Home Woher kamen die Kelten?

 

Zitate aus:

Jakob Bill: Urgeschichte der Schweiz. 1975

Felix Müller, Geneviève Lüscher: Die Kelten in der Schweiz. 2004

Wolfgang Meid: Die Kelten. 2007

 

 

 

Jakob Bill: Urgeschichte der Schweiz.

In Niklaus Flüeler et al. (Hrsg.): Die Schweiz. Vom Bau der Alpen bis zur Frage nach der Zukunft. Zürich: Ex Libris Verlags AG 1975, 42-46

 

S. 43-45

 

Jungsteinzeit (5000 bis 2000 v. Chr.)

 

Die Jungsteinzeit (Neolithikum) ist vor allem durch die Änderung der Wirtschaftsweise gekennzeichnet. Diese Änderung - für die spätere Entwicklung der Menschheit ein entscheidender Schritt, der im Vorderen Orient im 7. Jahrtausend v. Chr. stattgefunden hatte - trat im Gebiet der Schweiz erst mit der Einwanderung von Trägem bäuerlicher Kultur zu Beginn des 4. Jahrtausends v. Chr. ein. Der Mensch verstand es nun, sich in der Nahrungsmittelbeschaffung unabhängiger zu machen, indem er Pflanzen anbaute und Tiere hielt und züchtete. Das ermöglichte eine Vorratshaltung und führte zu einer vermehrten Sesshaftigkeit. Damit veränderte sich auch der Hausrat: Von nun an kennen wir Geschirr, das aus Ton gefertigt und nachher gebrannt wurde. Die Keramik ist in Form und Verzierung direkt vom Hersteller abhängig und weist oft die Merkmale gewisser Zeitstile auf, was dem Wissenschaftler die Unterscheidung von Kulturen und Gruppen anhand von Objekten ermöglicht.

 

Für die Schweiz sind zwei Hauptwege der «Neolithisierung» von Bedeutung.

Von Nordosten her gelangte die Bandkeramik, eine vom Donauraum bis nach Holland verbreitete Kultur, bis in die Lössbodengebiete der Nordschweiz, die am besten ihrer Wirtschaftsform entsprochen haben müssen.

Der andere Weg führte aus dem Balkan durch die ans Mittelmeer grenzenden Gebiete und konnte von Oberitalien und vom Rhonegebiet her in Form des Chasséen eindringen. Dies zeigt auch deutlich, dass wir es mit einer neuen Bevölkerung zu tun haben, die die lokalen mesolithischen Stämme entweder ausgerottet oder aber mit ihnen bis zur völligen Assimilation zusammengelebt haben muss.

Als Siedlungsplätze waren wieder [sc: wie schon im Mesolithikum, z. B. am Wauwiler Moos] die Uferzonen beliebt; darum herum dürfte der Urwald zur landwirtschaftlichen Nutzung gerodet worden sein …

Zu Beginn des 3. Jahrtausends v. Chr. wurde eine wichtige Erfindung gemacht: Man konnte Kupfer gewinnen und zu Werkzeugen umarbeiten …

 

Bronzezeit (2000 bis 800 v. Chr.)

 

Die Bronzezeit wird nach dem neuen Material Bronze benannt, einer Legierung von Kupfer mit Zinn. Neben den Bauern gab es nun Händler und Handwerker; Bergbau wurde wahrscheinlich saisonweise betrieben.

 

Von der Frühbronzezeit an kann im schweizerischen Mittelland eine auch in bezug auf die Bevölkerung kontinuierliche Entwicklung nachgewiesen werden; es fanden keine grossen Einwanderungen statt. Zwei Kulturgebiete, Mittelland und Alpengebiet, lassen sich grob unterscheiden; beide beeinflussten sich jedoch gegenseitig in komplizierten Vorgängen. Die Kulturgruppe im Mittelland dürfte bereits einer Frühstufe der Kelten angehört haben, denn ihre Weiterentwicklung mündete direkt in die keltische Kulturhinterlassenschaft.

 

 

Felix Müller, Geneviève Lüscher: Die Kelten in der Schweiz.

Stuttgart:  Theiss/ Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2004

 

S. 18

 

Aufgrund der … beschriebenen jüngsten sprachwissenschaftlichen Erkenntnisse sprach man um 600 v. Chr. im Tessin und in der Lombardei einen keltischen Dialekt. Die dort ansässige Bevölkerung hat sich kontinuierlich entwickelt und lässt sich in ihren archäologischen Spuren bis ins 13. Jahrhundert v. Chr., also bis in die späte Bronzezeit, zurückverfolgen.

Einige Forscher glauben sogar, ihre Einwanderung aus dem Raum nördlich des Alpenkammes nachweisen zu können. Diese bruchlose Entwicklung von der Bronze- zur Eisenzeit in Oberitalien lässt sich eigentlich für fast alle Teile Mitteleuropas feststellen, und gewisse Artefakte wie zum Beispiel Waffen oder Schmuck aus Bronze weisen über grosse Strecken erstaunliche Übereinstimmungen auf. Es macht also den Eindruck, dass spätestens in der mitteleuropäischen Bronzezeit ein einheitliches Substrat vorhanden war, aus dem heraus sich dann entwickelt hat, was wir heute als »keltische Kultur« bezeichnen.

 

Geht man noch weiter zurück, um einen markanten Wandel in der Kulturentwicklung zu suchen, der die Zuwanderung einer neuen Bevölkerung mit neuer Sprache anzeigen würde, so gibt es dazu nirgends so gute Voraussetzungen wie in der Schweiz. Tatsächlich stellte die Forschung hier gegen Ende der Jungsteinzeit einen eigentlichen und grundlegenden Kulturbruch fest, der sich um etwa 2800 v. Chr. ereignet hatte. Rein theoretisch könnte in einer solchen Umbruchsphase - hervorgerufen und verbunden mit Migrationsbewegungen - eine eigentliche »Keltisierung« ihren Anfang genommen haben, die schliesslich in der keltischen Kultur des 6. bis 1. Jahrhunderts gipfelte.

 

Sicher ist, dass die von den antiken Historikern um 400 v. Chr. angesetzten Wanderungen über die Alpen nur eine Episode unter vielen war, die sich im Verlaufe einer langen Zeitspanne in immer ähnlicher Weise abgespielt haben: An einigen Orten werden sowohl die Ansässigen wie die Neuankömmlinge Kelten gewesen sein … Die Wanderungen erfolgten meist in kleinen Gruppen, deren aggressives Verhalten in den vielen Gräbern mit schwer bewaffneten Kriegern ihren Ausdruck findet. In ihrer Begleitung befanden sich immer auch Frauen.

 

Heute lassen sich in Italien, in Tschechien und in Ungarn stilistische Verwandtschaften im archäologischen Fundgut feststellen, die ihren Ursprung offensichtlich im schweizerischen Mittelland besitzen, das damals sowohl Durchgangsgebiet als auch Ausgangspunkt von Wanderungen war.

 

Um 300 v. Chr. erfolgten dann darüber hinaus weitere Vorstösse nach Rumänien und den Balkan hinunter bis nach Kleinasien. Ein Halt trat erst nach etwa 250 v. Chr. ein, als die Römer den keltischen Stämmen am Po mehrere schwere Niederlagen zufügten. Spätestens ab dann ist mit Rückwanderungen in die alten Herkunftsgebiete zu rechnen.

 

 

Wolfgang Meid: Die Kelten.

Stuttgart: Reclam 2007

 

Ursprung der Kelten und frühe Zeugnisse

 

Der eigentliche Ursprung der Kelten liegt weitgehend im Dunkel der Vorgeschichte; sie - bzw. ihre Vorfahren - stammen aus nicht näher bestimmbaren Gebieten Osteuropas. Später, im helleren Licht der Geschichte, wird das Ausmass der keltischen Siedlungsgebiete klarer, die sich im Zuge ausgedehnter Wanderungen ständig erweitert hatten.

In Kombination von historischen Nachrichten, archäologischen Zeugnissen und bodenständigen keltischen Ortsnamen lässt sich um die Mitte des ersten Jahrtausends vor der Zeitenwende, und wahrscheinlich noch etwas früher, also etwa zwischen 600 und 400 v. Chr., ein keltisches Kerngebiet herausschälen, das den grössten Teil des südlichen und westlichen Mitteleuropa umfasste ...

 

S. 12-13

 

»Kelten« sind im Sinne dieser Definition demnach die Sprecher dieser keltischen Sprache und ihrer Varietäten, auch wenn - wie im Altertum ja vielfach üblich - diese Sprechergruppen unter verschiedenen Namen (zumeist Stammesnamen) auftreten. Alles andere - die jeweiligen kulturellen Erscheinungsformen dieser Sprechergruppen, die dann ebenfalls das Attribut »keltisch« beanspruchen können -, sind dem sprachlich begründeten Keltenbegriff untergeordnet …

 

Keltisch ist, als Sprache, eine Abzweigung der indogermanischen Grundsprache, von der auch das Germanische, die baltischen, slawischen, italischen Sprachen, das Griechische und andere Sprachen bis hin zu den indischen und iranischen Sprachen im Osten abstammen. Diese indogermanische Grundsprache wurde mindestens seit dem 5. bis etwa ins 3. Jahrtausend v. Chr. in nicht genau definierbaren Räumen in Osteuropa, wahrscheinlich nördlich des Schwarzen Meeres und des Kaukasus, gesprochen, von wo sie sich durch Abspaltung von Dialekten und Wanderungen ihrer Sprecher, durch Übertragung auf ursprünglich anderssprachige Bevölkerungen weiterverbreitete und allmählich zu selbständigen Sprachen führte.

Auch die Sprecher des Idioms, aus dem später das Keltische erwuchs, stammen letztlich aus diesem Raum, was durch strukturelle Ähnlichkeiten mit anderen, ebenfalls von dort stammenden Sprachen, z. B. mit den indo-iranischen, erwiesen wird.

 

Doch treten die Kelten für uns erst in das Blickfeld, als sie im Zuge ihrer Westwärtswanderung im südlichen und westlichen Mitteleuropa ansässig geworden sind und von da aus weiter expandiert haben. Ihre eigentliche Ethnogenese, verbunden mit der Ausbildung einer individuellen, als »keltisch« definierbaren Sprache, erfolgte also erst in diesem Raum, in den Anfängen etwa um die Wende vom 2. zum 1. Jahrtausend v. Chr., deutlicher aber erst in der ersten Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr.; vorher - im 2. Jahrtausend - können wir nur wenig differenzierte Dialektgruppen von spätindogermanischem Gepräge im mit-teleuropäischen Raum annehmen.

 

S. 38-40

 

III. Ausbreitung und Landnahme der Kelten

Historische Ereignisse

 

In der Geschichte gibt es immer wieder Phasen, in denen grössere Menschengruppen in Bewegung geraten, was meist zu einer Kettenreaktion führt, die weite Gebiete in Unruhe versetzt. Demgegenüber haben Wanderungen kleinerer Gruppen, die fremde Gebiete infiltrieren, viel geringere Effekte, sind archäologisch kaum nachweisbar, können aber, wenn sie kontinuierlich anhalten, zu kumulativen Effekten führen …

 

Um die Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr., in der Zeit der Urnenfelderkultur und in der anschliessenden frühen Hallstattzeit, gingen von Mitteleuropa grössere Völkerbewegungen aus, welche Sprecher indogermanischer Idiome in westliche und südliche Länder brachten - auf die Britischen Inseln, auf die Iberische Halbinsel, nach Italien, auf den Balkan, wo sie jeweils mit den dort autochthonen nichtindogermanischen Bevölkerungsgruppen in Kontakt gerieten, diese überlagerten, sich ihnen assimilierten oder sich neben ihnen behaupteten, wie die indogermanischen Italiker neben den Etruskern …

 

Die mehrere hundert Jahre später einsetzenden keltischen Wanderungen brachten somit Sprecher von Idiomen, die sich inzwischen als keltische herausgebildet hatten, in Regionen, wo sich bereits Sprecher anderer indogermanischer Idiome angesiedelt hatten, was dann neuerdings zu Auseinandersetzungen, Überlagerungen und temporärer Koexistenz führte.

Die Spuren dieser frühen indogermanischen Infiltration der Britischen Inseln und der mediterranen Länder kann man auch da, wo sie sich nicht als besondere Sprachen oder Sprachgruppen bis in historische Zeit erhalten konnten, in Form einer aus Mitteleuropa importierten relativ einheitlichen Flussnamengebung nach indogermanischen Bildungsmustern .. erkennen …

Die keltische Einwanderung auf die Iberische Halbinsel - nicht notwendigerweise von grossen Gruppen – muss schon relativ früh, noch zur Hallstattzeit begonnen haben, weil schon im 6. Jahrhundert und eventuell noch früher, gestützt auf Nachrichten griechischen Ursprungs, mit Kelten auf der Halbinsel gerechnet werden muss, und weil in materieller Hinsicht, archäologisch betrachtet, die später dort nachweisbaren Kelten, namentlich die Keltiberer, noch der Hallstattkultur verhaftet sind.

Das gleiche gilt für die Einwanderung von Kelten nach Irland als den Vorfahren der Sprecher der erst später, in frühmittelalterlicher Zeit bezeugten irischen Sprache. Zeit und Umstände dieser Einwanderung nach Irland lassen sich archäologisch nicht bestimmen, nur soviel ist klar, dass sie nicht zusammen mit der Latènekultur, sondern früher erfolgt ist; die Latènekultur ist in Irland eine sekundäre, aus Britannien übertragene Erscheinung.

 



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