Home „Denn ob wir das schöne Geschlecht gleich hochschätzen,

                      so lassen wir es doch bey uns nicht zu ..." (Baurnjöpel [1792])

 

Susanne Winkler

In Günter Düriegl, Susanne Winkler (Hrsg.): Freimaurer: Solange die Welt besteht. 165. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, 18. September 1992 bis 10. Jänner 1993, 327-329.

 

 

„Diejenigen, welche zur Mitgliedschaft einer Loge zugelassen werden, müssen gute, wahrhafte, freigeborene Männer von reifem und verständigem Alter, keine Leibeigenen, keine Frauenzimmer, keine unsittlichen oder anstössigen Menschen, sondern von gutem Rufe sein",

heisst es im dritten Hauptstück der von James Anderson verfassten allgemeinen Grundgesetze der Freimaurer aus dem Jahre 1723. Es mutet ohne Zweifel sehr seltsam an, welcher Stellenwert dem Weiblichen in dieser Auflistung zukommt. Fast unglaublich scheint es jedoch, dass in Lennhoff und Posners' 1932 erschienenem Lexikon zwar von Uneinigkeit innerhalb der Freimaurerei, den verpflichtenden Wert dieser „Alten Pflichten" betreffend, die Rede ist, jedoch ausschliesslich, was den Umgang mit Religion und Politik betrifft.

Eine „neue" Einschätzung der Frau scheint, um zeitgemäss zu sein, damals noch nicht vonnöten. Zwischen der Kategorie der Leibeigenschaft und der Unsittlichkeit wird weiterhin kommentarlos der Frau ihr Platz zugewiesen. Davon ausgehend, stimmt der ebenfalls im 18. Jahrhundert erschienene Kommentar im Baurnjöpel fast wieder versöhnlich. Dieser begründet den Ausschluss der Frauen, der bei der Aufnahme durch die Entblössung der linken Schulter des Aufzunehmenden sichergestellt wurde, so:

„Denn ob wir das schöne Geschlecht gleich hochschätzen, so lassen wir es doch bey uns nicht zu, damit dessen Reitze unsere BBr. an der Arbeit und Beobachtung der Ordnung nicht hindern mögen" (S. 144).

Bei dieser Einschätzung drängt sich wohl am vordergründigsten jener Eindruck auf, dass die Brüder sich sehr schnell von ihrem Ziel ablenken lassen bzw. nicht wirklich vom möglichen Erfolg überzeugt sind.

 

Ohne weiter auf die Art und Weise des Ausdrucks einzugehen, die blosse Tatsache des Ausschlusses der Frauen hat bereits im 18. Jahrhundert Unverständnis hervorgerufen. Was die Reaktionen der Frauen selbst betrifft, gibt es leider nur Legenden. Diese lassen auf ein grosses Interesse der Frau nicht unbedingt an der Idee, sondern am „geheimen Tun" in den Logen schliessen. Die Frauen sollen sich einiges einfallen haben lassen, um ihre Neugierde zu stillen.

 

Zu einer ernsthaften Diskussion über eine Zulassung von Frauen ist es aber deswegen nicht gekommen. Im Gegenteil. Denn sehr eindeutig scheint mir jene Einschätzung zu sein, die Johann Gottfried von Herder in seinen Freimaurergesprächen eine Frau haben lässt:

„... Mit unserer mehreren Elastizität und Seelenfreiheit sind wir geborene Freimaurerinnen am reinen Bau und Fortbau der Menschheit."

Als Denkanstoss für die Brüder ist dieser Schritt schwerlich zu interpretieren, die Absicht liegt wohl eher darin, den Frauen auf „charmante" Weise ihren Platz ausserhalb der Logen zuzuweisen.

 

Die Freimaurerei, durch Brauchtum und gemeinsame Zielsetzung ideell auf der ganzen Welt verbunden, argumentiert bis heute damit, dass in der Zulassung von Frauen ein Verkennen der wahren Absichten dieses Bundes als eines Mysterienmännerbundes zu sehen sei. Es wird als sinnlos empfunden, Frauen zu einer Symbolik zu verpflichten, deren „Werkbestandteile" - Frauen sind in den Zünften der Steinmetze nie zugelassen worden - ihnen geschlechtsfremd sei. Man würde die Frauen in Verbände aufnehmen, deren Wesenszüge durch eine Mitgliedschaft der Frau geändert werden müssten.

 

Diese Ausdrücklichkeit des Verbotes von Frauen stellt bei Anderson, der den Grundsätzen der alten Werkmaurer noch in allen Bereichen streng folgt, eine Übernahme historischer Fakten dar. In einer Freimaurerei jedoch, in der nicht mehr im operativen Sinn gebaut wird - der Salomonische Tempel steht nun symbolisch für die Arbeit an sich selbst und am Bau der vollkommenen Gesellschaft -, scheinen auch die Grundsätze in bezug auf das Weibliche einen neuen Inhalt erfahren zu müssen. Das Ziel einer „funktionierenden" Gesellschaft bleibt - im Gegensatz zum vollkommenen Bauwerk - ohne Mitwirkung der Frau doch wohl ein illusionäres!

Lennhoff/ Posner sehen das zweifellos anders, wenn sie erklärend anmerken, es handle sich beim Ausschluss der Frauen nicht darum, sie von der Betätigung ihres humanitären Wollens abzuhalten: daraus lässt sich die Einstellung schliessen, dass den Frauen zwar die Möglichkeit der Mithilfe im sozialen Bereich zugesprochen wird, jedoch nicht die Fähigkeit, durch gezielte Arbeit an sich selbst das grosse Bauwerk der vollkommenen Gesellschaft entscheidend zu beeinflussen.

 

Bewiesen ist jedenfalls, dass im 18. Jahrhundert auf dem europäischen Kontinent Bünde mit zumindest freimaurerischem Charakter entstanden, die Frauen aufnahmen und auch starken Zulauf fanden.

 

In Frankreich waren dies der Orden der Ritter und Nymphen von der Rose, die Gesellschaft der Genossen der Penelope, der Orden der Glückseligkeit, der Holzhauerorden, der Ankerorden und viele andere mehr. Die Versammlungsorte dieser ebenfalls sehr geheimnisvollen Gesellschaften, die Männer und Frauen aufnahmen, hiessen bezeichnenderweise oder auch nicht Haine, Lustwäldchen oder Liebestempel. Das Pendant zum freimaurerischen Titel des Bruders war „Cousine" oder „Freundin".

 

In Deutschland fand diese Tradition - Lennhoff/ Posner nennen sie eine „Ausartung" - in Gestalt des Mopsordens Verbreitung. Bekannt geworden ist dieser gemischte Orden, der ab dem Jahre 1740 an deutschen Höfen und Universitäten Verbreitung gefunden haben soll, durch eine im Jahre 1745 in Amsterdam erschienene Verräterschrift, in der - die Wortwahl von Lennhoff/ Posner scheint nicht unangebracht - von einem „reichlich läppischen" Ritual die Rede ist. Die darin abgedruckte Illustration stellt eine Aufnahme in den Mopsorden dar. Die Aufzunehmende hat einen Mops, das Sinnbild für die Treue im Orden, auf das Hinterteil zu küssen. Der Orden selbst ging bald spurlos ein, übriggeblieben sind nur einige Porzellanfiguren, deren Zentrum der Mops darstellt.

Verwunderlich dabei scheint mir, dass von diesen vielen Geheimgesellschaften zu dieser Zeit, die doch zum grössten Teil Männerdomänen waren, ausgerechnet das Ritual eines Frauenordens bis ins Detail bekannt und auch verschmäht wurde. Man weiss zwar auch einiges über Rituale von Männergesellschaften, doch sind diese Informationen von den Mitgliedern selbst an die Öffentlichkeit getragen worden. Dadurch wurde wohl einiges an praktizierter „Ausartung" gezielt der Öffentlichkeit vorenthalten.

 

In jener Vielfalt von Geheimgesellschaften, die sich im 18. Jahrhundert gründeten, befand sich auch ein System, das - dem Ritual der Freimaurer sehr ähnlich - Männer und Frauen aufnahm. Diese Logen nannten sich vorerst meist Freimaurerlogen, eingebürgert hat sich jedoch der Begriff der Adoptionslogen. „Adoption" bedeutet, dass jedes Logenamt doppelt besetzt ist; neben der eine Funktion ausübenden „Schwester" wirkt betreuend ein Bruder der patronisierenden Loge. Dem Lehrling, Gesellen und Meister entsprechend, gibt es in den Adoptionslogen die Apprentie, Compagnonne und die Maîtresse. Jeder dieser Grade enthält unterschiedliche Symbole, die das jeweilige Entwicklungsstadium der Schwestern markieren. Jeder Gradeinweihung geht ein Fragestück voran. Die Bekleidung bilden ein weisser, blau eingefasster Schurz, weisse Handschuhe und eine blaue Schärpe. Das Bijou stellt ein flammendes, einen Apfel umfassendes Herz mit der Devise: „Schweigen und Tugend" dar. Im Mittelpunkt jeder ritualistischen Handlung steht die symbolische Ersteigung der Leiter, deren höchste Sprosse die sittliche Tugend verkörpert. Im 18. Jahrhundert wurden in der Adoptionsmaurerei auch höhere Grade bearbeitet.

 

Über das Wirken der Schwestern lässt sich nicht viel sagen. Lennhoff/ Posner bewerten diese Logengründungen sehr deutlich als einen „galanten Ausweg". Fest steht, dass sich in diesen Logen der reiche Bürger und die feine Dame trafen. Es wurde viel gefeiert und „Tout le monde en est", meinte MariaAntoinette 1781.

 

Während der Französischen Revolution hörte die Adoptionsmaurerei zu existieren auf. Ausserhalb von Frankreich hatte sie nie wirklich Fuss fassen können, im Mutterland England hat es sie nie gegeben. Zur Zeit des ersten Kaiserreiches lebten die Adoptionslogen erneut auf, die grosse Blüte jedoch war vorbei.

 

Das endgültige Ende der Adoptionsmaurerei wurde durch eine Erklärung der Loge „Libres Penseurs" in Le Pecq im Jahre 1880 eingeleitet. Diese erklärte in revolutionärer Weise die Mitarbeit der Frau in der Freimaurerei für unentbehrlich und verlangte von ihrer Grossloge die Zustimmung zur gleichberechtigten Aufnahme von Frauen. Die Loge beharrte trotz der zu erwartenden Ablehnung auf ihrem Standpunkt. Bereits am 4. Jänner 1882 erteilte sie Marie Deraisme, einer Vorkämpferin für die Emanzipation der Frau, das Licht, das heisst, sie war Lehrling geworden. Diese Loge stellte zwar kurz darauf ihre Arbeit ein, aber in der Zwischenzeit hatten sich weitere Logen mit dieser Zielsetzung gefunden. Bereits am 14. März 1893 gründete Marie Deraisme gemeinsam mit Dr. Martin den „Ordre Maçonnique Mixte Internationale Le Droit Humain", indem sie 13 Frauen zu Freimaurerinnen weihte. Frauen und Männer sollten in diesem Bund - im Gegensatz zur Adoptionsmaurerei - völlig gleichberechtigt am freimaurerischen Werk arbeiten können.

 

Kurz nachdem Marie Deraisme 1894 die Grosslogengründung durchgesetzt hatte, starb sie. Ihr Platz wurde von Marie Martin übernommen. 1896 gab sich die Grossloge eine Konstitution als symbolische Körperschaft. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hatte sich die Adoptionsmaurerei in gewisser Weise erübrigt, dennoch erfolgten um 1900 erneut Logengründungen.

 

Bis 1910 entstanden in Frankreich insgesamt sechs Logen des Droits Humain. Bereits 1930 war er mit über 600 Logen in 18 Ländern verbreitet.

 

In der internationalen Freimaurerei hat dieser Orden zwar wiederholt Anlass zu Erörterungen gegeben, jedoch seit die Grossloge von England 1929 erklärte, mit keiner Obödienz in Beziehung stehen zu können, die die gemischte Freimaurerei anerkenne, erübrigen sich ernsthafte Auseinandersetzungen über dieses Thema bei all jenen, die weiterhin von der Mutterloge als regulär anerkannt bleiben wollen. Ob dieser achselzuckende Verweis auf die Mutterloge nun wirklich Ausdruck für die oben erwähnte Handlungsunfähigkeit ist oder nur willkommener Vorwand, nicht selbst stichhaltig argumentieren zu müssen, bleibt offen.

 

Schon 1920 stand der Grand Orient allein, als er seinen Mitgliedern nach heftigem Widerstand den Zutritt in die Logen des Droit Humain gestattete. Aber auch er widerrief seine Meinung bereits nach 10 Jahren. Um die Beziehung zu London kann es dem Grand Orient wohl nicht gegangen sein, als irregulär galt er bereits vor 1920.

 

Auch die Grande Loge de France hat ihren Mitgliedern die Teilnahme an freimaurerischen Zusammenkünften dieser Art untersagt.

 

Heute besteht dieses Verbot zwar offiziell weiter, die Entscheidung wird jedoch den einzelnen Brüdern überlassen.

 

Die Logen des Droit Humain zählen heute immer noch zur gemischten Freimaurerei, obwohl Männer dort bei freimaurerischen Arbeiten kaum anzutreffen sind. Man bleibt lieber unter sich. Gilt dies seit jeher für die Männer, so nun auch für die Frauen.

Es ist wohl eine verständliche Reaktion, dass die Schwestern, mit denen die Brüder nicht arbeiten wollen, nun argumentieren, allein ernsthaftere Maurerei betreiben zu können. Die entscheidende Frage, die sich dem Profanen stellt, ob das maurerische Ziel denn nicht nur gemeinsam - im umfassendsten Sinne der Gleichheit - zu erreichen sei, scheint innerhalb der Maurerei weder Schwester noch Bruder zu beschäftigen.

 


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