Home John von Neumann und Oskar Morgenstern 1944 über mathematische Modelle

 

 

John von Neumann, Oskar Morgenstern: Theory of Games and Economic Behavior.

London: Wiley 1944; Princeton: Princeton University Press 2. Aufl. 1947, 3. Aufl. 1953.

 

p. 21-22

 

What was said above about "natural" and mathematical operations applies equally to natural and mathematical relations. The various concepts of "greater" which occur in physics - greater energy, forte, heat, velocity, etc. - are good examples.

These "natural" relations are the best base upon which to construct mathematical. models and to correlate the physical domain with them.'' (7, 8).

 

(7) Not the only one. Temperature is a good counter-example. The "natural" relation of "greater" would not have sufficed to establish the present day mathematical model, - i. e. the absolute temperature scale. The devices actually used were different.

(8) We do not want to give the misleading impression of attempting here a complete picture of the formation of mathematical models, i. e. of physical theories. It should be remembered that this is a very varied process with many unexpected phases. An important one is, e. g., the disentanglement of concepts: i. e. splitting up something which at superficial inspection seems to be one physical entity into several mathematical notions. Thus the "disentanglement" of force and energy, of quantity of heat and temperature, were decisive in their respective fields.
It is quite unforeseeable how many such differentiations still lie ahead in economic theory.

 

 

p. 32-33

 

4.1.3. At this stage the reader will observe a great similarity with the everyday concept of games. We think that this similarity is very essential; indeed, that it is more than that. For economic and social problems the games fulfill - or should fulfill - the same function which various geometrico-mathematical models have successfully performed in the physical sciences. Such models are theoretical constructs with a precise, exhaustive and not too complicated definition; and they must be similar to reality in those respects which are essential in the investigation at hand.

To recapitulate in detail: The definition must be precise and exhaustive in order to make a mathematical treatment possible. The construct must not be unduly complicated, so that the mathematical treatment can be brought beyond the mere formalism to the point where it yields complete numerical results. Similarity to reality is needed to make the operation significant. And this similarity must usually be restricted to a few traits deemed "essential" pro tempore - since otherwise the above requirements would conflict with each other (1).

 

It is clear that if a model of economic activities is constructed according to these principles, the description of a game results. This is particularly striking in the formal description of markets which are after all the core of the economic system - but this statement is true in all cases and without qualifications.

 

(1) E. g., Newton's description of the solar system by a small number of "masspoints." These points attract each other and move like the stars; this is the similarity in the essentials, while the enormous wealth of the other physical features of the planets has been left out of account.

 

 

John von Neumann, Oskar Morgenstern: Spieltheorie und ökonomisches Verhalten.

Würzburg: Physica-Verlag 1967.

 

p. 21-22

 

Was oben über die "natürlichen" und mathematischen Operationen gesagt wurde, gilt gleichermassen auch für die "natürlichen" und mathematischen Relationen. Die verschiedenen Begriffe "grösser", die in der Physik auftreten - grössere Energie, Kraft, Wärme, Geschwindigkeit usw. -, sind gute Beispiele dafür.

Diese "natürlichen" Relationen bieten die beste Grundlage zum Aufbau eines mathematischen Modells, mit dem der physikalische Bereich verbunden werden kann (8, 9).

 

(8) Jedoch nicht die einzige: Temperatur ist ein gutes Beispiel. Die "natürliche" Relation "grösser" hätte nicht ausgereicht, das heutige mathematische Modell, d. h. die absolute Temperaturskala, aufzustellen. Tatsächlich wurden verschiedene Kunstgriffe benutzt.

(9) Wir wollen nicht den irreführenden Eindruck erwecken, ein vollständiges Bild des Aufbaues eines mathematischen Modells, d. h. von physikalischen Theorien zu geben: Es sollte daran erinnert werden, dass das ein sehr vielschichtiger Prozess mit vielen unvorherbestimmbaren Phasen ist. Eine wichtige ist z. B. die Klärung der Begriffe, so die Aufspaltung einiger bei oberflächlicher Betrachtung als physikalische Einheit erscheinender Begriffe in mehrere mathematische. So wurde das Auseinanderhalten der Begriffe Kraft und Energie, Wärmemenge und Temperatur in den entsprechenden Gebieten entscheidend.
Es ist nicht vorauszusehen, wieviele solcher Differenzierungen in der Ökonomie noch in der Zukunft notwendig sein werden.

 

p. 32-33

 

4.1.3. Hier wird nun der Leser eine weitgehende Analogie zum alltäglichen Begriff der Spiele bemerken. Wir meinen, dass diese Ähnlichkeit sehr wesentlich, ja, dass sie mehr als das ist. Für ökonomische und soziale Probleme üben die Spiele - wenigstens sollten sie das - dieselbe Funktion aus wie verschiedene geometrisch-mathematische Modelle mit Erfolg in den physikalischen Wissenschaften. Solche Modelle sind theoretische Konstruktionen mit genauer, erschöpfender und nicht zu komplizierter Definition. Und sie müssen die Wirklichkeit so weit wiedergeben, wie diese wesentlich für die vorliegenden Untersuchungen ist.

Um im einzelnen zu wiederholen: Die Definition muss genau und erschöpfend sein, um eine mathematische Behandlung möglich zu machen. Die Konstruktion darf nicht unnötig kompliziert werden, so dass die mathematische Behandlung über den blossen Formalismus hinaus dahin gebracht werden kann, dass sie vollständige, numerische Resultate liefert. Ähnlichkeit zur realen Umwelt ist nötig, um die Operationen deuten zu können. Diese Ähnlichkeit muss gewöhnlich auf das Wenige beschränkt werden, was pro tempore wesentlich erscheint, weil sonst die obigen Forderungen miteinander in Konflikt geraten (1).

 

Es ist klar, dass ein diesen Grundsätzen entsprechendes Modell für das ökonomische Verhalten die Beschreibung eines Spieles liefert. Das gilt insbesondere für die formale Beschreibung der Märkte, die schliesslich das Kernstück des ökonomischen Systems bilden; das gilt aber auch ohne Einschränkung in allen anderen Fällen.

 

(1) Z. B. Newtons Beschreibung des Sonnensystems durch eine kleine Anzahl von "Massenpunkten". Diese ziehen sich gegenseitig an und bewegen sich wie die Sterne. Das ist die Ähnlichkeit im wesentlichen, während die ungeheure Vielzahl der anderen physikalischen Eigenschaften der Planeten nicht in Betracht gezogen wurde.

 

 

Claude Lévi-Strauss: Der Strukturbegriff in der Ethnologie.

Zuerst auf englisch erschienen in A. L. Kroeber (Hrsg.): Anthropology To-Day. Chicago: University of Chicago Press 1953, 524-553.

Auf deutsch übersetzt und bearbeitet in Claude Lévi-Strauss: Strukturale Anthropologie. Frankfurt: Suhrkamp 1967, 299-346, Zitat 302.

 

 

Vgl. v. Neumann:

»Modelle (wie etwa die Spiele) sind theoretische Konstruktionen, die eine genaue, erschöpfende und nicht zu komplizierte Definition voraussetzen: sie müssen auch der Wirklichkeit in jeder Hinsicht, die für die im Gang befindliche Untersuchung wichtig ist, ähnlich sehen.

Um es nochmals zu sagen: die Definition muss genau und erschöpfend sein, um eine mathematische Behandlung möglich zu machen. Die Konstruktion darf nicht unnötig kompliziert sein, damit die mathematische Behandlung über das Stadium der Formalisierung hinaus betrieben werden und zahlenmässig vollständige Ergebnisse zeitigen kann. Die Ähnlichkeit mit der Wirklichkeit ist erforderlich, damit das Funktionieren des Modells bezeichnend ist. Aber diese Ähnlichkeit kann gewöhnlich auf einige für eine bestimmte Zeit für wesentlich gehaltene Aspekte eingeschränkt werden - sonst würden die oben aufgezählten Bedingungen unvereinbar werden.« (v. Neumann und Morgenstern, 1944).

 


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