HomeBehaviorismus (behaviorism)

 

John B. Watson: Behaviorismus. Köln: Kiepenheuer & Witsch 1968.

Enthält in erstmaliger Übersetzung von Lenelis Kruse

Psychologie, wie sie der Behaviorist sieht (1913), und

Der Behaviorismus (1930).

 

siehe auch:    Literatur Behaviorismus (1878-2005)

                       Akt und Operation, Handeln und Tun, Ausdruck, Funktion und Verhalten - Begriffsklärungen

 

 

... heute weitgehend akzeptierte methodische Grundlage für einen Grossteil der psychologischen Forschung.

 

"Psychologie wie sie der Behaviorist sieht, ist ein vollkommen objektiver, experimenteller Zweig der Naturwissenschaft. Ihr theoretisches Ziel ist die Vorhersage und Kontrolle von Verhalten. Introspektion spielt keine wesentliche Rolle."

 

So eröffnete John Broadus Watson 1913 das Programm des Behaviorismus, der sich als Ablösung von Seelenmetaphysik, Erlebnis- oder Bewusstseinspsychologie verstand und deshalb "gegen einen unaufhörlichen Strom der Entrüstung anzukämpfen hatte" (Watson: Einleitung zu "Behaviorismus", 1925, rev. 1930; dt. 1968, 31).

 

Das Bewusstsein wird nicht negiert - es war William James gewesen, der es in seinem Aufsatz "Does Consciousness Exist?" 1904 als Fiktion erklärt hatte -, jedoch als Forschungsgegenstand der Psychologie verworfen [27], weshalb auch der gesamte Wortschatz geändert werden muss.

Einziger Gegenstand [39] ist das direkt beobachtbare oder mit Instrumenten feststellbare Verhalten von Tier und Mensch, zur Hauptsache aufgefasst als Anpassungsvorgänge [20, von Organismen an ihre äussere wie innere Umwelt [204] durch Beantwortung (response) von äusseren und viszeralen Reizen (Objekten) oder Reizsituationen.

Unter Reaktionen fallen auch "höher organisierte Tätigkeiten wie Wolkenkratzer errichten, Pläne schmieden, ... Bücher schreiben" [39] resp. "komplexere Verhaltensformen wie Vorstellung, Urteil, Schlussfolgern und Begriffsbildung" [25]. Reaktionsorgane sind Muskeln und Drüsen. Diese Vollzugsorgane stehen zwischen den Sinnesorganen und den Verbindungsorganen (Nervensystem).

 

Der Mensch unterscheidet sich vom Tier durch die stärkere Ausbildung von drei "Gewohnheitssystemen" [203ff, 207ff], nämlich den manuellen, emotionalen (viszeralen) und verbalen Gewohnheiten.

Während Gefühle (und Einstellungen) als zumeist ausserordentlich komplexe "emotionale Reaktionen" beider Gruppen von Vollzugsorganen gelten, sind Sprechen und Denken "Kehlkopfgewohnheiten" [41, 98, 203, 205, 212, 224, 257, 270].

 

Denken fasst Watson als "inneres" oder "lautloses" [39] Zu-sich-selbst-Sprechen [240] "hinter verschlossenen Lippen", und dies ist "als Verhalten genauso objektiv wie Baseballspielen". Da aber Denkvorgänge durch ganz feine Kontraktionen [26] der "verborgenen Muskulatur" [239] ausgeführt werden, die sich genaugenommen nicht nur in der Kehle, sondern auch in Zunge, Wange und Brust befindet [236, 240, 257], kann die Behauptung gewagt werden, "dass der Mensch mit seinem ganzen Körper sowohl spricht als auch denkt - so wie er alles andere auch mit seinem ganzen Körper tut" [228f, vgl. 66, 251, 263f]. Freilich fehlen - wie Watson meinte: vorderhand - die zur Erforschung dieser "impliziten" Wortreaktionen notwendigen Methoden und Instrumente [241f].

 

Obwohl Watson die Ausbildung von Gewohnheiten als Kombination von ungelernten Verhaltenselementen betrachtet (Konditionierung als Organisationsprozess; 67), befindet er sich bereits auf dem Weg zu einer gesamtheitlichen Betrachtung, wenn er meint [181, 238f, 257, 262], alle drei Gewohnheitsarten "sind erforderlich für eine vollständige Reaktion", es sind "Teile einer einzigen umfassenden Funktion" [251] (Funktion = gut gelernte Gewohnheit; 221), einer "Gesamtgewohnheit" [254].

Dabei kann im Ablauf der Aktivitäten ein Stückweit der eine Teil, eine Zeitlang ein anderer Teil dominieren. Geht die Anpassungsaktivität an eine Situation (Denkproblem) In der Form einer manuellen oder viszeralen Organisation vor sich, so "geht das Denken ohne Worte vonstatten". Nur die Endreaktion resp. erfolgreiche Anpassung muss verbal (lautlos) sein; Watson bezeichnet sie als '"Urteil" [264].

 

Bedeutsam ist ferner, dass alle gesunden Menschen bei der Geburt "mit der gleichen Ausstattung" beginnen [266]. Es ist das nachher einsetzende "Umwelttraining", das "den einen zum Holzfäller und zum Wasserträger, den anderen zum Diplomaten, Dieb, zum erfolgreichen Geschäftsmann oder weltberühmten Wissenschaftler" [267] macht.

Das Ergebnis, die Summe aller Aktivitäten, die sich als Querschnitt durch die Organisation (Gewohnheitssysteme) des Individuums darstellen lässt wie in einer Kartei, ist die "Persönlichkeit" [270ff].

Geisteskrankheit gilt als "Verhaltensstörungen" oder "Gewohnheitskonflikte".

 

 

Verhalten, verbales (verbal behavior, verbal report)

 

Bei J. B. Watson (1925) eines der drei den Menschen gegenüber dem Tier auszeichnenden Gewohnheitssysteme neben manuellen und emotionalen (viszeralen) Gewohnheiten.

Unter dieser "Tarnkappe", wie L. J. Pongratz ("Problemgeschichte der Psychologie". Bern: Francke 1967, 313, 342) es nennt, habe er unvermerkt die von ihm abgelehnte Introspektion, die innere Erfahrung des einzelnen, doch berücksichtigt.

E. G. Boring ("A History of Psychology", 1957) habe den nominalistischen Trick durchschaut, statt "Bewusstsein" einfach "sprachliches Verhalten" zu sagen. Die Zulassung der sprachlichen Mitteilung sei ein schädliches Zugeständnis ("a damaging concession").

Vgl. aber B. F. Skinner "Verbal Behavior" (1957).

 

 

Geschrieben im September 1975;
erschienen in Hans Zeier: Wörterbuch der Lerntheorien und der Verhaltenstherapie. München: Kindler 1976, 20ff, 133;

2. Aufl. Eschborn: Fachbuchhandlung für Psychologie 1988..

 



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