Home In Kürze: Die "Pflichten" eines Freimaurers von 1723

 

Aus:

Joseph Gabriel Findel: Die Grundsätze der Freimaurerei im Völkerleben. Leipzig: Findel 1881; 138-141; 2. Aufl. 1882, 128-130.

 

Auffällig ist, dass Findel die erste Version der „Pflichten“ von 1723 vorstellt, obwohl seit 1815 (und bis heute) neue Formulierungen in Kraft sind.

 

 

Nachdem die erste Grossloge gegründet war, regte sich bald der Wunsch nach einer Verfassung. Der gelehrte Theologe J. Anderson wurde beauftragt, eine solche auf Grund der alten Urkunden zu entwerfen oder, wie der Auftrag lautete, die alten gothischen Konstitutionen in eine neue und bessere Methode zu bringen.

 

Am 17. Januar 1723 wurde sein Werk den Vertretern von 20 Logen unterbreitet und, nachdem diese es gebilligt, unter dem Titel „Die Konstitutionen der Freimaurer“ dem Druck übergeben.

 

Die in demselben enthaltenen alten Grundgesetze oder Pflichten, die Grundlage der heutigen Freimaurerei, verpflichten die Maurer allein zu der Religion, in der alle Menschen übereinstimmen, d. i. zu dem Kern aller Religionen, zum Sittengesetz, indem sie zugleich die besonderen Meinungen und differirenden Anschauungen jedes Einzelnen unangetastet lassen.

Die Freimaurer sollen darnach nur gute und treue Männer sein oder Männer von Ehre und Rechtschaffenheit, durch was immer für Benennungen oder Ueberzeugungen sie sonst auch unterschieden sein mögen. So soll die Maurerei der Mittel- und Sammelpunkt freier Männer von gutem Rufe sein und das Mittel, treue Freundschaft unter solchen zu stiften, welche ausserdem in beständiger Entfernung geblieben wären.

 

Die Bundesglieder sollen brüderliche Liebe üben, den Grund- und Schlussstein dieser alten Brüderschaft und allen Hader und Zwietracht vermeiden, noch Anderen gestatten, irgend einen würdigen Bruder zu verleumden, sondern dessen Charakter vertheidigen und ihm alle guten Dienste erzeigen, soweit es mit ihrer Ehre und Wohlfahrt bestehen kann.

 

Weiter bestimmen diese Alten Pflichten u. A.:

 

„Sollte ein Bruder ein Empörer gegen den Staat sein, so ist er in seiner Empörung nicht zu bestärken, obwohl man ihn als einen unglücklichen Mann bemitleiden und sein Vergehen missbilligen mag. Wenn er keines anderen Verbrechens überwiesen ist, so kann er dennoch nicht aus der Loge gestossen werden und sein Verhältniss zu derselben bleibt unverbrüchlich.“

 

„Aller Vorzug unter den Maurern gründet sich einzig auf wahren Werth und selbsteigenes Verdienst.“

 

„Niemand soll über die Wohlfahrt eines Bruders sich neidisch zeigen, noch ihn verdrängen.“

 

„Beschwerden sollen an die Loge gebracht werden, welche der eigentliche und rechtmässige Richter aller Streitigkeiten ist. Vor Gericht soll in Sachen, welche die Freimaurerei betreffen, Niemand gehen.“

 

„Die Mitglieder sollen nichts thun oder sagen, was beleidigen oder einen freien, ungezwungenen Umgang hindern könnte. Kein Privathass oder Streitigkeiten sollen zur Thür der Loge hereingebracht werden, viel weniger Streitigkeiten über Religion oder Völker oder Staats Verfassung, da die Maurer blos von der oben er wähnten allgemeinen Religion sind.“

 

„Alle Maurer stehen als Brüder miteinander au gleicher Linie.“

 

„Ihr sollt handeln, wie es einem sittlichen und weisen Manne geziemt.“

 

„Niemals sollt ihr einen Rechtsprozess erheben ausser wenn der Fall nicht anders entschieden werden kann. Geschieht dies, dann soll er ohne Groll und Erbitterung geführt und nichts gesagt und gethan werden, was brüderliche Liebe und die Erneuerung guter Dienste verhindern könnte.“

 

Das ist ein einfacher, schlichter Kodes hochsittlicher und sozialer Vorschriften, der für sich selbst spricht, aber auch sich kennzeichnet als Niederschlag der Erfahrungen, die in den vergangenen religiösen Streitigkeiten und in den bürgerlichen Wirren und Revolutionen gewonnen waren.

 


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