Home "Die Frau ist der geborene Freimaurer."

 

 

Aus:

J. N. J. Schmidt: Wurzeln der Freimaurerischen Gemeinschaft. Zürich: Origo 1961, 24-27, 103-109

 

 

 

Die Apologie [von Procope, 1737] ist zunächst deswegen von Bedeutung, weil hier zum ersten Mal in dichterischer Weise die Fernhaltung der Frauen von der Loge behandelt wird.

 

Nachstehend folge der französische Text nach der Ausgabe von Naudot. Ihm sei dann gleich ein deutscher Übersetzungsversuch angeschlossen.

 

Je veux avant que de finir

Nous disculper auprès des belles

Qui pensent devoir nous punir

Du réfus que nous faisons d’elles.

S’il Ieur est défendu d’entrer dans nos maisons

Cet ordre ne doit pas exciter leur colère.

Elles nous en loueront, j’espère,

Lorsqu’elles sauront nos raisons.

 

Beau sexe nous avons pour vous

Et du respect et de l’estime,

Mais aussi nous vous craignons tous

Et notre crainte est légitime.

Hélas! on nous apprend pour première leçon

Que ce fut de vos mains qu’Adam reçut la pomme

Et que sans vos attraits tout homme

Serait peut-être Franc-Maçon!

 

Das heißt ungefähr:

 

Ich will nun noch, bevor wir schließen,

Vergebung bei den Frau’n erbitten,

Die sinnen, weil wir ab sie wiesen,

Auf Strafe, daß wir sie erlitten.

Doch, daß wir unser Haus verriegeln

Vor Frau’n, darf ihren Zorn nicht wecken.

Sie würden, hoff ich, solche Ordnung siegeln,

Wenn sie Gewißheit um die Gründe hätten.

 

Wir achten und ehren das schöne Geschlecht,

Doch wir fürchten euch alle und zwar mit Recht.

Seht, wir erfahren als erste Lehre,

Daß Frauenhand Adam den Apfel bot,

Und daß ohne weiblicher Lockung Not

Wahrscheinlich jeder Mann Freimaurer wäre.

 

 

«Gewißheit um die Gründe»?

Wo sind sie zu finden? Noch heute, rund 250 Jahre später, haben wir keine anderen als die «Alten Pflichten». Sie sind in Andersons Konstitutionenbuch von 1723 niedergelegt und ordnen an, daß

«keine Leibeigene, keine Frauen, keine unmoralischen oder anstößigen Menschen, sondern Menschen von gutem Ruf», «als Mitglieder einer Loge zugelassen werden.»

 

Wer von uns aber ist heute frei im vollen Sinne des Wortes zur Zeit der Niederschrift der «Alten Pflichten»? So wenig der Mann heute im alten Sinne frei ist, so wenig kann heute noch jemand der Meinung sein, daß die Frau unserer Tage zur menschlichen Gesellschaft und zu den sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten in der gleichen Beziehung stehe wie vor 250 Jahren. Diese sehr weitgehende Wertveränderung fand ihren Niederschlag sogar in der Gesetzgebung. Die Wahrheit der Wirklichkeit von heute ist eine andere als die von damals.

Hinsichtlich des allgemeinen Fortschrittes ist die Spanne Zeit zwischen der Catos und den Jahren 1717-1738 kaum größer als die zwischen heute und jenen Jahren der Kodifizierung und Neuformung des Freimaurertums, der Bildung der heutigen Freimaurerei. Während selbst das öffentliche Recht, wie gesagt, diesem Fortschritt der Entwicklung, der neuen Wirklichkeit Rechnung trägt, beharrt die Freimaurerei praktisch auf längst überholtem Dogma gesellschaftlicher Anschauung.

 

Sie beharrt, obgleich doch ihre eigene Geschichte beweist, daß der Ursprung der Großloge von England, der Modems, wie sie ursprünglich genannt wurde, gerade in dem Bedürfnis der Modernisierung liegt; in der Anpassung an veränderte Zeitverhältnisse und Lebensumstände. Aus diesen geänderten gesellschaftlichen Verhältnissen leitete sie das Recht ab zur Änderung alter Einrichtungen …

 

Das Mißverhältnis der fortschrittlichen Wirklichkeit von heute zu den maurerischen Konstitutionen von 1717 (1723) und den von ihnen abgeleiteten ist erheblich krasser als zwischen den alten Verhältnissen und den Neuerungen von 1717, die ja doch auch mit dem Fortschritt begründet wurden. So glaubt die heute moderne Freimaurerei, die von den englischen Bindungen frei ist, das «unbestreitbare Recht» zu haben, die maurerische Gesetzgebung, wie ihre Vorgänger um 1717,

«den Bedürfnissen der Zeitgenossen anzupassen und Alles anzuwenden, um die verjüngte Gestaltung mit den uralten Gebräuchen in Einklang zu bringen.»

 

 

Wer die Geschichte der Freimaurerei apodiktisch in der kurzen Spanne Zeit von 1717 bis heute sieht, der wird Schwierigkeiten haben, wenn er den Bedürfnissen der Gegenwart genügen will. Das vorhandene Rüstzeug reicht nicht aus, und es ist zudem zu einem guten Teil verrostet und unbrauchbar. Es war ohnehin zu beengend geworden.

Die freimaurerische Tugend der Treue wird unter solchen Bedingungen Situationen schaffen, die der Wahrheit der Wirklichkeit nicht mehr entsprechen. So wird die Tugend der Treue gegenüber der Wirklichkeit zu etwas Negativem, woraus sich eine dogmatische Härte entwickelt, über die der Fortschritt hinweggeht. Er ist schon in ziemlichem Ausmaße darüber hinweggegangen.

… Es ist wider die Wirklichkeit, wider die erkannte Wahrheit, wenn in Konservierung, längst vergangener Perückenwirklichkeit, im Widerspruch zur Wirklichkeit unserer Tage und im Widerstreit gegen das öffentliche Gesetz, die Frau von der Arbeit an der Durchführung des großen Sittengesetzes als dessen unwürdig oder als dazu ungeeignet ferngehalten wird. Mütter tragen die Schicksale der Völker.

 

Indes, die Dinge liegen nicht so einfach, wie es hiernach scheinen kann. Es wäre nicht damit getan, daß die Freimaurerei in automatischer Anpassung an die heute wirklichen staatsbürgerlichen Gegebenheiten und die der gesellschaftlichen Ordnung, die Frau einfach in die Logen aufnähme in einer Art von geistloser Nivellierung. Das wäre allenfalls Gleichmacherei, nicht Verwirklichung der Gleichberechtigung im Sinne unserer heutigen Ordnung.

 

Der Ausdruck «Gleichberechtigung» ist an sich schon nicht sehr glücklich, weil er fast dazu zwingt, die natürliche Wahrheit zu mißachten. So ist er denn oft schon zum Schlagwort geworden, das keinen anderen Wirklichkeitsgehalt hat als das Streben nach dem eigenen Vorteil. Es bedarf überdies keiner wortreichen Begründung, daß im gleichen Augenblick, mit dem die Frau dem Manne vollkommen «gleichberechtigt» ist in diesem üblen, nivellierenden Sinne, der Mann seine Gleichberechtigung verliert. Das liegt in der Natur der Sache. Es wäre auch wider die Natur und ihre Gesetze, den natürlichen Unterschied, die Polarisation, die Entsprechung zwischen männlich und weiblich zu übersehen oder gar zu leugnen.

 

Dennoch wurden Frauen als Mitglieder von Logen aufgenommen, nicht erst nach der Londoner Gründung von 1717, sondern schon vorher. Die Kodifizierung der Fernhaltung der Frau geschah in den «Alten Pflichten», wie schon erwähnt. Die Redaktion des Textes ist recht unglücklich und eine Begründung fehlt ganz.

 

Die am 4. September 1929 von der Großloge von England aufgestellten «Basic Principles» erhalten dies Gesetz und erneuern es. Sie verzichten ebenfalls auf eine Begründung. Der englische Text lautet:

 

«4. That the membership of the Grand Lodge and individual Lodges shall be composed exclusively of men; and that each Grand Lodge shall have no Masonic intercourse of any kind with mixed Lodges or bodies which admit women to membership» (nach «Die Bruderschaft» 1960, p. 363).

 

Das heißt, daß die Mitgliedschaft in der Großloge und in den einzelnen Logen ausschließlich Männern vorbehalten ist; daß keine Großloge (!) maurerische Beziehungen irgendwelcher Art zu gemischten Logen oder Körperschaften haben soll, die Frauen als Mitglieder zulassen.

 

Unter «mixed Lodges», gemischte Logen - ein Ausdruck, der in der deutschen Sprache unpassend ist und leicht suspekt klingt — wären in Deutschland und anderen Ländern die Logen zu verstehen, die in maurerischer Beziehung stehen beispielsweise zum «Universalen Freimaurerorden Humanitas», an dessen Sitz am 2. Juli 1961 bei der Feier des Johannisfestes die Internationale Union Universaler Freimaurerlogen «Catena» gegründet worden ist. Unter «Universalen Logen» sind ausschließlich jene zu verstehen, die als «mixed Lodges» von der Großloge von England und den von dieser abhängigen nichtenglischen Großlogen abgelehnt werden.

 

Einiges ist nun hierbei sehr bemerkenswert. In diesem Verbot der freimaurerischen Beziehungen liegt immerhin die Qualifizierung der «mixed Lodges» als Logen; denn es wäre unangebracht das Wort Loge in anderem als freimaurerischem Sinne zu verstehen. Die Beziehungen sind auffälligerweise nur den Großlogen untersagt, nicht aber den «individual Lodges», den einzelnen Logen. Es wäre leichtfertig, anzunehmen, daß bei der Redigierung der «Basic Principles» nicht mit äußerster Vorsicht und Sorgfalt verfahren worden sei, wie sie die englische Nationaltugend der Beharrung auf Altbewährten, die sich Neuem nur zögernd öffnet, fordert. Tatsächlich wird von der gebotenen Möglichkeit in gewissem Umfange auch Gebrauch gemacht, wenngleich in der deutschen Freimaurerei weniger als anderswo.

 

Auf jeden Fall kann diese Formulierung dahin ausgelegt werden, daß freimaurerische Vorurteilslosigkeit, Toleranz und Bruderliebe, nicht zuletzt Ernst und Verantwortungsbewußtsein ihre Achtung der anderen Meinung gewähren, die davon ausgeht, daß hinsichtlich der Frau der Wahrheit der Wirklichkeit unserer modernen Zeit Rechnung getragen werden muß. Aber gerade unter diesem Aspekt sucht man nach den Gründen für diese Formulierung.

Schon bei oberflächlicher Befassung stellt sich die Frage, warum denn diese fesselnde Beschränkung den Großlogen auferlegt bleibt; warum statt einer festen Brücke hier nur ein kaum wahrnehmbarer Steg gebaut ist.

Großlogen, Orden und Logen sind nicht Vereine im üblichen Sinne. Ihre tief wurzelnden und weit gesteckten Ziele, ihre straff geordnete, disziplinierte Arbeitsweise, erprobt und bewährt durch lange Zeiten, läßt eine so einschneidende Neuerung durch einen einfachen Federstrich nicht zu. Sie muß sich allmählich entwickeln und reifen und es müssen Erfahrungen gesammelt werden. Es ist sehr weise, daß diese Aufgabe, das Sammeln von Erfahrungen, Aufgabe eines engeren Kreises bleibt. Die Masse der maskulinen Logen damit zu befassen, wäre nicht weise. Die Verwertung der Erfahrungen und ihre Nutzanwendung muß hoher Verantwortung überlassen bleiben.

 

Auf einer ganz anderen Linie als die Frage der Zulassung der Frau zur Freimaurerei liegt die Frage der Form. Sie ist hier nicht zu behandeln. Gerade das Wesenhafte der Freimaurerei begründet die Zulassung der Frau; und gerade das Wesenhafte der Frau begründet die Notwendigkeit einer angemessenen Form.

 

Der Freimaurer steht mit beiden Füßen auf der Erde und baut von daher die Verbindung nach den geistigen Bereichen in seiner Königlichen Kunst. Die Frau ist ihrem Wesen nach erdhaft. Von der Erde sagt Erwin Zippert (Die Große Befreiung, D, ORA, München 1954/60) in seinem Vortrage über die Kabbalah:

«Dieser Bereich bedeutet nach dem von der Kabbalah verwendeten hebräischen Wort das Königtum, die Herrschaft ... Dieses Reich ist ausgesprochen weiblich und darum ganz Erde, ganz irdisch, ist mater, matrix, d. h. die große, umfangende Mutter, die gebärende Mutter ... das Mütterliche entsendet nach der einen Seite die Kraft, nach der anderen Seite den Stoff, und Stoff und Kraft verbinden sich zum Gestalteten.»

 

So ist die Beziehung der Fran zur königlichen Kunst von diesem Königtume her naturgegeben, und es ist richtig, was bei einer schwesterlichen Zusammenkunft der Frauen von Freimaurern von einem bewährten Freimaurer gesagt wurde:

«Die Frau ist der geborene Freimaurer.»

 

Ob die oben versuchte Auslegung der «Formulierung» der Ziffer 4 der Basic Principles den Gedanken ihrer Urheber entspricht, das muß die Zukunft zeigen.

 


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