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Form, Geist und Wesen der Freimaurerei. Hamburg: Akazien-Verlag 1952, 12-14.

 

 

Die Darstellung des Wesens der Freimaurerei wäre aber unvollständig ohne den nachdrücklichen Hinweis auf eine bedeutsame Besonderheit: der Bund der Freimaurer ist ein reiner und streng abgeschlossener Männerbund.

 

Formal ist diese Beschränkung auf das männliche Geschlecht sehr eindeutig aus den eingangs erwähnten „Alten Pflichten" [1723] herzuleiten. Dort heisst es im letzten Absatz des dritten Hauptstückes „Von den Logen":

 

„Diejenigen, welche zur Mitgliedschaft einer Loge zugelassen werden, müssen gute, wahrhafte, freigeborene Männer von reifem und verständigem Alter, keine Leibeigenen, keine Frauenzimmer, keine unsittlichen oder anstössigen Menschen sondern von gutem Rufe sein."

 

Doch wäre es zu einfach, sich bei diesem Hinweis auf die Überlieferung zu beruhigen. Das Verhältnis zwischen Mann und Frau hat in den fast zweieinhalb Jahrhunderten seit der Kodifizierung des ältesten maurerischen Rechtes und Gesetzes im Zusammenleben der Geschlechter und der Verteilung der Aufgaben des täglichen Lebens unter sie doch zu sehr sich verändert und verschoben, als dass ein so simpler Einwand gegen die Gleichberechtigung der Frau wie der der unabänderlichen Überlieferung ausreichendes Gewicht aufbringen könnte.

 

Grössere Beachtung könnte dagegen schon der Einwand verlangen, dass die Zulassung von Frauen zur Freimaurerei in gemischter Form (also Männer und Frauen in einer Loge) dem Eindringen erotischer Momente den Weg ebnen würde, und dass durch die Entwicklung sexueller Bindungen die Gleichheit und das harmonische Zusammenarbeiten aller Brüder empfindlich gestört werden würden.

Einmal liesse sich dieser Gefahr durch die Schaffung von getrennten Logen für Frauen und für Männer begegnen, was aber bisher von allen Grosslogen praktisch abgelehnt ist. Die wenigen Ausnahmen (die zahlenmässig sehr unbedeutende gemischte Grossloge „Internationaler Freimaurer-Orden Le Droit Humain" und die immer wieder durch die Illustrierten Zeitungen geisternden Frauenlogen verschiedener Provenienz) werden allgemein nicht anerkannt und sind- auch ohne wesentliche praktische Bedeutung.

Andererseits wäre die Entwicklung homosexueller Verhältnisse in einem Männerbund - wegen der meist charakterlich-destruierenden Folgen - ungleich gefährlicher als heterosexuelle Bindungen in einem geschlechtlich gemischten Verband.

Erfreulicherweise kann aber festgestellt werden, dass der Freimaurerbund vom in solcher Weise Veranlagten weitgehend gemieden wird und praktisch in jeder menschlichen Vereinigung bei der Aufnahme neuer Glieder unvermeidbaren Irrtümer korrigieren konnte, bevor Schaden angerichtet wurde.

 

Wenn also sexuelle Gründe, als zu oberflächlich gesehen, abzulehnen sind, so können die tiefgreifenden Überlegungen in Richtung auf die grundlegende Wesensverschiedenheit zwischen Mann und Frau grössere Beachtung verlangen. In seinem klassischen Gespräch zwischen Linda und Faust setzt Fichte [Herder] diese gegensätzlichen Wesenheiten auseinander, wobei er beiden Geschlechtern ihre eigenartigen Besonderheiten als Zierde belässt und keine Wertung im allgemeinmenschlichen Sinne, vornimmt. Er stellt aber fest, dass die Wesenseinheit Mann-Geist dem Charakter und der Aufgabe der Freimaurerei gemässer ist als die Wesenseinheit Weib-Gemüt oder Weib-Stoff, und zieht daraus den Schluss, dass die der Frau eigenen, vom Manne besonders an ihr geschätzten und sie ihm besonders liebenswert machenden Eigenschaften besonders geeignet sind, in den Bestrebungen der Maurerei „alles zu verderben".

 

Die Gedanken Fichtes nehmen ahnungsvoll Dinge vorweg, die erst Erkenntnis und Wissensbesitz einer späteren Zeit geworden sind: Männerrecht und Frauenrecht, Matriarchat und Patriarchat, männliche und weibliche Bünde. Es ist früher in diesen Zeilen ausgesprochen worden, dass uns das Wissen um den historischen Zusammenhang der Freimaurerei mit antiken Mysterienbünden fehlt. Hier muss jetzt gesagt werden, dass ein gleiches für den historischen Zusammenhang mit Männerbünden matriarchaler oder auch patriarchaler Kulturstufe noch viel deutlicher ausgesprochen werden muss. Und trotzdem sind der charakterisierenden Eigenheiten der Freimaurerei so viele in ein und derselben Richtung weisende, dass von reinem Zufall wohl nicht mehr gesprochen werden kann.

 

Wo nach Geschlechtern getrennt für kultische oder bündische Zwecke (was in ältesten Zeiten immer ineinander übergeht) Gemeinschaftsbauten geschaffen werden, da werden von Frauen oder unter Frauenherrschaft Rundbauten, von Männern oder unter Männerherrschaft aber Langbauten, meist Langhäuser errichtet; der Freimaurertempel aber ist nach ältester Vorschrift ein „längliches Viereck" und auf der ganzen bewohnten Erde wird, man kaum eine andere Form finden.

Wo aber ganz besondere Verhältnisse einen solchen Raum nicht erlauben, da wird der „Tapis" (eine bildliche allegorische Darstellung der Loge) immer in Rechteck-Form auf dem Boden ausgebreitet.

Und umgekehrt: einmal hat es eine kurzlebige, weibliche Nachahmung der Freimaurerei gegeben, den, Mopsorden; die wenigen erhaltenen bildlichen Darstellungen zeigen seine Versammlungen in einem runden Raum und seinen „Tapis" als in einen Kreis eingezeichnetes Quadrat!

Weiter: Bachofen selbst hat als Charakteristika von Vaterrecht und Männerschaft und damit der Männerbünde acht Merkmale angegeben:

rechts,

blau,

gelb,

ungerade Zahlen,

Tag,

Sonne,

Sühnbarkeit des Muttermordes und

Erstgeburtsrecht.

Die sechs ersten sind integrierende Bestandteile freimaurerischen Brauchtums und freimaurerischer Symbolik: der rechte Winkel ist eines der drei „Grossen Lichter" der Freimaurerei, er spielt eine bedeutende Rolle in den nach altem Herkommen geheimzuhaltenden Dingen; blau und gelb bzw. gold sind die „klassischen" Farben der Freimaurerei, nur ganz selten kommt eine andere Farbe in der maurerischen Bekleidung oder. Symbolik vor; nur ungerade Zahlen kommen im maurerischen Brauchtum vor, mit besonderer Bedeutung wird die Zahl drei und der Begriff drei mal drei immer wieder benutzt, drei hammer-. führende Beamte und im ganzen sieben Meister sind erforderlich, um eine . Loge zu eröffnen; obwohl der Logenraum - sinnbildlich immer und meist auch tatsächlich - kein natürliches Licht erhält, muss doch die Eröffnung der Loge (= Beginn der feierlichen Handlung) symbolisch bei vollem Tage (am Hochmittag) erfolgen; und letztlich spielt in der oben bereits als wesentlich bezeichneten Lichtsymbolik die Sonne die entscheidende Rolle.

 

Es hat nicht an Absichten und Versuchen gefehlt, die überlieferten Formen und Gewohnheiten der Freimaurerei dem, Wandel der Zeiten, ihrer Auffassungen und der Stellung der Frau in der menschlichen Gesellschaft anzupassen. Diese Versuche entsprangen keineswegs immer oder nur den Wünschen des weiblichen Geschlechts oder Aussenstehender, vielmehr kamen sie überwiegend aus dem eigenen Kreis der Männer. Das organisch im Laufe unbekannter Zeit aus wohl nur unbewusst erfühlten Quellen Gewachsene hat den verstandesmässig erklügelten Abänderungen praktisch immer und überall unüberwindlichen Widerstand geleistet. So ist die Freimaurerei ein Männerbund geblieben und wird es wohl auch auf vorerst unabsehbare Zeit bleiben.

 


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