Home Einführung in die Philosophie

 

Fragmentarische Notizen einer Vorlesung von Erich Brock an der Universität Zürich,

Sommersemester 1964

 

 

 

 

Philosophie ist eine Art von Erkenntnis. Sie kann nur zur Ganzheit gelangen, wenn sie Weltanschauung mitbringt.

Es braucht Mut zum Weglassen und Ignorieren zum Nutzen der Ganzheit.

Wichtig: Ganzheit und Fülle.

 

Grundproblem: den Zerfall in Gegensatzpaare durch Haltekräfte zusammenbringen, die zerlegte Einheit wiederherstellen.

 

Die Welt, wie sie Ist, ist eins, eine in sich unzerlegte Einheit, in sich selbst schwebend. Der menschliche Verstand wirkt als Scheidewasser zur Zerlegung in elementare Konstruktionselemente, Die Welt in sich bleibt aber bestehen, da Mechanismen die Scheidung verhindern. Die Fragen dabei sind: Zerlegen wir richtig, mutwillig, oder sondern wir organisch bestimmte funktionelle Teile ab, ist eine allzu tiefdringende Zerlegung unheilbar?

 

Die Wirklichkeit ist ohne Begrenzung, aber uns doch als Ganzheit entgegentretend. Innere und äussere Sicherheit finden wir nur durch Erkenntnis, d. h. durch Handhabung eines Fassbaren. Die Erkenntnis abstrahiert und stellt Gesetze auf (welche allgemeinen Charakter tragen und deshalb dürftiger sind als das Besondere).

 

Der Verstand will die Welt beherrschen, betrügt sich aber selbst, wenn er sie (ihre Inhalte aktiv) verarmt. Haben und Beherrschen ist nicht dasselbe. Haben heisst mit dem Gehabten einswerden. Was man (durch den Verstand) beherrscht, hat man nicht, - Was man hat, hat auch einen; damit ist die Sicherheit dahin. Der Verstand stellt sich den Gegenständen gegenüber, um sich selbst zu beherrschen. Das führt zur Absonderung, Einsamkeit, Besitzlosigkeit.

 

Das Einssein mit der Welt verlangt Wagnis (Streben nach Verunsicherung), welches Einzel-Sicherheiten trägt (im Sehen von sinnvollen Regelmässigkeiten). Wagnis und Begriff der Ganzheit stehen über dem Denken, da es nur zerlegt. Der Verstand kann die Ganzheit nicht beweisen. Der Sinn ist nicht nur auf dem Weg des Denkens fassbar.

 

Das Ich ist ein Ablauf, ein Geschehen, das sich sich selber gegenübersetzt und sich anschliessend mit ihm identifiziert. Es ist: die Trennung einer mit sich selbst identischen Wesenheit überwinden und wieder zu sich finden.

 

Sich selbst erkennen heisst: Identifikation. Erkennen der Ganzheit, sich sich selbst einverleiben, Die nichtbeweisbare Ganzheit ist von paradoxer Struktur. Folglich ist der Weitergang der Bemühungen, es zu fassen, unendlich, Die Ganzheit ist allumfassend; sie enthält auch die Unendlichkeit, die aber ohne Abschluss ist. Die Vorstellung der Ganzheit ist also nur unter Zuhilfenahme des Gegensatzes möglich (Endliches-Unendliches; Polarität), Allenthalben Paradoxien bewirken Verkrampfungen der Gedanken.

 

Ganzheit ist die Vereinigung der Kraft von Einzelstrebungen; Spannung ist notwendig; sie wird gelöst in Harmonie.

 

Gegensatz von Einheit und Vielheit. Die Welt ist nicht disparat, da alles auf alles wirkt. Einheit und Gegensatz sind dasselbe (Heraklit).

 

Die Zurückführung auf die Ganzheit, besser: die Aufhebung der Gegensätze bedeutet (auch) Verarmung.

Der Urtrieb des Menschen: Einssein mit sich selbst; Selbstbesinnung, Identität mit sich selbst, also Ich sein.

 

Der Mensch hat von Kind an (ursprünglich: dumpfe Einheit von Subjekt und Objekt) den Drang, die Dinge aus sich herauszunehmen, sich gegenüberzustellen (Ich contra Es), um sie zu beherrschen und damit Sicherheit zu erlangen; es bedeutet aber einen Substanzverlust. Die Subsumation darf nur ein technisches Verfahren bleiben zur Beherrschung der Dinge und zur Sicherung, indem man die magische Macht (der Einheit) durch Auseinandernehmen zerstört.

 

Der Widerspruch ist immer von neuem zu lösen; das ergibt eventuell Klarheit und Einsicht in die Wesenheiten, welche die Möglichkeit geben, Einheit und Vielheit zu vereinen.

 

Ein fixer, statischer Gegensatz legt Leben und Denken still.

 

Lösen bedeutet neue Verschränkung, Einführung neuer Bezirke (es ergibt sich eine aufsteigende Spirale).

 

Der Mensch hat den Willen zur Lösung, zum Weiterkommen, zu Abstraktion unbedingt nötig, Keine Ideen, kein Denken, kein Gestalten ohne Verzicht (Abstraktion); alles ist nicht umklafterbar.

 

Das Einfache erklärt nicht das Komplizierte, aber umgekehrt.

 

Die Tragik und der Ernst des Widerspruches verlangt einen entschlossenen Willen, gespiesen aus der Erkenntnis, dass es um einen (den Menschen nämlich) selbst geht.

 

Alles Denken beruht auf einem Vertrauens- und Glaubensakt, dass die Wirklichkeit auf die Vernunft anspreche, sich ihr erschliesse. Vertrauen auf die Wirklichkeit ist der erste Schritt zur Philosophie.

 

Beides, Geistiges und Sinnliches ist notwendig, wesentlich:

„Begriffe ohne Anschauung sind leer; Anschauungen ohne Begriffe sind blind.“

 

Kant zeigt, dass auf rein theoretischem Weg die Erkenntnis nicht zum Abschluss zu bringen ist. Nur grosse Wahrscheinlichkeiten sind erreichbar. Der Vertrauensakt ist ein Einbruch in das theoretische Denken aus der Willenssphäre. Der Mensch will und soll leben, deshalb ist der Vertrauensakt notwendig. Die Verpflichtung, da zu sein, führt weiter, sonst wäre das Leben hoffnungslos, Dies ist eigentlich im abendländischen Denken (ausser in der Mystik - wo aber die Mitteilbarkeit aufhört) abwesend, dafür im Morgenland, da, nämlich die Ansicht, dass das Denken durch das Leben vorangetrieben wird und umgekehrt.

 

Das Wesen der Kunst: Durch einzelne, typische Fälle das Allgemeine verkörpern; in knapper, sparsamer Weise ist nur eine kleine Fülle des Stoffes zugelassen, sie lässt die Fülle aufklingen. Heute ist die Fülle zur Anarchie geworden, Wortreichtum bedeutet Erschlaffung, Klassik: In äusserster Bewusstheit, Konzentration, Beschneidung, welche implizite Vielfalt birgt.

 

Indien: Lebensanweisung: Welt muss (innerlich) vernichtet werden durch Töten der Triebe, Dadurch wird der Mensch eins mit dem unsagbaren, qualitätslosen Sein. Heraklit: Die Vielheit wird von der Einheit ausgeatmet und umgekehrt. Die Einheit langweilt sich mit sich selbst. Die Welt ermüdet (verdorrt) auch an ihrem anarchistischen uferlosen Drang. In der Kraft des Selbstseins ist die Kraft der Vergänzung. Alles sucht sich selbst in absolutem und bedingungslosen Sich-selber-wollen - "auseinanderstrebend strebt es zusammen" (Leier). Und die Welt bricht doch nicht auseinander.

 

Der Mensch soll die Naturgesetze kennen, seine Rolle spielen als Naturwesen, sein, was er ist, den Aufblick zum Ganzen offenhalten und Vorbehalte äussern gegen Fanatisches und absolut Unduldsames.

Es gibt keine mechanische Anweisung, kein Rezept zur Lösung des Lebens, sie ist abhängig von vielerlei, Es bestehen beide Gefahren: Entleerung und Verödung oder Zerrissen- und Untergetauchtwerden von den Widersprüchen. Leidlich ideal: beide Seiten berücksichtigen, auf beide Seiten offen sein.

 

Der Mensch, der sich scheut, auf dem Sprung zu sein, agil zu bleiben, hat es dennoch nötig, das Sicherheitsbedürfnis zu überwinden. Der Lohn besteht darin, dass er nicht ermüdet, sondern in Spannung versetzt bleibt.

 

Man muss Akzente setzen, Wichtigkeitsabstufungen machen, und Einzelnes als stellvertretend für das Ganze setzen. Wieviel davon aber ist bewusst oder instinktiver Verzicht? Keine Auswahl und Verknüpfung ist zwingend, sie hat höchstens eine grosse Wahrscheinlichkeit (= Positivismus). Die Einheit ist nur durch Überwindung (eines) von Gegensätzen möglich.

 

Es ist verführerisch, von einem Gesichtspunkt aus zu philosophieren, Die Verankerung des Absoluten in Gott ist eine Projektion.

 

Der Gottesbegriff ist der radikal absolute Begriff, der sich jeglicher Qualifikation entzieht. Gott ist absolut tranzendent.

 

Wollen contra Denken.

Wille contra Gedanken (bei Gottesvorstellung).

Denken contra Fühlen.

 

Der Mensch kann nicht Vertrauen haben, ohne Vernunft, ohne empirische Erfahrung, dass es eine Behütung gibt.

 

Ein Kritiker ist nicht verpflichtet zu sagen, wie man etwas bessermachen kann; er darf kritisieren: So geht das nicht. Die Besserung darf er einem Gestalter überlassen (der einmal kommen wird). Der Künstler soll es dem Kritiker überlassen, sich auf seine Prinzipien zu besinnen.

Entgegengesetzte Prinzipien sind aufeinander angewiesen.

 

Die Absolutsetzung eines Poles ist zerstörerisch. Beide Grundanschauungen sind richtig; fraglich ist nur die Verbindung oder das Zusammenbringen.

 

Der Mensch hat Angst vor dem Fall ins Bodenlose, aber gleichzeitig einen Drang nach Aussen.

 

„Letzte Daten“ sind verschiedener Deutungen fähig ( Subjektivität).

 

Skepsis ist vertretbar, begründet. Aber

1.: Es gibt Erkenntnis und

2.: Abhängigkeit vom Leben soll sein.

 

„Der Mensch (d. h. seine Verfassung) ist das Mass aller Dinge.“

 

Der Mensch muss beide Seiten strebend in sich vereinen.

 

 

Objektives - Subjektives

 

Ohne Interesse am Zu-erkennenden gibt es keine Ausgangslage (muss Leidenschaft sein). Subjektives, das Lebenselement ist auch nötig, Das Objektive indessen verfälscht es nicht.

 

Das Erkennen des Subjekts ist ein geistiger Vorgang, das der Objekte ein körperlicher. Geistiges und Körperliches sind nicht dasselbe, Die Behauptung, dass sie dasselbe, ist dumm, materialistisch.

 

 

Die Denkform ist diktiert vom Körperlichen her.

Das Subjekt ist vom Geschlecht des Sollens. Die Gegenstände (Objekte) fallen mit sich zusammen, sind sich selbst (sind mit sich selbst identisch), eine ruhende Tatsache, Bewegungsbegriffe sind aufgehoben, Das Ich ist dies alles nicht, es ist zu sich auf dem Wege. Das Ich stellen wir uns gegenüber als Gegenstand unseres Denkens, gleichzeitig ist aber die Erkenntnis, das ist ja mit mir dasselbe (also ist es eine Kreisbewegung).

 

Das Ich ist kein Ding, sondern eine Haltung, Bewegung, ein Vollzug, tathaft. Es ist eine Selbstüberschreitung des Denkens, nicht in sich selbst ruhend.

 

Alternieren: Kennen, Wiederherstellen des zergliederten Dings in ursprüngliche Einheit des Lebens. Das Wesen des Denkens ist, dass es sich selbst überschreitet, dass es das Nicht-dinghafte denkt als sei es ein Ding.

 

Wir müssen das Selbst in die Dinge hinein bringen und es verneinen.

 

Erkenntnis ist etwas, das sein Vernunftwesen nicht losbringt.

 

Vernunft kann nicht restlos auf gehen, ist nicht wasserhell. Das Subjekt muss aus dem Verhältnis herausgebracht werden.

d

Was die Erkenntnis will ist das Objekt, nicht das Ich oder unser Erkennen; das Ich ist nur noch die Registratur, dessen was sie vorfindet.

 

Die Paradoxie alles Denkens, alles Lebens: Aufhebung des Subjektiven durch das Subjekt selber. Das schafft aber nicht Chaos, sondern Kosmos (bis ins letzte geformt).

Aber schon im Objekt muss eine gewisse Ordnung sein, sonst würde das Aufzwingen, Diktieren, Stiften einer Ordnung (nach Kant) am Chaos abprallen.

 

Es ist nötig, dass die Welt vieldeutig und andeutend (um vom Geist – der von der Freiheit leben muss, Manövrierraum braucht – ergänzt zu werden) sei.

 

Die grundlegendsten, fundamentellen Organisationsprinzipien (Kategorien), die der Geist auf die Welt anwendet, sind 1) Substanz und 2) Kausalität. 1) Der Raum schafft das Ding, 2) die Zeit die Ursache, Das Ursachendenken ist aber nur ein Abbild des menschlichen Handelns (um Ordnung zu bringen).

 

Der Geist ist aber kein genialsouveräner Schalter und Walter (wie bei Fichte und Schlegel), er stellt wesentliche Ursachen fest, aber das Absolute ist nie erkennbar. Es ist immer nur ein Tasten und Vermuten (Was ist zufällig, was notwendig?) Deshalb kommt die Einzelwissenschaft zum Positivismus, sie begnügt sich mit Wahrscheinlichkeiten (welche als technische Grundlage die Idee der Wahrheit voraussetzen).

 

Wesen der Erkenntnis: Wir kommen nicht ohne Vorstellung des Absoluten durch; sie ist unentbehrlich, auch beim reinen Objektivismus. Aber: Die Idee des Absoluten hat verheerende Konsequenzen: Ketzer-Verfolgungen z. B.

 

Von einem gewissen Bewusstseinstand an, kann es der Mensch nicht mehr ohne Idee des Absoluten aushalten; das Herumplätschern im Relativen lässt hungrig, macht unsicher (Negativität des menschlichen Lebens), verlangt einmal Zuflucht, Sicherheit, Ernährung im Absoluten.

 

Das Ich ist nicht seinshaft, sondern nur in seinem Vollzug erlebbar, hat Akt-Charakter (Bewegungsform), ist in hartem, scharfem Gegensatz zum Gegenstand, Objekt (Fichte, deutscher Idealismus), ist von Grund auf total anders.

 

Weshalb kann man sich nicht mit dem Relativen begnügen? Weil die Rolle des Subjekts (Ichs) nicht ausschaltbar ist, da es absolut, auf sich selbst gestellt ist. Es gibt kein Erbarmen, das Ich muss zu sich selber gelangen. Die Idee des Absoluten ist mit dem Sich-selbst-sein des Ich identisch.

 

Gegenstand des Erkennens ist der Gegenstand.

 

Erkenntnis und Welt sind vom Subjekt her zu konstruieren; das ist aber ein komplizierteres, titanischeres und gefährlicheres Unternehmen als vom Objekt her (beides führt aber zu einem Misserfolg), aber: das Subjekt ist immer da: es leistet die ungeheure Abstraktions-Arbeit fúr das System der Vernunftgrundsätze des Rationalismus und stellt das Ziel auf. Immerhin ist Erkenntnis aus dem Subjekt heraus konstruierbar.

 

Kant: Zur Erkenntnis sind zwei Faktoren notwendig: Ich und Erfahrungsstoff. Der Objektivismus ist blind.

 

Heute sind Substanz und Kausalität als Verknüpfungsformen abgelöst von Relativität und Wahrscheinlichkeit(sabfolgen). Das Wahrscheinlichkeitsprinzip ist aber kein Prinzip. Es entscheidet nicht die Mehrzahl, sondern die Annäherung an die Idee von Wahrheit.

 

Alle Erkenntnis zielt auf das, was ist, also auf: Existenz und Identität, Die Welt verliert durch Identität an Unheimlichkeit, aber das bedeutet eine inhaltliche Verarmung, besonders bei einer Erkenntnis vom Ich aus (die Welt vom Ich her zu verstehen und zu konstruieren).

 

 

Philosophie: hat ethischen Gehalt. Dem chaotischen Gefüge im Ich (Bewusstsein) kann man ausweichen durch Rückzug der Identität auf Ich, auf den Urquell, also auf sich selbst. Das Ich versenkt sich in sich selbst, ohne Blick zur Seite (also: ein Zurückziehen von der Welt, die theoretische Besinnung wird praktisch). Der Mensch wird er selbst, In der Tiefe von sich findet er das Absolute, Gott, das Seelenfünklein, das sich in Gott selbst verliert. Nur wenn das Ich selbstgenügsam ist, bestehen keine Hindernisse zwischen Ich und Selbst (= Sich).

 

Dieses In-sich-selbst-hineinstürzen kann aber unter Umständen zu nichts führen. Denn der Mensch will auch das Andere, nicht das Selbstverständliche (Selbst), sondern Fremdes, Neues (was denkende Erkenntnis neues gibt).

 

Also: Weder das Ich, noch Objekt, noch Selbstverständliches ist aus der Erkenntnis auszuschliessen, weder Identität noch Gegensatz. Wir können noch Andersheit entbehren, noch Gleichheit, Einheit; sonst gibt es ein Chaos der Welt ohne Identität, nämlich eine Zerreissung. Aus dieser Schwierigkeit können wir herauskommen, wenn wir festhalten: In der Welt gibt es einen Zusammenhalt dieser beiden, ein Zusammenwohnen, welches für uns schaubar ist. Können wir dies nachzeichnen, auf Gesetze bringen? Es reizt.

 

Selbsterkenntnis heisst nicht, die eigenen Charakterzüge erkennen (das wäre etwas Fremdes). Die Selbstverständlichkeit ist die formale Selbstvergewisserung des Selbstverständnisses (welches vollzogen werden muss: sich als Ich anerkennen). Es ist ein Grenzbegriff, in seiner Absolutheit selten erlebbar, meist ist immer wieder Fremdes darin.

Das Denken als Mittel zum Erkennen muss man unbedenklich hinnehmen; es ist nur als Vollzug da. Denken ist nur mit Denken feststellbar, Alle Erkenntnis ist nur im Vollzug zu erkennen.

 

Das Denken in und mit seiner Fülle ist nicht dasselbe wie das Sich-selbst-denken. Das Denken überschreitet sich selbst; es ist immer bei den Dingen; es kann sich nur zurückspringend erkennen. Das Wesen des Denkens: beim Gegenstand zu sein (und dort seine Arbeit zu leisten).

 

Das Absolute in Reinheit ist nur negativ; als rein Theoretisches ist es das Nichts; es muss ihm eine nichtgegenüberstellbare Fülle zugefügt werden (Hinterwelt, Urgrund, usw.).

 

Mystik: Die Welt als zwei (Andersheit) vernichtet und zu Gott zurückgeführt. Die ewige Wiederkehr und der Übermensch sind metaphysische Missgeburten. Die Einsicht ist nötig von der polaren Struktur des Geistes!

 

Sündenfall: Abfall seiner von sich selbst.

Subjekt und Objekt in der Welt sind seit jeher zusammen.

 

Der Mensch arbeitet mit einem höllischen Teufel, der Vernichtung (Nein als absolut Vernichtendes) von allem; aber sobald das auf Etwas gerichtet ist, ist es gedämpft, es kann sogar positiv werden, da es nur einen Teil im Auge hat, im Kleinen wirkt, im Relativen; das kann heilend, kräftigend wirken und den Menschen vor der Selbstzerstörung bewahren; sobald es absolut ist, ist alles zerstört.

 

Die Infinitesimalrechnung ist eine Entgiftung von Null und Unendlich, weil aus dem Nichts nicht mehr hinauszukommen ist, kein Prinzip herausnehmbar ist.

 

Die Welt ohne Vernichtung (welche hinter der relativen Verneinung - in Ansätzen - lauert und dem Menschen droht) hätte keinen Ernst (sonst wäre es nur ein Spiel des Subjektes mit sich selber).

 

Vernichtung steckt auch im Begriff des Absoluten (nämlich die Beziehung des Ich zu sich selber).

 

Der Nihilismus lauert in dem, was der Mensch als absolut positiv verlangt, in der Religion; das absolut Gute ist dem Gottesgedanken entgegengesetzt (welcher aus der Erfahrung des eigenen Schicksals kommt, das der Natur unterworfen ist);  auch Böses ist Selbsterfahrenes (als Personifizierung des Schicksals). Die Natur hat auch in ihrer Gemischtheit seltsam persönlichen Charakter; sie besitzt ein ungeheueres Raffinement im Schönen und Schrecklichen.

 Der Gläubige aber will nicht die Personifikation der Natur, die gut und böse ist, sondern den Gottesgedanken des nur Guten. Das ist möglich, wenn man (sektenhafte) Scheuklappen anlegt, um nur das Gute zu sehen; das bedeutet aber eine Einebnung der Spannung, welche die Welt so „schön“ macht, das ist beinahe nihilistisch.

 

Vom Subjekt aus gesehen offenbart sich der Gedanke des Absoluten als nihilistisch, dessen Sinn darin besteht, den Einzelnen absterben zu lassen, damit die ganze Welt abstirbt. Am absoluten Nullpunkt geschieht aber der mystische Umschlag, wo die rein positive, schöne Welt entspriesst.

 

In der indischen Philosophie gewinnt nur der völlig abgetötete Mensch Macht über die Natur. Es besteht aber die Gefahr, dass nur die Abtötung gelingt, nicht aber der Umschlag.

 

Der nihilistische Gedanke des Absoluten und des Gottesgedanken bedeutet eine Gefahr für den nicht denkenden Menschen.

 

Goethe sagt richtig: Im Konkreten bleiben und wissen, dass noch etwas anderes ist.

 

Nur wer genötigt wird (!) (nicht der sich selbst zerstört aus Ungenügsamkeit), hat das Recht und die Glücklichheit, das Absolute offen zu sich selbst zu bringen, auf den Umschlag zu setzen (dass aus Null und Unendlich eine konkrete, lebbare Welt entspringe).

 

Absolutsetzungen sind sehr gefährlich, Die Philosophie muss vom Leben her gehen, immer wieder, von seiner Ganzheit und Unzersetztheit her, Es darf das Leben nicht bis auf den Grund zerschnitten werden, in der irrigen Meinung, dass es sich so besser zusammensetzen lasse.

 

Der Philosoph, der nicht lebt, hat keinen Stoff zu denken.

 

Nur wenn alles zerstört ist, darf man aus dem Nullpunkt aufbauen.

 

Hegel: Die dialektische Idee auf dem Höhepunkt. Einheit aus der Entfesselung der Vielzahl. Nur am Anfang hatte er schmiegsame Kategorien. Eine Entfremdung ins Objekt hinein, die Verbindung zum Ich abgerissen.

 

Die Idee der Dialektik ging nicht aus einer Idee hervor, sondern aus Materiellem, ist also ohne Wurze (?).

 

Kierkegaard: Richtet sich in der Härte des Objekts ein. Religiöse Hülle, welche nur entgegensteht; keine Assimilation, nur Unterwerfung ist möglich. Das bedeutet einen Rückschritt zum jüdischen, alttestamentlichen Gottesglauben (Gott als Widerpart, Harter, ganz Anderer, deus absconditus, der willkürlich funktioniert) und eine Verstarrung, genau wie die Existenzphilosophie: eine Verharrung in ewigem Neinsagen.

 

Die Dialektik verlangt eine Antithesis, die nicht einbezogen werden kann, welche zugleich drinnen wie draussen ist.

 

Verabsolutierung des Subjekts oder Objekts führt zu nichts.

 

Die Philosophie muss nicht unbedingt sein; nur die genötigte darf es sein. Das Absolute leuchtet uns im Relativen auf, Das Relative ist vom Absoluten geleitet. Das Relative gewinnt am Absoluten Form, das Absolute am Relativen Inhalt, Das Vorbild dafür ist die Naturwirklichkeit, wo das einfach so ist, auf festen Pfeilern ruhend; man soll nicht vorwitzig darüberhinausstreben.

 

Die grosse Bezogenheit von Form und Inhalt (Aristoteles) und von Subjekt und Objekt ist nicht realistisch genug für eine philosophische Konstruktion. In der Realität ist schon in der Form der Inhalt und umgekehrt.

 

Bei Verbohrtheit ist der Ertrag geringer als der Einsatz.

 

Philosophie: Prinzipien rein herauslösen; aber die Zweipoligkeit muss bestehen bleiben; kein Drängen auf das Prinzip; man muss immer beide Seiten betrachten (keine Vorurteile und keine Simplifizierung). Man muss immer auf der einen Seite fortschreiten und schauen, ob die andere mitkommt.

Man muss auf allem fussen; das gibt eine Einheitlichkeit. Sie zeigt sich in sichtbarer Harmonie, nämlich im tatsächlichen Zusammenhalten der Welt, welche schön ist und bleibt, in ihrer Spannung zwischen ihren Gegensätzen; Leben und Natur zeigen uns eine glückhafte Gleichgewichtslage.

 

 

Das Denken ist uns aufgezwungen durch Konflikte; sonst wäre ein naturhafter Zustand möglich.

 

Ein gewisses Mass an Wahrheit ist in den Teilwissenschaften erzielbar, bestätigbar. Was ausserhalb des Denkens und was innerhalb (= alles), ist nicht vergleichbar. Das theoretische Denken ist nicht weiterführend; es muss sich im Leben bewusst werden lassen; also ein Zusammenspiel von Theorie und Kampf des Lebens ist notwendig. Konstruktionen sind Unsinn, da aus einem Ereignis keine fruchtbare Folgerung zu ziehen möglich ist (bis Spinoza, der vom allgemeinen Satz die Fülle deduzieren wollte). Der Aristotelische Irrtum: unaufhörlich neues folgern zu können (Prinzipien und Bau-gedanken); die Synthesis wird als Rolle des Ichs dazugeschwindelt.

 

Zu jeder neuen Einsicht sind zwei Prinzipien nötig (die zusammenkommen müssen, wie im organischen Leben beispielsweise zwei Geschlechter sind), diese Prinzipien müssen aber irgendwie gleichgeschlechtlich sein.

 

Man muss: die Kluft zwischen Subjekt und Objekt ausfüllen, verstreben (damit aber vertraut sein) und eine Einheit von Einheit und Gegensatz, welche auseinanderstrebend sind, zu schaffen versuchen.

 

Es gibt keine Disparatheit (= ohne Bezüge), sondern Leben.

 

Man muss das Widerstreben nicht erdrücken. Der Blick muss so umfassend wie möglich sein. Die Prinzipien dürfen nicht zusammenfallen; es darf keine endgültige Rangordnung der Prinzipien aufgestellt werden, sonst geschieht ein Zusammenfall und alles ist verloren.

 

Es ist unmöglich, ein ruhendes System aufzubauen, wo jedes Prinzip seinen Platz hat, sondern es muss eine Abhängigkeit zwischen beiden Seiten (Subjekt und Objekt) geben, so dass das Gesamtverhältnis immer gleich ist. (Wenn der Akzent auf der einen Seite zu gross ist, bricht das Andere zusammen.)

 

Erfahrung ist eine Hierarchie von mehr oder weniger positiven Inhalten.

 

Sobald die eine Seite bejaht wird, schlägt die andere Seite ins Gegenteil um, wird negativ. Es gibt also immer wieder diese Kampfsituation, die höchstens im Gleichgewicht, (labil), sein kann; dann entsteht eine ähnliche Schönheit wie Leben und Natur; das kann Fruchtbarkeit und Genuss bringen.

 

Zum Beispiel: Das Ich hat den Drang, sich unabhängig zu machen. Dann stellt sich die objektive Wirklichkeit in eine absolute Rolle.

 

Das Ich muss aus sich etwas verlegen und also gegen sich selbst kämpfen.

 

Ich: Abhängigkeit von den Dingen; muss aber Freiheit nicht aufgeben (diese erfüllt sich erst an den Dingen).

 

Das Ich kann sich virtuell besinnen, aber nur im Bezug auf Objekte; also ein ständiger Kampf zwischen Subjekt und Objekt.

 

Das Ich will unerkanntes, nicht-gedachtes Ding erkennen, etwas, was ausserhalb seines Selbst ist, das Nicht-selbstverständliche. Dieses Ding erschöpft sich aber nicht im Gemeintwerden, existiert unabhängig vom Gemeintwerden. Das Nicht-gemeintsein ist das Gemeintsein. „Wir meinen die Dinge als Nicht-gemeinte.“ Wir zielen auf etwas ausserhalb des Denkens, wollen es aber mit dem Denken genauestens erhellen, behandeln; es ist also ein vor uns eilender Schatten. Der Gegenstand steht aber ausserhalb unseres Denkens nur sofern er innerhalb ist, und umgekehrt. Der Gegenstand tanzt also zwischen Innen und Aussen herum.

 

 

Absolutes - Dialektik - Freiheit

 

Die Verneinung des Relativen (= Absoluten) bedeutet eine Loslösung; sobald es aber nichts mehr zu verneinen gibt, versinkt es im Nichts. Das Relative mündet ins Chaos. Also: Relatives und Absolutes stehen in einem Bezug zueinander, sind voneinander abhängig, Das Absolute ist undenkbar ohne Rückbezug zum Relativen; das Absolute ist also auch relativ.

 

In der Religion ist es dasselbe mit dem Gottesverhältnis: In der morgenländischen Religion heisst es: Gott schuf die Welt, um absolut zu sein - aber er langweilte sich sterblich,

Die Rückbeziehung der Welt zu Gott macht erst sinnvoll.

 

Die Idee, dass das Individuum im Schicksal geleitet wird, ist unvollziehbar. Sondern es ist eine gewollte gläubige Rückbeziehung zu Gott nötig, Glaube heisst Rückbezug; er muss mit letzter Kraft gehandelt werden, Es geschieht dem Menschen nichts, wenn er die Hände in den Schoss legt. Er muss Gott erlauben, Gott zu sein. Gott ist nicht völlig unabhängig, tut nicht alles spontan für uns. Das gleichzeitige Umfangensein von Gott muss gelöst werden.

 

 

Wenn das Ich absolut sein will, ist das eine Anmassung der Gottgleichheit (das reisst etwas heraus). Der Mensch muss sich auf Konkretes festlegen (darin besteht die Hybris aber alles Dinglichen): wir billigen ihm Forderungen an uns zu, erwecken in ihm mystisches Leben. Indem nämlich das Objekt seine Rolle als Objekt spielt, wird es zum Subjekt, gewinnt also eine eigene Würde. Unsere Aufgabe ist es also, das Objekt zum Subjekt werden zu lassen, zu sich selber kommen zu lassen. Das bedeutet ein Ernstnehmen des Objekts.

 

Lösung in der Philosophie: Bewegung, Alternieren der Gesichtspunkte. Dies wurde begonnen bei Heraklit (gegenüber der Statik des Parmenides) im dialektischen Denken, welches eine Unterhaltung zwischen beiden Polen bedeutet.

 

Hegel:

·        Ewige Wiederkehr, vollkommenstes Dialektik-Gebäude (Position vs Negation) und Einbau des

·        Fortschrittsgedankens (spiralige Kreisbewegung nach oben). Die Zweideutigkeit in jeder Position  (Linke, Rechte) ist unüberwindlich, es ist nie darüberhinauszukommen;

·        Liebe als Ganzheit, Hass als Teil

·        Selbstbewegung der Begriffe (Thesis-Antithesis);

ähnlich Heraklit: Ermüdung in der Einheit, Erfrischung in der Vielheit.

 

Hegels Entwicklung führte zu einem schroffen Entweder-Oder ohne Bewegung, ohne Ineinanderübergehen, also zu einer statischen, uninteressanten Maschinerie, die gar nicht funktionieren kann. Der Antrieb ist nur, wenn etwas von ausserhalb der Dialektik eintritt,

 

Dialektik ist kein echtes Umschlagen, sondern das Ja ist schon im Nein und umgekehrt, das Eine "lampt" ins Andere, es hat nicht den Charakter des reinen Seins, sondern alles fliesst. Es ist ein Wellenspiel.

 

Die eigentliche Dialektik findet statt zwischen der Dialektik und dem nicht dialektischen Denken. Der Mensch will beides.

 

Es gibt eine Zweiheitlichkeit von menschlichen Typen:

Erstere sind mit Position, schauen Elementares mit grosser Inbrunst, sind brutal-einfach, lösen alles mit der Ansicht "mit dem richtigen Glauben ist alles gelöst", was zu Erfolg führt, sich in der Weltgeschichte deutlich abzeichnet, man denke an die Ketzerverbrennungen.

Der zweite Typ ist allessehend, gibt das Recht beiden Seiten, versteht und verzeiht alles (Duldsamkeit), er ist individualistisch, allein, was bis zur Eitelkeit der Selbsterkenntnis führen kann (Amiel), aber es resultiert ein Verlust der Frische der Tat daraus.

Beide Typen sind zum Verstehen aufeinander angewiesen.

 

Dialektik setzt einen positiven Ausgangspunkt voraus; in der Philosophie heisst das: etwas Gewagtes, Das Ja enthält mehr Substanz, hat eine grössere Vermutung der Richtigkeit in sich, Auf kluge Art ja zu sagen ist nicht leichter als

kritisieren (siehe im Journalismus). Radikale Verneinung bedeutet im Falschen und Leeren stehen.

 

Es ist Vermessenheit, sich festlegen zu wollen, Bösartigkeit, nicht anders zu können zu glauben (mit ein bisschen Anspruch auf Richtigkeit und Belohnung durch die "Weltleitung").

 

Die christliche Ideengeschichte ist eine Dialektik (ohne letzte Lösung) zwischen der Auffassung, dass das Böse ein Teil Gottes (Böhme)  und dass das Böse auch ein Gott, eine Gottheit für sich, der Teufel, sei (Zarathustra), eine Dialektik zwischen dem Gott der Vernunftideen und einem Gott der blinden Unterwerfung (also ein Gegenüber ohne Einheit).

 

Es ist nicht abzuleiten, warum die Welt (so) ist, man kann nur die Mannigfaltigkeit feststellen. Die Freiheit (und ihr objektiv gegenüber das Neue) ist in Mannigfaltigkeit, da; man muss auf jede Erklärung verzichten. Die Freiheit hat erst Sinn, wenn sie gespannt auf die Gebundenheit ist. Nur Freies muss verantwortet werden, Gezwungenes nicht.

 

Wenn die Welt sinnvoll ist, muss es Neues geben, sonst ist sie eine festgelegte Maschinerie ohne Witz.

 

Was die Welt zusammenhält ist die Gesetzlichkeit, die wir aufspüren können, sonst gäbe es kein philosophisches Interesse.

 

Dialektik als Geschehen muss als Wurzel die Freiheit haben, damit Neues werden kann, welches letztlich nicht erklärbar ist.

 

Freiheit ist nur negativ sichtbar, ohne sie wäre nichts erklärbar, wäre Philosophie nicht ermöglicht.

 

Es besteht beim Menschen ein Wille, der Neues schaffen will und gleichzeitig alles als schon bekannt erklären.

 

 


Return to Top

Home

E-Mail



Logo Dr. phil. Roland Müller, Switzerland / Copyright © by Mueller Science 2001-2016 / All rights reserved

Webmaster by best4web.ch