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Auszüge (ca. 40 Seiten)

aus einer 183seitigen wissenschaftlichen Arbeit "Verkehrsbildung"

am Psychologischen Institut der Universität Zürich, August 1966

 

 

Inhalt

1.2. Verkehrspsychologie

1.3. Ziel der Verkehrspsychologie

1.4. Zwei Möglichkeiten der Einflussnahme auf das Verkehrsgeschehen

1.5. Verkehrsbildung

 

2. Verkehrsbildung

2.1. Ordnung wesentlicher Begriffe

2.2. Der Begriff Verkehrsbildung

 

3.4. Die heranwachsende Jugend

3.5. Erwachsene

3.5.1. Notwendigkeit

3.5.2. Möglichkeit

3.5.3. Notwendige Differenzierungen

3.5.4. Verkehrsbildung

 

4.3. Ursachen

4.3.1 Unrast, Hast, Ungeduld

4.3.2 Antriebskräfte - innere Leere

4.3.3. Anonymität und Isolierung

4.3.4. Unausgeglichenheit

4.3.5. Die Bedeutung der Biographie

 

4.4.2. Anpassung der Technik + Regelung an den Menschen .

 

4.4.3.2. Appelle ans Bewusstsein

4.4.3.3. Allgemeines Anforderungsschema

4.4.3.5. Defensives Fahren

4.4.3.7. Zusammenfassung

 

5.2. Grundlagenforschung und fehlende Grundlagen

5.2.1. Wissenschaftlicher Hintergrund

5.2.2. Ursachenforschung

5.2.3. Risikoforschung

5.2.4. Senkung des Unfallrisikos

5.2.5. Verkehrsverhaltens-Forschung

5.2.6. Unfall-Abwehr-Forschung

5.2.7. Ergonomische Forschung

5.2.8. Vorsicht bei unkritischen Statistiken

5.2.9. Überbetonung des Wissenschaftlichen

 

5.3. Information - Lernen

5.3.1 Adressat: Mensch

5.3.2. Zuviel und divergierende Informationen

5.3.3. Lerneffekt - soziales Lernen

 

5.4. Koordination

5.4.1. Notwendigkeit

 

 

Literaturauswahl

 

 

Seiten 9-20

 

Die Meisterung schädlicher Folgen des Strassenverkehrs ist ein Kulturproblem

 

Es "ist die Frage der Unfallverhütung nichts anderes als eine Äusserung zum Gemeinschaftsproblem des Menschen unserer Zeit, hervorgerufen durch die zivilisatorische Entwicklung, ausgedrückt in den Formen der Technik, den Zahlen der Bevölkerungsvermehrung und des Sozialproduktes und gemessen am Stand der dem bestimmten Menschenkreis innewohnenden Kultur.

 

Die Meisterung schädlicher Folgen des rapid angeschwollenen motorisierten Strassenverkehrs ist ein Kulturproblem, dass nur unter Anspannung materieller und ethischer Kräfte gelöst werden kann. Und damit ist es ein allgemeines Erziehungsproblem (vom Verf. gesperrt)" (Zeitz, 1960, 64).

Seite 20

 

 

 

1.2. Verkehrspsychologie

 

Verkehrspsychologie heisst, dass es nicht so sehr um die technischen Seiten [des Strassenverkehrs] geht - obgleich diese selbstverständlich mit hineinspielen -, sondern um den Menschen, um den Menschen

in Beziehung zu sich selber

zum Mitmenschen

zu Natur und Leben

zu Maschine und Technik.

 

Diese Aufgaben- und Einsatzbereiche der Verkehrspsychologie werden in einem gesonderten Kapitel beschrieben; als dienliche Bestimmung möge vorläufig gelten:

Das Verkehrsverhalten wird beurteilt nach bestimmten Kriterien:

 

"Gegenstand verkehrspsychologischer Untersuchungen ist das Verkehrsverhalten in seiner Phänomenologie und seiner Abhängigkeit von Bedingungen innerhalb und ausserhalb der Person des Verkehrsteilnehmers ... (Es) erfuhr stets eine Beurteilung und Bewertung anhand bestimmter Kriterien. Vorherrschend unter diesen Kriterien war bisher und ist noch weitgehend - aus humanitären Gründen voll verständlich - die Verkehrssicherheit.

Neben dieses Kriterium tritt jetzt in immer stärkerem Masse auch das Kriterium des Verkehrsflusses oder der Verkehrskapazität (vom Verf. gesperrt) [oft auch zusammengefasst als Verkehrsleistungsfähigkeit - die wiederum abzugrenzen ist von der Verkehrs-Wirtschaftlichkeit], zweifellos gefördert durch die zunehmende Überfüllung der Strassen.

In der Tat aber erscheint das Verkehrsverhalten mit der Betonung dieses Aspektes erst in den richtigen situativen Proportionen. Jedes Verhalten am Steuer eines Fahrzeuges [und des Fussgängers auf der Strasse] tangiert die Sicherheit und in polarer Abhängigkeit immer auch den Ablauf des Verkehrs (Hoyos, 1965, 8, 9).

 

"Es ist schwer zu entscheiden, welches von beiden Kriterien den Vorrang hat. Der Verkehr dient in erster Linie wirtschaftlichen und kommunikativen Interessen.

Ein Verkehr, der wegen extremer Sicherheitsmassnahmen zum Erliegen kommt, ist sinnlos. Er kann daher nur dann aufrechterhalten werden, wenn damit ein bestimmtes Risiko (vom Verf. gesperrt) in Kauf genommen wird. Andererseits kann ein Gewinn an durchschnittlicher Geschwindigkeit kaum mit Menschenleben aufgewogen werden" (Burkardt, 1965, 137-138).

 

"Vorläufig ist über diese Verhältnisse wenig mehr bekannt, als dass es sich um Optimierungsprobleme (vom Verf. gesperrt) handelt" (Drösler, 1965, 246), zumal eine Meinungsbefragung in Jahre 1961 ergeben hat, "dass der Individualverkehr ... sich vom Wirtschaftsverkehr über den Berufsverkehr zum Freizeitverkehr wandelt. Diesem Trend entsprechend wandeln sich auch die Bedürfnisse ..." (Winkler, 1965, 187-188).

 

 

1.3. Ziel der Verkehrspsychologie

 

Was die Verkehrspsychologie untersuchen, erforschen und am Ende ihrer Untersuchungen und Bemühungen erreichen will, ist die möglichste Vermeidung:

 

a) von kritischen (risikohohen, "unfallträchtigen") Situationen (Beinahe-Unfällen, "mishaps"),

 

b) von Verstössen gegen die Verkehrsregeln (Übertretungen von Gesetzen und Vorschriften; Disziplinwidrigkeiten; Vergehen),

 

beides (a + b) Verhaltens-Fehler, Fehlleistungen, -handlungen, "folgenloses Fehlverhalten", die den Verkehrsfluss hemmen, den Täter wie andere Teilnehmer am Verkehr in ihrer Sicherheit beeinträchtigen (konkret oder auch nur abstrakt gefährden) und somit eine grosse affektive Belastung (mit all ihren Folgeerscheinungen seelischer und körperlicher Art) darstellen,

 

c) und von Unfällen (Erfolgsdelikten), seien es Bagatellfälle oder grosse Geschehnisse, die Sachschaden bewirken, Menschen verletzen oder Menschenleben gar auslöschen.

 

Anders ausgedrückt heisst das:

Erhöhung der Sicherheit und Flüssigkeit (Schnelligkeit) im Verkehrsablauf für eine möglichst grosse Teilnehmerzahl.

 

Es ist ferner zu beachten, dass diese drei Punkte - im Sinne der Verkehrsauffälligkeit - neben dem der Verkehrsangepasstheit auch als Kriterien für die Beurteilung des beobachtbaren Verkehrsverhaltens benützt werden.

 

 

1.4. Zwei Möglichkeiten der Einflussnahme auf das Verkehrsgeschehen

 

"Wenn man den Sicherheitsfaktor im Strassenverkehr erhöhen und damit das Gefahrenmoment vermindern will, scheinen bei oberflächlicher Betrachtung eine Unmenge Möglichkeiten zu bestehen. Sie lassen sich abgesehen von Abweichungen in Einzelheiten auf zwei Hauptanliegen zurückführen:

 

I. Den technischen [und organisatorischen sowie gesetzlichen (der Verf.)] Schutz vor Unfällen, welcher jene Vorkehrungen an Verkehrsmitteln und Verkehrswegen [und Verkehrsregelungen (der Verf.)] umfasst, die den Verkehrsteilnehmer vor den Gefahren und Gefährdungen sichern sollen.

 

II. Den psychologisch-pädagogischen Schutz, welcher durch belehrende und erzieherische Beeinflussung sucht, den aktiven und passiven Verkehrsteilnehmer zu verkehrsgeeignetem Verhalten zu bringen, dadurch als vermeidbar erkannte Unfallsituationen auszuschliessen und so die Unfallmöglichkeiten zu vermindern" (Zeitz, 1960, 63).

 

Der Weg zu unserem Ziel - Sicherheit und Flüssigkeit - führt . also über zwei verschiedene Strecken der Verkehrsbeeinflussung:

Die eine ist die Anpassung der Technik an den Menschen, die andere die Anpassung des Menschen an die Technik - also Verkehrsgestaltung und Verkehrsbildung im Sinne des humanistischen Begriffspaares: Bilden und Gestalten.

 

Ersterer Weg wird hauptsächlich von Ingenieuren und Technikern beschritten, indem sie Fahrbahn und angrenzende Gebiete (Verkehrswege, Fahrzeug - Verkehrsmittel in engerem Sinne - und Verkehrsregelung (Verkehrsregeln, -vorschriften, -gesetze und Sicherheitsvorschriften); oft auch zusammengefasst als: Verkehrsmittel, Verkehrsraum und Gesetz) den neuro-physiologischen und anatomischen, also den psychophysischen Eigenheiten, den naturgegebenen Anlagen und Verhaltenstendenzen des Menschen bestmöglichst anzupassen versuchen.

Mit anderen Worten: die technischen Hilfsmittel sind so zweckmässig und sinnvoll auszuarbeiten und einzusetzen, dass sie einen sinnvollen und zweckmässigen Gebrauch und Einsatz durch den Benützer, den Menschen, erlauben und gewährleisten.

 

Es sei hier gleich festgehalten, dass diese Verkehrs-Gestaltung, also die Anpassung der Technik an den Menschen, genauso wichtig und notwendig ist wie die - im Moment viel höher bewertete - Verkehrsbildung, also die Anpassung des Menschen an die Technik.

 

Eine Frage der Verhaltenssteuerung

 

"Die angemessene Verkehrsteilnahme ist in erster Linie ein Anpassungsproblem (vom Verf. gesperrt), eine Frage der Verhaltenssteuerung (vorn Verf. gesperrt), der Verhaltenskorrektur und damit auch ein Lernproblem (vom Verf. gesperrt). Mit ihm rechnen die Gesellschaft, der Staat und der einzelne Verkehrsteilnehmer, wenn er einem anderen begegnet" (Winkler, 1965, 228).

 

 

 

Der hohe Anteil der "menschlichen" Faktoren am Unfall- und Gefährdungsgeschehen, an deren Verursachung, wird sehr stark auch durch technische Ungeschicktheiten und Unzulänglichkeiten mitbedingt.

"Während bei Verkehrsunfällen die menschlichen Unzulänglichkeiten - vom Alkoholgenuss abgesehen - nie ganz auszuschliessen sein werden, ist die moderne Technik durchaus in der Lage, Konstruktions- und Materialfehler weitgehend zu eliminieren.

Dem Gesichtspunkt der Sicherheit eines Fahrzeuges wird denn auch grösste Beachtung zuteil, wobei seit einigen Jahren besonders die sogenannte 'innere Sicherheit' zu einem Begriff geworden ist, während bisher hauptsächlich die Fahrtüchtigkeit im Mittelpunkt stand" (Meile, 1962, 47).

 

 

1.5. Verkehrsbildung

 

Wir beschränken uns in dieser Arbeit auf den zweiten Weg, auf die Verkehrsbildung im weitesten Sinne:

Was kann getan werden, damit der Mensch sich dieser, nehmen wir einmal an, möglichst gut an ihn angepassten Verkehrs-"Mittel'' (Wege, Fahrzeuge, Regelung) wirkungsvoll und vor allem sinnvoll bedient und sie zweckmässig einsetzt, um sein Ziel, die - meist - schnellstmögliche Fortbewegung von einem Ort zu einem andern, zuverlässig und sicher, das heisst, ohne Behinderung, Gefährdung und affektiver Belastung von sich und anderen Verkehrsteilnehmern, also unter Berücksichtigung und Wahrung der Rechte und Pflichten von sich und anderen, zu erreichen?

 

Das Problem ist demnach: Wie ist der Mensch in dieser Richtung anzuleiten und zu weisen, also zu bilden?

 

Verkehrserziehung als Bildungsaufgabe

 

"Unter Verkehrserziehung verstehe ich ganz allgemein eine bewusste, planmässige Einflussnahme auf den Menschen, der als Ziel der sachlich ausreichend informierte, verantwortungsbewusste und rücksichtsvolle Verkehrsteilnehmer gesetzt ist. Verkehrserziehung schliesst demnach Unterricht und Erziehung ein und stellt somit eine echte Bildungsaufgabe (vom Verf. gesperrt) dar" (Reiniger, 1961, 82).

 

 

Es zeigt sich sehr schnell, dass in diesen Belangen der Verkehrsbildung Begriffe, Kriterien und Tatbestände anzutreffen sind, die in vielen anderen Lebensbereichen in genau derselben oder zumindest sehr ähnlichen Art und Weise auftreten. Probleme von Koordination, Kooperation, Information, Verantwortung und Risiko stellen sich überall - meist auch in gleicher Dringlichkeit und Vielfältigkeit - und mit der selben Wirksamkeit ihrer Gegenpole (als da sind: Eigendünkel, Selbstgefälligkeit, Besserwissen, usw.).

 

Das bedeutet also, dass man sich vor allzugrosser Einseitigkeit und Verallgemeinerung hüten und alles schliesslich in einem viel weiteren und umfassenderen Rahmen sehen muss. Es geht um Lebensprobleme ganz allgemeiner Art, wie sie in der heutigen Zeit vordringlich werden.

 

"Zulässig ist vielleicht folgende Verallgemeinerung: Der Verkehr ist ein Abbild der Gesellschaft. Die positiven und negativen Erscheinungen des sozialen Lebens, zum Beispiel auch in Wirtschaft und Politik, haben ihre Parallelen im Strassenverkehr. Die verschiedenen menschlichen Haltungen und Einstellungen treten auf der Strasse vielleicht deutlicher, aber nicht qualitativ anders in Erscheinung als auf andern Lebensgebieten" (Pfister, 1966, 37).

 

 

2. Verkehrsbildung

 

2.1. Ordnung wesentlicher Begriffe

 

Im Rahmen dieser Arbeit bedürfen folgende häufig genannte und hier zusammengestellte Begriffe der Zuordnung und Klärung; letztere sei hier nur zum Teil angedeutet:

 

Verkehrs:                   -moral, -gesittung, -gesinnung, -ethik, -sinn

Bildung, Erziehung, Beeinflussung

Reife, Tüchtigkeit (Tauglichkeit), Zuverlässigkeit, Disziplin, Angepasstheit, Erfahrung, Wissen, Anpassung, Übung, Gewöhnung

Schulung, Instruktion, Belehrung, Unterrichtung, Kunde

Information, Aufklärung

Bewusstsein

Klima

 

Schon aus der gruppenweisen Anordnung wird eine Zuordnung ersichtlich: Oberster Begriff, gewissermassen das ideelle, umfassende Ziel der ganzen "Beeinflussung des Menschen im Hinblick auf die Bewältigung der technischen Gegebenheiten" stellt die Verkehrsmoral dar, welche Gesittung und Gesinnung beinhaltet. Ethik bedeutet Philosophie über Moral (Brock, 1958, 5).

Mehr in psycho-physischer Denkweise brachte G. Munsch als anzustrebendes Ziel den Verkehrssinn auf.

 

Verkehrsmoral und Verkehrssinn können sich nun in zwei konkreter gefassten Ausdrucksformen darstellen: Bei Kindern und Jugendlichen als Verkehrserzogenheit, bei Erwachsenen als Verkehrsbildung, erzielt einerseits durch die Verkehrserziehung, andererseits durch die Verkehrsbildung, welche beide als Möglichkeiten der Verkehrsbeeinflussung im Sinne Bildung (neben der Gestaltung) zusammengefasst werden.

 

Es ist gleich zu beachten, dass der Begriff Verkehrsbildung zweideutig ist: Er drückt sowohl die Tätigkeit, das Bilden, als auch das Resultat, die Bildung aus, welche wiederum enger und weiter, als Bildung bei Erwachsenen oder als Bildung des Menschen im allgemeinen aufgefasst werden kann - In dieser Arbeit wird der Gebrauch verschieden sein.

 

Die Aufgabe der Verkehrsbildung

 

"Dem Verkehrsteilnehmer sind diejenigen notwendigen Einsichten und Fähigkeiten (vom Verf. gesperrt) zu geben, welche dazu führen sollen, sich in allen Belangen des Strassenverkehrs so zu verhalten, dass man seine Mitmenschen und sich nicht gefährdet" (Zeitz, 1960, 63).

 

 

Verkehrsbildung im weiteren Sinne beinhaltet Reife, Tüchtigkeit (Tauglichkeit), Zuverlässigkeit, Disziplin, Angepasstheit bei Kindern und Jugendlichen wie bei Erwachsenen, welche basieren auf Erfahrung, Wissen, Einstellungen, Haltungen, Fähigkeiten, herangebildet durch Anpassung, Übung und Gewöhnung einerseits, Schulung, Instruktion, Belehrung, Unterrichtung, (-Kunde), Information und Aufklärung andererseits.

 

Verkehrsbewusstsein heisst: Kenntnis der Bedeutung all dieser Begriffe und Faktoren.

 

Im Verkehrsklima, das möglichst angenehm sein sollte, welches von allen andern Faktoren beeinflusst wird und seinerseits alle andern Faktoren wieder beeinflusst, spielt sich alles ab.

 

Es kann hier nicht darum gehen, die Begriffe noch strenger hierarchisch zu ordnen, weiter zu ergänzen, jeden einzelnen exakt definitorisch zu bestimmen und vom anderen abzusetzen; das wird je nach Notwendigkeit in den folgenden Kapiteln erfolgen; vorderhand ist eine Einordnung ausreichend. Einzig zum Begriff Verkehrsbildung sei angemerkt:

Wenn sie notwendig ist für den Verkehrsteilnehmer, ist sie in genau demselben Masse auch notwendig für die "bildenden" Instanzen - das wird allzuhäufig und gern übersehen.

 

 

2.2. Der Begriff Verkehrsbildung

 

Das es Begriffsverwirrung und -unklarheiten gibt, ist üblich. Wenn sie aber in solchem Masse zutage treten wie in der Verkehrspsychologie, ist das betrüblich.

 

In der bereits ansehnlichen Menge von Publikationen auf diesem Gebiet zeigt sich deutlich eine unverkennbare Scheu, die Dinge beim Namen zu nennen, dass sich nämlich Autoren und verantwortliche Instanzen keineswegs um Klärung der gewiss komplexen Sachlage bemühen. Nur so konnte es geschehen, dass eine solch heillose Verwirrung um den Begriff Verkehrserziehung entstand. Statt dass man die Bedeutung des Wortes Erziehung zu erfassen suchte und sich dementsprechend einrichtete, erweiterte man, sehr souverän, diese Bedeutung, indem man sie vom ursprünglichen Bereich "Kinder und Jugendliche" auf Erwachsene ausdehnte. In keiner anderen Wissenschaft wäre das möglich gewesen.

Diese Aufblähung des Begriffs hatte indessen zur Folge, dass man notgedrungen wieder Einschränkungen treffen, Erklärungen abgeben musste, was unter dem in der Pädagogik genau definierten Begriff nun neuerdings zu verstehen sei. Auf den naheliegenden Gedanken, nach benachbarten, brauchbareren Begriffen Ausschau zu halten, kam man nicht. - Im Gegenteil, man nahm zu ganz abstrusen Ausdrücken Zuflucht.

 

"Nehmen wir uns dazu eines unserer vornehmlichsten Ziele vor: ich meine die Verkehrsbelehrungsbeeinflussung (vom Verf. gesperrt) und die Einführung in eine gesunde, gefahrvorbeugende Verkehrspraxis. Ich benutze hier diese Ausdrücke und nicht 'Verkehrsehrziehung'! Denn dieser Begriff gilt nur für unsere Jugend" (Hofmann, 1961, 123).

 

Dabei wäre das so einfach:

 

1. Bei der Aufklärung, Belehrung oder Wissensvermittlung bei Erwachsenen in Volkshochschule, in Kursen und Tagungen, Diskussionen, Vorträgen und belehrenden Gesprächen sowie am Bildschirm, käme niemand auf die Idee, von Erziehung zu sprechen, sondern es heisst hier: berufliche und allgemeine Weiterbildung, Fortbildung, Fachausbildung.
Für jeden Beruf verlangt man, ganz grundsätzlich eine Ausbildung. Weshalb sollte man in der Verkehrspsychologie nicht auch diesen Begriff der Bildung zur Hilfe nehmen, zumal er, der vielschichtigen Problemlage angepasst, sehr dehnbar, wandlungsfähig und weitreichend ist, was einerseits sehr angenehm ist, andererseits zu neuen Unklarheiten Anlass geben dürfte.

 

2. Ziel jeder Erziehung und Wissensvermittlung in der Schule ist die sogenannte Allgemeinbildung, zur Bewältigung allgemeiner Lebensprobleme. Der Lehrplan der Volksschule des Kantons Zürich beispielsweise definiert:
"So ist die Volksschule eine Stätte allgemeiner Menschenbildung. Wohl soll sie ein gewisses Mass von Kenntnissen und Fertigkeiten vermitteln, die notwendig sind für ein gedeihliches Fortkommen im Leben. Wahre Menschenbildung offenbart sich aber nicht ausschliesslich im Wissen und Können; ihr charakteristisches Merkmal liegt vielmehr in der Harmonie eines lauteren Innenlebens und des Handelns, das stets auf das Wohl des Ganzen gerichtet ist und nie das Licht zu scheuen braucht" (Volksschule des Kantons Zürich, 1905; nach Zeitz, 1960, 70).
Für die Bewältigung des Strassenverkehrs ist - analog dazu oder als integrierender Bestandteil von ihr - eine Verkehrsbildung notwendig und deshalb erstrebenswert. Sie kann mittels Verkehrserziehung, welche die Instruktion wie die Errichtung einer moralischen Haltung umfasst, erzielt werden.

 

3. Der Begriff Bildung ist nur im positiven Sinne vorbelastet. Er erweckt nicht sogleich, wie Erziehung Vorstellungen von Schulzwang und Dressur, ruft auch nicht bei Erwachsenen - ausser Verbildung, Byldung - Gedanken an "etwas für Kinder, Unreife" hervor, sondern an eines der edelsten und umfassendsten Ziele der Menschheit, an etwas, das Kultur und Zivilisation überhaupt ermöglicht.

 

4. Von einem gebildeten Menschen - hier also der Begriff in einer anderen Färbung - nimmt man an, dass er seine Aggressionen im Privatleben still, introjiziert abreagieren kann, verantwortungs- und risikobewusst, also besonnen handelt; man erwartet von ihm Fairness, Rücksicht, Beherrschtheit und Geduld, alles Eigenschaften, die im Strassenverkehr ebenfalls oder gar besonders gefordert scheinen.

 

5. Sachlich ist der Begriff für Belange der Erwachsene zutreffend: Verkehrsbildung als Lehrtätigkeit kann an bereits erzogenen Personen stattfinden, die sich nur noch leiten und beeinflussen lassen, in ihren Charaktereigenschaften und in ihrer Anpassungsfähigkeit - zum Teil wenigstens - nicht mehr verändern lassen. Diese, wie manche anderen Eigenschaften und Fähigkeiten, lassen sich nur wenn sie in "guter" Form vorhanden sind, auch im Verkehr freilegen, zu einer Bereitschaft ausbilden, die bewusst gepflegt wird, und welche sich in Haltung und Einstellung äussert.
Dass dies notwendig ist, zeigt die Beobachtung, dass viele Erwachsene, die sich im gemeinschaftlichen Geschehen geschmeidig und gentleman-like bewegen, sich im Verkehr oft verklemmt und gehässig zeigen, sich in rücksichtslose Raser verwandeln; dass ein "ungehobelter Kerl" sich hinter dem Volant in einen Kavalier verwandle, nimmt man schon gar nicht an, man könnte möglicherweise aber hier auch Überraschungen erleben.

 

Aus diesen Überlegungen heraus folgt die Postulierung des Begriffes

 

Verkehrsbildung (verbal wie substantivisch):

im umfassenden Sinne Verkehrserzogenheit bei Kindern und Jugendlichen und Verkehrsbewusstsein bei Erwachsenen

oder ihre Einrichtung, im engere Sinne die Beeinflussung (oder Erziehung) der Bereitschaft zum verkehrsangepassten Verhalten beim erwachsenen Verkehrsteilnehmer, sowie diese Bereitschaft selber beinhaltend.

 

Autoritätsschwund

 

"Die Aufgabe der Schule ist um so schwerer, als sie gegen Kräfte angehen muss, die ihr an Kraft und Wirkung weit überlegen sind. Sie soll Jugend zum gesitteten Verhalten erziehen in einer Gesellschaft von Erwachsenen, die selber noch keine geordneten Lebensformen wiedergefunden hat, die mit dem Problem der Technik selber noch nicht fertig geworden ist und die der jungen Generation täglich und stündlich in aller Öffentlichkeit schlechte Beispiele gibt ...

Die mangelnde Verkehrsdisziplin ist ein Symptom des Autoritätsschwundes unserer Zeit. Es ist bedenklich, dass sich die erwachsene Generation so wenig Rechenschaft ablegt über die Wirkung und Verherrlichung von Brutalität und Rücksichtslosigkeit im öffentlichen Leben. ... Viele Zivilisationsveranstaltungen mit ihrer faszinierenden Technik beeindrucken die junge Generation stärker, als die Schule es kann ..." (Rönnebeck, 1957).

Seite 42

 

 

 

Seiten 55-65

 

3.4. Die heranwachsende Jugend

 

Die jungen Menschen zwischen 14 und 18 Jahren (Jugendliche) und zwischen 18 und 21 Jahren (Heranwachsende) befinden sich in, einen Mittelstellung. Zum Teil besuchen sie noch eine (höhere) Schule zum Teil stehen sie schon im Erwerbsleben, wobei meist der halbtageweise Besuch einer Berufsschule nebeneinhergeht. Gemeinsam ist bei ihnen der Drang zum Führen oder gar Besitz eines Automobils.

 

Mittelstellung heisst für uns: was die höhere oder Berufsschule dazu beitragen kann - im mehr moralischen und verkehrskundlichen Sinne - wurde im vorhergehenden Abschnitt [3.3. Verkehrserziehung in der Schule] behandelt, was die Ausbildung zum Motorfahrzeugführer betrifft, wird im nächsten Kapitel kurz (in Stichworten) behandelt. Es sei deshalb an dieser Stelle auf eine eingehendere Schilderung, der gewiss mit den beiden andern Altersstufen (Schüler und Erwachsene) nur sehr bedingt gleichgelagerten Problematik verzichtet.

 

Es spielen hier vor allem einerseits die Faktoren Pubertät und Adoleszenz, andererseits die noch grosse Beeinflussbarkeit, Lern- und Auffassungsfähigkeit dieser Altersstufe, sowie drittens der Eintritt in die Erwachsenenwelt (Massenkommunikations-, Publikationsmittel, Prestige und Macht, wie deren Anbetung und Verherrlichung) eine grosse Rolle.

 

 

3.5. Erwachsene

 

Wenn die Verkehrserziehung oder Verkehrsbildung in der Schule hauptsächlich eine pädagogische (und didaktische) Aufgabe und Angelegenheit ist, so gehört die Verkehrsbildung der Erwachsenen beinahe ausschliesslich in den Aufgaben-Bereich der Psychologie.

Es drängt sich dabei gleich eine Unterscheidung nach Möglichkeit und Notwendigkeit auf:

 

 

3.5.1. Notwendigkeit

 

Die Notwendigkeit weist zwei Aspekte auf:

 

"a) Die heute lebenden Erwachsenen wuchsen in einer Zeit auf, deren Verkehrsdichte in keiner Art und Weise mit der heutigen verglichen werden kann. Die 'Verkehrserziehung' muss ihnen die Anpassung an diese neuen Verhältnisse erleichtern.

b) Es ist damit zu rechnen, dass der Verkehr sich weiter wandeln und anwachsen wird. Die Verkehrsregeln, Strassenverhältnisse, usw. ... werden immer wieder modifiziert werden müssen. Daraus folgt:

 

Die beste Verkehrserziehung in der Schule kann die 'Verkehrserziehung' der Erwachsenen nicht ersetzen.

Im Gegenteil: Verhaltensregeln, die in der Jugend gelernt wurden, sind ziemlich konsistent. Die 'Verkehrserziehung' der Erwachsenen hat also auch in Zukunft die Aufgabe:

 

1. Dem Verkehrsteilnehmer die Anpassung an jeweils neue Verhältnisse zu erleichtern und

2. vor der Laxheit im Verkehr zu schützen. Immer wieder muss der Verkehrsteilnehmer darauf aufmerksam gemacht werden, dass er in seiner Aufmerksamkeit nicht nachlassen darf" (H. Müller, 1965, 3).

 

Die Untauglichkeit des Begriffes Verkehrserziehung zeigt sich hier besonders deutlich in der Setzung in Anführungszeichen; der hilfreiche Begriff Verkehrsbildung wurde nicht herbeigezogen, er sei also in den folgenden, recht einseitigen und heftig formulierten Zitaten immer stillschweigend ergänzt.

 

 

3.5.2. Möglichkeit

 

Zur Möglichkeit der Verkehrsbildung von Erwachsenen:

 

"In der Erziehung haben wir gewöhnlich mit Kindern und Jugendlichen, im motorisierten Strassenverkehr mit Erwachsenen zu tun.

Wenn wir mit den modernen Methoden der Werbung und Massenbeeinflussung auf die Verkehrssicherheit Einfluss gewinnen wollen, müssen wir von der paradox klingenden Feststellung ausgehen, dass wir eigentlich nur mit erzogenen Strassenbenützern Verkehrserziehung treiben können" (Peter, o. J., o. S.; zitiert nach H. Müller, 1965, 1).

 

"- das Kennen der Verkehrsregeln, der Rechte und Pflichten ist eine Sache der reinen Information;

- das Wahrnehmen der Rechte und Pflichten (und der mögliche, situationsgebundene Verzicht darauf (der Verf.)) hängt von der sozialen Anpassungsfähigkeit und -bereitschaft ab;

- Anpassungsfähigkeit und -bereitschaft hängt ab von der Persönlichkeit des einzelnen, d. h. sie sind 'Produkt', nicht Basis oder Voraussetzung der Erziehung. Wer nicht in seiner Kindheit ganz allgemein dazu erzogen wurde, wird schwerlich durch noch so raffinierte Verkehrsaktionen dazu erzogen werden.

 

'Verkehrserziehung' ist also nicht Erziehung im eigentlichen Sinne des Wortes.

 

Damit ist das Paradoxe im Begriff 'Verkehrserziehung' aufgedeckt: Soziale Anpassungsfähigkeit ist ein Ziel der Erziehung, für das aber, was wir als 'Verkehrserziehung' bezeichnen ist sie Voraussetzung.

 

H. Peter fordert deshalb kurz: 'An Fahrzeuglenker, die zur Rücksichtnahme nicht fähig oder willens sind, braucht man keine pädagogischen Bemühungen zu verschwenden: Sie gehören überhaupt nicht auf die Strasse' "(H. Müller, 1965, 1, 2).

 

Die heillose Vermengung der Begriffe und Ziele ist offensichtlich; man sieht, wie wichtig die richtige Begriffswahl ist - gerade wenn es sich um ein derart diffiziles Problem wie die Erwachsenen-"Erziehung" handelt. Ein unglücklich gewählter Ausdruck kann noch so gut gemeinte Erörterungsvorschläge verderben und bei den Angesprochenen gleich von Anfang an einen unüberwindbaren Widerstand hervorrufen.

 

"Zeige mir, wie du fährst …"

 

"Zeige mir, wie du fährst, und ich sage dir, wer (wes Geistes Kind) du bist",

oder wie es in den USA in umgekehrten Sinne in Gebrauch ist:

"A man drives as he lives".

Seite 117

 

 

 

Nachdenklich stimmt die Feststellung: Gewisse Menschen gehören überhaupt nicht hinter ein Steuerrad. Eine harte, aber vermutlich recht zutreffende Forderung. Genauso wie andererseits die stereotyp wiederholte Formulierung: "Ich habe ... die Erfahrung gemacht, dass sich Jugendliche wenig, Heranwachsende kaum und Erwachsene überhaupt nicht erziehen lassen" (Schwabe, 1961, 91).

 

Es wird ihnen (vor allem auch den Erwachsenen) zwar noch recht oft zugestanden, dass sie sich beeinflussen liessen (z. B. durch Reklame, tiefenpsychologisch fundierte Werbung, Meinungsbildung durch Presse und Fernsehen); weshalb aber sollten sie sich nicht im Sinne einer (Verkehrs-) Bildung beeinflussen, also bilden lassen (wenn man unter diesem Ausdruck nun wirklich etwas ganz anderes, verschiedenes von "Erziehung" versteht)?

 

Oder: Lassen sich Erwachsene zwar gewöhnen, möglicher weise gar umgewöhnen und sogar belehren, aber wollen sie nicht aufgeklärt werden; oder umgekehrt: lassen. sie sich gerne aufklären, aber nicht belehren? Sollte man aus diesem Grund lieber den neutralen Begriff "informieren" herbeiziehen (obwohl unter Verkehrs-Information -leider - wiederum etwas, was von der Sache wegführt, verstanden wird)?

 

Abgesehen von den Begriffsunklarheiten in diesem Belang und der besonderen Färbung und affektiven Tönung einiger Ausdrücke, samt allem, was damit zusammenhängt, davon bezeichnet wird, bestehen noch recht wenige Anhaltspunkte dafür, was Erwachsene eigentlich (mit sich geschehen lassen) wollen und (selbst dazu beitragen) möchten.

Die Kinder-, Jugend- und Entwicklungspsychologie gibt uns zwar detaillierteste Auskünfte über kindliches und jugendliches Streben, Tun und Lernen, über Erwachsene sind die psychologischen Angaben noch (allerdings nur in besonderen Belangen) spärlich.

 

Verliebt: "Der Führer eines Motorfahrzeuges …

 

erfährt eine magische Wandlung zu einem Wesen mit erhöhtem Lebens-, Lust- und Machtgefühl. Ist diese auch Bestandteil einer harmlosen Freude am Fahren, so enthält sie auch harmvollere Seiten: Den Anreiz zum Wetteifern, zum Sich-Messen, zum Ausstechen des anderen, der damit zum Gegner wird. Rücksicht und Höflichkeit dürften daraus nicht profitieren!

 

In der heutigen westlichen Welt ist aber das Auto mit seiner enormen Verbreitung längst nicht mehr nur Fortbewegungsmittel, sondern weitgehend auch Merkmal gesellschaftlichen Ranges. Dem alten 'Kleider machen Leute' kann ein 'Autos machen Leute' zugeordnet werden. Die tiefgreifende zwischemenschliche Bedeutung beider Requisiten findet ihren Ausdruck im persönlichen Stil im Reich der Mode, der beide beherrscht.

Die äussere Erscheinung eines Wagens und seine dynamischen Qualitäten zeigen nicht nur Zweckmomente an, sondern in das Fahrzeug übertragene Persönlichkeitsmerkmale des Besitzers. Nicht selten kommt es zu einer auffallenden Identifikation, zu einer Art Verliebtheit, zu einem Umgang wie mit einem Kleinod oder Spielzeug …

 

Diese gefühls- und lustbetonten Seiten des modernen Motorfahrzeuges können zu Sucht verleiten. Neben Alkohol-,Nikotin-, Medikamentensucht, neben Roman-, Kino-, aber auch Arbeitssucht ist die Auto- und Temposucht eine heute verbreitete Krankheit gewordene Es gibt Menschen, die stunden- und tagelang ziellos herumfahren in einem krankhaften Drang, eine innere Leere oder aggressive Impulse abzureagieren. Übertrieben lustbetont ist die Beziehung zum Motorfahrzeug besonders bei jugendlich oder kindlich gebliebenen Menschen, wenn auch der reife Mensch am Ästhetischen eines Wagens wie etwa an einem schönen Kleid oder einem Kunstwerk Gefallen finden kahn (Walther, 1962, 36-37).

Seite 89

 

 

 

3.5.3. Notwendige Differenzierungen

 

Zwei grosse Handicaps zeigen sich also sehr schnell bei der Erwachsenenbildung:

 

1. Die Schwierigkeit des Ansprechens: Soll man belehrend, unterhaltend, aufklärend, informierend, anweisend, instruierend oder bildend an die Erwachsenen herangehen?

 

2. Das beinahe noch grössere "Leider": Vielfach gemachte und bestätigte Feststellungen haben gezeigt, dass diejenigen, welche man eigentlich (verkehrs-) bilden möchte, sich gar nicht ansprechen lassen (auch nicht unbewusst), dass gerade sie, auf die die Appelle von Rücksicht und Vorsicht, von. Höflichkeit und Ritterlichkeit, usw. eindringlich gerichtet sind, sich davon weder beeinflussen, noch belehren und bessern lassen, ja dass sie diesen Aktionen keine Aufmerksamkeit und Beachtung schenken. Man nennt sie die "Unverbesserlichen", die ewigen "Dränger", nervöse "Haster", usw.
Rowdies und rücksichtslose Raser scheren sich gerade nicht um die wohlmeinend und sorgfältig angelegten "Verkehrsbildungsaktionen", uneinsichtige und sture Immerfort-Besserwisser fahren

a) genauso rücksichtslos, unhöflich und gemeingefährlich wie ohne Aktionen

b) überhaupt noch mit einem (eigenen) Fahrzeug, obwohl sie eigentlich aus körperlichen (Nervosität, Krankheit, Übermüdung, Alter) und seelischen Gründen (Skrupellosigkeit, Geltungsstreben und was der vielzitierten Ausdrücke mehr sind) gar nicht hinter ein Steuerrad gehörten, zum Teil auch nicht einmal nach polizeilichen Bestimmungen.
Dass man manchmal ein Auge zudrückt und sich vor rigoroser Kontrolle und Überwachung scheut (aus Zeit- und finanziellen Gründen), rächt sich so, dass auch "Unschuldige" darunter zu leiden haben, betroffen werden.

 

Deshalb ist eine nicht geringe Skepsis über Notwendigkeit und Möglichkeit von Verkehrsbildung am Platz: Man soll sich nicht selbst täuschen über Erfolge, die man erzielen möchte. Wunschgedanken verfärben oft das reale Bild. Frohlocken - zwar viel geübt - ist selten angebracht.

 

Zusammenfassend also: Die grundlegende Notwendigkeit der Verkehrsbildung ist keineswegs erwiesene. Eine Grundlagenklärung darüber täte not. Und zwar aus der Feststellung, dass Appelle nur zu den Ohren der "bereits Anständigen, rücksichtsvoll und angepasst Fahrenden" gelangen.

 

Es bleibt die Frage offen, ob nicht die dafür aufgewendeten finanziellen und arbeitsmässigen Mittel nicht anderswo, nämlich in:

  1. der Fahrschüler-Ausbildung
  2. der Fahrtechnik-Weiterbildung oder -Vervollkommnung
  3. der Korrektion von Strassenzügen, Kreuzungen, Sichtverhältnissen, Signalisationen, usw. und
  4. der sicheren Konstruktion der Fahrzeuge,

besser angewendet wären.

 

Es ist natürlich klar, dass man nicht vollständig auf Verkehrsbildung verzichten soll, nein, keineswegs, aber man muss sich immer vor Augen halten, dass man:

 

1. nur einen ganz bestimmten Teil der Bevölkerung damit anspricht, einen wachen Teil, der sich auch sonst, auf andern Gebieten als Erwachsener bilden lässt und lassen möchte (Volkshochschule, Fernsehkurse, berufliche, allgemeine Fort- und Weiterbildung), und der daher infolge seiner Offenheit nach allen Seiten, sich meist gelöst und elastisch, anpassungsbereit und damit möglicherweise auch anständig im Verkehr verhält, und

 

2. aus diesem Grund die Anweisungen und Hilfen, welche die Verkehrsbildung geben möchte, in einem andern Ton hält, dass man sich weder eines gehässigen noch gereizten Tones bedient, sondern auf anständige und gediegene Weise die auffassungsfähige Bevölkerung anspricht.

 

Denn richtig verstandene Verkehrsbildung ist nicht Erziehung noch Instruktion, sondern: Weisung, Leitung, Hilfe,

Orientierung, Aufklärung, Information,

und als solche soll sie auch von den verantwortlichen Instanzen gehandhabt werden" nicht als flammende Aufrufe, drohende Appelle, moralisierende Warnrufe.

 

Genau wie wir nie vergessen sollen, wenn wir Erziehung treiben, dass wir uns an Kinder und Jugendliche wenden, so dürfen wir nie aus den Augen verlieren, dass wir es bei der Verkehrsbildung immer mit Erwachsenen, mit volljährigen, meist wachen, teilweise aufgeschlossenen, noch lernbegierigen, in den jüngeren Jahren noch "bildungsfähigen", anpassungsfähigen und für Hilfeleistungen und -reichungen, für Hinweise und Erklärungen meist dankbaren und verständnisvollen Menschen zu tun haben.

 

 

3.5.4. Verkehrsbildung

 

I. Ihr Platz

 

1. Neben den instruktiven Teil der Fahrschule gehört vermehrt Aufklärung für das Verständnis von Maschine-Technik, Gesetz-Verkehrsregelung, Vorsicht-Rücksicht, Beherrschung-Entspannung dazu.
Erklärung also von technischen, physikalischen, rechtlichen und ethischen Fragen.

 

2. Weiterbildungskurs zur Vervollkommnung der Fahrtechnik. Als

a) Samariterbildung

b) Verstehen der Notwendigkeit von Ineinandergreifen von technisch-manuellem Können, Wissen und Verantwortung.

c) Festigen der gleichbleibenden Reaktionsweisen, Kennenlernen und Üben neuer (hier also Verkehrsbildung als ethische wie als sachlich-technische Weiterbildung).

 

3. Presse, Rundfunk, Film, Fernsehen, Plakate, Kurse.
Als sachliche Information, Erklärung. Als Wieder-in-Erinnerung-Rufen von bewährten Kernsprüchen, Verhaltensregeln.

 

(4. Schule, Berufsschule: Als Ergänzung zu Gewöhnung und Übung, zu Auswendiglernen, Wissen und Nichtverstehen: Erklärung von Sitte, Gesinnung, Gebrauch, von Moral, Anstand, Höflichkeit, Ritterlichkeit, Verzichtenkönnen. Als Vorbereitung auf das spätere Leben.)

 

II. Ihre Bedeutung

 

Nicht nur ethische oder moralische Komponenten enthaltend, sondern genauso Wissen und Können, teils ergänzend (Schule), teils umfassend, also mitbeinhaltend. Dass dabei eine grosse Rolle spielt, wie eng oder weit man den Begriff Verkehrsbildung fasst, ob verbal oder substantivisch, ist klar.

Die Vorteile, welche ein dehnbarer Begriff aber bietet, sind, wie schon einmal betont, nicht zu verachten. Aus diesem Grund ist aber wiederum die Trennung zwischen Erwachsenen und Kindern in dieser Beziehung keineswegs leicht zu ziehen.

 

III. Zusammenfassend

 

Wie die Verkehrsbildung bewerkstelligt werden kann, liesse sich etwa so zusammenfassen:

sinnvolle Orientierung (Aufklärung) und Anerkennung - unterhaltend und humorvoll; gerechte Bestrafung, aber keine Verängstigung (Abschreckung, Drohung, Furchterwecken)!

 

Dazu der Hamburger Oberstaatsanwalt Hellge [am Bundesverkehrswachtkongress 1960 in Berlin]:

"Alle angeführten Beispiele tragen insgesamt einen positiven Charakter. Sie sprechen in humorvoller und aufklärender Weise Erwachsene an, ohne den drohenden Finger als lästiges Zeichen der Verkehrserziehung zu benutzen. Sie machen deutlich, dass es bei Erwachsenen weniger auf die Abschreckung als auf die Aufklärung ankommt. Es ist m. E. sinnlos, eine Unfallbekämpfung derart zu betreiben, dass man die Unfallfolgen dauernd in schwärzesten Farben ausmalt und schon bei kleinen Verkehrsnachlässigkeiten mit scharfen Massnahmen droht in der Erwartung, dass man mit. Furchterwecken einen Menschen zu einem anständigen Verkehrsteilnehmer machen könne.

 

… Schockpropaganda kann nur dienlich sein, wenn sie gelegentlich und vorsichtig angewandt wird. Der wirksamste Weg und die natürlichste Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu wecken, ist eine interessante, ins Auge springende und auch heitere Darstellung.

 

… Bei der Anwendung der Schockmethode sollte bedacht werden, dass Rowdys im Strassenverkehr ohnehin durch derartige Massnahmen nicht beeinflusst werden können. Hier hilft nur eine gerechte Bestrafung.

 

… Bei allen Massnahmen zur Verkehrsbeeinflussung Erwachsener ist es wesentlich, dass sie sich nicht in allgemeinen, lahmen Ermahnungen erschöpfen, sondern gezielt bestimmte Gruppen von Verkehrsteilnehmern mit konkreten Vorschlägen ansprechen.

 

Unsere Aufklärung sollte überhaupt mehr und mehr auf das situationsgerechte Verhalten des Verkehrsteilnehmers ausgerichtet sein, um ihn instand zu, setzen, dadurch Unfälle zu verhüten.... (Es) gilt jedoch, dass wir immer im Auge behalten müssen, die Unfallverhütung im Strassenverkehr zu einer populären Sache zu machen, wie es in den amerikanischen Begriffen 'Safety First', 'Traffic.-Safety' und 'Defensive-Driving' so äusserst wirksam zum Ausdruck kommt ...

 

Jeder Verkehrsteilnehmer sollte hinter seinen Rechten im Interesse der Verkehrssicherheit zurückbleiben, und zwar nicht um die rechtlichen Befugnisse seines Verkehrspartners zu erweitern, sondern um zwischen sich und dem anderen eine Art Sicherheitsstreifen zu legen, den der andere nicht in Anspruch nehmen darf, und den er selbst nicht in Anspruch nehmen will. Er sieht darin eine Verwirklichung des amerikanischen Gedankens 'Fahre defensiv!' " (Hellge, 1961, 113ff.)

 

Zur Frage der Bestrafung:

"Die ... Forderung: 'Verstösse im fliessenden Verkehr sind grundsätzlich, schnell und hart zu bestrafen' muss erfüllt sein, wenn die Arbeit in unserem Sinne bei Heranwachsenden Erfolg haben soll.

… Nun aber zu der Frage, sollen Jugendliche und Heranwachsende wegen Verkehrsdelikte anders bestraft werden als Erwachsene oder nicht? Ich möchte sagen: grundsätzlich nein. Auf keinen Fall darf ein Kraftfahrer dieser Altersgruppe mildernde Umstände zugebilligt bekommen. Weder jugendliches Alter noch seelische Depressionen oder irgendwelche anderen Gründe können einen Verkehrsunfall entschuldigen. Wer nicht die volle Verantwortung für sein Handeln übernehmen will, der setze sich nicht hinter das Steuer! Ein Verkehrstoter kann auch mit den perfektesten tiefenpsychologischen Begründungen der Ursachen nicht wieder lebendig werden.

 

Alle Bemühungen um eine folgerichtige Beeinflussung unserer Heranwachsenden müssen fragwürdig bleiben, wenn bei fehlerhaftem Verhalten keine Bestrafung erfolgt. Und zwar eine Bestrafung nach dem objektiven Tatbestand. Das. mag hart klingen, die grosse Zahl der Verkehrsopfer spricht eine viel härtere Sprache" (Schwabe, 1961, 94-95).

 

"Der Glaube, gerade die schweren Verkehrsunfälle könnten durch härtere Strafen entscheidend vermindert werden, ist weit verbreitet ... In der kurzen Geschichte des modernen Verkehrsrechts sind denn auch die Strafdrohungen kaum jemals abgeschwächt, sondern verschiedentlich verschärft worden; aber der Nachweis, dass dadurch in der Unfallbekämpfung Erfolge erzielt wurden, steht aus …

 

Tatsächlich ruht das Denkschema: Härtere Strafe = intensivere Abschreckung = Rückgang des Unrechts, nicht auf gesicherter Grundlage. Die Rechtsgeschichte zeigt, dass die Strafen, trotz einzelner Gegenbewegungen, im ganzen stets humaner wurden, ohne dass deswegen das Unrecht überhandnahm.

 

... Strafe wirkt nicht unbedingt präventiv, weil sie lediglich schreckt, jedoch Kenntnisse, Fähigkeiten, Gefahrenkenntnis, Verkehrstaktik eines Fahrers nicht verbessert" (Pfister, 1966, 36, 41)

 

Dass eine schnelle und gerechte Bestrafung selbstredend eine wirksame, regelmässig-kontinuierliche Überwachung und Kontrolle des Strassenverkehrs, des Verhaltens der Verkehrsteilnehmer erfordert, sei ergänzend erwähnt.

 

 

Seiten 101-108

 

4.3. Ursachen

 

4.3.1. Unrast, Hast, Ungeduld

 

Eine mögliche Ursache für diese Ratlosigkeit gegenüber den mit technischen gekuppelten ethischen Anforderungen unserer Zeit, also für die in Abschnitt 4.1. angeführten "Ursachen der Verkehrsunfälle und -gefährdungen", für diese scheinbare "Unbelehrsamkeit" und vielzitierte "Charakterlosigkeit", den "Routine-Leichtsinn und das Imponiergehabe", für den "mangelnden Respekt vor den Rechten anderer - andern sich überlegen zeigen - Schnelligkeitsfimmel" (Arnold, 1965, 10, 11) des Menschen im Verkehr, die Unduldsamkeit und die Terrorisierung der Bevölkerung durch … jugendlich-unreife Strassenrowdies … gemeingefährlich kurvenschneidende Raser ... verbrecherische oder rücksichtslose Gesinnung ... Willkür des entfesselten Motors ... schrankenlose Herrschaft des Stärkeren" (Kuhn, 1958, 32, 33, 35, 38), kurz: eine mögliche Ursache für die Nichtbewältigung der Anforderungen des Strassenverkehrs durch den heutigen Menschen, durch die meisten Menschen, wie es oft heisst, oder durch die berüchtigten "Sündenböcke", die "Unverbesserlichen", die wir schon in Absatz 3.5.3. gerne (dafür möglicherweise auf ganz unzulässige Weise) herausgegriffen haben, mag vielleicht - neben der Betonung der "im Charakter der Gesamtpersönlichkeit liegenden Dispositionen (vom Verf. gesperrt)" (Biäsch 1966, 8) daran liegen:

 

"Es handelt sich in der Verkehrserziehung ... nicht nur um ein blosses Lernen der Verkehrsregeln, sondern vielmehr um ein inneres Begreifen. Darum ist es nicht nur entscheidend, wie ich mich nach den gelernten Regeln in dieser oder jener Situation zu benehmen habe, sondern darüberhinaus wie ich meinem Verhalten zum Nächsten von Grund auf eingestellt bin …

 

Unter diesen psychisch wirksamen Kräften im Strassenverkehr (sind zu erwähnen) : Beschleunigungserlebnisse, Geschwindigkeitssucht und Geltungstendenzen, welche zur Dokumentation des Selbstwertgefühles dienen ...

 

(Es) müssen aber all diese psychischen Probleme auf einen viel allgemeineren Hintergrund bezogen werden: sie wurzeln in der Unrast und Ungeduld (vom Verf. gesperrt) unserer Zeit, in einem Unbefriedigtsein und Nicht-warten-Können, in einer Leerheit und Unerfülltheit unseres Daseins. Die Jagd nach materiellem Gewinn und Zeitgewinn steht zu sehr im Vordergrund, verglichen mit geistigen, ästhetischen und sittlichen Wertordnungen" (Brändli, 1965, 38).

 

Eine experimentelle Untersuchung des Verkehrsverhaltens kommt zur selben Schlussüberlegung: "... durch die derzeitige epochal bedingte allgemeine Hast und Unruhe (vom Verf. gesperrt) (wird) häufig eine volle motorische Perfektionierung des Fahrens vereitelt. Wenn sich daher Steuerungsdiskrepanzen auf der inneren Linie zwischen bewusst und unbewusst verbinden mit persönlichkeitslabilen Strukturen, so kann es innerhalb einer Persönlichkeit nicht nur zu einer Summierung, sondern zu einer Potenzierung intrapsychischer Labilität kommen.

 

Dieses wechselnde intrapsychisch dynamische Geschehen erfährt eine wesentliche Steigerung bei bestimmten Persönlichkeitsvarianten mit erhöhter psychischer Labilität, sodass bei Konfrontation instabiler Persönlichkeiten mit schnell wechselnden äusseren Lagen des Verkehrs … labile Funktionskomplexe sich gegenseitig induzieren … und damit die Variabilität der Verhaltensweisen sicherheitsgefährdend verstärken und den persönlichen Fahrstil als betont labil prägen" (Steinwachs, 1965, 25-26).

 

 

4.3.2. Antriebskräfte - innere Leere

 

In einer "Psychologie der Rücksichtslosigkeit" spricht Wilhelm Heinen ebenfalls - zusammengefasst - von folgenden Antriebskräften in Strassenverkehr:

"Hemmungsloser Drang, Triebhaftigkeit,

Mangel an Aufmerksamkeit und Umsicht,

schrankenloses Streben nach Vorrang, aggressive Selbstbehauptung und Rivalität,

Geschwindigkeitsrausch und Schnelligkeitsekstase,

welche oft zur Abreagierung innerpersonaler Spannungen dienen muss.

 

Auch Furcht vor der inneren Leere (vom Verf.gesperrt) und vor der Armut des Selbst kann im Verkehr zum Ausdruck kommen, und schliesslich kann Verkehrsraserei als Quasischaffen und Pseudoleistung empfunden werden und so das Austollen eines ungehemmten und richtungslosen Spieltriebes darstellen" (Brändli, 1965, 37).

 

 

4.3.3. Anonymität und Isolierung

 

Ein ebenfalls wesentlich erscheinender Punkt ist die teilweise Lösung der sozialen und mitmenschlichen Beziehungen und Bindungen in der Anonymitat des Verkehrsgeschehens - und nicht nur dort. Mannigfache Begründungen, Untersuchungen und Erläuterungen liegen darüber vor.

Der Kürze halber eine Zusammenfassung:

 

"Zur Erklarung der Sündhaftigkeit im Strassenverkehr haben Psychologen und Psychiater eine Reihe von Trieben und Komplexen namhaft gemacht, die sich am Fahrzeugsteuer besonders deutlich manifestieren können.

Die Situation wird etwa dadurch gekennzeichnet, dass die Blechhaut, die den Automobilisten umgibt, die nebenmenschlichen Beziehungen unterbricht. Auch der Motorradfahrer, der Radfahrer, möglicherweise sogar der Fussgänger, bewegen sich in einem Milieu des Inkognito und der Anonymität (vom Verf. gesperrt), das ihre Haltung negativ beeinflussen kann.

Der Soziologe fügt bei, dass auf der Strasse gesellschaftliche Strukturen und Bindungen fehlen oder unwirksam sind.

Unmittelbar praktische Konsequenzen haben sich aus solchen Feststellungen bisher nicht ergeben; immerhin unterstreichen sie die Bedeutung des Verkehrsklimas" (Pfister, 1966, 32).

 

 

4.3.4. Unausgeglichenheit

 

"Viele Autoren haben nicht angestanden, sehr weitreichende Schlussfolgerungen über die Persönlichkeit des Unfällers zu formulieren, die sich aber nicht nur nicht decken, sondern in der Mehrzahl sogar widersprechen.

So kommt Böcher, der eine Anzahl von Arbeiten resümiert hat, zu der Überzeugung, '... dass es nämlich nicht die spezifische Unfallpersönlichkeit gibt und dass wohl auch keine Aussicht besteht, eine bestimmte Struktur für verkehrsauffälliges Verhalten verantwortlich machen zu können' (1962).

Jedoch scheint ihm eine Gemeinsamkeit dieser Befunde in folgender Tatsache zu liegen:

'… bei der Durchsicht der angeführten Gesichtspunkte treten immer wieder ausgesprochene psychische Gegensätze hervor, deren Pole in extemer Ausprägung eine gesteigerte Affinität zu Unfällen oder auffälligen Verhaltensweisen im Strassenverkehr erkennen zu lassen scheinen. So finden wir (nach der Literatur (Anmerkung des Autors)) unter den verkehrsauffälligen Persönlichkeiten sowohl Triebstarke wie Triebschwache, Menschen mit ausgeprägter und schwacher Vitalität, aktive und passive Naturen, zögernde und unruhig gehetzte Menschen, depressiv-niedergedrückte und hyperthym-hypomanische Menschen, Ängstliche und Aggressive, Gespannte und Lahme, Willensstarke und Willensschwache, Extra- und Introvertierte, Erregbare wie Unbewegliche und Gelangweilte, solche Probanden, die bei bestimmten Untersuchungen besonders viele und solche, die besonders wenige Fehler machen, Ordentliche und Unordentliche, Menschen ohne Plan und Ziel und Menschen mit übergreifenden Ausrichtungen, usw.' (ebenda).

 

Böcher kommt nun zu dem naheliegenden Schluss, in der Unausgeglichenheit der Persönlichkeitsstruktur die Unfallaffinität zu sehen. Die Verifizierung dieser - durchaus bestechenden - Hypothese dürfte jedoch an definitorischen Schwierigkeiten scheitern, denn wie soll die Ausgeglichenheit bzw. Unausgeglichenheit der Persönlichkeit festgelegt, festgestellt und abgegrenzt werden?

Ein strenger Massstab würde die Mehrzahl der Bevölkerung der Kategorie der unausgeglichenen Persönlichkeitsstrukturen zuweisen, ein zu milder Masstab würde der Entscheidung des Beurteilers eine unzumutbare Verantwortung aufbürden. So wird man dem Zusammenhang zwischen Unausgeglichenheit und Unfallneigung durchaus Evidenz zubilligen, praktischen und wissenschaftlichen Nutzen daraus aber kaum ziehen können" (Hoyos, 1965, 93-94).

 

Also: "Einer ausserordentlichen Abstraktion auf der Seite.des zu erklärenden Verhaltens steht eine ähnliche Abstraktion auf der Seite der Prädikatoren gegenüber, die man zur Erklärung herangezogen hat.

So findet man in den einschlägigen Untersuchungen solche allgemeinen Variablen wie Neurotizismus, emotionale Stabilität, charakterliche Zuverlässigkeit, Beweglichkeit, Konzentration, Aggressivität, usw. als Begriffe mit angeblich erklärendem Wert für das Verkehrsverhalten.

Man gewinnt nicht immer den Eindruck, als hätten die Untersucher die fraglichen Variablen aus einer vertieften Einsicht in den Ablauf des Verkehrsgeschehens gewonnen, sondern offenbar wurden die Variablen nach dem Versuchs- und Irrtumsprinzip ausgesucht. Man dachte sich wohl, in einem engmaschigen Netz von Persönlichkeitsvariablen würde wohl auch der Unfällen hängen bleiben.

 

Es !legt nahe, der Forschung Auftrieb zu geben, indem man diese Einseitigkeiten überwindet ... Meines Erachtens kommt es darauf an, Sachverhalte miteinander in Beziehung zu setzen, die in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang stehen. Dazu sind alle in der konkreten Verkehrssituation auftretenden Komponenten, im einzelnen die Beschaffenheit, die Disposition der Fahrers, seine Entscheidungen und seine Stellungnahme, seine Stimmung, seine Fertigkeiten, seine Kenntnisse und seine Zielsetzung" (Hoyos, 1965a, 21).

 

 

4.3.5. Die Bedeutung der Biographie

 

"Während die vorgenannten Untersuchungen von aktuellen Befunden zur Persönlichkeitsstruktur ausgehen, hat eine Reihe von Autoren die Biographie des Kraftfahrers auf ihre Beziehung zum Verkehrsverhalten untersucht …

 

(Tillmann und Hobbs, 1948-49) … befragten in einer Untersuchung die Taxenfahrer nach ihrer frühen Umwelt und ihrer Kindheit, indem sie die Zahl der geschiedenen und disharmonischen Elternehen sowie Ängste und Aggressionen in der Kindheit und Schwierigkeiten in der Schule eruierten. Wie sich dabei zeigte, waren Fahrer mit Unfällen erheblich mehr durch neurotische Züge in der Kindheit, Disziplinschwierigkeiten in der Schule, berufliche Schwierigkeiten und andere soziale Auffälligkeiten ausgezeichnet …

 

Diese Befunde wurden in bezug auf die soziale Anpassung … durch McFarland und Moseley (1954)... bestätigt, die daher zu der Überzeugung kommen, dass biographische Daten am ehesten geeignet seien, die Neigung zu Unfallen vorauszusagen ...

 

In einigen Untersuchungen wurde besonders der Zusammenhang zwischen allgemeiner Kriminalität und Verkehrsstraffälligkeit, z. T. mit besonderer Berücksichtigung der Trunkenheitsdelikte, erarbeitet und bestätigt ... Undeutsch (1962) kommt daher zu der Folgerung, 'dass die Fähigkeit zum weitgehend unfallfreien Fahren bzw. die Tendenz des einzelnen Fahrers, Unfälle herbeizuführen bzw. in Unfälle verwickelt zu werden, weitgehend abhängig ist von der Intaktheit dessen, was man die 'sozial-kulturelle Persönlichkeit' nennt. Sie ist zu verstehen als der Inbegriff der im Erziehungs- und Bildungsprozess integrierten Normen. Es handelt sich dabei um diejenigen unbewussten oder bewussten Einstellungen, Bereitschaften und Instanzen der Persönlichkeit, welche von dem Normenkodex einer bestimmten Gesellschaft in einer spezifischen Weise geprägt wurden und welche die Lenkung des Verhaltens im Sinne dieses Kodex allgemein garantieren.'

 

Diese Formulierung lässt sich mit der Folgerung Böchers vergleichen, der die unausgeglichene Persönlichkeit als disponiert für Verkehrsunfälle betrachtet. Sie unterliegt damit auch dem Nachteil, zu abstrakt und allgemein zu sein und für praktische Zwecke so gut wie keine Handhabe zu bieten ...

 

Die Grenze der genannten Untersuchungen liegt in dem Mangel an erklärendem Wert. Wenn auf die Beziehungen zwischen Verkehrsstrafen und sonstigen Strafen hingewiesen wird, so ergänzt man damit vornehmlich das Syndrom des unangepassten Menschen, der sozial-kulturell nicht intakten Persönlickeit. Damit wird die zweifellos wichtige Hypothese unterstützt, dass Misserfolge und Versagen in einem Lebensbereich auch Schwierigkeiten in anderen Bereichen nach sich ziehen" (Hoyos, 1965, 100-102).

 

"Als Lichtblick in der verkehrspsychologischen Persönlichkeitsforschung erscheint (also) allein der Erfolg der biographischen Methode" (Hoyos, 1965a, 21).

 

Wichtig ist also: "Mangelndes Anpassungsvermögen in sozialen, gesellschaftlichen und normativen Belangen" (also das sogenannte "allgemeine Anpassungssyndrom") sind in sehr starkem Masse abhängig - das ist zwar in der Psychologie schon seit Jahrzehnten bekannt - von "altersabhängigen Variablen, wie Länge der Fahrpraxis in Jahren, Militärdienst, Familienstand (vom Verf. gesperrt)" (Hoyos, 1965a, 21 und 1965, 97).

 

W. Winkler betont ebenfalls:

"Sowohl für die Theorie der Unfallentstehung als auch für die Frage der geschlechtsspezifischen Einflüsse auf das Verkehrsverhalten dürfte die Beobachtung des Familienstandes von Interesse sein ... (Tabellen lassen) erkennen, dass in einschlägigen Untersuchungen Informationen über den Familienstand unbedingt mit aufgenommen werden sollten. Hinweise dafür sind schon mehrfach erfolgt, sie wurden aber offenbar nur selten aufgegriffen.

Familienspezifische Gefährdungen wirken sich auch über die Kinder aus gestörten Familien auf das Unfallgeschehen aus … Hier dürften auch Ansätze für die Entwicklung von sicherheitsstörenden oder sicherheitsbegünstigenden Einstellungen und Haltungen gegeben sein" (Winkler, 1965, 218-219).

 

Zu präzisieren ist einzig: Die erzieherische Haltung der Eltern und die damit altersabhängige Erwerbung und Dominanz bestimmter Einstellungen der Kinder wirkt sich im Hinblick auf das (spätere) Verkehrsverhalten weniger auf die Angepasstheit der Verkehrsteilnahme als auf das Risikoverhalten aus (nach Winkler, 1965, 192).

 

 

Seiten 111-114

 

4.4.2. Anpassung der Technik + Regelung an den Menschen .

 

Die Erleichterung der Verkehrsbedingungen, betreffend: Fahrzeug, Strasse, Regelung, steht also im Vordergrund. Sie ist notwendig und sehr wohl möglich, in sehr viel grösserem Masse als bisher - allerdings mit einem immensen Aufwand an arbeitsmässigen und finanziellen Mitteln.

 

Von der Vereinheitlichung der Instrumenten-Bedienungsknöpfe zum Heckscheibendefroster bis zum Ansprechen aller Bremsen auf die selbe Art und am selben Punkt gehen die Forderungen, die sich wohl erfüllen liessen. Zweierlei Ist aber hierbei zu beachten:

 

Erstens:

Der Hinweis auf die "Wünsche des Publikums", das lieber Chrom, Glanz und Prestige sehe ale Sicherheitseinrichtungen, ist mit Vorsicht aufzunehmen; der Geschmack des Publikums könnte sich vielleicht doch formen lassen und vor allem: er ist doch von den Autoherstellern bereits sehr ausgeprägt geformt ("manipuliert") worden. Darüber bestehen wohl wenig Meinungsverschiedenheiten. Zudem ist klar, dass niemand sehr gerne zugibt, dass es ihm in erster Linie ums Geschäft, um Gewinn oder Profit geht.(obgleich das durchaus legitim ist und schon immer war), und erst in zweiter Linie um "menschenfreundliche Anwandlungen", um Sicherheitsbestrebungen; ganz abgesehen .davon, dass sich diese letzteren nur durch gemeinsame Aktionen aller Automobilhersteller "populär'' und kaufwirksam machen liessen …

 

Zweitens:

Es wird auch in der Betriebs- und Arbeitspsychologie mit übereinstimmender Regelmässigkeit betont, dass es finanziell oder ökonomisch doch günstiger, vom Aufwand her weniger umständlich und umfangreich, also leichter sei, technische Verbesserungen zur Sicherung irgendeines Arbeitsplatzes vorzunehmen, als den Menschen zu einer, bestensfalls sporadischen und von Dutzenden von Faktoren beeinflussten, Beachtung und Einhaltung von Sicherheitsvorschriften zu bequemen, zu bilden.

Dass diese Gestaltung der Hilfsmittel auf psychologischer (und physiologischer) Basis zu erfolgen hat, ist klar.

 

Drittens:

"Bedenkt man, wie stark bauliche Massnahmen, zum Beispiel Autobahnen, die Zahl der Unfälle herabsetzen können, so zögert man, den menschlichen Unfallursachen einen so grossen und allen andern nur einen so kleinen Anteil zuzuschrieben.

Tatsache aber ist, dass der Mensch Mängel der Situation, der Strasse, des Fahrzeuges, der Witterung, der Verkehrsordnung, in erstaunlichem Masse kompensieren kann; die Zahl der Verhaltensfehler und Unfälle wächst aber regelmässig mit den äussern Widerwärtigkeiten" (Pfister, 1666, 38).

 

Der Vollständigkeit halber einige Andeutungen:

"Von seiten der Fahrzeughersteller stellt man sich auf die Befriedigung sorgfältig analysierter Käufermotive sozialpsychogischen Inhalts mit grösserer Treffsicherheit ein als auf den Schutz des 'Arbeitsplatzinhabers' vor Gefahren ...

 

Die Unfallstatistik zeigt deutlich die Grenzen menschlicher Leistungsfähigkeit. Das stellt die Verkehrstechnik vor die Aufgabe, in Strassenbau und Fahrzeugkonstruktion Lösungen zu finden, die den Eigenarten menschlicher Leistung gerecht werden und ihren typischen Fehlern zuvorkommen.

Insbesondere der Strassenbau der letzten Jahre zeigt, dass solche Lösungen möglich und praktikabel sind. Disziplinen wie die Physiologie und Psychologie können dabei von Nutzen sein, indem sie Grundlagen über die menschlichen Sinneswahrnehmungen und Verhaltensweisen beisteuern.

 

Strassen- und Fahrzeuggestaltung sollen dazu dienen, Verkehrsfluss und Fahrsicherheit zu verbessern. Der psychologische Beitrag zur Fahrbahngestaltung stützt sich weitgehend auf Überlegungen, die den Gesetzen der Gestaltpsychologie entnommen sind. Eine in diesem Sinne prägnantere Gestaltung der. Fahrbahn an Kreuzungen, Einmündungen, bei abknickender Vorfahrt, im Kreisverkehr und auf freier Strecke verbessert Erkennbarkeit und Übersicht.

Die verschiedenen Arten von Leiteinrichtungen sind dabei von, besonderer Wirksamkeit, die mit dem Begriff der optischen Führung treffend umschrieben worden ist.

Leider sind die konventionellen Mittel der Fahrerinformation, die Verkehrsschilder, noch in mehrfacher Hinsicht verbesserungsbedürftig.

 

Der psychologische Beitrag für die Kraftfahrzeuggestaltung orientiert sich an verschiedenen Fragen der Wahrnehmung. Zusammenhänge zwischen Merkmalen wie Sichtweite, Objekterkennen, Bewegungserkennen und der Art der Windschutzscheiben, Scheinwerfer und Rücklichter sind verschiedentlich direkt untersucht worden.

Auch zur Gestaltung der Armaturen und Bedienelemente lassen sich aus psychologischer Sicht Hinweise geben ...

 

Aus den bisherigen Ableitungen lassen sich schon die wichtigsten allgemeinen Grundsätze andeuten, durch die Psychologie und Physiologie dem Verkehrsingenieur und Fahrzeugkonstrukteur Hinweise geben können:

 

  1. Die verkehrsregelnden und verkehrsleitenden Einrichtungen müssen nicht nur sichtbar und erkennbar sein, sondern darüber hinaus einen intensiven Aufforderungscharakter haben.
  2. Die Einrichtungen müssen eindeutig, klar und zweifelsfrei unterscheidbar sein.
  3. Sie müssen prägnant sein. In diesem Sinne müssen sie den Gesetzen der Gestaltpsychologie folgen.
  4. Soweit sie zu unreflektierten Fahrtätigkeiten anregen, müssen sie häufig und besonders intensiv auftreten; führen sie zu Entscheidungsprozessen, so ist eine massvolle Verwendung angebracht.
  5. Das Fahrzeug darf die optische Wahrnehmung nur wenig behindern.
  6. Die Bestrebungen nach lnnenkomfort dürfen die Wahrnehmbarkeit taktiler und kinästhetischer Stimuli nicht ganz unterdrücken.
  7. Die Kontrollinstrumente müssen, eine schnelle und eindeutige optische Orientierung gestatten.
  8. Die Bedienungselemente müssen taktil identifziert werden können und eine sinnvolle und kontrollierte Bewegung erlauben''

 

(Burkardt, 1966, 136-137, 169-170, 142-144).

 

"Eine 'Verpsychologisierung' des Verkehrsrechts muss nicht befürchtet werden. Das Recht ist nicht einfach Psychologie und auch nicht zur Unfallverhütung. Es hat seinen selbständigen Sinn und Zweck aus der Idee der Gerechtigkeit.

Die Rechtsordnung enthält jedoch genügend freien Raum, wo psychologische Erkenntnis wertvoll und unentbehrlich ist; man denke an Probleme der Signalisation, Zweckmässigkeit von Verkehrsanordnungen, Ausgestaltung der Verkehrsvorschriften, Methoden der Führer-Ausbildung und -Prüfung, Behandlung auffälliger bzw. fehlbarer Verkehrsteilnehmer.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass eine systematische psychologische Betrachtung gewisse Lücken in den Institutionen des heutigen Verkehrsrechts nennen und der Unfallbekämpfung neue Impulse geben und zu gesteigerter Wirkung verhelfen könnte" (Pfister, 1966, 26).

 

 

Seiten 117-121

 

4.4.3.2. Appelle ans Bewusstsein

 

Auf Grund einer beachtlichen Anzahl von konkreter gefassten "Lösungsvorschlägen oder -möglichkeiten", die oft recht zutreffend wären, wenn ihnen nicht eine sehr gefährliche Einseitigkeit innewohnte, weil sie nur einen Aspekt, oder einige wenige, betonen und als Hauptforderung herausstellen oder dann im Allgemeinen zerfliessen und vor allem zu stark ans Bewusstsein appellieren, könnte etwa so zusammengefasst werden:

 

Vom Ansatzpunkt des Autofahrens - das wir hier hauptsächlich betrachten - als Arbeitsleistung ausgehend, gelangt man zur Forderung:

 

Um mit einem Minimum an affektiver und körperlicher Belastung sich flüssig und sicher fortzubewegen, darf man das Verkehrsgeschehen, das sich in respektabler Dichte, Verwirrung und Unübersichtlichkeit darstellt, nicht als Abenteuer - sich äussernd in Prestigekampf und Geschwindigkeitsrausch -, "Spielfeld" oder "Schlachtfeld" zum "Abreagieren oder Kompensieren gefühlshafter Komplexe" betrachten, sondern man muss es als Arbeit verstehen, die sinnvoll rationalisiert und minimalisiert werden kann, wenn man sich beispielsweise einer auf Vor-Sicht ausgerichteten Fahrweise befleissigt.

 

Das ist eines. Ein anderes ist die bewusste Ergänzung der Vorsicht durch ein Risikodenken, ein Denken in Konsequenzen, wie es im geschäftlichen und wirtschaftlichen Leben, aber auch beim Bergsteigen und in anderen Sportarten seit jeher bewusst oder unbewusst praktiziert wird. Ja, dieses Risikobewusstsein muss sogar den Vorrang haben, da es primär ist.

 

So kann man kurz und bündig zusammenfassen:

Es geht um ein "Risikodenken und Wille zur Vorsicht, Wissen um die zweckmässigsten Massnahmen, um die gewollte Vorsicht auch walten zu lassen" (Zeitz, 1965, 22).

 

"Für das Geschehen im Strassenverkehr sind wir alle als aktive und passive Verkehrsteilnehmer und insbesondere als Bürger unserer Demokratie verantwortlich. Konkret lautet die immense Aufgabe dieser Verantwortung: Schärfung des Risikobewusstseins im Strassenverkehr, des Risikobewusstseins der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen, der Alten und Geschwächten.

Jeder trägt an seiner Stelle noch eine besondere Verantwortung im Sinne eines differenzierten Risikodenkens, sei es als Vater oder Mutter, sei es als Lehrer, als Behördemitglied, als Techniker ..." (Biäsch, 1966, 5).

 

Von zentralster Bedeutung sind also die Fragen nach Risiko und (schon viel früher festgestellt) Verantwortung - sie sind es bereits seit einigen Tausend Jahren -; es gilt somit, eine "Bewusstheit" davon oder dafür zu schaffen: enthaltend Entscheidungsfähigkeit und -bereitschaft, welche impliziert eine Anpassungsfähigkeit oder -bereitschaft (je nach Situation, Zustand, usw.).

 

  • Verantwortungsbewusstsein beinhaltet dabei die beiden Pole: Vorsicht - Rücksicht,
  • Risikobewusstsein bezieht sich auf Beherrschung (Disziplin) einerseits - Entspannung (Gelöstheit) andererseits.

 

Beide ergeben in ihrem ineinandergreifenden Zusammenspiel etwas, was man mit Menschsein, Kultur, Sinn, usw. umschreiben könnte, aber auch mit Anstand, Sitte Fairplay, usw.

Als umfassenden Oberbegriff für diese zwei polaren Ausdrücke könnte man das heute beinahe aus dem Gebrauch verschwundene Wort Besonnenheit einsetzen; seine ungemeine Farbigkeit und der tiefe Gehalt rechtfertigen den Beizug.

 

Seit Platon eine der vier Kardinaltugenden, umschreibt Besonnenheit den "Zustand des 'bei-Sinnen-Seins', des vollen Bewusstseins, der vollen Geistesgegenwart, das heisst der Wachheit, Angespanntheit aller seelisch-geistigen Kräfte zum Zwecke der allseitigen Übersicht der gegebenen Lage und Aufgaben" (Hoffmeister, 1955, 115).

 

Ein Schlüsselbegriff also, der allerdings vorderhand nur als Wort dasteht und damit wirkungslos bleibt. Seine Berechtigung erhält er, in dem er ein wesentliches Produkt oder einen grossen Bestandteil der Bildung ausmacht.

Plastisch gemacht werden kann er durch eine genaue Umschreibung einzelner Inhalte (welche praktische Komponenten einschliessen). Dazu:

 

 

4.4.3.3. Allgemeines Anforderungsschema

 

.Im Sinne etwa von "allgemeinen Forderungen an den Verkehrsteilnehmer" kann die Bedeutung des. Begriffs Besonnenheit für, das Verhalten des Menschen im Strassenverkehr erhellt werden.

An dieser Stelle ist es allerdings nur möglich, eine kurze Aufstellung, einen Katalog zu geben, was diese Kardinaltugend beinhaltet; Gewichtung, Zusammenhang und -halt sowie Widersprüchlichkeit (verschiedener Kategorien und Kategorisierungen) und Ähnlichkeit der einzelnen Faktoren können hier nicht aufgezeigt werden, das ist Aufgabe der Grundlagenforschung für den Komplex "Minimalbedingungen und allgemeine Anforderungen für den Motorfahrzeugführer (oder: Fussgänger)".

 

Diese Anforderungsschemata praktischer Art, welche sich über den langen Weg von den allgemeinsten ethischen Appellen (Gelassenheit) über den Herbeizug des. Bewusstseins schliesslich in eine Feststellung und Postulierung einer Unzahl von minimalsten und kleinsten Faktoren, Persönlichkeitskomponenten oder -bausteinchen zumeist praktischer, manueller Art aufzulösen drohen und deshalb wiederum angereichert werden mit oft allgemein-blassen Begriffen aus dem ethisch-moralischen Bereich, diese Anforderungsschemata also, welche sich aus allerkleinsten differenzierten Anforderungspartikeln zusammensetzen, können ihrerseits wieder zusammengesetzt oder besser: korreliert werden - nach faktorenanalytischen Gesichtspunkten beispielsweise -, um sich in einem optimalen Verhältnis der einzelnen Komponenten und Unterkomponenten als Verhaltensstruktur zu äussern, als Ausprägung von Charaktereigenschaften, Fähigkeiten, Fertigkeiten, HaItungen, Einstellungen, Wissen und Können, welche dargestellt wird in einem Anforderungsprofil.

 

Solche praktischen Profile von optimalen Eigenschaften in einem optimalen Verhältnis gelangen oder sollten beispielsweise in den Richtlinien für die Fahrerauslese und -ausbildung zur Anwendung gelangen. Der Haken dabei ist nur, dass diese Anforderungen noch nicht mit der erwünschten und genügenden Differenzierung und Präzision feststehen.

 

Die Analyse des Fahrverhaltens, welche dafür sehr dienlich ist, indem sie, wie betont, zu den moralischen Qualitäten praktische, technische, automatische herbeizuführen die Absicht hat, ist nur mit einem immensen Aufwand an Mitteln und Zeit zu wirklich schlüssigen - das ist bei alledem natürlich von grösster Wichtigkeit und Bedeutung - Resultaten zu bringen, wobei bei der ganzen Angelegenheit die entscheidende und immer wieder mit Bangen gestellte Frage ist, inwieweit überhaupt diese Persönlichkeits- und Verhaltensfaktoren zwischen bewährten und nicht bewährten Fahrern differieren, beziehungsweise ob die Unterschiede des Auftretens sowie der Stärke einzelner Faktoren nicht innerhalb der Gruppe der bewährten Fahrer mehr divergieren als zwischen ihr und der Gruppe der nicht bewährten Fahrer.

 

Vorderhand wird um dieses Problem noch sehr stark gerungen. Vor allem deshalb, weil ein solches Anforderungsschema seine Bedeutung nicht nur gerade für die Auslese und Ausbildung von Motorfahrzeugführern hätte, sondern für die gesamte Verkehrsbildung überhaupt. Eine gezielte Beeinflussung ist ohne Kenntnis der anzusprechenden und zu "erzielenden", zu bildenden Faktoren gar nicht möglich.

 

An dieser Stelle aber nur die Liste der vorläufigen Ansätze von der Postulierung wünschenswerter psycho-physischer Eigenschaften und Haltungen, welche das Fundament für die Erhöhung der Sicherheit im Strassenverkehr - zur Vermeidung von Unfällen, risikohohen Situationen und Verstössen - bilden und von den sich im Verkehr bewegenden Menschen (nicht nur Fahrzeugführern also) aufgewiesen werden sollten:

 

Die allerwichtigsten Punkte sind dabei:

Besonnenheit, Gelassenheit, Toleranz, Verzichtenkönnen als

Zusammenspiel von: Verantwortungsbewusstsein

                                                Risikobewusstsein

                                                Kombination

Entscheidungsfestigkeit (Beherrschung)

Anpassung (-sfähigkeit und -sbereitschaft)

Wachsein (Vorsicht, Aufmerksamkeit, Entspannung)

Anstand (Rücksicht)

Fertigkeiten

Kenntnissen.

 

Haltungen und Einstellungen

 

"Wesentlicher als der Erwerb von Automatismen des Auffassungs- und Reaktionsverhaltens und von rechtlichen und technischen Kenntnissen erscheint uns der Erwerb von Haltungen und Einstellungen gegenüber den wesentlichsten Verkehrsgegebenheiten" (Winkler, 1965, 235).

Seite 129

 

 

 

Seiten 129-133

 

4.4.3.5. Defensives Fahren

 

"Der Verkehr stellt ein höchst dynamisches personelles Geschehen dar mit ständig wechselnden inneren und äusseren Lagen, so dass das Idealbild des Fahrers orientiert sein müsste an den Leitbildern der modernen, psychologisch orientierten Persönlichkeitserziehung - gekennzeichnet durch eine personelle Beherrschung der affektiven und emotionalen Antriebe, einer völligen Verfügbarkeit der Intentionen, entsprechend den Anforderungen des Verkehrs.

Eine solche ausgewogene Persönlichkeitslage finden wir jedoch nur selten, so dass es eines ständigen Korrekturbemühens bedarf, um das innere Gleichgewicht der Persönlichkeit am Steuer zu stabilisieren und die Voraussetzungen für jene Gelassenheit am Steuer, für jene defensive und nicht offensive Fahrweise zu garantieren, die ein Höchstmass an Sicherheit bietet" (Steinwachs, 1965, 25).

 

Hiermit ist das Zauberwort gefallen: defensives Fahren.

Es geistert bereits seit einiger Zeit herum, aber wenig ist darüber bekannt, was es genau bedeutet. Eine provisorische Umschreibung gibt:

 

"Dr. Munsch skizzierte unlängst ... sein System des 'defensiven' Autofahrens, das er als Verkehrstaktik bezeichnet, bei der man die Zufälle ausschaltet und damit der Gefahr. ausweicht.

Mit welchen Mitteln ... kann man Zufälle ausschalten? Das ist mit Vorsicht, mit dem Vorauserkennen einer Situation zu erreichen: Wer die Fähigkeit hat, den weiteren Ablauf eines Verkehrsgeschehens vorauszusehen, der hat in der Regel Zeit genug, sich auf das Bemeistern dieses Ablaufs einzurichten.

 

Die Parole des defensiven Fahrens stammt aus den USA. Genau übersetzt heisst defensiv nicht verteidigen, sondern fernhalten. In bezug auf das Autofahren: von einer Gefahr fernhalten, soweit diese Gefahr von andern Fahrern herkommt … Das einzig zuverlässige Mittel, die Gefahr fernzuhalten, sieht Dr. Munsch im Verzicht auf das uns zustehende Recht (beispielsweise Vortrittsrecht). ...

 

Dr. Munsch hat sein System auf fünf Grundsatzerkenntnissen aufgebaut:

 

● Je mehr Fahrer auf einer Strasse sind, um so wahrscheinlicher ist einer darunter, der Fehler begeht. Daher wähle man eine möglichst ruhige Route, halte diese genau ein und fahre nicht zu Stosszeiten durch neuralgische Verkehrsknotenpunkte. Er nennt das Routieren und prägt dazu den Slogan "Massen möglichst meiden!".

 

● Wo immer man es vermeiden kann, bleibe man dem andern aus dem Weg, denn je leichter der andere es hat, desto vorteilhafter für einen selber. Man vermeide also Engpässe und bilde auch keine solchen, indem man gegenüber einem parkierten Wagen auf schmaler Fahrbahn seinen Wagen abstellt.

 

● Der Nächste muss zum Fernsten werden! Das ist so zu verstehen, dass man etwa beim Überholen vor dem Manöver genau überlegen, das Manöver selbst aber mit grösster Schnelligkeit vollziehen muss, um dem Überholten fern zu kommen. Es ist die Technik des Distanzierens.

 

Zeige dem andern mit aller Deutlichkeit, was du mit deinem Wagen vorhast! Lass Fahrspuren sprechen, damit deine Nachfolger wissen, wohin du wirklich willst.

 

Toleranz ist der beste Eigenschutz. Wenn der andere einen Fehler macht, ist es sehr unangebracht, ihn auf der Stelle zu schulmeistern, indem man anhält und schimpft. Denn das behindert den übrigen Verkehr und beschwört Gefahren herauf" (Zwicky, 1965).

 

Das defensive Fahren scheint somit der vielversprechendste Ansatzpunkt zur Propagierung sicherer und ungefährlicherer Verhaltens- und Reaktionsweisen zu sein.

 

Besonders zu beachten ist, dass neben Konditionierung, Anpassung und Aufmerksamkeit der bisher wenig beachtete Faktor Ahnung, Antizipation ins Spiel gebracht wird. Die Parallelen gerade zum Sport (zum heute noch "sportlich" gehandhabten) sind sehr deutlich. Es geht

  • um Leistungsreserven, die überwacht und bedacht werden müssen
  • um Fairness - Höflichkeit - Kameradschaft
  • um Überlegen, Vorausschauen und eben
  • um etwas recht Unrationales: ahnen, spüren, intuieren möglicherweise, antizipieren.

 

Es gilt also diesen neuen Appell systematisch und einprägsam zu popularisieren. Möglicherweise ist es dem "breiteren Publikum" ein sehr einleuchtendes, suggestives Hilfsmittel - das irgendeine positive Wirkung zu erzielen imstande wäre. Möglicherweise liesse sich das auch mit dem Gedanken des "Gentleman-Driver" verbinden. Gut formulierte Hinweise auf ethisches Gedankengut, auf Gelassenheit beispielsweise hätten dann neben das Hervorheben von Besonnenheit und Antizipation zu treten.

 

 

Falsche Erwartungen

 

"Mc Farland und Moseley (1954) berichten über Ergebnisse, die mit Hilfe der 'critical-incidence-technique' ... ermittelt wurden … (Es) wurden von mitfahrenden Beobachtern 48 Beinahe-Unfälle registriert ...

Als häufigste Ursachen war die Erwartung des Fahrer zu beobachten, dass der andere Fahrer sein Verhalten im Sinne der.Unfallvermeidung ändern werde. Mc Farland leitet daraus die ausserördentliche Wichtigkeit des sogenannten defensiven (vom Verf. gesperrt) Fahrens (Fahrweise, deren wesentliches Merkmal in der Vorwegnahme möglicher Hindernisse besteht) ab.

 

In einer anderen Untersuchung ... wurden 66 Beinahe-Unfälle beobachtet. von denen 67% auf die Ursache des Schneidens zurückzuführen waren; darunter ist jene Form des Überholens zu verstehen, bei der nach zu knappem Fahrzeugabstand und nach plötzlichem Ausscheren die zwei Eckpunkte der beiden Fahrzeuge einander gefährlich nahe kommen" (v. Klebelsberg, 1965, 60).

Seiten 77-78

 

 

 

4.4.3.7. Zusammenfassung

 

Es geht zusammenfassend also um Folgendes:

 

● Um die positive Beeinflussung festgefahrener oder festverankerter Charaktereigenschaften im Sinne einer Aufdeckung, Freilegung, Weckung von "guten Seiten" und Anlagen, d.h. um deren Einrichtung (oder Bestätigung) zu positiven Haltungen und Einstellungen - beispielsweise Anpassungs- und Einordnungsbereitschaft (auf Grund einer freigelegten oder schon vorhandenen -fähigkeit) - und dann deren ständigen Einsatz.

 

● Bei Kindern und Jugendlichen geht es um das sorgsame Wecken einer Bereitschaft, vorhandene Fähigkeiten und Anlagen auszuprägen und einzusetzen, nicht vorhandene wenigstens heranzubilden zu versuchen.

 

● Neben beidem geht die rein kenntnismässige Aufklärung (bei Kindern und jugendlichen: Belehrung), Information und das Einüben (Angewöhnen, Schulen) bestimmter Verhaltensweisen, bedingter Reflexe, Automatismen, usw. Gedanken an Dressur müssen dabei nicht unbedingt auftauchen.

 

An einem Fragezeichen hängt aber die gesamte Verkehrsbildung: Ergibt ein Wissen, bei Erwachsenen eine Kenntnis der Sinnzusammenhänge, ein Kennen der Regeln, Vorschriften und Gesetze, ein reflexartiges, automatisiertes Verhalten, manuelles Beherrschen des Fahrzeuges, Aufmerksamkeit und Umsicht - bereits ein Verantwortungsgefühl, lassen sich dadurch Leichtsinn oder auch nur Unachtsamkeit vermeiden, vermindern?

 

Kann Höflichkeit und Rücksicht aber möglicherweise durch Üben und Gewöhnung "automatisiert" werden; kann die Durchbruchsschwelle von Affekten durch entspannende Massnahmen gehoben werden: Kann ein Verkehrs-Ethos erzielt werden, ohne dass eine allgemeine Verwurzelung im Christlichen vorhanden ist (oder: ergibt sich - nur - aus dem einen das andere); stellen sich Gelassenheit und Toleranz, Besonnenheit und Beherrschung im Strassenverkehr ein, wenn sie im sonstigen, im Geschäfts- und Privatleben nicht schon ausgeprägt vorhanden sind, usw.?

 

Die Bundesverkehrswacht Deutschland stellt unübertreffbar kurz und prägnant fest:

 

" ... Klar wurden … einige wesentliche Grundsätze herausgearbeitet:

 

Einmal, dass es wichtig ist, den Verkehr dem Menschen anzupassen (im Strassenbau, in der Strassengestaltung, -markierung und -beschilderung; in Fahrzeugtechnik, Verkehrsgesetzgebung und -ordnung).

 

Zum andern, dass es die Verkehrswachtarbeit nicht in erster Linie mit 'böswilligen' Verkehrssündern oder mit krankhaften 'Unfällern' zu tun hat, die ausgemerzt werden müssen, sondern mit Menschen wie Du und ich, die vom heutigen Verkehr vielfach überfordert werden, die allerdings auch zum Teil leichtfertig, gleichgültig oder sich ihrer sozialen Verantwortung im Strassenverkehr nicht genügend bewusst sind. Diesen Menschen muss geholfen (vom Verf. gesperrt) werden - nicht schulmeisternd oder anklagend mit erhobenem Zeigefinger, nicht mit allgemeinen, moralisierenden Appellen, sondern durch konkrete, praktische Aufklärung in psychologisch werbewirksamer (vom Verf. gesperrt) Form, durch Vermittlung von Kenntnissen und Können, durch praktische und praktikable Hinweise" (Bundesverkehrswacht resp. G. Schwabe, 1961, 18).

 

 

Seiten 135-152

 

5.2. Grundlagenforschung und fehlende Grundlagen

 

5.2.1. Wissenschaftlicher Hintergrund

 

Das grosse Problem bei der Verkehrsbildung ist, dass man gar nicht ganz genau, präzis weiss, was und wie zu bilden ist, das heisst, was für Reaktionsformen und Verhaltensregeln man lehren muss, welches die Anforderungen charakterlicher, wissensmässiger, geschicklichkeitsmässiger (mechanisch-technisch-manueller) Art genau sind.

 

Mit anderen Worten: Der wissenschaftliche Hintergrund, Untergrund, auf dem die ganze Verkehrsbildung abgestützt werden sollte, weist noch recht grosse Lücken auf. Die Unfallanalyse ist stellenweise noch recht ungenügend und hat, was vor allem bedauerlich ist, noch wenig konkrete Resultate (technische oder psychische Erfordernisse) gezeigt: Die theoretische Herausarbeitung von Minimalanforderungen und unumgänglich notwendigen Verhaltensweisen ist noch nicht so weit gediehen, wie es wünschenswert wäre.

Man hat in vielen praktischen Versuchen und Untersuchungen einzig herausgefunden, dass eine Reihe von Katalogen mit Dutzenden von grundlegenden Anforderungen erfüllt sein müsste, um im Strassenverkehr sicher bestehen zu können ... (siehe Unterabschnitte 4.4.3.3. und 4.4.3.4.).

 

W. Winklers vielzitierter Stossseufzer ist hier durchaus am Platz:

"... wir wissen von den subjektiven Entstehungsgründen des Verkehrsunfalles so gut wie gar nichts, sofern wir unter 'Wissen' eine wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis verstehen" (Winkler, 1962, 39).

 

Aus diesem Grunde also:

 

 

5.2.2. Ursachenforschung

 

"In zunehmendem Masse wächst in Fachkreisen die Erkenntnis, dass Verkehrspolizei ..., Verkehrspropaganda ... und Strassenbau auf dem Gebiete der Unfallbekämpfung keine durchschlagenden Erfolge erzielen können, solange nicht sehr als bisher die eigentlichen Ursachen der Verkehrsunfälle abgeklärt werden" (E. Müller, 1961, 2).

 

"Unfallforschung und wissenschaftliche, statistische Erhebungsmethoden sind einzweckmässiges und notwendige Mittel in der Hand der Forschung und der Fachleute. Sie liefern für bestimmte Fragen mindestens Arbeitshypothesen als brauchbare Antworten …

Unfälle, auch wenn sie unseres Erachtens zu zahlreich vorkommen, zu viele Opfer fordern, sind dennoch Sonderfälle. Eine sorgfältige und ausgebaute Unfallforschung ermöglichte das Aufstellen von Richtlinien für eine Risikoverminderung unter ganz bestimmten Voraussetzungen, in bestimmten Fällen wird sie sogar Hinweise auf das 'Fehlverhalten' und auf ein entsprechendes risikoärmeres Verhalten ergeben ...

 

Forschung, Erfahrung, Wissen sind unabdingbare Voraussetzungen für die erzieherische Wirksamkeit, sei es durch Betreuung der Heranwachsenden, sei es durch Information der Erwachsenen - ebenso unabdingbar wie die ethisch-menschliche Grundhaltung, die Verantwortungsbereitschaft und das didaktische Können der Träger dieser Aufgabe" (Zeitz, 1965, 23).

 

 

5.2.3. Risikoforschung

 

In neuester Zeit wird allerdings die Unfallursachenforschung von einer Risikoforschung abgelöst, und es scheint, dass damit dem Problem erst richtig zu Leibe gerückt werden kann.

 

J. Drösler führt das in einer Zusammenfassung über die Methodik der Verkehrspsychologie" so aus:

"... (Es) scheint, als sei die Unfallursachenforschung in der Regel gescheitert …

 

(Es) wurde die bisher recht geringe Wirksamkeit der Unfallforschung auf die traditionelle Frage nach 'Unfallursachen' zurückgeführt Die dahinterstehende kausal-deterministische Denkweise wurde als dem Gegenstand unangemessen demonstriert. Unfallhäufigkeiten als zufällige Veränderliche verlangen eine wahrscheinlichkeitstheoretische Betrachtungsweise. Das Unfallrisiko wurde zum zentralen Begriff erklärt und als Unfallwahrscheinlichkeit definiert.

 

Die Aufgabenstellung des Verkehrspsychologen, neu umschrieben, ist die Ermittlung der psychologischen Einflussgrössen, denen dieses Risiko unterworfen ist. Spezielle Fragen der Risikominderung durch psychologische Personalauslese wurden behandelt …

 

Besonders erfolgversprechend erscheint die Abwendung von der Unfallhäufigkeit und ihren Veränderungen als Massstab für die Wirksamkeit von Sicherheitsmassnahmen. Besser zu verwirklichen ist offenbar die Beobachtung und Beeinflussungen von gefährlichen Verhaltensweisen, deren Risiken vorher empirisch bestimmt sind. Mit ihnen wird sich die psychologische Verkehrsunfallforschung stärker als bisher zu befassen haben" (Drösler, 1965, 248, 283).

 

 

5.2.4. Senkung des Unfallrisikos

 

Die Anstrengungen der gesamten Forschung, der Verkehrspsychologie, gehen dahin, Unfälle zu verhüten, genauer das Unfall- und Gefährdungs- , Belastungsrisiko zu vermindern.

 

"Kaum jemand, der sich mit der Verkehrssicherheit beschäftigt, wird abstreiten, dass er sich um eine Senkung des Unfallrisikos bemüht. Die wissenschaftliche Tätigkeit in diesem Bereich ist besonders dadurch ausgezeichnet, dass sie ihre Risikominderungen empirisch nachweist. Diese Forderung gilt besonders für den Verkehrspsychologen, der in der Vergangenheit schon oft dazu geneigt hat, sich darüber hinwegzusetzen ...

 

"Überblickt man die Erwartungen, denen sich der Verkehrspsychologe ausgesetzt sieht, so lässt sich ... ein durchgehendes Charakteristikum erkennen. Der Verkehrspsychologe soll Unfallursachen ermitteln und abschaffen helfen, später vielleicht auch Ursachen für Verkehrsstockungen. Das Unfallgeschehen überhaupt, wie auch das einzelne Unfallereignis, werden in der Öffentlichkeit als 'verursacht', d. h. kausal determiniert angesehen ...

(Es ist) dieses Modell gänzlich unbrauchbar. Es umfasst z. B. nicht den alItäglichen Fall des sogenannten 'folgenlosen Fehlverhaltens', bei dem zwar 'Unfallursachen', aber keine Unfälle zu beobachten sind …

 

Die Preisgabe der kausal-deterministischen Auffassung erscheint kaum schwierig, wenn man sich an eine Hauptaufgabe des Verkehrssachverständigen erinnert, Unfallhäufigkeiten zu reduzieren. Hier tritt ja die Unfallhäufigkeit schon lange als 'unabhängige Veränderliche' auf, wird also schon funktional betrachtet. Jedoch liegen in Wirklichkeit die Verhältnisse nicht ganz so einfach. Es sind ja nicht direkt beobachtbare Unfallzahlen, die vermindert werden sollen, sondern selbstverständlich Unfallquoten, Unfallzahlen relativiert auf eine Bezugsgrösse. Diese Einschränkung umfasst noch nicht alles: Zu beeinflussen sind nämlich .nicht gegebene Unfallquoten, sondern zukünftige, mögliche Unfallquoten ....

(Es ) wird gezeigt, dass der Begriff 'Unfallrisiko' diese Bedingungen alle berücksichtigt ...

 

Den Verkehrspsychologen gehen in erster Linie Risiken an, deren Schwankungen mit denen psychologischer Merkmale einhergehen. Weitaus am meisten Beachtung haben bisher psychologische Merkmale gefunden, die von Person zu Person variieren und sich der Individualität des einzelnen zuschreiben lassen" (Drösler, 1965, 257, 247, 249, 253).

 

 

5.2.5. Verkehrsverhaltens-Forschung

 

"Wenn wir von Verkehrsverhalten sprechen, so fassen wir die Zielsetzung verkehrspsychologischer Untersuchungen in ihrer ganzen Breite. Die bisherige Forschung hat diese Breite bis zu einem gewissen Grade gesehen, aber notwendigerweise immer nur begrenztere Bereiche angesprochen" (Hoyos, 1965, 78-79).

 

"Infolge der ungenügenden Informationen über die Phänomenologie des Verkehrsverhaltens und seiner vorerst noch unvollkommenen Analyse wendet sich das Interesse der Forschung Fähigkeiten, Kenntnissen, Einstellungen und Haltungen zu ..." (Winkler, 1965, 239).

 

C. Graf Hoyos führt dies detaillierter aus:

"Betrachtet man die Erklärungs- und Deutungsversuche der Verkehrspsychologie unter historischen Aspekten, so ist ... eine Verlagerung der Forschungsschwerpunkte von elementaren psychischen Funktionen zu komplexeren Variablen der Persönlichkeit unverkennbar. Zu keinem Zeitpunkt aber gab es eine einseitige und ausschliessliche Betonung bestimmter Funktionen und Merkmale.

Zwar beachtete die Psychotechnik in ihrer Fahrerauslese in besonderem Masse instrumentale Funktionen, wie Sehschärfe, Geschicklichkeit, Aufmerksamkeit, legte aber bei Ihren Probanden schon Wert auf Charaktereigenschaften, wie Gewissenhaftigkeit, Willigkeit und Nüchternheit ... Wenn demgegenüber in der Gegenwart Charaktereigenschaften, Motivationen, hauptsächlich unter tiefenpsychologischen Aspekten, Haltungen und ähnliche Variablen zur Erklärung des Verkehrsverhaltens bevorzugt werden, so ist doch das Interesse an elementaren Leistungen des Organismus nicht ganz erloschen. Insgesamt enthält die verkehrspsychologische Literatur nahezu das vollständige Repertoire an Variablen, die wir aus den Grunddisziplinen der Psychologie kennen" (Hoyos, 1965, 80-81).

 

Es zeigt sich also, "wie wenig 'speziell' die von der Verkehrspsychologie aufgeworfenen Fragen letzten Endes sind und wie weitgehend die dort entwickelten methodischen Ansätze auch in der übrigen Psychologie Verwendung finden können (und umgekehrt)" (Drösler, 1965, 246).

 

"Die Arbeitsweise des Verkehrspsychologen unterscheidet sich grundsätzlich nicht von der anderer Psychologen. Seine Methodik ist die experimentell-naturwissenschaftliche überhaupt. Dennoch begegnen dem Verkehrspsychologen täglich Aufgaben, für deren Lösung er keine direkten Anleitungen in den verfügbaren Lehrbüchern psychologischer Verfahrensweisen vorfindet …

(Es gilt) die Verbindung zwischen den Bemühungen und Ergebnissen der Forschung einerseits und den praktischen Konsequenzen andererseits herzustellen, die sich aus verkehrspsychologischen Massnahmen ergeben können …" (Drösler, 1965, 246)

 

D. v. Klebelsberg führt das ausführlicher aus:

"Verkehrspsychologie als die Anwendung allgemein psychologischer Erkenntnisse und Gesetzmässigkeiten auf Probleme des Verkehrswesens darf nicht in der Weise missverstanden werden, dass es primär auf die Anwendung als solche und erst sekundär auf die Verkehrsprobleme ankäme.

Ausgangspunkt muss vielmehr eine systematisch ermittelnde Bestandsaufnahme eben der wesentlichen Probleme des Verkehrswesens, in diesem Rahmen also des Verkehrsverhaltens, sein. Das Ziel einer solchen Bestandsaufnahme ist die Erfassung aller empirisch zugänglichen Variablen und deren Beschreibung unter den Gesichtspunkten psychologischer Bedeutsamkeit.

Erst auf Grund von Verhaltensformen, die auf diese Weise ermittelt wurden, kann eine Beurteilung des Verkehrsverhaltens bzw. dessen psychologische Interpretation und im weiteren sodann dessen Eingliederung in die übergreifenden psychologischen Probleme des Strassenverkehrs erfolgen.

 

Neben der rein wissenschaftlichen Zielsetzung hat die Analyse des Verkehrsverhaltens auch noch eine praktisch bedeutsame Aufgabe: sie soll objektive Methoden ermitteln, die überall dort angewandt werden können, wo es um verbindliche. Einstufungen des Fahrverhaltens geht, vor allem also bei Fahrprüfungen und im Rahmen der Fahrausbildung.

Nicht zuletzt erhalten derartige Verhaltensanalysen auch noch Bedeutung für die Verkehrserziehung, die erst dann gezielt erfolgen kann, wenn die Grundformen des Verkehrsverhaltens, das durch sie beeinflusst werden soll, möglichst genau bekannt sind (v. Klebelsberg, 1965, 18-19).

 

Veränderter Gemütszustand hinter dem Lenkrad

 

"Der Gerichtshof von Novara (Italien) verurteilte ... einen Industriellen, der einen Streit mit einem anderen Autofahrer auf der Strasse dadurch beendete, dass er ihm den Schraubenschlüssel über den Kopf hieb. Der andere war tot.

 

… Es wäre zu einfach, wollte man diese Vorkommnisse unter die 'Psychologie der Autofahrer' einordnen, die sich eben von der Psychologie eines gewöhnlichen Menschen unterscheidet. Die Mehrzahl der Menschen ist ruhig, höflich, zuvorkommend. Sie beweist im Alltag Zusammengehörigkeitsgefühl. Setzt man die gleichen Menschen in ein Auto, werden sie sofort jähzornig, intolerant, von Machtwillen beherrscht und sogar grausam … geht es um die Vorfahrt im Strassenverkehr, verlieren sie oft die Kontrolle über sich selbst, beschimpfen einander, steigen aus dem Wagen und werden handgreiflich. Manchmal schiessen sie sogar.

 

"Psychologen definieren die krankhafte Veränderung des Individuums hinter dem Lenkrad eines Autos als 'Neurose des Fahrens', als eine Art von Geisteskrankheit, eine Flucht aus der Wirklichkeit mit Hilfe der Motorkraft. Bei Menschen, die in Komplexen von vereitelten Hoffnungen leben, verursacht das Autofahren eine Überbewertung ihrer Persönlichkeit. Sie beginnen dann bewusst die Gefahr zu suchen, in der sie den anderen beweisen können, dass sie keine Angst vor ihr haben.

Wissenschaftler erklären, hier handle es sich um 'eine vorübergehende Veränderung des Gleichgewichts in den Gemütsbewegungen, um Erregungszustände und Temperamentsstörungen', die allein durch das Lenken eines Autos auch bei sonst durchaus normalen oder scheinbar normalen Menschen auftreten können.

 

Das Verhalten der Kraftfahrer, die sich am Lenkrad ihres Wagens berauschen, zeugt von einem überempfindlichen Charakter. Sie, sind infantil. Bei Kindern, die etwas Unrechtes tun, wendet man Bestrafung als Erziehungsmittel an. Die. Furcht vor der Strafe wirkt wie eine Art bedingter Reflex, der sie daran hindert, den Fehler zu wiederholen ...

 

Leider machen wir vom Auto häufig schlechten Gebrauch. wie etwa von einer Medizin, die wir in zu starker Dosis einnehmen ...

Das rührt vielleicht daher, dass wir es bis heute nicht verstehen, der Zivilisation des Motors einen wirklichen moralischen Fortschritt gleichzusetzen" (npr in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1. 1966).

Seiten 86-87

 

 

 

5.2.6. Unfall-Abwehr-Forschung

 

"Die Unfallbekämpfung ist so wichtig, schwierig und kostspielig, dass man sich keinen Dilettantismus leisten kann; sie braucht ein sicheres wissenschaftliches Fundament. Bisher stand die Unfall-Ursachenforschung im Vordergrund; sie ist notwendig. Es wäre aber zu prüfen, ob nicht das Schwergewicht stärker auf die Unfall-Abwehr-Forschung verlegt werden sollte.

 

Die Verbindung zwischen Forschung und Praxis bedürfen des Ausbaus, damit die gesicherten Ergebnisse der Wissenschaft in die Praxis Eingang finden. In einem kleinen Land mit beschränkten Forschungsmöglichkeiten ist eine zweckmässige Dokumentation besonders wichtig!" (Pfister, 1966, 28).

 

 

5.2.7. Ergonomische Forschung

 

"Was auf dem Gebiet des menschlichen Sektors der Erhöhung der Verkehrssicherheit ... heute zu tun oder in Angriff zu nehmen ist ...

 

  • Inangriffnahme von Forschungen, soweit dies in unserm bescheidenen Rahmen möglich ist, beispielsweise ergonomische Grundlagenforschung über Grenzen der menschlichen reaktiven Anpassungsfähigkeit an schnell wechselnde Situationen, und damit über gerechtfertigte Forderungen und ungerechtfertigte Überforderungen an den Menschen, sowie Abklärung der zumutbaren menschlichen Anforderungen an Aktionsfähigkeit, Aufmerksamkeit, intelligente und moralische Situationsbeherrschung.

 

  • Angewandte Verkehrspsychologische Forschung, z. B. Überprüfung bestimmter konkreter Situationen auf allgemeine Gefährdung und Sicherheit nach psychologischen Kriterien von Gefahrenstellen" (Biäsch, 1966, 6).

 

Diese Forschung hat unter Beiziehung moderner integrierender wissenschaftlicher Methoden der kritischen (differenziernden) Statistik , der Wahrscheinlichkeitslehre; der Optimierung, der Ergonomie (Lehre von der Belastbarkeit) und Kybernetik (Steuerungslehre) vor sich zu gehen (nach Biäsch, 1966, 1, 6), welche das rein kausale Denken ergänzen.

 

 

5.2.8. Vorsicht bei unkritischen Statistiken

 

Essei nur am Rande bemerkt, dass Statistiken, vor allem "populäre" oder popularisierte, mit Vorsicht anzugehen und zu gebrauchen sind. Es besteht kein Zweifel darüber, dass sie unbedingt.notwendig und gegebenenfalls sehr nützlich und hilfreich, aufschlussreich sind, indem sie eine Fülle von Hinweisen und Zusammenhängen geben - das steht hier nicht zur Diskussion.

 

Aber Statistiken können manchmal viel, manchmal überhaupt nichts aussagen, sie verleiten oft zu falschen und vor allem voreiligen Schlüssen (zu "Voreiligkeit im Sehen und Setzen von Kausalzusammenhängen"). Zudem ist bekannt, dass sich mit Statistik alles "beweisen" lässt.

 

Abgesehen davon sind beispielsweise Unfallzahlen mit grossen Dunkelziffern behaftet, unvoliständig;.die Zuordnungen zu Kategorien, obwohl notwendig, sind nicht immer eindeutig vorzunehmen; die Begriffe (beispielsweise "durchschnittlich") werden oft sehr frei, also divergierend gehandhabt, usw.

 

 

5.2.9. Überbetonung des Wissenschaftlichen

 

Bei all der Betonung, die erstens auf die Notwendigkeit von Erhebungen und Untersuchungen und zweitens auf die grösstmögliche Wissenschaftlichkeit (Exaktheit und Schlüssigkeit) dieser Forschungen - die zweifellos in grösserem Masse, mit breiterer Basis und vermehrter Intensität, dafür umso überlegter durchgeführt werden müssen - gelegt wird, besteht die riesige Gefahr, dass dies alles vom Problem, dem eigentlichen, ablenkt.

Man kann nämlich sehr leicht der nicht ganz richtigen Meinung verfallen, man habe bereits ausserordentlich viel, viel Fruchtbares geleistet, wenn man in grossem Umfange Untersuchungen mit grösstmöglicher Genauigkeit angestellt habe. Die grosse Gefahr, dass sich dabei - relativ schnell ein Gefühl der behäbigen Zufriedenheit einstellt, ist gross …

 

Nochmals: Es müssen diese Untersuchungen zwar gemacht werden; sie entheben aber die verantwortlichen Stellen nicht von der Aufgabe, sich weiter "gedanklich" mit dem Problem der Sicherheit im Strassenverkehr auseinanderzusetzen, intensiv, es scharf, prägnant und klar zu durchdringen und hierauf etwas, etwas Konkretes tun - wozu einerseits die Einsicht gehört, dass das einfach genauso notwendig ist wie Grundlagenforschung; andererseits, und das ist der Haken, kommt aber meistens diese Einsicht erst auf Grund der gedanklichen Durchdringung des Problems überhaupt zum (vollen) Bewusstsein.

 

Guter Wille und Einsatz darf nicht mit Erfolg gleichgesetzt werden. Forschungen haben immanent einen Hemmfaktor für Taten in sich, und umgekehrt. (so auch bei Faust).

"Man muss", wie Alex Zeitz an der Tagung für "Psychologische Fragen der Verkehrssicherheit" an der ETH 1966 betonte: "handeln, Massnahmen treffen, auch wenn wir noch nicht über die ausreichenden Grundlagen dafür verfügen!"

 

 

5.3. Information - Lernen

 

5.3.1. Adressat: Mensch

 

Neben die Forderung nach. einer Grundlagenforschung, welche durch Unfallanalyse, Verhaltensforschung und wissenschaftliche, statistische Erhebungen eine "Information" begründen soll, tritt die Feststellung der Unkenntnis über die Art und Weise wie diese Information darauf verbreitet und vermittelt werden soll.

Bestehen bisher nur wenige Ansatzpunkte über den Inhalt, so ist es auch um das Wissen über die Art der Präsentation des zu vermittelnden Informations-Stoffes recht schlecht bestellt.

 

Dass diesem Wie der Information eine nicht geringe Bedeutung zugemessen werden muss, ist, offensichtlich, genauso wie immer gesehen werden sollte, dass der Mensch im Mittelpunkt dieser Verkehrsbildung steht, ein differenziertes Lebewesen, das auf Information, genau wie auf Überwachung und, Bestrafung, in seiner je eigenen Individualität reagiert oder nicht reagiert, nach gewissen "allgemein-menschlichen" Gesetzmässigkeiten allerdings.

 

A. Zeitz beschreibt sehr präzise diese Feststellung:

"Sowohl die aktiven wie die passiven "Erziehungsträger".bedürfen der Information, um ihre Aufgabe erfüllen zu können. Wenn wir die These akzeptieren, dass das Phänomen 'Strassenverkehr' in seinem weiten Sinne ein von Wechselwirkungen durchpulstes 'Erziehungsfeld' darstellt, ... so stellt die Übermittlung von Informationen eine Notwendigkeit dar.

Stimmen wir zu, muss die Frage nach der Information selber sowie nach dem Informationsträger gestellt werden. Setzen wir im Augenblick voraus, die Abklärungen von Sachfragen habe uns die benötigten Informations-Quellen erschlossen, so führt uns die Überlegung beinahe zwangsläufig in einen methodisch-didaktischen Bereich pädagogischer Natur: Die gewonnene Information muss so gestaltet werden, dass sie die Sachrichtigkeit behält, gleichzeitig dem anvisierten Adressaten angepasst ist und diesen erricht.

Die Vielzahl und Verschiedenheit der 'Adressaten' im Sektor 'Strassenverkehr', man denke z. B. an die verschiedensten Lebens- und Entwicklungsstadien, verlangen nach besonders abgestimmten Informationen, das heisst, dass es 'Informationsgestalter', 'Informationsübermittler', 'Informationsträger' braucht, welche analog der allgemeinen, bekannten Schulungs- und Bildungsarbeit, die 'Spielregeln der pädagogischen Psychologie' mindestens soweit beherrschen, dass sie in der Lage sind, diese, notwendigerweise 'erzieherisch befrachteten Informationen', dem jeweiligen Adressaten in zweckmässiger Form zu übermitteln" (Zeitz, 1965, 12, 13).

 

 

5.3.2. Zuviel und divergierende Informationen

 

I. Wie könnte nun so etwas ausgeführt werden?

 

"Die Wege, auf denen die entsprechenden Beeinflussungen erzielt werden, sind im wesentlichen die der Werbepsychologie mit allen ihren methodischen Mängeln, unter ihnen besonders schwerwiegend das Fehlen kontrollierter Untersuchungen etwaiger Beeinflussungswirkungen überhaupt" (Drösler, 1965, 282).

 

Es ist vermutlich ein Irrtum, wenn angenommen wird, eine Fülle - eine Überfülle, wie es tatsächlich ist - von Informationen genüge, den Verkehrsteilnehmer aufzuklären und zu bilden. Man brauche nur periodisch Bulletins mit jedesmal leicht abgeändertem Inhalt zu versenden (an Redaktionen und offizielle Stellen), in den Zeitungen regelmässig von möglichst vielen (kompetenten und inkompetenten) Schreibern ihre Ge danken zu diesem Problem zu veröffentlichen, Rundfunk- und Fernsehdiskussionen, aufgelockert von -plaudereien, auszustrahlen, immer wieder über neuere und neueste Forschungen und kürzlich herausgefundene Theorien und Anforderungsschemata Berichte zu bringen, die nach kurzer Zeit wieder dementiert oder als unzureichend, weil voreilig gefasst, erklärt werden müssen, gute Ratschläge im Dutzend zu geben, Aktionen, "Verkehrserziehungsaktionen" - deren grosse Anzahl an; sich noch keinen Grund zur Kritik abgäbe, auch wenn es offensichtlich ist, dass manche Aktion nur gestartet wird, weil wieder einmal eine fällig ist, weil die dafür verantwortlichen Stellen von allen Seiten dazu angehalten, ja gezwungen werden - auf das Leser- und allgemeine Publikum loszulassen - das sei (mehr als) genug.

 

Es ist aber zur Genüge bewiesen, dass das alles, gemessen am (riesigen) Aufwand, sehr wenig nützt, da, je divergenter die Informationen - und das sind sie (leider) -, desto unsicherer der Informierte wird, desto weniger er sich zu helfen weiss und nun als sehr verständliches Resultat davon sich diesen vielfältigen Angaben gegenüber verschliesst, nicht mehr auf sie zu hören gewillt ist: - je mehr die Informationen sich widersprechen, desto weniger zuverlässig scheinen sie.

So kommt es soweit, dass auch ernsthafte Ansätze und Forschungen nicht mehr mit der gebührenden Achtung zur Kenntnis genommen werden. Das ist doch nur folgerichtig und somit verständlich, also klar.

 

 

5.3.3. Lerneffekt - soziales Lernen

 

I. Dass die gesamte Frage von Erziehung, Bildung und Information letztlich eine Frage des Aufnehmens und Verarbeitens, also des Lernens ist, wird gerne übersehen.

 

Auch verantwortliche Instanzen können lernen und einsehen, dass sowohl nach lern- wie werbetechnischen und -theoretischen Erkenntnissen beispielsweise auch die wirkungsvollste Propaganda und "Erziehung" verpufft, wenn nicht eine ständige und zielgerichtete Bearbeitung über sehr lange Zeiträume hinweg eingesetzt wird - mit bestimmt formulierten, situationsgebundenen, nicht allgemeingehaltenen Parolen (also etwa nicht: Vorsicht und Rücksicht = Sicherheit, sondern: Überholen? - Im Zweifel nie!).

 

Denn es hat sich gezeigt., oder es war schon lange bekannt, dass der Mensch, in vermehrtem Masse der Erwachsene, in bestimmten Belangen sehr "vergesslich" ist: Wenn er nicht immer wieder strikte darauf hingewiesen wird, dass es einfach notwendig ist, Sicherheitsgurten beim Autofahren zu tragen, im Nebel mit Abblendlicht zu fahren, die Strasse auf dem kürzesten Weg, auf dem Fussgängerstreifen zu überqueren, usw., so hält er sich nach kurzer Zeit nicht mehr daran, wenn er sich überhaupt jemals bewusst (oder auch unbewusst) daran gehalten hat - wie dies Untersuchungen über das Benutzen von eingebauten Sicherheitsgurten und über das Fahren mit abgeblendeten Scheinwerfern eindrücklich und leider auch sehr beschämend, deprimierend gezeigt haben.

 

Zielgerichtetheit und Periodizität über lange Zeit gewähren nur einen sicheren und haltbaren Lerneffekt.

 

II. Einige Bemerkungen dazu:

''Es ist in erster Linie an die auf den Ergebnissen der Marktforschung basierende Werbepsychologie zu denken, die. bisher auf dem Gebiete der Verkehrserziehung nur ungenügend ausgeschöpft worden ist.

Nach den von der Werbepsychologie gemachten Erfahrungen gilt es dabei, dem Strassenbenützer klar und eindringlich, kurz und prägnant das Wesentliche vor Augen zu führen. So pflegen z. B. ständig wiederholte, geschickt formulierte, einprägsame Parolen, dem Strassenbenützer immer dann wieder ins Bewusstsein zu treten, wenn jene Situationen, auf die sie zugeschnitten sind, im Strassenverkehr wieder auftauchen.

 

Auf zu verallgemeinernde Parolen, wie "Nimm Rücksicht!", ''Fahre vorsichtig" sollte endgültig verzichtet werden. Wer zur Rücksichtnahme nicht schon erzogen ist, kümmert sich kaum um derartige Aufforderungen. Nur konkrete Hinweise auf bestimmte Formen des Verhaltens versprechen einen gewissen Erfolg, so z. B. die Slogans der Konferenz für Sicherheit im Strassenverkehr: "Sicherheitslinien nie überfahren!" und Überholen - im Zweifel nie!".

Der Strassenbenützer soll sich in jedem Falle direkt angesprochen fühlen und den Sinngehalt ohne langes Überlegen erfassen können"(Ramseyer, 1962, 15, 16).

 

"Es zeigt sich in der Untersuchung, dass ein Werbeslogan von noch so guter Absicht nicht erinnert wird, solange sein Inhalt nicht einfach, konkret und auf eine Situation bezogen wird, die  für den Verkehr typisch ist.

'Überholen? - Im Zweifel nie!', ist eine gelungene Handlungsanweisung. Sie hat sich der Bevölkerung mit Abstand am besten eingeprägt. Der Slogan 'Achte auf den andern, jeder an seinem Platz' ist zu allgemein. 'Auf den andern zu achten' lernt jeder in der Kinderstube. Es gilt für alle sozialen Lebensbezüge und darum ist die Mahnung in dieser Form für den Verkehr zu unspezifisch. Die typische Situation, in der man 'acht geben' muss, sollte dargestellt werden. Erst damit wird die an sich richtige Intention handlungsrelevant und beherzigt.

 

Mahnungen, die auf positive, höfliche, wie aufmerksame gegenseitige Rücksichtnahme im Verkehr anspielen, zielen zwar auf das in den Augen der Bevölkerung Wichtige, aber es fehlt ihnen die eigentlich pädagogische Leistung, weil nicht gesagt wird, worin Anstand und Rücksicht im Einzelfall bestehen" (Lohr, 1962, 51).

 

"Die bekannte, schon von Coué propagierte Tatsache, dass eine suggestive Beeinflussung des Menschen positiven Charakter haben muss, wenn sie erfolgreich sein soll, wurde zu wenig beachtet. Wenn eine Verkehrerziehungsaktion greifbaren Erfolg zeitigen soll, muss sie mit aller Sorgfalt, mit einfacher und klarer Zielsetzung, geplant und vorbereitet sein. Der Polizeieinsatz und die Propagandamittel müssen aufeinander abgestimmt sein"(Ramseyer, 1962, 17).

 

"Von der positiven Wirkung einer Erziehung sind zwei Drittel der Bevölkerung trotz der deprimierenden Unfallzahlen überzeugt. Es muss aber der Weg gezeigt werden, über den diese Sicherheit erreicht wird. Dazu gehört mehr als die Kenntnis den Ziele und der Wunsch nach seiner Erfüllung. Es müssen die Mittel, die zum Ziel führen, erarbeitet, erkannt und dann konsequent aufgegriffen werden" (Lohr, 1962, 50).

 

"Ein Gebiet von eminent grosser Bedeutung ist zweifellos die Lernpsychologie des Verkehrsverhaltens, besonders wenn man bedenkt, dass sie die Grundlage jeder Verhaltenssteuerung bildet, die im Verkehr mit mannigfachen Mitteln versucht wird.

 

Hierher gehört daher unter lernpsychologischen (vom Verf. gesperrt) Aspekten die Wirkung von Bestrafungen und anderen Abschreckungsmassnahmen ebenso wie die Erlernbarkeit von Verkehrsvorschriften und die Wirkung von verkehrserzieherischen (vom Verf. gesperrt) Massnahmen.

Bedauerlicherweise liegen darüber noch wenig Ergebnisse vor. So kann nur wenig empirisches Material gebracht werden, die Bedeutung der Fragestellung dürfte jedoch hinreichend deutlich werden.

 

Als Lücke muss ferner das Fehlen einer Sozialpsychologie des Strassenverkehrs empfunden werden. In der Tat gibt es sozialpsychologische Interpretationen des Verkehrsverhaltens, die über Spekulationen hinausgehen, so gut wie gar nicht. Lediglich einige Haltungsstudien und feldtheoretische Erwägungen dürfen als Ansätze in dieser Richtung gewertet werden. Eine Sozialpsychologie de Verkehrsverhaltens wird wahrscheinlich zu einem grossen Teil mit der soeben erwähnten Lernpsychologie zusammenfallen, denn das 'Fahrenlernen' (wie wohl auch das Bewegen des Fussgängers im Verkehr (der Verf.)) im weitesten Sinne ist, so kann man wohl mit Recht annehmen, weitgehend auch ein Sozialisierungsprozess" (Hoyos, 1965, 13).

 

"Es wurde bereits auf das Problematische hingewiesen, das jeder zeitlich beschränkten, sporadisch durchgeführten Verkehrserziehungsaktion anhaftet. Nicht, dass solche Aktionen als zwecklos abgetan werden sollen. Sie können gewissermassen der Aufrüttelung des öffentlichen Gewissens dienen, gutwillige Kräfte mobilisieren und zu gemeinsamer Mithilfe anregen.

Wenn aber einer polizeilichen Verkehrserziehungsaktion nicht nur ein Augenblickserfolg beschieden sein soll, braucht es mehr. Dauererfolge lassen sich nur erreichen, wenn die verkehrserzieherische Arbeit der Polizei nicht nur vorübergehend, sondern unentwegt und kontinuierlich nach einem systematischen Programm betrieben wird. Es ist falsch, wenn die Verkehrserziehung von der Polizei, selbst wenn ihr Mannschaftsbestand zur Erfüllung aller Aufgaben noch so knapp bemessen ist, nur während wenigen Tagen gefördert wird und auf Hochtouren läuft, um nachher während der übrigen Zeit des Jahres in einen Dornröschenschlaf zu verfallen" (Ramseyer, 1962, 18).

 

 

5.4. Koordination, Kooperation und Systematik

 

5.4.1. Notwendigkeit

 

Das Krebsübel der ganzen Verkehrsbildung, ja der gesamten Verkehrspsychologie hat sich mittlerweile recht deutlich herausgeschält, die Zitate zeigen es auch, es ist ein Übel unserer Zeit, das in allen Lebensgebieten, wo etwas getan werden sollte oder auch wo nur Menschen miteinander Kontakt aufnehmen oder aufnehmen sollten wuchert, d. h. von wucherndem Übel kann man eigentlich gerade nicht sprechen weil es gerade in der Absenz von etwas besteht, nämlich im Fehlen oder zumindest mangelhaften Vorhandensein von Koordination - als Gedanken- und Erfahrungsaustausch und Zusammenarbeit (Kooperation) -  sowie einer hilfreichen Systematik, gepaart mit einer durchdringenden Integration.

Dass sie eminent "menschliche" Probleme darstellen von grösster Tragweite, ist nicht nur ein philosophisches und psychologisches Problem!

 

"Technik, Wirtschaft, Verwaltung, Rechtswissenschaft, Psychologie und Medizin bemühen sich in allen zivilisierten Staaten der Erde seit Jahrzehnten, die Gesetzmässigkeiten im Kräftespiel auf dem Sozialfeld des motorisierten Strassenverkehrs zu ergründen. Diese Aufgabe wird nur zu bewältigen sein, wenn mit allen Bemühungen noch mehr Koordination und gegenseitiges Verständnis und weniger rivalisierendes Nebeneinander verbunden wird" (Lewrenz, 1965, 18).

 

Auch die BfU (Beratungsstelle für Unfallverhütung) stellt als symptomatische Äusserung für die vorläufige Mangelhaftigkeit der Zusammenarbeit - um nur ein Beispiel herauszugreifen - fest:

"Leider zeichnet sich die Rechtssprechung bei Verkehrsdelikten nach wie vor durch frappante Uneinheitlichkeit aus. Der Motorfahrzeuglenker wird für ein und dasselbe Vergehen nicht nur in den verschiedenen Kantonen, sondern häufig auch innerhalb des Kantons von den Amts- und Bezirksgerichten divergierend beurteilt. Dass diese Situation der Rechtssicherheit alles andere als förderlich ist, leuchtet auch dem juristischen Laien ein" (BfU, 1963/64, 7).

 

"Verkehrssicherheit bedeutet deshalb Verpflichtung zur Integration (vom Verf. gesperrt) institutionellen und individuellen Sicherheitsdenkens, zu einer Zusammenarbeit im vertikalen Sinne zwischen Staat und Staatsbürger.

Verkehrssicherheit bedeutet darüber hinaus Aufruf zu einer Zusammenarbeit im horizontalen Sinne zwischen den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen und frei von allen standespolitischen Hegemonie-Absichten'' (Redmann, 1965, 33).

 

 

 

Literaturauswahl

 

Wilhelm Arnold: Zur theoretischen Grundlegung der arbeitswissenschaftlichen Probleme des Verkehrs. In: Der Mensch im Verkehr. Mainz: Krausskopf 1965, 9-16.

BfU (Schweizerische Beratungsstelle für Unfallverhütung): Jahresbericht 1963/64.

Hans Biäsch: Verkehrspsychologie und Unfallverhütung. In: Psychologische Fragen der Verkehrssicherheit. Tagungsbericht. Zürich: Institut für Arbeitspsychologie der ETH 1966, 5-11.

K. Brändli: Ethische Gesichtspunkte in der Verkehrserziehung. In: Verkehrserziehung. Seminar-Gruppenarbeit. Zürich: Psychologisches Institut der Universität 1965, 36-39.

Erich Brock: Befreiung und Erfüllung. Grundlinien der Ethik. Zürich: Artemis 1958.

Friedrich Burkardt: Fahrbahn, Fahrzeug und Fahrverhalten. In Carl Graf Hoyos (Hrsg.): Psychologie des Strassenverkehrs. Bern: Huber 1965, 135-172.

Jan Drösler: Zur Methodik der Verkehrspsychologie. In Carl Graf Hoyos (Hrsg.): Psychologie des Strassenverkehrs. Bern: Huber 1965, 245-290.

Heinrich Hellge: Verkehrsbeeinflussung Erwachsener. In: II. Verkehrswachtkongress Berlin 1960. Bonn: Bundesverkehrswacht, Drucksache Nr. 34, 1961, 110-121.

Johannes Hoffmeister: Wörterbuch der philosophischen Begriffe. Hamburg: Meiner 1955.

Paul Wilhelm Hofmann: Problematik in der Verkehrswachtarbeit. In: II. Verkehrswachtkongress Berlin 1960. Bonn: Bundesverkehrswacht, Drucksache Nr. 34, 1961, 122-136.

Carl Graf Hoyos: Einleitung. In Carl Graf Hoyos (Hrsg.): Psychologie des Strassenverkehrs. Bern: Huber 1965, 77-134.

Carl Graf Hoyos: Verkehrsverhalten und Persönlichkeit. In Carl Graf Hoyos (Hrsg.): Psychologie des Strassenverkehrs. Bern: Huber 1965, 7-14.

Carl Graf Hoyos: Probleme und Tendenzen der verkehrspsychologischen Persönlichkeitsforschung. In: Der Mensch im Verkehr. Mainz: Krausskopf 1965, 20-23 (= Hoyos 1965a).

Dieter von Klebelsberg: Analyse des Verkehrsverhaltens. In Carl Graf Hoyos (Hrsg.): Psychologie des Strassenverkehrs. Bern: Huber 1965, 15-75.

M. Kuhn in: Verkehr und Menschlichkeit. Zürich: Atlantis 1958, 26-39.

Herbert Lewrenz: Der Mensch und sein Kraftfahrzeug. In: Der Mensch im Verkehr. Mainz: Krausskopf 1965, 17-19.

Winfried Lohr: Die Verkehrserziehung im Lichte der öffentlichen Meinung. In: Kleines Handbuch für Verkehrserziehung und Unfallbekämpfung. Shell Switzerland 1962, 49-51.

 [Ross Armstrong McFarland, Alfred L. Moseley: Human Factors in Highway Transport Safety. Boston: Harvard School of Public Health 1953.]

A. Meile: Der Faktor "Sicherheit" im heutigen Automobilbau. In: Kleines Handbuch für Verkehrserziehung und Unfallbekämpfung. Shell Switzerland 1962, 47-48.

Elmar Müller: Der tödliche Verkehrsunfall. In: Annales Universitatis Saraviniensis, Vol. IX, Fasc. 1/2; Saarbrücken: Universitäts- und Schulbuchverlag 1961, 1-130 (Diss. Univ. des Saarlandes, 1960).

Heinz Müller: Verkehrserziehung der Erwachsenen. In: Verkehrserziehung. Seminar-Gruppenarbeit. Zürich: Psychologisches Institut der Universität 1965, 1-3.

[Gerhard Munsch: Wege zur Bildung des Verkehrssinnes. Grundriss eines verkehrskundlichen Lehrsystems. München: ADAC 1966.]

Alois Pfister: Gesetz, Polizei und Strafe in der Unfallbekämpfung. In: Psychologische Fragen der Verkehrssicherheit. Tagungsbericht. Zürich: Institut für Arbeitspsychologie der ETH 1966, 26-41.

Adolf Ramseyer: Polizei und Verkehrserziehung. In: Kleines Handbuch für Verkehrserziehung und Unfallbekämpfung. Shell Switzerland 1962, 15-19.

W. Redmann: Der psychologische Beitrag der Kraftfahrer-Eignungsuntersuchungen zur Verkehrssicherheit. In: Der Mensch im Verkehr. Mainz: Krausskopf 1965, 33-35.

Richard Reiniger: Verkehrserziehung in der Volksschule. In: II. Verkehrswachtkongress Berlin 1960. Bonn: Bundesverkehrswacht, Drucksache Nr. 34, 1961, 82-86.

Günther Rönnebeck: Hauptvortrag. In: Die Verantwortung der Schule für Gesittung und Sicherheit im Verkehr. Bonn: Bundesverkehrswacht, Drucksache Nr. 18, 1957 (zit. nach Zeitz, 1960, 114).

Gerhard Schwabe: Einleitende Zusammenfassung In: II. Verkehrswachtkongress Berlin 1960. Bonn: Bundesverkehrswacht, Drucksache Nr. 34, 1961, 9-21.

Gerhard Schwabe: Beeinflussung der heranwachsenden Jugend aus der Sicht eines Gewerbelehrers der Berufsschule für Transport und Verkehr. In: II. Verkehrswachtkongress Berlin 1960. Bonn: Bundesverkehrswacht, Drucksache Nr. 34, 1961, 90-97.

Friedrich Steinwachs: Klinisch-psychologische Persönlichkeitsfaktoren der Kraftfahrereignung. In. Der Mensch im Verkehr. Mainz: Krausskopf 1965, 24-32.

[William Anthony Tillmann, G. E. Hobbs: The accident-prone automobile driver. American Journal of Psychiatry, 106, 1949, 321-331.]

[Udo Undeutsch: Ergebnisse psychologischer Untersuchungen am Unfallort. Forschungsbericht des Landes Nordrhein-Westfalen, Nr. 1087. Köln, Opladen: Westdeutscher Verlag 1962.]

H. Walther: Die seelische Seite des Strassenverkehrs. In: Kleines Handbuch für Verkehrserziehung und Unfallbekämpfung. Shell Switzerland 1962, 36-37.

Werner Winkler: Lebensalter und Verkehr. In Carl Graf Hoyos (Hrsg.): Psychologie des Strassenverkehrs. Bern: Huber 1965, 173-243.

Alexander Zeitz: Schule und Strassenverkehr. Versuch einer Standortbestimmung. Schriftenreihe des Schulamtes der Stadt Zürich 1960.

Alexander Zeitz: Memorandum zur Frage Seminarien für Verkehrserziehung in der Schweiz. Zürich: SLV/ BfU 1965.

Viktor Zwicky (vz): Sicherer fahren - defensiv fahren. Tages-Anzeiger, 16.5.1965, 47.

 

weitere Literatur siehe:

Literatur: Risiko/ Unfallverhütung

 

 

(zusammengestellt und geschrieben von Frühsommer 1965 bis Sommer 1966)

 

 

(Eine 25seitige Zusammenfassung dieser Arbeit wurde am 24. Dezember 1966 als Beitrag zu einem von einer Versicherungsgesellschaft ausgeschriebenen Ideen-Wettbewerb eingereicht, unter dem Titel:

"Utopisches Modell einer Konzeption eines umfassenden (gesamtschweizerischen) Unfall-, Gefährdungs- und Belastungsverhütungs- (oder -milderungs-, -minderungs-, -reduzierungs-, -senkungs-) programmes im Strassenverkehr mit Hilfe einer aufzählenden Sammlung von Gemeinplätzen und Schlagworten - Vorstufe einer Diskussionsgrundlage";

daraus stammt die Abbildung:

 "Beim Verkehrsteilnehmer sind für (Fahr- und Führer-) Tauglichkeit, -Tüchtigkeit und -Bewährung (im Sinne von Nicht-Auffälligkeit, Angepasstheit) folgende wichtigsten Polaritäten gefordert:"

 



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