Home Ludwig Keller (1903-1912): Die Wurzeln der Freimaurerei

 

 

siehe auch

www.internetloge.de

unter : „Bruder Ludwig Keller“

 

Brigitte Squarr: Die Fruchtbringende Gesellschaft

http://www.lahrer-hinkender-bote.de/art64.html

 

 

Der Berliner Archivar und Freimaurer Ludwig Keller (1849-1915) hat seit 1895 in Dutzenden von Aufsätzen und Broschüren den Wurzeln der Freimaurerei nachgeforscht. Dabei hat er erstaunliches Material, vor allem Symbole und Embleme, zu Tage gefördert. Allerdings hat er es Wissenschaftern wie interessierten Laien mit seinen unzähligen Schriften und stets wechselnder Wortwahl sehr schwer gemacht, zu einer klaren Erkenntnis seiner Thesen zu kommen.

 

So kommen etwa die beiden Autoren  Eugen Lennhoff und Oskar Posner in ihrem ausgezeichneten „Internationalen Freimaurer-Lexikon“ von 1932 an verschiedenen Stellen  zu ganz unterschiedlichen Formulierungen, was die Zusammenhänge der Freimaurerei mit den Sozietäten und Akademien von Renaissance und Barock betrifft: Geht es nun um:

  • „Ähnlichkeiten des Wollens“,
  • „einen Stammbaum der Freimaurerei“, oder gar
  • „eine direkte Ableitung““?

 

 

„Ähnlichkeiten des geistigen Wollens“ seit 2000 Jahren

 

Lennhoff/ Posner beschreiben die Motivation Kellers in folgenden Worten:

„Ähnlichkeiten des geistigen Wollens der bereits entwickelten spekulativen Freimaurerei mit Gesellschaften des frühen Christentums, Kultverbänden und Akademien der Renaissance, den Sprachgesellschaften des deutschen Barocks u. a. veranlaßten Ludwig Keller, hier innere Verwandtschaften abzuleiten. Danach wäre die Freimaurerei eine in das Werkkleid des Steinmetzen gehüllte ethisch-philosophische Gesellschaft von Anbeginn an gewesen, die in den letzten Jahren vor ihrer Großlogengründung besonders vom humanistischen Geiste des Comenius befruchtet wurde.

Keller leugnet nicht den Zusammenhang mit den Steinmetzenbruderschaften, meint aber, daß auch diese ein besonderes kultisches Geheimnis zu verwalten gehabt hätten, wie die Akademien usw. eben auch“ (1932, Sp. 599).

 

 

Gesellschaften und Akademien als „Wurzeln der Freimaurerei“?

 

Bestehen  nun bloss „Verwandtschaften“ zwischen der Freimaurerei und diesen früheren Geheimgesellschaften oder ist eine „direkte Ableitung“ möglich?

 

Lennhoff/ Posner behaupten unter dem Stichwort „Sprachgesellschaften“, Keller sei es um einen Stammbaum gegangen:

 

„Ludwig Keller hat sich um den Nachweis bemüht, daß diese Sprachgesellschaften Vorläufer der Freimaurerlogen gewesen sind, um so mehr, als diesen Gesellschaften Symbole eigen waren, die teilweise mit denen der Freimaurer übereinstimmen. Seinen zahlreichen Beweisen hierfür konnten sich jedoch andere Historiker um so weniger anschließen, als den ersten Freimaurerlogen, wie sie in England entstanden, jene tiefgeistigen Voraussetzungen, die in den Sprachgesellschaften trotz allem barocken Schwulst vorhanden sind, entschieden abgehen.

Keller hat hier wie auch in anderen Fragen zu sehr an einen Stammbaum der Freimaurerei gedacht, während der Historiker nur Ähnlichkeiten ohne innere Verbindung nachweisen kann“ (1932, Sp. 1494).

 

Im biographischen Beitrag über Ludwig Keller sprechen Lennhoff/ Posner sogar von „direkter Ableitung“:

 

 „Die Schlussfolgerungen, die Keller aus seinem ungeheuren Material zog, wurden allerdings lebhaft bestritten. Insbesondere war es Wilhelm Begemann, mit dem er wiederholt - auch in scharfer Weise - im wissenschaftlichen Streit über die Wurzeln der Freimaurerei, die er in die Tiefen des Mittelalters, bezw. der Renaissance versenken wollte, aneinandergeriet.

… Historisch mögen seine Ableitungen in vielen Punkten anfechtbar sein, die Zusammenhänge zwischen Freimaurerei und den von Keller bearbeiteten Akademien usw. sind sicherlich nicht in direkter Ableitung zu suchen. Seine Arbeiten bleiben aber trotzdem von besonderem Wert, weil sie für bedeutsame gedankliche Verbindungen anderer Art die unverrückbare Grundlage beinhalten.

Wolfstieg ist im Recht, wenn er behauptet, niemand habe den Inhalt des von ihm aus der Geschichte des Neuhumanismus heraus begriffenen Humanitätsgedanken so fest und klar erfaßt wie Keller“ (1932, Sp. 829-830):

 

Was Keller selber dazu meinte, werden wir weiter unten erfahren. Vorerst: Worum geht es eigentlich?

 

 

Im Italien der Renaissance: Sozietäten und Bruderschaften

 

Ludwig Keller behauptet („Die Anfänge der Renaissance und die Kultgesellschaften der Humanisten im 13. und 14. Jahrhundert“, Berlin 1903), bereits das Konzil, welches zur Zeit von Papst Innozenz IV. im Jahre 1248 abgehalten wurde, habe die „Sozietäten und Confratrien“ („Brüderschaften“) verboten und zur Auflösung gezwungen.

Als das Urteil 1327 erneuert wurde, erfolgte der Hinweis, dass bei einigen Versammlungen „ alle Mitglieder in gleicher Bekleidung“ zusammenkämen, „unter Anwendung gewisser Zeichen und symbolischer Figuren und Bilder“. Dabei handelte es sich um Angehörige aller Stände und Gesellschaftsklassen. Es waren also keine Berufsvereine.

 

Die „Humiliaten“ sind offenbar schon im Florenz des 12. Jahrhunderts aktiv gewesen. [Es handelt sich um eine religiöse Arbeiter- und Armutsbewegung, parallel zu den Albigensern, Waldensern, Katharern.]

Seit 1350 gibt es auch

  • die „Compagnia de Disciplinati“,
  • die “Compagnia della Cazzuola“ [erst ab 1512] und
  • die „Compagnia di S. Luca”, ferner eine
  • „Academia di San Spirito“ (der auch Coluccio Salutati angehörte).

 

Seit 1200 wurden die sog. „Averroisten“ von der Kirche bekämpft (siehe auch Thomas von Aquin: „Wider die Averroisten“ 1270). Es könnte „eine Art Geheimbund“ gewesen sein.

 

 

Mitglieder geheimer Gesellschaften:

Albrecht Dürer, Giordano Bruno, Valentin Andreae, Jan Amos Comenius, John Milton, Robert Boyle, etc.

 

In der Schrift „Bibel, Winkelmass und Zirkel“ (1910) behauptet Keller, dass Conrad Celtes (39f, 47ff), Albrecht Dürer (44, 52) und Cornelius Agrippa (52ff), Trithemius (51), Leonhardt Thurneysser (17ff), Dirick Volkertson Coornhert (14ff), Giordano Bruno (41), Valentin Andreae (23f), Jean Baptist von Helmont (25f), Philipp Harsdörffer (22), Prinz Ruprecht von der Pfalz (13, 42), Johann Rist (24) und Jan Amos Comenius (26ff, 42f, 48) geheimen Gesellschaften (Sodalitates) angehört hätten.

Dazu kommen der Dichter John Milton, der Chemiker Robert Boyle und der Verleger Samuel Hartlieb (30) sowie die Alchemisten Gustavus Selenus (57f) und Basilius Valentinus (58ff) wie auch der Buchdrucker Petrus Lucius (57) und der Nürnberger Singer Wilhelm Weber (56), ja sogar Galilei und Richard Steele.

 

In der mit interessanten Abbildungen von Symbolen und Emblemen reich illustrierten Schrift „Die Sozietäten des Humanismus und die Sprachgesellschaften“ nennt Keller (1909, 58) neben Giordano Bruno, Milton, Valentin Andreae und Comenius  zusätzlich Campanella, Hugo Grotius, Leibniz, Spanheim, Pufendorf und Martin Opitz.

In der kleineren Schrift „Die Grossloge Indissolubilis“ (1908, 2) treten neben Giordano Bruno, Milton, Coornhert, Comenius, R. Boyle, J. B. van Helmont, Campanella, Hugo Grotius und Leibniz neu auf: Baco, Locke.

 

Lennhoff/ Posner erwähnen aus der Zeit um 1500 nur Johannes Reuchlin (1932, Sp. 1305-1307, 1400). Er hat für seine kabbalistische Schrift „De verbo mirifico“ (1494) die Form einer Einführung in eine geheime Gesellschaft gewählt.

 

 

Nach 1500: Sprachgesellschaften mit Tempeln und Altären, Lehrsystemen und -zeichen

 

In der gerade genannten Untersuchung „Die Sozietäten… „ bringt Keller weitere Spekulationen.

Er behauptet, „dass die sogenannten Sprachgesellschaften des 17. Jahrhunderts … unter dem Schleier des Geheimnisses ebenfalls in den Formen der damaligen ’Ordens-Systeme’ gearbeitet haben“ (1909, 1, 58f).

„Das Wesen dieser ‚Orden’ wird dadurch gekennzeichnet, dass sie Tempel und Altäre besassen, und dass unter ihnen ein festes System von Lehren und Lehrzeichen überliefert war, das den Eingeweihten die Anschauungswelt der Humanitätslehre vermittelte, dass sie mithin stille Kultverbände waren“ (1; fast wörtlich auch in „Akademien, Logen und Kammern des 17. und 18. Jahrhunderts“, 1912, 6).

 

Keller spricht auch von Hauptlogen. Es handelte sich unter dem Titel (Deckmantel) von „Gesellschaften“ (Sozietäten) um Vereinigungen, von denen ein Teil der Mitglieder in „Brüderschaften“ organisiert waren. Dafür soll der Name „Loge“ gebraucht worden sein.

 

Warum erfolgte die Arbeit  unter dem „Schleier des Geheimnisses“? Keller fasst zusammen:

„Der eigentliche Grund des grimmigen Hasses, mit dem die in den Kirchen herrschenden Mächte und diejenigen Staaten, die von jenen beherrscht wurden, diese ‚Akademien’ verfolgten, lag eben in der Überzeugung, dass man in diesen Verbänden eine Vergesellschaftung von kultischem Charakter vor sich habe. Und ebenso lag das eifrige Bemühen der Akademien, sich als ‚Sprachgesellschaften’ zu geben, in der Notwendigkeit, ihre Formen, ihre Ordnungen und Gesetze vor den Augen dieser gefährlichen Gegner zu verhüllen“ (60; vgl. 18; ähnlich auch im Vorwort sowie 35-36 von „Die Grossloge Indissolubilis“, 1908).

 

 

Was meinte Keller selber?

Sozietäten und Freimaurer schöpfen aus verwandten Quellen

 

Keller meint, in „Die Sozietäten …“ (1909, 18) „die Namen, Lehrzeichen und Symbole“, welche die Freimaurer seit ihrer offiziellen Gründung 1717 gebrauchen, „sind bereits Jahrhunderte zuvor in dem gleichen Sinne... in aller Stille zur Verwendung gekommen“.

 

Keller behauptet freilich keineswegs eine direkte Abstammung. In der Schrift „Akademien, Logen und Kammern des 17. und 18. Jahrhunderts“ (Jena: Diederichs 1912, 37) formuliert er nach der der Beschreibung zahlreicher Zeichen, Symbole und Embleme der Loge „Indissolubilis“:

Aber wohl müssen wir mit Nachdruck darauf hinweisen, dass die Lehrzeichen der ‚Hauptloge des Kreuzes’ von den in der Grossloge von England üblichen Symbolen erheblich abweichen. Es ist ganz unmöglich, die Bildersprache unserer Hauptloge aus den Ritualen und Symbolen der Logen des englischen Systems restlos zu erklären; wohl aber ist es zweifellos, dass beide grossen Systeme aus verwandten Quellen geschöpft.“

 

Weiter vorne hat Keller bereits deutlich darauf hingewiesen, dass die Rituale und Ordnungen der „Brüderschaft des Kreuzes“ „in einigen Punkten eine nahe Verwandtschaft, in anderen aber eine starke Verschiedenheit von den Ritualen usw. der Grossloge von England und ihrer Tochterlogen zeigen“ (25).

 

Im Vorwort derselben Schrift schiebt er sogar der jungen Freimaurerei folgendes in die Schuhe: Die 1717 in London gegründete Grossloge hätte alle in den europäischen Kulturländern um 1730 vorhandenen freien Akademien  oder Sozietäten überzeugen müssen, „dass die Society of Masons und ihre Logen dem Wesen nach mit ihr identisch waren. Da die uralte ‚Kunst’ unter dem neuen Namen [d. h. Free-Masons] den Schutz einer Grossmacht gefunden und mit deren Hilfe eine kraftvolle internationale Organisation gewonnen hatte, so konnten die Verfasser des Grundgesetzes von 1723 [d. h. des Konstitutionenbuchs] die Hoffnung hegen, dass sie durch die scharfe Betonung der Gleichartigkeit verwandten Verbänden den Anschluss an das neue System erleichtern würden“ (vgl. auch das Vorwort sowie 4-5, 8 von „Die Grossloge Indissolubilis“, 1908).

 

 

Die sechs wichtigsten Sprachgesellschaften

 

Wichtige Sprachgesellschaften waren:

·        Die Gesellschaft Zum Rosenstock in Amsterdam, die man auch mit dem englischen Wort Eglantier nannte, soll 1519 feierlich eingeweiht worden sein. Eine Gruppe davon tritt 1637/38 in Haag unter dem Namen „Friedrichs Friederstal“ resp. „Fredericks Vreedendal“ auf.
Ein Ableger, die „Drei Rosen“, hat 1643 in Hamburg eine Tochterorganisation begründet (sie wurde gestiftet von Philipp von Zesen).

·        Die Gesellschaft Zum Kreuz, die sich auch die unzertrennliche Gesellschaft (Gesellschaft der unzertrennlichen Freunde) oder die „Hauptloge Indissolubilis“ nannte. Sie wurde 1580 gegründet. Von ihr ist ein Gesetzbuch (von 1778, vermutlich eine Abschrift von Dokumenten von 1680) erhalten.

·        Als bedeutendste italienische Sprachgesellschaft galt die noch heute bestehende Accademia della Crusca, 1582 in Florenz gegründet.

·        Zur Lilie oder zu den drei Lilien (gelegentlich auch Schwarzenburgische Gesellschaft genannt; auch in Holland nachgewiesen).

·        die Gesellschaft des Sterns (auch: Loge Paladienne und Pfälzer-Orden genannt).

·        Die Palmengesellschaft oder „Fruchtbringende Gesellschaft“ wurde 1617 auf dem Schlosse zu Weimar gegründet. Die Hauptloge nannte sich auch „Deutsche Gesellschaft“.
Es gibt Darstellungen von Symbolen in folgenden Bildersammlungen:
Franz Julius von dem Knesebeck: Dreiständige Sinnbilder zu Fruchtbringendem Nutze. Braunschweig: Conrad Buno 1643;
Der Fruchtbringenden Gesellschaft Nahmen, Vorhaben, Gemählde und Wörter, erschienen bei Mathäus Merian 1646 in Frankfurt;
Gustav von Hille: Der Teutsche Palmbaum. Nürnberg 1647;
Georg Neumark: Der Neu-Sprossende Teutsche Palmbaum. Nürnberg, Weimar 1668.

 

Palmbaum und Indissolubilis vereinigten sich 1671 in Marburg. Zumindest die Palmgesellschaft verblasste schon in den nächsten zehn Jahren.

Auch die „Rose“ und die „Lilie“ „scheinen sich seit dem 17. Jahrhundert ebenso vereinigt zu haben“ („Die Sozietäten …“, 1909, 8).

 

 

Seit 1580: die Loge „Indissolubilis“

 

In dem Büchlein „Akademien, Logen und Kammern des 17. und 18. Jahrhunderts“ (1912) berichtet Keller von der deutschen Rosen-Gesellschaft, der Gesellschaft des Sterns (auch: Loge Paladienne) und wieder ganz ausführlich von der Loge Indissolubilis (oder: Brüderschaft zum heiligen Kreuz; oder: Orden der Amizisten). Vor allem diskutiert er die Frage der Fälschung von Dokumenten über die Indissolubilis.

 

In der Schrift „Die Grossloge Indissolubilis und andere Grosslogen-Systeme des 16., 17. und 18. Jahrhunderts“ (Jena: Diederichs 1908) geht er ausführlich auf die Sammlung „der Gesetze, Geheimnisse, Sitten und Gewohnheiten des Bundes der Unzertrennlichen“ von 1778 ein, desgleichen in „Akademien …“ (1912, 21-41).

Christian Fürchtegott Gellert soll 1735 Mitglied der Indissolubilis geworden sein (21) und war keinesfalls ein Freimaurer (20).

 

 

Was erwähnen Lennhoff/ Posner (1932)?

 

Interessanterweise widmen Lennhoff/ Posner (1932, Sp. 293) der „Compania della Cazzuola“, der Florentiner Gesellschaft zur Maurerkelle, einige Zeilen.

 

Die „Accademia della Crusca“ erwähnen sie ebenfalls (1932, Sp. 34). Hier würdigen sie Ludwig Keller. Er „erblickte in den Akademien und Sozietäten Italiens Vorläufer der Freimaurerei. Er konnte Gradstufen, Erkennungszeichen u. a. m. nachweisen und glaubte auch im Geiste der Freimaurerei eine Entlehnung des alten Humanistengeistes der Renaissance zu erblicken. Seine Deutung von Dürers Melancholie, und die Deutung, die Hartlaub dem Bilde Giorgiones ‚drei Philosophen’ [um 1505] unterlegt hat, scheinen ihm recht zu geben.

Sicher ist wohl, daß diese Akademien  und Sprachgesellschaften nicht bloß philosophische oder sprachwissenschaftliche Zwecke hatten oder bloß der Vereinigung von Künstlern und Wissenschaftlern dienten, sondern daß sie in einem Gradsystem auch ethischen Zwecken huldigten. Trotzdem ist ein Zusammenhang dieser Gesellschaften mit der englischen Freimaurerei nicht erweisbar.“

 

Als „Humanistenbünde“ (oder „Sozietäten des Humanismus“) erwähnen Lennhoff/ Posner (1932, Sp. 1470-1471) bloss

  • die Rhetoriker des Holländer Coornhert (um 1580) und
  • die wissenschaftliche Gesellschaft des Baslers Leonhard Thurneysser (seit 1571).

„Das bekannte Bild Giorgiones, ‚Die drei Philosophen oder Feldmesser’, verweist gleichfalls auf einen derartigen italienischen esoterischen Bund“ (vgl. dazu ausführlich Sp. 607-608), desgleichen Dürers „Melancholie“ (vgl. Sp. 392, 1712).

An der selben Stelle weisen Lennhoff/ Posner auch auf Symbole hin, die später von den Freimaurern verwendet wurden, beispielsweise von:

  • Valentin Andreae (auch Sp. 68, 1332-1334)
  • Jan Baptist Helmont
  • Johann Rist, dem Führer der Schwanengesellschaft in Norddeutschland [eine Vorbereitungs-Schule für Anwärter auf die Mitgliedschaft im Palmen-Orden]
  • Jan Amos Comenius (auch Sp. 290-292, 380, 1182, 1333 – zusammen mit Hartlib Sp. 79)

 

Unter dem Stichwort „Orden, Akademische“ berichten sie ausführlich über den „Orden der Unzertrennlichen (Venerabilis reverenda Confoederatio Inseparabilium“)“, der - laut Lennhoff/ Posner - 1617 gegründet worden war.

„Das Gesetzbuch des Ordens behauptet sogar, daß Henrik Graf Schlick schon 1612 den IV. Grad einsetzte und daß der Meistergrad sogar schon seit 1577 existiere. Die Frage ist bis zum heutigen Tage nicht gelost. Eine Fälschung, wie Begemann annahm, sind die Akten wohl nicht. Viel eher drangt sich die Deutung auf, daß eine akademische Gesellschaft in Nachahmung freimaurerischer Bräuche die geschichtlichen Daten willkürlich vorverlegt hat Der Orden hat wohl bestanden, die Schlüsse, die Keller aus den Akten zog, waren aber wohl zu weitgehend“ (Sp. 1157-1158).

 

Merkwürdigerweise weisen Lennhoff/ Posner (1932, Sp. 545-546) in ihrem längeren Artikel über die „Fruchtbringenden Gesellschaft“ - „später auch der ‚Teutsche Palmbaum’“ – nicht auf die Unzertrennlichen hin. Auch diese Gesellschaft seit 1617 gegründet worden. Die Gesellschaft hatte einen erziehlichen Zweck: Ausübung der Tugend und tadelloser Gebrauch der Muttersprache (hauptsächlich in der Dichtkunst) … Ludwig Keller, der hier Einflußlinien auf die Freimaurerei feststellen zu können glaubte, und mit ihm Wolfstieg (im Gegensatz zu dem skeptischen Begemann!) erblicken in der Fruchtbringenden Gesellschaft etwas anderes als eine Sprachgesellschaft im wörtlichen Sinn, vielmehr eine Vereinigung, die bestimmte religiöse oder doch moralische und soziale Interessen verfolgte, vor allem die Durchdringung Deutschlands mit Toleranz und Frieden und die Erziehung der erwachsenen Jugend … Die Mitglieder besaßen (den genannten Forschern zufolge) ‚Geheimnisse’, die in dem Ziel der stillen unermüdlichen Propaganda für ein verständiges gemütsstärkendes unparteiisches und friedliebendes Christentum lagen. das mehr Wert auf Tugend als auf Glauben, mehr Wert auf christlichen Wandel als auf Parteizugehörigkeit legte (Wolfstieg).“

 

Noch ausführlicher beschrieben Lennhoff/ Posner unter den „Sprachgesellschaften“ (1932, Sp. 1493-1494) die Fruchtbringende Gesellschaft und zitieren die drei Verpflichtungen, die jedes Mitglied eingehen musste.

Darüberhinaus erwähnen sie als weitere Gesellschaften:

  • die Teutsch gesinnte Gesellschaft;
  • der Gekrönte Blumenorden an der Pegnitz;
  • der Elbschwanorden,
  • die Tannengesellschaft, u. a. m.

 

Der Amicisten- oder Mosellanerorden, den sie andernorts (1932, Sp. 62) beschreiben, ist dagegen ein Studentenorden, der 1771 gegründet wurde (Keller sieht ihn nicht auf die Hochschulen beschränkt in „Akademien …“, 1912, 27, 41, sowie in „Die Grossloge Indissolubilis“, 1908, 7, 10).

 

 

Gehörte Leibniz zu den „Unzertrennlichen“?

 

Karl Christoph Schmieder berichtet in seiner „Geschichte der Alchemie“ (1832, 414-415), dass sich 1654 in Nürnberg eine Alchemische Gesellschaft gebildet hat, die bis 1700 bestand. Ein führendes Mitglied war der Pfarrer Justus Jakob Leibniz.

1666 kam der junge Gottfried Wilhelm Leibniz von seiner Vaterstadt Leipzig, wo man ihm das doktorieren versagte, nach Nürnberg. Sein Grossvater, besagter Pfarrer, führte ihn in die Alchemische Gesellschaft ein, wo er sogleich als „Sekretär und eigentlicher Geheimschreiber der Gesellschaft“ besoldet wurde. Freilich hielt er es nur ein Jahr aus.

 

Ludwig Keller behauptet etwas anders, dass Leibniz seit 1667 ein Jahr das Amt des Sekretärs einer der Sprachgesellschaften resp. „Logen“ in Nürnberg innegehabt und in dieser „Hütte“ den damaligen Ordensmeister der Hauptloge Indissolubilis, …nämlich den ehemaligen Reichsvizekanzler J. C. von Boyneburg kennen gelernt“ habe („Die Sozietäten …“, 1909,15-16).

 

Bleibt zu erwähnen, dass der Orden der "Unzertrennlichen" eine Verbindung der "alten" Rosenkreuzer (des 17. Jh.) zu den Gold- und Rosenkreuzern des 18. Jahrhunderts gebildet haben könnte. Jedenfalls hat der Pfarrer Samuel Richter, Mitglied einer Loge der Unzertrennlichen in Halle an de Saale, 1710 eine Schrift verfasst mit dem Titel:Die Warhaffte und vollkommene Bereitung Des Philosophischen Steins, Der Brüderschafft aus dem Orden des Gülden- und Rosen-Creutzes“ (Nachdruck 1983). Die darin enthaltenen 52 Regeln (Seiten 99-116) stammen teilweise von den Unzertrennlichen (vgl. auch Keller: „Akademien …“, 1912, 30-

 

 

Seit 1550: katholische Ritterorden als Schwurgenossenschaften

 

In seiner Schrift „Die Tempelherren und die Freimaurer“ (1905) schildert Ludwig Keller die Gebräuche der katholischen Ritterorden, die seit 1550 wieder eingerichtet wurden. Es waren Schwurgenossenschaften adliger Laien unter geistlicher Leitung, „welche sich die Verteidigung und Ausbreitung des katholischen Glaubens zur Aufgabe“ machten. Darunter waren

·        der rektifizierte Lazarusorden mit einem Privilegium von Herzog Emanuel Philibert von Savoyen 1572. Er wurde 1664 mit dem Orden „Unserer lieben Frau vom Berge Carmel“ verschmolzen.

·        Der Ritterorden des heiligen Geistes wurde 1573 von König Heinrich III. von Frankreich eingerichtet.

·        Der Orden des heiligen Andreas wurde in Schottland 1687 wieder hergestellt.

 

Der Schotte Andrew Michael Ramsay war nach 1700 in Paris in den Lazarusorden aufgenommen worden und offenbar auch Freimaurer.

In den ersten Jahren der neuen Freimaurerei (ab 1717) wurden viel Angehörige des Lazarusordens und des Ordens des heiligen Geistes aufgenommen.

 

Anderseits gab es zahlreiche „irreguläre“ Logen, die „meist älteren Ursprungs waren, kein Patent und keine Konstitution der englischen Grossloge von 1717 nachgesucht oder erhalten hatten“, beispielsweise eine von Lord Karl Radcliffe Derwentwater in Paris 1725 gegründete, oder ein „Ritterorden der Freimaurer“ (1736) von Graf Ernst Christoph von Manteuffel zu Berlin.

Ramsay hielt 1737 an der Versammlung der Französischen Grossloge einen Vortrag, in welchem er den Ursprung der Freimaurerei in den Ritterorden sah.

Davon inspiriert verwandelte sich die Loge Derwentwaters in den „hohen Orden des heiligen Tempels von Jerusalem“. Louis Bourbon-Condé, Graf von Clermont, wurde 1743 erster Grossmeister.

 

 

Bilder

 

Leonhard Thurneysser, lateinisches Kräuterbuch „Historia sive Descriptio Plantarum“, Berlin 1577, Titelblatt

2 Säulen

links „Festina lente“, darauf Anker mit geschlängeltem Tau

links „Zeit bringt Ehrenpreis“, mit Ruderboot und Uhr (Astrolabium?)

dazu viele Geräte: zweimal Zirkel mit Globus, einmal zusätzlich Winkelmass.

 

Ein quadratischer Tapis [Tischdecke?] des Schweizer Alchemisten Leonhard Thurneysser 1578 mit allerlei Werkzeugen von Steinmetzen und anderen Handwerken zwischen den selben zwei Säulen.

Am Fuss der rechten Säule Globus, Zirkel, Buch und Waage; ferner die Embleme des Ordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem und des Katharinen-Ordens vom Berge Sinai, denen T. vielleicht angehörte; eine Frauenfigur sitzt auf einem Löwen.

 


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