HomeGourmet oder Gourmand?

 

Zwei Präzisierungen aus Zeitungen

 

 

Leserbrief an die Weltwoche, 24.12.1965

Von Harry Schraemli

 

 

"Ihre Antwort an F. H., Luzern, über das Thema "Gourmand - Gourmet" entspricht, dem, was man allgemein annimmt. Doch möchte ich Ihnen dazu einige Ergänzungen servieren:

 

Brillat-Savarin war kein Kochkünstler (worunter man immer einen Berufskoch versteht), sondern ein nüchterne Jurist. Heute würde man sagen, dass er daneben noch ein begabter "Hobby-Koch" gewesen sei. Er schrieb einige juristische Abhandlungen, wurde aber mit einem gastronomischen Werk («Physiologie du Goût") weltberühmt. Mit der Jahreszahl 1826 versehen, erschien die erste Ausgabe Ende 1825. Sie war kaum auf dem Markt, starb der Autor (am 2. Februar 1826).

Obwohl das Werk - an dem der Verfasser volle 25 Jahre gearbeitet haben soll - anonym erschienen war, wurde nun bekannt, dass es der Feder des sonderbaren Appellationsrichters entstammte. Eine sehr witzige Rezension im «Journal des Débats" lenkte die Aufmerksamkeit der Pariser auf das Buch, und es wurde zu dem, was wir "Bestseller" nennen. Weitere Auflagen folgten sich beinahe "Schlag auf Schlag" bis auf den heutigen Tag.

Seine Maximen werden immer wieder zitiert, wobei sehr oft übersehen wird, dass die meisten davon bereits den Römern bekannt waren.

In bezug auf die von ihrem Abonnenten gestellte Frage, könnte man hier zitieren:

 

"Die Tiere fressen, der Mensch isst, aber nur der Mensch von Geist versteht zu essen."

"Die Feinschmeckerei ist ein Ausfluss unserer Urteilsfähigkeit: wir bekunden damit, dass die Dinge, welche uns gut munden, denen vorzuziehen sind, welche diese Eigenschaft nicht besitzen."

 

- Was Gourmand und Gourmet anbetrifft, ist zu sagen:

Schon Brillat-Savarin regte sich darüber auf, dass das Wort Gourmand falsch verwendet wird, und er beschuldigte die Lexikographen der Fahrlässigkeit:

Ein "Gourmand" ist ein Mann, der Freude an der "Gourmandise" hat, und diese wiederum ist eindeutig das, was wir im Deutschen mit Feinschmeckerei bezeichnen.

 

Es waren die Deutschen, die den harmlosen französischen "gourmand" zum Vielfrass stempelten. Gefrässigkeit ist im Französischen "gloutonnerie" und ein Vielfrass wäre demnach ein "glouton". (Gierige Gefrässigkeit kann auch mit "voracité" bezeichnet werden.)

Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts konnte der ebenso berühmte wie berüchtigte Grimod de Ja Raynière (auch er war Jurist) seine erfolgreichste Publikation unter dem Titel "Almanach des Gourmands" herausgegeben; eine andere, ebenfalls in 8 Bänden erschienene, nannte sich: "Journal des Gourmands et des Belles". Auszüge aus ersterem Werk erschienen unter dem Titel "Alkoran der Feinschmecker", was die allein richtige Übersetzung ist.

 

Die Konfusion um das Wörtchen "gourmand" wurde vollständig, als während der Französischen Revolution die Bezeichnung "gourmet", in die noch vegetierenden Salons Einzug hielt. Zuerst war es ein Witz, und er wurde der Gattin eines der Revolutionsmacher zugeschrieben.

Seit Jahrhunderten kennt man in Frankreich den "Gourmet-piqueur", und das ist ein vereidigter Weinsachverständiger. Das Wort "gourmet" selbst stammt aus dem Englischen, wo es "groomet" lautet. Damit aber meinte man ursprünglich den Knaben, der den Wein an des Königs Tafel zu bringen hatte, also etwa einen Pagen.

Nun soll eines Tages die erwähnte Dame während eines Banketts seelenruhig und ernsthaft versichert haben, ihr Gatte verstünde von der Kochkunst und dem guten Essen soviel wie ein "gourmet", womit sie die Lacher auf ihrer Seite hatte. Gemeint hatte sie natürlich "gourmand".

 

Ernsthafte Leute aber blieben bis heute bei der allein richtigen Definition, nach welcher ein "gourmet" ein Weinkenner ist.

Leider werden die beiden Begriffe "gourmand" und "gourmet" immer verwechselt bzw. falsch angewendet.

Natürlich kann ein Gourmand (Feinschmecker) gleichzeitig auch ein "Gourmet" sein.

 

Briliat-Savarin war nur das erstere, vom Wein verstand er herzlich wenig. Zudem sei noch erwähnt, dass er auch sehr viel und sehr schnell ass und dass es Zeitgenossen gab, die ihm den Ehrentitel "gourmand" abstritten.

 

 - Der Ratgeber dankt herzlich für diesen fachmännischen Rat. Er stammt von keinem Geringeren als dem bekannten gastronomischen Schriftsteller Harry Schraemli, der für seine Werke unzählige hohe Auszeichnungen wie Goldene Medaillen und den Oscar der Gastronomie erhalten hat."

 

 

züri-tip Freitag, 27. Januar 1984, Seite 49

 

In der Kolumne "Lukullus schnuppert"

 

Gourmand oder Gourmet?

Von René Simmen

 

Der Duden glaubt es genau zu wissen: Nach ihm ist ein Gourmand ein Vielfrass oder Schlemmer, ein Gourmet hingegen ein Feinschmecker. Dieser Meinung sind viele; der Gourmand, so wird jeweils erklärt, suche die Quantität, der Gourmet hingegen die Qualität. Diese Erklärungen stimmen genaugenommen allerdings nicht!

 

Die Académie française wie auch der Dictionnaire von Littré bezeichnen nämlich einen «gourmand» als «celui qui aime la bonne chère», was man mit «einer, der die gute Küche liebt» übersetzen kann.

Gourmand ist aus dem Keltischen (giorama) über Frankreich zu uns gekommen. Gourmet hingegen hat seine Wurzel in «groome», mit dem im alten England ein (Wein-)Fuhrknecht bezeichnet wurde; später wurde «groumet» und dann «gourmet» daraus, und man bezeichnete damit jene, die einen guten Tropfen zu schätzen wussten.

 

Die Französische Akademie wie auch der Littré bezeichnen in diesem Sinne denn auch den Gourmet als «celui qui se connnait en vins, qui sait les goûter», das heisst als «einen der die Weine zu kosten versteht».

 

Obwohl die beiden Begriffe klar definiert sind, wurden und werden sie selbst in Frankreich nicht immer ihrer Bedeutung nach angewandt.

 

Doch ist man in Frankreich bemüht, Klarheit zu schaffen. Die Académie culinaire de France definiert nunmehr den Gourmand als «l'amateur de toutes les bonnes choses de la table», das heisst als «Liebhaber aller Tafelgenüsse». Der Gourmet hingegen wird bezeichnet als «expert en vin. Ce qualificatif s'applique aujourd'hui par extension à des amateurs en gastronomie», also als Weinkenner; mit dem Nachsatz, dass die Bezeichnung auch für Feinschmecker gebraucht werde.

 

Somit müsste der Duden eigentlich nur die Eintragung Gourmand = Vielfrass/ Schlemmer ersetzen durch Gourmand = Freund aller Tafelgenüsse. Gourmet für Feinschmecker wäre wohl zu belassen, da sich diese Bezeichnung im deutschen Sprachgebiet allgemein eingeführt hat.

Es wäre dann nur noch ein entsprechendes Synonym für Vielfrass zu finden. Ich schlage den Namen meines Cousins zweiten Grades Seppi Edekinder vor. Es ist nicht zu glauben, was der alles vertilgen kann.

 



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