Home Ludwig Friedrich Lenz: Warum die Freimaurer singen

 

Das Vorwort zu:

Freymäurer-Lieder. [Altenburg] Im Jahre 1746, 3-10.

 

zu Lenz:

http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Lenz,_Ludwig_Friedrich

 

 

 

Denen würdigen und edlen Brüdern der Loge zum D. R. B.

 

Meine Brüder!

 

Billig wiedme ich Ihnen gegenwärtige Lieder, weil selbige ursprünglich zum Vergnügen Unserer Loge aufgesetzt worden, und in soweit, als sie einige Aufmerksamkeit verdienen, solche Dero Umgang, Geist und Beytrag zu danken haben.

 

Wir befürchten nicht, die Hochachtung, welche vernünftige Leute vor unsern Orden haben, zu verringern, wenn wir auch der Welt kund werden lassen, daß wir nach vollbrachter ernsthafteren Arbeit, uns einer unschuldigen Freude überlassen. Vielmehr machen wir uns allemahl eine Ehre daraus, öffentlich zu bekennen, daß unsere Weißheit nicht von der Art ist, die durch einen dummen und unempfindlichen Eigensinn und steiffe Erbarkeit aufgeweckten Gemüthern die Tugend zum Scheusal zu machen suchet.

Wir genießen also die zum Vergnügen erschaffenen Güter der Welt, aber mit einer weisen Mäßigung, welche Freymäurern so wohl anstehet; und eben dieses machet uns jene viel angenehmer, viel reitzender, viel ersättigender, als alle schwärmende Ergötzlichkeiten der großen Welt, welche eine ausgekünstelte Schwelgerey erfinden, die Üppigkeit verherrlichen und die Lüsternheit vertheuren können.

 

Unsere Freude hat, wie die Frühlings-Lust des Poeten, ganz etwas besonders an sich, man kann sie niemand beschreiben, als der sie gefühlet hat. Ein jedweder Freymäurer wird wissen, was ich damit sagen will. Es ist nichts besonders, daß wir hierbey singen.

Es ist dem Menschen gar natürlich, die wallenden Bewegungen seines Gemüthes so wohl, als dessen besondere Zustände durch Gesang auszudrücken. Die Freude, die Traurigkeit, die alles besitzende Zufriedenheit, und das verbitterte Mißvergnügen, alles erkläret sich vermittelst der Dicht- und Sing-Kunst.

 

Und wahrhaftig, das Singen hat seinen großen Nutzen, den Geist der Einigkeit in großen Gesellschaften auszubreiten. Die Würkungen desselben sind merklich bey solchen Zusammenkünften, da man Ergötzlichkeit duldet; vernünftige, weise, und mit der Tugend sich vertragende Lieder breiten ihre guten Gedanken unter alle Mitglieder derselben aus, setzen die Schranken der Freude fest, und verhindern, daß das wallende Herz in seiner grösten Rührung nicht ausschweife.

 

Zu dem Ende haben fast alle Weisen, und ins besondere die Philosophen des Alterthums, bey ihren Zusammenkünften und Mahlzeiten gesungen, und sich nicht geschämet, die gründlichsten Unterredungen von denen heiligsten Geheimnissen, und die reifsten Beurtheilungen göttlicher und menschlicher Dinge durch angenehme Gesänge zu unterbrechen, welche theils die Grundsätze ihrer Lehren, unter sinnreicher Verkleidung der Dichtkunst enthielten, theils die Tugend zur unschuldigen Freude ermahnten.

 

In dieser Absicht singen noch heut zu Tage unter allen wohlgesitteten Völkern diejenigen, welche der Vernunft bei ihren Gesellschaften einen Platz vergönnen; Und aus eben diesem Grunde singen wir Freymäurer in unsern Logen.

 

Wir können uns zwar aller Lieder bedienen, an denen die Erbarkeit und Reinigkeit derer Sitten nichts auszusetzen finden. Allein was verhindert uns, auch uns selbst eigne zu entwerfen, welche in besonderer Absicht auf unsern Orden gerichtet sind, und uns folglich desto stärker rühren müssen.

Die gegenwärtigen sind von solcher Beschaffenheit. Jedoch wird sich derjenige sehr betrügen, welcher sich einbildet, darinnen Spuren unserer Geheimnisse zu finden. Kluge Leute werden sie da nicht suchen. Sie wissen allzuwohl, daß wir sie niemahls der Feder anvertrauen.

Diejenigen, die aus Neugier alles dasjenige ergreifen, was nur unsern Nahmen auf dem Titul führet, mögen hier studiren, und sich die Köpfe zerbrechen, so lange sie wollen. Ihnen sage ich nicht, daß ihre Mühe vergebens ist. Sie sind von der Krankheit nicht zu heilen, woran sie liegen; Und, nachdem ihre Hoffnung schon hundertmahl betrogen worden, sind sie allezeit bereit, ihre Leichtglaubigkeit von neuen mißbrauchen zu lassen, so bald ein hungriger Scribent unter der angenommenen Person eines ehrlosen Verräthers oder ein Geld-geitziger Verleger sich erbiethen, ihnen das Geheimniß derer Freymäurer vor etliche gute Groschen im Vertrauen zu eröffnen.

Je gewisser diese Herren glauben werden, daß ich würklich die Ehre habe, ein Mitglied dieses großen und edlen Ordens zu seyn; je gewisser werden sie sich überreden, daß ich mir in meinen Liedern eines oder das andere werde haben entfahren lassen, welches ihnen Gelegenheit geben könnte, ihre spitzfündigen Untersuchungen auf einen gewissen Fuß zu setzen. Wir gönnen ihnen die kleine Freude, die sie sich selbst machen, wenn sie vermeinen etwas erhascht zu haben; und geben gar gerne zu, daß sie erforschen, untersuchen, muthmaßen, zergliedern, entdecken, verrathen, und kundmachen, was sie niemahls erfahren oder gesehen haben:

 

Es wird uns dieses so wenig rühren, als die stumpfen Spöttereyen einiger starken Geister, welche nicht leiden noch bekennen mögen, daß etwas sey, so sie mit ihrer eingebildeten tiefen Einsicht nicht durchdringen können. Wir überhören billig ihre lustigen Einfälle mit Verachtung.

 

Der Einfalt lächerliches Lachen

Muß Unsre Seelen nicht klein, träg und irrdisch machen:

Wir schämen uns nicht, klug zu seyn.

Hagedorn.

 

Meine Brüder!

Ich bemerke, daß ich meine Zuschrift, welche nach Beschaffenheit dieser wenigen Blätter nur ganz kurz seyn sollte, zu einer weitläuftigen Vertheidigung machen werde, wenn ich nicht abbreche.

 

Ich habe Ihnen also nur noch mit wenigen zu sagen, daß ich mir von dem Liede derer Lehrlinge nichts, als die Uebersetzung desselben aus dem Französischen zuschreibe, und, wie selbige gerathen, Dero Urtheil überlasse, und daß ich übrigens nicht vermeine Unrecht gethan zu haben, indem ich mir in meinem Gesellen-Liede einen Gedanken zugeeignet, welcher aus denen Liedern unsers Bruders Naudot (*) genommen ist. Unter uns ist alles gemein, was Gemeinschaft verträgt, und über dieses gebe ich auch hiermit die Ehre des ersten Einfalls, wem sie gebührt.

 

Hiernechst will ich mich zwar nicht nach Art derer Autoren bey dem geneigten Leser entschuldigen; daß ich meine Sachen nicht besser habe machen können; weil mich hohe Gönner und der Verleger nicht fertig werden lassen. Allein ich kan doch nicht umhin, öffentlich zu gestehen, daß ich mit meiner Arbeit nicht allerdings zufrieden bin: sondern wohl gewünscht hätte, daß mir annoch einige Zeit zur Ausbesserung vergönnet worden wäre. So aber hat mich der schuldige Gehorsam, dem ich unterworffen bin, genöthiget, sie zu geben, wie sie ietzt ist, welches sie, meine Brüder! am besten wissen werden.

 

Die gute und geneigte Aufnahme dieser Lieder wird mich aufmuntern, künftig noch einen oder andern Einfall in zum Singen taugliche Verse zu bringen.

 

Erlauben sie, meine Brüder! daß ich mich, unter Anwünschung alles ersinnlichen Wohlergehens und nebst behörigen Freymäuerlichem Gruße, zu Dero brüderlichen Wohlwollen und Freundschafft empfehle.

Gegeben den 24. Jun. 1745

 

 

(*) Chansons notées de la très vénérable Confrérie des Francs Maçons, précédées de quelques pièces de poésie convenables au sujet et d'une Marche, le tout recueilli et mis en ordre par Fre Naudot. 1737

(enthält 11 Gedichte resp Lieder + 3 Märsche + 24 „neue“ Lieder)

http://mvmm.org/c/docs/naudotch.html

 

 

Es folgen die 9 Lieder von Lenz (1746).

 


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