dem letzten Krieg sollten aus Gründen der Regularität diese Logen nicht wieder in Arbeit gesetzt werden.

Es entstanden nun rein weibliche Logen, die sich 1952 zur Grande Loge Fdminine de France zusammenschlossen und im Schottischen Ritus in 33 Graden arbeiten. Diese Grossloge hat rasche Fortschritte gemacht und zählt heute etwa 80 Logen mit 3500 Mitgliedern. Auch in der Schweiz gibt es einige Logen dieses Systems.

 

Die berühmte Theosophin Annie Besant, die in Paris dem Droit Humain beigetreten war, gründete 1902 die erste gemischte Loge in England, Human Duty Nr. 6, die später das Prinzip des Grossen Baumeisters Aller Welten und die Bibel in ihre Arbeiten aufnahm. So war die englische Co-Masonry entstanden.

Die erste Spaltung kam 1908 mit der Schaffung einer Gruppe, die sich The Honorable Fraternity of Antient Masonry nannte und sich fünfzig Jahre später in The Order of Women Freemasons umbenannte. Dessen Grossmeisterin, Mrs. Halsey, wollte eine weibliche Parallelorganisation zur Englischen Grossloge aufbauen, und es wurde die gemischte Formel abgeschafft, Männer wurden überhaupt nicht mehr zu den Arbeiten zugelassen. Anstelle des vom Droit Humain stammenden Schottischen Ritus wurde der englische Emulations-Ritus eingeführt. Es erfolgten jedoch weitere Spaltungen: 1913 entstand die Honorable Fraternity of Ancient Freemasons, und 1925 gründete Mrs. Bothwell-Gosse The Order of Ancient, Free and Accepted Masonry for Men and Women, also eine gemischte Obödienz, die wieder nach dem Schottischen Ritus mit 33 Graden arbeitete. Der Oberste Rat hat sowohl die blauen Grade unter sich wie auch die Mark- und Royal-Arch-Kapitel. Ausserdem hat er zwischen 1965 und 1970 den Obersten Rat der Grande Loge Féminine de France konstituiert.

So gibt es heute in England zwei gemischte und zwei weibliche Grossbehörden. Von diesen Gruppen werden auch die bei den Männern üblichen Ritterhochgrade bearbeitet.

 

 

Die gemischten oder weiblichen paramasonischen Organisationen

 

Die vorstehend beschriebenen gemischten oder weiblichen freimaurerischen Gruppierungen haben sich in den USA nicht verbreitet, dafür gibt es aber grosse und einflussreiche Organisationen, die den weiblichen Angehörigen der Freimaurer offenstehen: The Order of the Eastern Star, The Order of Amaranth, Order of the White Shrine of Jerusalem, Order of Rainbow, Order of Job's Daughters.

 

In Schweden gibt es den gemischten Orden Jus Humanorum, und in Deutschland wurde 1949 die weibliche maurerische Organisation Universeller Freimaurer-Orden »Humanitas« gegründet.

 

Mit dem Ziel der Zusammenfassung aller Zweige der gemischten Freimaurerei sowie ihrer Einzelmitglieder wurde unter dem Namen Catena eine internationale Union ins Leben gerufen. Sie wirkt vor allem in den Niederlanden und in England, dessen Co-Masonry sich ihr angeschlossen hat. Auch in Schweden, Deutschland und Österreich ist die Catena vertreten.

 

 

Das Problem der Initiation

 

Die Zulassung der Frau zur freimaurerischen Initiation ist eine Frage von entscheidender Bedeutung. Grundsätzlich scheint es heute keinen Grund mehr zu einer Ablehnung zu geben. Wir möchten sogar behaupten, dass das initiatorische Erlebnis mit seiner Betonung des inneren Weges, dem des Herzens und der Eingebung, ganz besonders an die Eigenschaften der weiblichen Psyche angepasst ist. In seiner Zauberflöte hat der Freimaurer Mozart dies auf eindrückliche Weise gezeigt.

 

Die Erfolge der gemischten oder weiblichen Obödienzen in Frankreich und in England sind durchaus ermutigend. Auf der anderen Seite stehen wir jedoch vor der Achtung der überlieferten Regeln, der »landmarks«. Sie sind unverrückbar feststehend, und es steht in niemandes Macht, sie zu ändern - es sei denn durch einen weltweiten Konsensus, dessen Herbeiführung in der heutigen freimaurerischen Welt kaum vorstellbar ist.

 

Wenn demnach die regulären Logen den Frauen verschlossen bleiben müssen, so ist es deren Aufgabe, die geeigneten Wege und Riten für den Zugang zu den überlieferten Erkenntnissen der Initiation zu suchen. Die Authentizität und die Regularität der initiatorischen Überlieferung liegt weniger in der Anlehnung an vorhandene Formen als in einer geistigen Ableitung der Grundgedanken. Der Grad des Rosenkreuzes ist in der Geschichte der initiatorischen Gemeinschaften das beste Beispiel für die gegebenen Möglichkeiten.

 

Die reguläre Freimaurerei darf an diesem Problem nicht vorbeigehen, denn es wird mit Sicherheit auch ihre Zukunft beeinflussen.

 


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