HomeDie Bedeutung empirisch gewonnener Ergebnisse

                    am Beispiel der Entscheidungsforschung

 

Zusammengestellt für eine Vorlesung SS 1989

 

1. Absicht

 

1) Entwicklung und Testen von Messverfahren

 

2) Pilotstudie

- Exploration zum Aufbau und zur Entwicklung

von psychologischen Hypothesen und Modellen

- Versuch hat nur vorläufigen Charakter; weitere Forschung ist nötig

 

3) individuelle Charakteristiken herausfinden

- Nutzenkurve

- Kalibrierung (von Schätzungen), Overconfidence

- Risikobereitschaft, Risikowahrnehmung

- ROC (Receiver Operating Characteristics)

- kognitive Stile

- Kontrollvermutungen

 

4) Prüfung von Hypothesen, Modellen, Theorien

 

5) kulturelle Unterschiede

 

2. Interpretation

 

1) repräsentieren systematischer Fehler

- bezüglich Axiomen: paradoxes, violations

- bezüglich Modellen und Theorien: biases, fallacies

- bei Schätzungen: judgmental errors

 

2) repräsentieren unsystematische Folgen

- blosser Inkonsistenz zuzuschreiben: variance

- Zufall, "Glück"

- unglückliche Umstände, Irritation der Versuchsperson

 

3) Artefakte

- wegen Versuchsanordnung (z. B. Fischhoff 1982)

            unfaire Aufgaben, isolierte Fragestellung, Zeitdruck, hypothetische Aufgaben

- falsche Variablen, Bewertungskriterien

- falsche Messungen

- falsche Interpretation der Daten

- in Auswertung Unterschiedliches aggregiert

- Versuchsleiter erhält das, was er erwartet

- wichtige Faktoren ausser acht gelassen

 

4) irrelevant, da

- keine Untersuchung zweifelsfreie Resultate liefert

- unterschiedliche Aufgaben unterschiedliche Ansprüche stellen

- Verhalten des Menschen unterschiedlich ist

(intraindividuell wie interindividuell),

auch : anderes Milieu, anderer Problemlösungs-Rhythmus

- Subjekt nie in solche Situationen kommt

- Modell oder Theorie verfehlt wurde

• da daneben vorbeizielt (falsche Fragestellung)

• da Modell/ Theorie gar nicht testbar (weil zu allgemein, zu vage)

- Überzeugungen etc. zwar fehlbar sind, aber revidierbar (K. R. Popper)

learning by doing

- falsche statistische Modelle für reale Ereignisse vorausgesetzt

(R. E. Nisbett et al. 1982)

- empirische Forschung nur schwache Zusammen hänge und Wahrscheinlichkeitsaussagen liefert

- ein bestimmter Prozentsatz der Versuchspersonen (ca. 20-40%) jeweils "richtig" antwortet

 

5) irreführend

- da Verhalten in grösseren Zusammenhängen oder Realität sinnvoll wäre

• weil Information in Realität redundant

• weil reale Umwelt komplex, kontinuierlich und unstabil ist

(Hogarth 1981/82)

• weil "Vorsicht" prophylaktisch sinnvoll ist

• weil "Fehler" durch Kommunikation/ Zeit/ Motivation ausgeglichen werden

• weil Verhalten des Menschen auf Aufgabe (alternativen, Zustände) zurückwirkt

• weil Menschen im Versuch nervös, ängstlich, blockiert sind

• weil Subjekt im realen Leben eventuell versucht,

verschiedene Fehler zu minimieren, um zu überleben (Toda 1962)

 

3. Erklärung für die Quellen/ Ursachen der Abweichungen

 

1) Rationalitätsannahmen falsch

2) Modell/Theorie falsch oder zu einfach

3) Versuchsanordnung falsch

4) Ignoranz der Versuchspersonen

- Heuristiken der Versuchspersonen

- Framing

5) situative und persönlichkeitsmässige Einflüsse zuwenig beachtet

6) durch andere Theorien

 

4. Folgen, Reaktionen auf die Ergebnisse

 

1) - Ignorieren, Verschweigen der Ergebnisse

- Bagatellisieren der Ergebnisse

 

2) - Beurteilen der Ergebnisse als

zwar "irrationales" Verhalten, aber subjektiv sinnvoll

- Beurteilung als selbstschädigend oder kurzsichtig

 

3) Verweis auf Pte 2.2, 2.3, 2.4, 2.5

 

4) Rationalitäts-Annahmen modifizieren

- einige verwerfen und auslassen

- alle in Frage stellen

 

5) normative Theorie revidieren

- mehr Faktoren

- Voraussetzungen spezifizieren

- alternative Ansätze

 

6) Modell revidieren

- Suche nach "besseren" Funktionen,

z. B. angepasste Nutzenfunktion (Vickerey 1945,

Friedman und Savage 1948, Markowitz 1952)

- algebraisch nachbilden

- Situations- und Persönlichkeitsschema aufstellen

 

7) Versuchssituation/ -anordnung verbessern

- Resultate neu auswerten

 

8) Ausweichen auf andere Forschungen

 

9) Verhalten des Menschen verbessern

- Aufklärung, Belehrung, Training

• z. B. über Rationalitätsprinzipien (MacCrimmon 1968)

• z. B. über statistische Phänomene: debiasing

(Kahneman, Tversky 1979; Fischhoff 1982)

- Ersetzung durch algebraische Modelle: bootstrapping

(Hoffman 1960; Yutema, Torgerson 1961; Bowman 1963;

L. R. Golberg 1970; Dawes 1971; Dawes, Corrigan 1974)

- Bereitstellung von Entscheidungshilfen

• z. B. Decision Analysis (Raiffa 1968; Schlaifer 1969)

• z. B. PIP (Edwards et al. 1968)

 

10) Verteidigung der Rationalitätsannahmen und -Theorien

aus theoretischer Position (logisch, statistisch)

 

11) Einbau in "grössere" Theorien oder

Erklärung durch andere Theorien

- Lerntheorien, Motivationstheorien

- Problemlösungstheorien

- Konflikttheorien

- Handlungsregulations-Theorien

 

12) philosophische Fragen

- Logik: Wahrscheinlichkeiten (Carnap)

- Ethik: Willensfreiheit

Utilitarismus

Altruismus

Glück

Pflicht

- philosophische Anthropologie:

rationaler Mensch?

was ist sinnvolles Handeln?

- Wissenschaftstheorie: was wird eigentlich untersucht?

Modellprobleme, Prüfbarkeit von Theorien, Publikationspraxis

 

13) Verwirrung, Ratlosigkeit

 




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