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Fragmentarische Notizen einer Vorlesung von Erich Brock an der Universität Zürich,

Wintersemester 1965/66.

 

 

 

Philosophie hat dialektischen Charakter, ist polarisiert.

Das Wesen der Vernunft: Unteilbarkeit und Absolutheit.

Philosophische Fragen sind unlösbar. Je zentraler das Problem angegangen ist, desto grösser das Scheitern.

 

Thomas von Aquin: "dialektische Beschleichung der Wirklichkeit": sic et non; darauf Synthese.

 

Homer: Absolutes noch nicht aufgerissen, Meister im Ausschöpfen des So-seins der Dinge.

 

Die Stoa ist mit dem Christentum aufs äusserste benachbart, wurde aber nie volksbreite "Religion", ist auch nicht unbedingt eine Religion, z. B. die Unsterblichkeitsidee fehlt.

 

Stoa(?): Wenn man weder alles absolut noch relativ sieht, erlebt man zwar bestimmte Irrtümer nicht, dafür kommt man auch nicht zu Wahrheiten. Die letzte Intensität einer Wahrheit ist nicht mehr vorhanden.

 

Man kann vermutlich nicht wählen, sondern es ist (geschichtlich) für einen gewählt worden: so hat man seinen Platz mit allen Vor- und Nachteilen.

 

Ausgleich (der Gegensätze) bringt Flauheit, Spannungsverminderung bis zum Stillstand.

 

Aristoteles: Ausgleichs-Dialektik im Gegensatz zu den schroffen Antithesen Platons. Führte zum Skeptizismus: "Es ist nicht möglich, etwas als ganz sicher oder falsch festzustellen". Es gibt nichts absolut Sicheres, Alles, was uns zu handeln möglich ist, ist es nur auf Grund von hohen Wahrscheinlichkeiten.

 

Stoa: polis (Staat, Stadt = Rolle der Menschheit im Mittelpunkt) + (Aufblühen des) Individualismus = Kosmopolitismus und äusserste .Freiheit des Einzelnen.

 

Der Verstand der Griechen war eher grösser als unserer.

 

Zusammenspiel von Freiheit und Gebundenheit (ewig verborgen).

 

 Praktische Philosophie: Gut sein und handeln und glücklich sein können.

 

Stoa:

a) Hochstehende Geschichtsschreibung

b) Grammatik (Morphologie) aufgestellt und ins Reine gebracht. Schritt vom dumpfen Instinkt zur rationalen Verstandesdurchdringung: Das Lautbild eines Wortes hat bereits Sachbedeutung; es gibt so etwas wie objektive Lautbedeutung, (Trivium = Lautbedeutungslehre)

c) Logik: "Funke der Metaphysik schon im Gebälk".

 

(Formale Logik des Aristoteles: Lehre vom deduktiven Schritt. Ist mehr oder weniger eine Spielerei, die von Scholastikern 1000 Jahre nachvollzogen wurde, obwohl sie helle Köpfe waren. Alle Arten von Schlüssen: Leeres Karussell der Begriffe, da alles absolut apriorisch so. Die (analytische) Mechanik produziert nie Neues.

 

Die Grundexistenzangst verlangte nach absoluter Sicherheit, welche nur rein Mechanisches zu geben imstande ist.

 

Kant sah Newtons Gesetze als apriorisch an. Aber alle Gesetze des Naturgeschehens beruhen nur auf Wahrscheinlichkeiten (sind nur apriorisch induzierend). Deduktion führt nie zu strengem Urteil.

Alles Wahrscheinliche ist an der Idee der Wahrheit zu messen,

Auch Wissenschaft hat Vertrauen auf Verlässlichkeit, dass die Natur auf Vernunft anspreche.

 

 

Stoa: Weltenbrand (von Heraklit her) als Gesamtphase ablaufend mit neuschöpferischem Ende (Feuer).

Wenn die Natur alles umfängt, hervorbringt, muss das Hervorzubringende bereits vorhanden: sein. Also wenn der Mensch Vernunft hat, muss Vernunft im Hintergrund sein. (Das Schöpferische ist also nicht dumpf.)

 

Heute: Mode der "Entwicklung" (Ausfaltung), diese setzt doch Vorhandenes voraus (Knäuel auswickeln; Anpassen): quälende "ewige Wiederkunft".

Polarität zwischen gleichbleibendem Sein und Zeit: Neues zeitigen. Es kommt darauf an, dass ich nicht nur etwas bin, sondern tue, mache.

Neues machen (gegenüber Vorhandenem) ist nur möglich durch kreisend auf sich selbst zurückkehrendes Pneuma (Spirale).

 

Stoa: Götter nur gut, können nicht böse handeln, das wäre gegen die Natur, Vernunft. Die Aufklärung (als legitimes Kind der Stoa) hat das Problem schwindelhaft erleichtert.

 

Stoa: Ordnung, Gesetz, Vernunftartigkeit.

 

Schönes: Autonomes; (selbst-)zweckhaftes Streben der Natur.

Sinn der Schönheit: "Die elegante Lösung von Problemen ist zweckmässig".

 

Es gibt Augenblicke, wo man weiss: Es gibt das Höchste, das die einzige Wirklichkeit ist.

Es besteht ein absolutes Bedürfnis des Menschen nach seinem "Heiland".

Stoa: macht es sich leicht mit dem Beweis der Sinn- und Zweckhaftigkeit der Welt: Jedes Wesen (auch Mensch) als Selbstzweck. (Dabei soll der Mensch die Natur doch auch ändern, bessern.) Sprung ins Leere, wo wir uns nur selbst unterstützen können.

 

Harmonie spannt Ideen ab.

Nur Kampf und Spannung gibt Relief. Nicht-Ernsthaftnehmen ergibt Schwanken (mehr oder weniger indifferent).

 

Stoa: Gesundheit + Reichtum eben doch förderlich für Vernunft (Leben), sowie guter Ruf, gute Herkunft.

Die wahre Natur des Menschen sei die Vernunft als Bildnerin der Triebe.

(Tugend hat die Vorstellung von Reinheitswahn)

 

Wenn der Mensch in Harmonie leben will (mit Vernunftforderungen), dann muss er glücklich leben. Doch: das darf nicht Postulat sein, nur eine psychologische Feststellung.

Es ist unwahr, dass der Mensch glücklich sein könne nur auf Grund seines guten Willens.

 

Was der Mensch erreichen kann: Friede, gutes Gewissen, im Einklang sein mit sich selbst und höheren Mächten!

 

Glück: ist höher, gelöster, ergibt sich von selbst, ist nur durch sittliche Grundlagen möglich, aber nicht gegeben.

Zuversicht schüttet oft Glück aus.

Religion garantiert nicht den Menschen, ermöglicht ihn nur.

 

Stoa sehr nahe Kant: Schwung, kausales Prinzip, apriorischer (aufgegipfelter) Vernunftwille: Gut ist nur, was im Bewusstsein des Prinzipes getan wird (keine Abstufung des Guten; Gutes identisch mit Schönem).

Dabei sind nicht alle Probleme lösbar, Hochvernünftiger Ausweg (wenn jede Sinnmöglichkeit zu Ende): Selbstmord.

 

Das Wesen gelangt durch das Bewusstsein zur Erscheinung.

Das Allgemeine wird durch die Tatsache des In-Bewusstsein-tretens Spezielles (das Eine wird zum Vielen = Individuierung).

 

Mein Problem: was bedeutet aller Wille zur Wahrheit?

 

Nietzsche schrieb "gesprochen" (rhetorische Zeichen, Finessen der Interpunktion).

 

Marcus Aurelius: imperial und existenziell gegenüber Epiktets kleinbürgerlicher Mechanik (im Krieg geschriebene „Selbstbetrachtungen" - eigentlich: "Das, was sich auf sich selbst bezieht“): Welt betrachtet unter dem Gesichtspunkt von Sinn und (selbstgenügsamer) Vernunft. Sinnbild: Reife Frucht, die zu Boden fällt.

 

Lob nicht notwendig für das Schöne.

 

Der Mensch muss freiwillig dem Weltlauf zustimmen, sich ihm unterwerfen, sich in den Weltsinn einordnen. Der Zustimmende bewirkt, dass das Pneuma alles durchpulst (Hippokrates). Gott ist nicht selig, wenn das nicht funktioniert. Das ist ein Widerspruch, der nicht aufzulösen ist ...

 

Der Mensch hat Bewusstsein der Welt und Selbstzustimmung.

 

Das Absolute muss sich von der Welt ablösen, abstemmen, weil Mensch und Welt einfach da sind.

 

Alles braucht der Mensch, der es empfindet, zur "Ernährung", zum Spielen (es spielerisch zu sich selbst kommen zu lassen).

 

Kynisch: Verachtung der Güter der Zivilisation. Die letzte Probe (Kampf) ist nicht unbedingt nötig herbeizuziehen für die einigermassen Begüterten und Gesunden.

 


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