Home Modelle des frühen Menschen

                     (Models of Early Man)

 

Eine Notiz, Mai 1997

 

siehe auch unter Psychologie:

Modelle des Menschen

 

 

Der Titel ist doppelsinnig: Handelt es sich um Modelle, die wir vom frühen Menschen haben oder um Modelle die er gehabt hat? Die Frage stelle, heisst auch schon, sie beantworten. Es handelt sich um beides.

 

 

Wissenschaftliche Ideen nach dem zweiten Weltkrieg

 

Die heutigen Wissenschaften wie auch die Technik verdanken viel einigen Entwicklungen, die nach dem Zweiten Weltkrieg eingesetzt haben.

 

Um 1950 brachen sich die Ideen der Regelung und Selbstorganisation, von Information und Kommunikation, von Spiel und Entscheidung, von optimaler Planung und Simulation die  Bahn.

 

In den 1960er Jahren wurden die Wörter System und Modell zu Modewörtern. Zahlreiche Kongresse fanden statt: über Systems Analysis, Design, Engineering und Science einerseits, über Modelle in den Wissenschaften anderseits.

 

Ebenfalls zu dieser Zeit entwickelte Thomas S. Kuhn sein Konzept des sogenannten „Paradigmenwechsels“ in den Wissenschaften („The Structure of Scientific Revolutions“ 1962; dt. 1967)

 

 

„Kognitive“ Betrachtungen

 

Wichtig waren auch die Ansätze zu kognitiven Betrachtungen:

·        „Cognitive anthropology“ begann als „ethnoscience“, später „ ethnographic semantics“ 1956 mit vier Artikeln von Wissenschaftern der Yale University.

·        Die kognitive Psychologie setzte mit dem Buch von Jerome S. Bruner, Jacqueline Goodman und G. W. Austen „A Theory of Thinking“ ebenfalls 1956 ein.
Vier Jahre später erschien die Untersuchung von Daniel E. Berlyne „Conflict, arousal and curiosity“ (dt. erst 1974) und der Forschungsbericht von George A. Miller, Eugene Galanter und Karl H. Pribram „Plans and structure of behavior“ (dt. erst 1974). Doch erst das Buch von U. Neisser „Cognitive Psychology“ (1967; dt. 1974) machte die Sache so populär, dass man von der „kognitiven Wende“ zu sprechen begann.

·        Die „cognitive ethology“ setzt mit den Arbeiten im Bereich der vergleichenden Verhaltensforschung (ethology) von Conrad H. Waddington („The Ethical Animal“. 1960) und Konrad Lorenz (Moral-analoges Verhalten der Tiere. Erkenntnisse heutiger Verhaltensforschung. Universitas 19, 1964, 43–54) ein. Der Durchbruch kam aber erst 1976 u. a. mit Donald R. Griffin (The question of animal awareness. Evolutionary continuity of mental experience) und David Premack (Intelligence in Ape and Man). Eine deutsche Abart ist die "evolutionäre Erkenntnistheorie" (Konrad Lorenz, Franz M. Wuketits 1983).
Sie versucht, Gehirnprozesse zu untersuchen, gefasst in Worten wie Geist, Denken, Überlegung, kognitive oder Kognitionsleistungen, Intelligenz, Modellbildung, Repräsentation, Bewusstsein, Motivation, vor-kulturelles oder moral-analoges Verhalten.
Die Universität Zürich ist mit namhaften Vertretern dabei: Ich erwähne nur die Zoologen Heini Hediger (1980), Hans Kummer (1957, 1971, 1982) und Rüdiger Wehner (1982, 1990) sowie die Psychologen Doris Bischof (1980, 1985, 1993) und Norbert Bischof (1978, 1985, 1987).

·        Die kognitive Archäologie kam erst in den 70er Jahren (K. V. Flannery 1976, James Deitz 1977) und wurde von Colin Renfrew (Towards an Archaeology of Mind, 1982) aufgebaut.

·        Ebenfalls erst spät hat sich die "cognitive biology" (B. C. Goodwin 1978, A. A. Boden 1980) herausgebildet. Sie betrachtet die Evolution als werde sie kognitiv kontrolliert.

 

 

Als Kontrast: Okkultismus, magisches Denken

 

Als Kontrast dazu entwickelte sich in den 50er Jahren ein Interesse an Okkultismus, Parapsychologie, Mystik und Meditation. In den60er Jahren bildete sich das „New Age“, weitgehend eine Wiederbelebung der fast 100 Jahre alten Theosophie. Zahlreiche Sekten wurden gegründet, sogar Hexen- und Satanistenzirkel. Seither sind wir nicht mehr so sicher, dass unsere heutige Gesellschaft rein „rational“ ist.

 

Ebenfalls in den 60er Jahren wurde wieder einmal mehr darüber diskutiert, wie sehr sich das Denken der „Wilden“ oder „Primitiven“ von demjenigen des zivilisierten Menschen unterscheide.

Als Grundlage diente die Erkenntnis des grossen Ethnologen Edward Evan Evans-Pritchard von 1934. Er meinte:

„Die Tatsache, dass wir den Regen allein auf meteorologische Ursachen zurückführen, während die Wilden glauben, Götter, Geister oder Magie könnten den Regen beeinflussen, ist kein Beweis dafür, dass unsere Gehirne anders funktionieren als ihre ... Es ist kein Zeichen höherer Intelligenz meinerseits, wenn ich den Regen auf physikalische Ursachen zurückführe. Auf diese Schlussfolgerung bin ich nicht selbst, durch Beobachtung und Schliessen, gekommen; in Wirklichkeit habe ich von den meteorologischen Vorgängen, die zum Regen führen, nur geringe Kenntnisse. Ich anerkenne lediglich, was jeder andere in meiner Gesellschaft auch anerkennt, nämlich, dass der Regen natürliche Ursachen hat.“

 

Ähnlich heisst es noch fünfzig Jahre später im „Macmillan Dictionary of Anthropology“ (1986 unter „magic“):

„As has been noted, in modern ‚scientific’ cultures a large proportion of the population ‚believe’ in scientific or technologic phenomena without understanding them, a belief which is perhaps as magic or as religious as that held by a member of a simple society in the knowledge which the ritual specialists of the group possess. The scientific knowledge for which we all tend to take credit is in fact only understood by a very small proportion of the population.”

 

Der Begründer der strukturalen Anthropologie, Claude Lévi-Strauss machte sich 1962 Gedanken über „das wilde Denken“ (dt. 1968).

 

Auf diesem Hintergrund entwickelte der Ethnologe Robin Horton seine Theorie, wonach die Wilden wie wir Modellentwicklung betreiben (z. B. in: Modes of Thought. Essays on Thinking in Western and Non-Western Societies. London: Faber & Faber 1973).

 

 

Modelle in Geschichte

 

Peter D. McClelland: Causal Explanation and Model Building in History, Economics, and the New Economic History. Ithaca: Cornell University Press 1975.

David Braybrooke: Review Essay for Peter D. McClelland: Causal Explanation and Model Building in History, Economics, and the New Economic History. 1975. In: History and Theory Vol. XVI, 1977, 337-354 (sehr negativ).

T. F. Carney: The Shape of the Past. Models and Antiquity. Lawrence, Kansas: Coronado Press 1975.

Moses I. Finley: Ancient History. Evidence and Models. London: Chatto & Windus 1985;
dt.: Quellen und Modelle in der Alten Geschichte. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Wissenschaft 1987 (Bezug hauptsächlich auf Griechenland)

 

 

Modelle in Archäologie, Paläontologie, etc.

 

David L. Clarke (Hrsg.): Models in Archaeology. London: Methuen 1972.

Ronald Grambo: Models of magic. Norveg 18 (1975), 77-109.

Jim Doran, Mike Palmer, G. Nigel Gilbert, Paul Mellars: The EOS Project: modelling Upper Palaeolithic change. In Nigel Gilbert, Jim Doran (Hrsg.): Simulating societies. The computer simulation of social phenomena. London: UCL Press, 1994 (Simulation der Höhlenbärenjagd vor 15-30 000 Jahren, dazu 54 Regeln).

 


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