Home Die "Technologie der Gefühle" führt uns ins Paradies

 

Zum Buch

Alex Comfort: Natur und menschliche Natur - Die Selbstbefreiung des Menschen aus den Zwängen der Instinkte. Rowohlt-Verlag, Reinbek, 1970;
engl.: Nature and human nature. London: Weidenfeld & Nicolson /New York: Harper & Row 1966.

 

 

In den letzten zweihundert Jahren hat sich das Bild des Menschen vom Menschen einschneidend verändert. Darwin wies die tierische Abstammung nach und Freud das Primitive - sexuelle und destruktive Triebhaftigkeit - auch im zivilisierten Europäer. (Den wichtigsten Umweltwandel verdanken wir Pasteur.)

 

Deshalb beschäftigt sich der Engländer Alex Comfort ("Sex in Society",1950; deutsch: "Der aufgeklärte Eros", 1964) [1920-2000] wie es so Mode ist, ausführlich mit der Entwicklungsgeschichte des Menschen und seiner Verwandtschaft mit den Affen (und deren Verhalten) und betont, "dass die (kulturgebundene) Geschlechtsrolle, die der Mensch als Mann oder Frau spielt, samt dem damit verbundenen sozialen und sexuellen Verhalten (fast gänzlich) erlernt wird".

 

Weiter erörtert er das Rassenproblem, die Bevölkerungsexplosion und die damit notwendig gewordene Nahrungsmittelbeschaffung (beispielsweise aus dem Meer) und Familienplanung. Fragen der Pubertät, Vererbung (samt Mutation und natürlicher Auslese), Anpassung an klimatische und biologische Verhältnisse, von Krankheitserregern, des Alterns, von Stress und seinen Folgen, zusammen mit Tiefenpsychologie und Kulten ("Erlösungs"-Erlebnisse und -Rituale) füllen das biologisch und anthropologisch orientierte Buch.

 

Recht lebhaft und einigermassen gefällig, bietet es fast zuviel an Information. Das Sammelsurium - quer durch und von allem ein bisschen - enthält überdies ungenaue Zahlenangaben (sowie ein mageres Register) und hat mit dem Untertitel und der Verlagsanpreisung "unkonventionell" wenig zu tun. Jedenfalls ist es sehr gut gemeint.

 

Angenehm berührt immerhin die kritische, selbstkritische, aber versöhnliche Haltung. Comfort weiss:

"Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das ... von Natur aus dazu fähig ist, sein eigener ärgster Feind zu sein." Entscheidender ist aber heute - wie er fordert -, dass wir Denkschablonen wie Ursache-Wirkung durch Wechselbeziehung, Normalität und Gleichheit durch Variationsbreite und Individualität ersetzen, dass wir unser Wollen aktivieren und auf richtige Ziele lenken und sowohl Vernunft (Wissenschaft) wie Gefühl (Mythos) beachten und pflegen.

"Wir müssen versuchen, ohne Entfremdung zu denken und ohne Preisgabe der Vernunft zu fühlen. Damit setzen wir die Primatentradition in gerader Linie fort."

 

Es ginge also um eine planvolle Synthese oder Harmonisierung von Emotionalität und Rationalität, wofür eine "Technologie der Gefühle", schöpferische und soziale Erotik zur Antriebsnutzung und -meisterung wertvoll beitrügen.

 

(geschrieben im Juli 1970;

erschienen in den „Basler Nachrichten“, 19. August 1970)

 




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