Home Die Erde könnte 150 Milliarden Menschen ernähren

 

Colin Clark: Die Menschheit wird nicht hungern - Programm zur Ernährung der Weltbevölkerung. Lübbe-Verlag, Bergisch Gladbach, 1970 (engl. 1970).

 

 

Letztes Jahr häuften sich die Nachrichten, Artikel und Bücher über eine zu erwartende "Welthungersnot". Colin Clark, ehemals Leiter des Instituts für Agrarwirtschaft an der Universität Oxford, versucht diese Legende zu zerstören. Er bestreitet nicht, dass Hunger und Unterernährung vorhanden sind, doch bezweifelt er die Zahlenangaben über deren Ausmass.

 

Nach einer kurzen, plastischer Beschreibung der Chemie der Ernährung - die später noch durch eine Betrachtung; der Nahrung vertieft wird - befasst er sich "mit der eigenartigen Rolle“ der World Food and Agriculture Organisation (FAO), eines zu Beginn unseres Jahrhunderts in Rom gegründeten Instituts für Ackerbau, das 1945 von der UNO übernommen wurde.

1950 schrieb dessen erster Generaldirektor Lord Boyd-Orr, dass "lebenslange Unterernährung und wirklicher Hunger das Los von mindestens zwei Dritteln aller Menschen" sei. Diese Aussage basierte nachgewiesenermassen auf Fehlberechnungen. Weitere ungenaue Veröffentlichungen folgten. heute haben wir Butterberge und bald auch zuviel Getreide und Zucker. Genaueste Bedarfsabklärungen sind also vonnöten, die nicht nur das Alter der Menschen berücksichtigen, sondern auch Körpergewicht sowie das Klima, ja sogar die "sozial etablierten Sitten".

 

Clark verfolgt die Geschichte der Nahrungsproduktion von den Zeiten vor dem Ackerbau - wo der Mensch noch Sammler, Jäger und Fischer war - über die nicht sesshaften Brandrodungsbauern (die heute noch Afrika kennzeichnen) bis zu den sesshaften Bauern, welche eine intensive Bewirtschaftung der Äcker pflegen. Da diese aber einen viel grösseren Arbeitsaufwand erfordert, muss ein Zwang (beispielsweise eine Bevölkerungszunahme) vorhanden sein.

Die Anbauzeit ist sorgfältig auf Jahreszeit und Klima (Regen) abzustimmen; das Transportproblem verdient ebenfalls Beachtung.

 

Das führt uns zu einem Teufelskreis. Von unserer Überproduktion an Lebensmitteln könnten wir notleidenden Ländern abgeben. Die jedoch haben kein Geld, um Preise, Transport und Verteilung zu bezahlen. Sie haben nur Bodenschätze und landwirtschaftliche Erzeugnisse anzubieten, welch letztere auf dem Weltmarkt infolge unserer (subventionierten) Überschüsse allerdings nicht immer gern gesehen sind.

Darum muss die Froduktivitätsverbesserung, beispielsweise im Getreideanbau, im betreffenden Land selbst vorgenommen werden. Das geschieht mittels Pflanzengenetik und Dünger, der einzig importiert wird.

Zur Produktion von Fleisch, Eiern und Milch wird Vieh benötigt, das mit gezielt angebautem Gras gefüttert wird, und dessen Bestand durch Pflege und genetische Selektion verbessert werden kann. Nicht vernachlässigt werden darf die Bewässerung.

 

Die einzige Möglichkeit für ein Entwicklungsland, sich finanziell und damit ernährungsmässig zu sanieren, besteht darin, dass es Industriegüter exportiert.

 

Auf der Erde wird nur ein Drittel des möglichen Ackerlandes benützt. Baute man den ganzen Boden an, liessen sich 35 Milliarden Menschen ausreichend versorgen, unter optimalen Bedingungen gar 150 Milliarden. Ciark gibt kein "Programm", wie der Untertitel des Büchleins weismachen will. Er zeigt nur, dass der Hunger in der Welt weniger ein wissenschaftliches und technischen Problem ist als ein politisch-ökonomisches und vor allem ein organisatorisches.

 

Die vielen Zahlen und rund um den Globus springenden Beispiele verwirren. Einerseits ist diese Studie (engl.: „Starvation or Plenty?“, 1970) einfach, um nicht zu sagen salopp, geschrieben (oder übersetzt), anderseits enthält sie viel Fachinformation und berücksichtigt manche Aspekte (die zuwenig eingehend behandelt werden). Der Aufbau ist ungeschickt, die Kapitelüberschriften sind nichtssagend.

 

Erschienen unter dem Titel „Nahrung für 150 Milliarden Menschen“ in den Basler Nachrichten, 2. Dezember 1970

 


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