Home Getreide und Brot

 

(17'000 v. Chr. bis 1200 v. Chr.)

 

Siehe auch:   Mühlen, Müllerei und Müller

 

Inhalt

Teil I: Wie alt sind Weizen und Brot?

Teil II: Vor 8000 Jahren: Die erste Stadt mit Bäckereien

Teil III: Arbeit, "Brot und Bier" bei den Alten Ägyptern

 

 

Teil I: Wie alt sind Weizen und Brot?

 

Die grossen Fortschritte der Forschung über díe vorgeschichtliche Zeit - insbesondere von Paläobotanik und Wirtschaftsarchäologie - haben zur Folge, dass die Lehrbücher immer wieder umgeschrieben werden müssen, Je mehr man gräbt und analysiert, desto frühere Spuren der Landwirtschaft werden entdeckt. So nimmt man heute an, dass schon vor 17 000 bis 14 000 Jahren im Nahen Osten Wildgetreide genutzt wurde.

 

Zuerst wurden die einjährigen, grosssamigen Gräser der offenen, "sub-mediterranen" Eichenwälder in den hügeligen Gebieten gesammelt und gekaut.

Diese Vorfahren unserer heutigen Getreidesorten Weizen und Gerste mit ihren im Samen gespeicherten Nährstoffen waren gut an die sommerliche Trockenzeit angepasst. Bald wurden síe auch angebaut, das heisst an Stellen ausgesät, wo sie sonst nicht gewachsen wären, etwa auf Schlammflächen an Flüssen und Quellen im Euphrattal in Syrien und am Rande der Jordan-Senke bei Jericho. Geerntet wurde mit Feuersteinsicheln oder Erntemessern.

 

Schon vor 10 000 v. Chr. erfolgte die weitere Verarbeitung mit Stössel und Mörser.

 

Siedlungen wie Jericho, das die Entwicklung vom Lager von Jägern und Sammlern zur Dorfsiedlung durchlief, bilden den Beweis für diese Entwicklung, denn hier sind die frühesten Funde von "domestizierten", also nichtbrechenden Arten von Emmer-Weizen und zweizeiliger Gerste gemacht worden.

Daneben wurden auch Hülsenfrüchte wie Linsen und Felderbsen angebaut. Das Fleisch stammte weiterhin von der Gazellenjagd - bis Ziegen und Schafe gezüchtet wurden.

 

Von Palästina und Syrien verbreitete sïch der Ackerbau im 8. Jahrtausend v. Chr. nach Osten (bis ans iranische Hochland) und Westens hier zunächst nach Südanatolien, hernach über die griechischen Inseln nach dem Balkan und Mitteleuropa. Saatweizen ist in Siedlungen des 7. Jahrtausends v. Chr. auf Kreta, Roggen aus dem 5. Jahrtausend v. Chr. ín Rumänien belegt. Im 4. Jahrtausend v. Chr. kannte man in Norwesteuropa bereits den einfachen Hakenpflug.

 

Ähnlich erstaunliche Ergebnisse über Pfanzendomestikation förderte die Forschung in Peru und Mexiko zu Tage. Auch China und Indien könnten sich eines Tages als Länder mit sehr frühem Ackerbau erweisen.

 

Den grossartigsten Einblick in die Lebens- und Wirtschaftsweise vor 8000 Jahren bietet die "Stadt" Çatal Hüyük in Südanatolien. Die technische, wirtschaftliche und kulturelle Spezialisierung ist erstaunlich. Die eng aneinandergebauten Häuser wiesen Küchenbereiche mit Herden und Backöfen auf. Das Korn wurde in etwa einem Meter hohen Tonbehältern oder in runden Körben aufbewahrt. Geschirr war vielfältig vorhanden, ebenso Sattelmühlen, Steine zum Mahlen, Mörser und Stössel. Vermutlich buk jede Familie ihr eigenes Brot, doch fand man gewaltige Backöfen mit 1,5 bis 1,8 m Durchmesser in einem Hof, der an eine Bäckerei denken lässt.

 

Als im 4. Jahrtausend v. Chr. in Mesopotamien die ersten grossen Stadtkulturen entstanden, gehörten zu den ersten schriftlichen Dokumenten auf Tontafeln Angaben über Geschäftstransaktionen, Landverkäufe und Waren. So gibt es Listen oder Quittungen für Molkereiprodukte wie Mìlch, ferner Rinder, dazu Weizen und Gerste, Brot, Bier, Kleidungsstücke und vor allem Schafherden.

 

1976 hat man in einer der Cortaillod-Siedlungen von Twann (BE) ein vollständig erhaltenes rundes Brot ausgegraben, das auf ca. 3550 v. Chr. datiert wird. Untersuchungen ergaben, dass dafür ein hoch ausgemahlenes Weizenmehl verwendet wurde, das mit dem heutigen Ruchmehl zu vergleichen ist. Ein Bieler Bäckermeister hat es nachgebacken.

 

Aus alledem ergibt sich, dass nicht erst die Alten Ägypter das Brotbacken erfunden haben. Wie viele andere Errungenschaften menschlïchen Entdeckungs- und Erfïndungsgeístes ist auch Brot viel älter als man bisher angenommen hat.

 

 

Teil II: Vor 8000 Jahren: Die erste Stadt mit Bäckereien

 

Jericho bietet eines der frühesten Zeugnisse für den Übergang des nomadenhaften Daseins des Menschen zur sesshaften Lebensweise - also für die Herausbildung von Dörfern aus vorher nur kurzzeitig bewohnten Lagern.

Das war vor etwa 10 000 Jahren. Der Mensch wurde vom Jäger und Sammler zum Nahrungsproduzenten, also zum Ackerbauern und Viehzüchter.

 

Ackerbauern, Jäger und Viehzüchter

 

Çatal Hüyük, in einer Höhe von 900 Metern über dem Meeresspiegel auf der Hochebene von Konya in Südanatolien gelegen, zeigt dagegen bereits den Übergang vom Dorf zur Stadt. Díe heute fast baumlose Ebene war einst mit Wäldern und Parklandschaften bedeckt, die von Hirschen, Wildrindern und Wildschweinen bewohnt waren. Auf dem reichen Schwemmland eines Flüsschens betrieb die Bevölkerung intensiven Ackerbau. Alle drei damals verfügbaren Weizensorten - Emmer, Einkorn und Saatweizen - wurden angebaut sowie eine erstmals domestiziert auftretende sechszeilige.Gerstenart. Schafe und Ziegen lieferten neben Fleisch auch Milch und Wolle, Bienen und Baumrinden Süssstoffe.

 

Die Ausgrabungen von Çatal Hüyük wurden 1961 bis 1963 unter der Leitung des englischen Archäologen James Mellaart durchgeführt. Zwölf Besiedlungsniveaus werden auf 6500-5700 v. Chr. datiert; die Höhe des ganzen Hügels beträgt gegen 20 Meter, seine Ausdehnung rund 450 auf 275 Meter.

 

Handwerker und Künstler, Händler und Priester

 

In der Rekonstruktion bietet diese Stadt zu ihrer Blütezeit das Bild eines vielfältig verwirrenden Lebens. Díe zusammengeschachtelten, durch keinerlei Strassen oder Durchgänge getrennten Gebäudekomplexe in der "Pueblo"-Art unterscheiden ein Wohn- und Priesterviertel von dem der Handwerker. Jedes der nur vom Dach her über eine Leiter betretbaren und daher leicht zu verteidigenden Anwesen besitzt einen Kultraum, der reichhaltig mit farbigen Wandmalereien, Gipsreliefs von Göttinnen und Tierköpfen und Plastiken geschmückt ist.

Díe Belege spezialisierter handwerklicher Fähigkeit sind erstaunlich, selbst Luxusgüter sind verbreitet: Neben Metallschmuck aus Kupfer und Blei finden sich auch Zeremonialdolche, reichhaltige Kosmetikutensilien und Obsidianspiegel. Die textile Wollverarbeitung ist voll entwickelt (Teppiche, gewebte Kleidungsstücke), die Töpferei beginnt.

Obsidian wïrd bis nach Jericho und zum Zagros-Gebirge exportiert, ferner Grünsteinäxte; dagegen müssen Feuerstein, Alabaster und Marmor (für Statuetten) importiert werden, aber auch Muscheln und Schnecken.

 

Backöfen und Bäckereien

 

Díe weltgehend genormten Häuser sind rechteckig, mit verputzten Ziegelmauern und flachen Dächern, die auf separaten Holzpfosten ruhen. Die Böden sind mit Binsenteppìchen belegt; an den Wänden sind Kelim-Muster nachgemalt. Im Küchenteil befindet sich eìn Herd, eine viereckige oder runde Feuerstelle mit einer Umrandung. Ein oder mehrere Backöfen sind teilweise in die Mauer eingelassen, um díe Hitze bestmöglich zu nutzen. Sie sind oval und verschieden hoch, doch alle oben flach. Neben den Öfen ist eine tiefe, doch niedrige Nische zur Aufbewahrung des Brennmaterials (Holz, Strauchwerk oder Stroh). Der Rauch entweicht durch die Öffnung, welche auch díe Leiter aufnimmt, die mit einer Seite diagonal an der Wand ruht.

Auch in den Heiligtümern oder Kultstätten gibt es Herde und Backöfen.

 

Die meisten Häuser besitzen eine Vorratskammer. Darin stehen, paarweise oder in Reihen, etwa einen Meter hohe Kornbehälter aus getrocknetem Ton, Sie werden von oben gefüllt und durch eine kleine Öffnung am Boden geleert, so dass die unterste, am meisten von Feuchtigkeit bedrohte Körnerschicht stets zuerst entnommen wird.

In einem Kornbehälter findet sich eine 16cm hohe Figur aus gebranntem Ton, welche eine Göttin darstellt, die ein Kínd gebiert. Möglicherweise dient sie als Sympathiezauber der Steigerung des Ernteertrags. In andern Vorratsräumen bewahrt man Korn in runden Körben oder in Häuten auf. Sattelmühlen und Mörser sind oft ín den Boden eingelassen.

 

Es scheint, dass jede Familie ihr eigenes Brot bäckt, doch gewaltige, aus auf Kante gesetzten Ziegeln errichtete runde Backöfen mit Durchmessern von 1,5 bis 1,8 Metern unter freiem Himmel ín einem Hof lassen an eine Bäckerei denken.

 Das Geschirr ist ausserordentlich vielfältig: hölzerne Schalen, Schüsseln und Teller bis zu 50cm Durchmesser und oft mit Henkeln finden sich neben Sossennäpfen und Eierbechern. Aus Ton sind offene Kochtöpfe mìt Henkeln und Schüsseln sowie vierfüssige Krüge, aus Stein polierte Schüsseln und Schnabelgeschirre, aus Knochen ovale Schalen, Schöpfgefässe und Schöpfkellen.

 

Vögel und Fische, Erbsen und Linsen bereichern den Speiseplan; an Kernfrüchten gibt es Mandeln, Pistazien und Äpfel. Aus Sadar, der Frucht des Zürgelbaumes, wird Wein hergestellt. Auch Bier ist bekannt.

 

In Çatal Hüyük bestand somit vor 8000 Jahren eine geordnete, konservative und friedliche Gesellschaftsstruktur, in der für das leibliche wie geistige Wohl bestens gesorgt war. Reichtum und Vielfalt machten diese Stadt zu einem Paradies.

 

Von hier aus breitete sich der Ackerbau nach Europa aus - Grundlage unserer Zivilisation.

 

(Quelle: James Mellart: Çatal Hüyük. Stadt aus der Steinzeït. Bergisch Gladbach: Gustav Lübbe Verlag 1967; engl. 1967.)

 

 

Teil III: Arbeit, "Brot und Bier" bei den Alten Ägyptern

 

Wie die Alten Ägypter lebten und arbeiteten zeigen uns die bekannten Bilderfolgen in den Oberbauten der Beamtengräber. In Relief und Farbe geben sie uns Einblick in das tägliche Leben vor 4500 Jahren. Gern wurden Pflügen und Säen, aber auch Erntearbeiten wiedergegeben, z. B. das Schneiden und der Abtransport von Korn, ferner das Dreschen und Worfeln (Reinigen).

Dìe Vogeljagd und besonders der Fischfang zählten zu den beliebtesten Themen, da natürlicherweise Fische neben Getreide ein Hauptnahrungsmittel darstellten. Grosse Viehherden werden als besonderer Stolz der Beamten dargestellt.

 

Bemerkenswert ist das Bemühen der Alten Ägypter, auch das gesprochene Wort wiederzugeben. Einzelne Reden, Rufe und Lieder wurden schriftlich formuliert dem jeweils Arbeitenden durch entsprechende Ausrichtung und Plazierung vor dem Gesicht "in den Mund. gelegt", so wie wir dies heute von den Sprechblasen der Comics kennen. Zahlreiche Arbeitsdarstellungen wie Backen und Brauen, Kochen und Braten, Spinnen und Weben, Wäschewaschen, usw. wurden von derartigen Rufen und Reden begleitet.

 

"Brot und Bier" gehörten bei den Alten Ägyptern zusammen, sind sie doch die beiden Grundnahrungsmittel, die aus dem selben Ausgangsprodukt, dem Getreide, hergestellt werden. Gleichzeitig verkörpern sie die Einheit von Essen und Trinken. Und schliesslich spielt bei beiden Gärung eine Rolle.

 

Das Getreide wurde ausnahmslos von Frauen gemahlen; männlichen Geschlechts waren dagegen die Brauer. Beide wurden der grösseren Eindringlichkeit halber auch in plastischen Darstellungen verewigt. Organisiert waren sie entweder im Palast oder im grösseren Haushalt des Beamten in sogenannten "Arbeitshäusern". Das Backen und Braten lag in den Händen der Frauen.

 

Kennzeichen bereits des Alten Reiches (seit ca. 3000 v. Chr.) war die Spezialisierung der Arbeitskräfte in Beamte, Schreiber, Bauleute, Handwerker, Gewerbetreibende, Fischer, usw. Der Einsatz neuer Technologien erforderte demgemäss eine immer straffere Führung und Kooperation. So wurde bald die ganze Bevölkerung in „Gütern" durchorganisíert, und aus der alten dörflichen Wirtschaft wurde eine Staatsdomänenwírtschaft. Das heisst, Lebensmittel und Kleidung wurden aus zentralen "Verarbeitungsanlagen", in denen unter anderem Brauer, Bäcker, Kornmesser und Weberinnen beschäftigt waren, an Arbeiter und Spezialisten abgegeben.

 

Über die damaligen Bier- und Brot-Rationen weiss man genau Bescheid. Mit dem, was wir heute unter "Rationierung" verstehen, hat dies aber nichts zu tun. Es handelte sich vielmehr um eine sinnreich geplante und gesteuerte Vorratshaltung und Verteilung.

 

Abgesehen von den Zwischenzeiten war Ägypten stets ein Land des Überflusses. Aus Funden weiss man, dass zur Zeit von Ramses III. (1200 v. Chr.) die Ägypter vierzig verschiedene Brot- und Kuchenarten kannten und herstellten, wozu sie als wichtigste Getreidearten Emmerweizen und Gerste verwendeten.

Brot war nicht nur das wichtigste Nahrungsmittel für reich und arm, sondern auch Zahlungsmittel.

Getreide wurde bis nach Syrien und ans Hethiterreích geliefert und seine Lieferung als politisches Druckmittel benutzt.

 

Doch dann zerfiel der blühende Staat rasch.

 

(geschrieben März 1985)

 



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