Home Zu den Freimaurern: schöne, unbekannte Bilder, umschweifige Schilderungen

 

 

Tim Dedopulos: The Brotherhood. Inside the Secret World of the Freemasons. London: Carlton Books 2006;
dt.: Die Welt der Freimaurer. Die geheime Bruderschaft. Wien: Tosa 2006.

 

 

Dieser schmale Band besticht durch grosszügig präsentiertes und grösstenteils unbekanntes Bildmaterial. Der englische Publizist und Spiel-Designer Tim Dedopulos gibt eine weitgespannte Einführung in Wesen und Symbolik, Vorgeschichte und Geschichte der Freimaurerei. Sein Werk wurde in London gestaltet, in Wien übersetzt und verlegt und in Dubai gedruckt; der Umschlag wurde in München entworfen.

 

Freimaurerei ist keine Religion

 

Freimaurerei ist keine Religion. „Die Freimaurerei behauptet nicht, den  Weg zur Erlösung zu weisen oder Kontakt zu Gott herstellen zu können. Sie hat keine Lösung für die Probleme der Welt, ausser anständige, aufrechte Menschen zu sein. Sie besitzt keine Definition für das Böse – oder für das Gute. Sie bietet keine Hilfe bei Trauer und behauptet nicht, zu wissen, was nach dem Tod geschieht. Auch über Strafen für Sünden weiss die Freimaurerei nichts und es gibt keine Dogmen“ (10).

 

Dedopulos ist laut Internet kein Freimaurer. Vielleicht deshalb betont er viel zu stark die Zersplitterung der Freimaurerei und das karitative Engagement. Er spricht von Rivalitäten, Spaltungen und „territorialem Chaos“ (20). Seine Erörterungen der „Regularität“ und „Anerkennung“ (18-26) sind umschweifig und verklausuliert – für Laien wie Freimaurer verwirrend statt klärend. Das gilt auch für viele andere Erklärungen und Beschreibungen. Vielleicht ist auch die Übersetzung aus dem Englischen nicht ganz zutreffend. Wir hören etwa, dass das Aufnahmeritual den neuen Freimaurer lehrt, „Wie wichtig es ist, am Tempel des eigenen Charakters zu arbeiten und seine Emotionen zu Gunsten seiner Moral zu beherrschen“ (27). „Der Ziegeldecker dient der Loge als Auge“ (30), oder: „Der Erste Schaffner ist das Spracherohr des Stuhlmeisters“ (30), aber auch der Zeremonienmeister „gilt zu allen Zeiten“ als das Sprachrohr des Stuhlmeisters, „dem sofort Folge zu leisten ist“ (33). „Der Kaplan … eröffnet und schliesst jede Sitzung mit einem allgemeinen religiösen Gebet“ (32),

 

Salomonischer Tempel und spirituelles Wissen

 

Sehr ausführlich und detailliert werden die verschiedenen Stufen und Lehren des York-Ritus (34-43) und des „Schottischen Ritus“ (43-50) geschildert. Zehn Seiten werden dem Bau des salomonischen Tempels gewidmet. Die Bronzeschale, üblicherweise das „Eherne Meer genannt“, ist hier das „Geschmolzene Meer“; „am Rand waren rundum Reihen von Kürbisflaschen mitgegossen worden“ (63). „Die Fertigstellung des Tempels stellte die vollendete Organisation der Freimaurer dar“ (64). Mit der nötigen Skepsis erwähnt Dedopulos die weiteren Inspirationsquelle der Freimaurerei: die lombardischen Architekten, die Tempelritter und Rosenkreuzer sowie die Kabbala. „Die klarste Schlussfolgerung, die man aus all den mystischen Hinweisen ziehen kann, ist, dass die moralischen und spirituellen Aspekte der Freimaurerei von flexiblen, belesenen Natur- und Moralphilosophen zusammengestellt wurden. Ihr psychologisches und spirituelles Wissen muss enorm gewesen sein“ (75): Ob der dreijährige Isaac Newton wirklich Mitglied des „Invisible College“ war (77), darf bezweifelt werden.

 

Bekannte Geschichte – unbekannte Symbole

 

Die bekannte Geschichte der Freimaurer, zuerst seit dem Regius-Gedicht von 1390, hernach seit 1717, ist in ihrer Anschaulichkeit meisterhaft erzählt (76-87). Ebenso überzeugend, freilich spezifisch englisch, ist die Schilderung der Symbolik, dem „Herzen der Freimaurerei“ (88-103). Jedoch erklärt er nicht, dass in den USA die beweglichen und unbeweglichen Kleinode vertauscht sind. Statt von „musivischem Boden“ (94), „Schachbrettmosaik“ oder „Mosaik“ (29) sprechen wir besser von „musivischem Pflaster“. Erstaunlich ist, dass im Lehrlingsgrad davon ausgegangen wird, „dass die Loge de facto in einer der Erdgeschossnischen in den Tempelwänden arbeitet“ (96).

Dass der Kandidat für den Meistergrad in einer dramatischen Zeremonie „bildlich geschlachtet“ (100) wird, ist sprachlich ebenfalls verunglückt. Oder: „So wie Hirams Seele gen Himmel fährt und Ton zurückbleibt, steigt auch der neue Meister ins Licht von Gottes Liebe und lässt seine unreine und grobe Natur zurück.“ Nicht allen bekannt sind unter den Symbolen dieses Grades die Räucherschale und der Bienenstock, das „Buch der Verfassungen“, die Arche und der Anker, Stundenglas und Sense, der Schlegel und der Spaten.

 

Kein Rezept gegen Mitgliederschwund

 

Wie die Faust aufs Auge passen dazu die anschliessenden Beschreibungen des Skandals der Loge P2, der Morgan Affäre (1827) und des Taxil-Schwindels (1885-97). Zum heutigen Stand der Freimaurerei (114-121) schliesslich bringt Dedopulos betrübliche Zahlen: Die Mitgliederzahl in den USA schmolz in vierzig Jahren (seit 1960) um die Hälfte, und das Durchschnittsalter der Brüder stieg von 40 auf fast 70 Jahre. Die Teilnahmequote an den Arbeiten sank von 60 auf 10 Prozent. Etwa 90 Prozent der neuen Mitglieder bleiben, bis sie den Meistergrad erreicht haben, dann kommen sie nicht mehr. In England ist die Überalterung und mangelnde Präsenz ähnlich.

Dedopulos schliesst pauschal und ohne konkrete Vorschläge: „Einfach weiterzumachen wie bisher ist nicht genug. Die Welt hat sich heute stark verändert. Alte Methoden funktionieren nicht mehr. Die Freimaurerei muss sich anpassen, und das jetzt.“

 

 


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