Home Wie der Mensch am und im Wasser herumlaboriert

 

 

Michael Overman: Wasser. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 1971 (engl. 1968).

Hans-Heinrich Vogt: Wir werden Wasser atmen. Die Eroberung der Welt unter dem Meeresspiegel. Albert Müller Verlag, Rüschlikon 1971; Taschenbuchausgabe München: Goldmann 1973.

Luna B. Leopold und Kenneth S. Davis: Wasser. Life-Bildsachbuch. Rowohlt Taschenbuchverlag, Reinbek 1970 (zuerst 1968).

 

 

In ersterem ausgezeichneten und handlichen "Buch zur Sache* geht es um "Wasserhaushalt und Wasserwirtschaft als Weltproblem". Darum ist es unerheblich, dass hier ein Engländer zu diesem brennenden internationalen Fragen Stellung nimmt und die Schrift bei Mondadori in Verona gedruckt wurde.

 

Ein Mensch benötigt etwa 2 Liter Wasser täglich; bis ein Kilogramm Weizen gewachsen ist, benötigt die Landwirtschaft jedoch 1500. Liter, für dieselbe Menge Reis dreimal, für Baumwolle siebenmal soviel. Pro Kilo Industrieprodukt (Papier, Stahl, Dünger) werden 250-600 Liter Wasser gebraucht.

In einer Stadt beanspruchen Haushalte etwa 45 Prozent des verfügbaren Wassers,. Industrie und Gewerbe ebensoviel, und der Rest geht in Gemeinschaftsanlagen (Krankenhäuser, Hotels); den täglichen Gesamtverbrauch pro Kopf beziffert man auf 500 bis 2000 Liter. Mit einem Anstieg um ein Drittel in den nächsten zehn Jahren wird gerechnet.

 

Dennoch ist überreichlich Wasser auf der ganzen Erde vorhanden, nur ist es "falsch verteilt" oder salzig oder verschmutzt.

 

Leichtfasslich beschreibt der technische Fachjournalist und ehemalige Major bei den Royal Engineers Michael Overman den natürlichen Kreislauf des Wassers, seine schwierige Messung und die Veränderungen durch den Menschen, d. h. durch Dammbau und Landbewässerung sowie Abpumpen von Grundwasser und Wolkenimpfung. Genau und anschaulich wird der Staudammbau in seinen verschiedenen Formen vorgeführt. Schade, dass von den Erfahrungen in der Schweiz nichts berichtet wird, auch nicht über den Bau von Wasserkraftwerken.

 

Für. die .Entsalzung von Meerwasser stehen mehrere Verfahren zur Verfügung: Destillation, Elektrodialyse (Ionisieren der gelösten Salze), umgekehrte Osmose und Gefrierung (im Vakuum oder nach dem sekundären Kühlverfahren) sowie Ionenaustausch mit chemischen Reaktionen. Meerwasserentsalzung lohnt sich natürlich nur, wenn der Preis pro Kubikmeter Trinkwasser nicht wesentlich höher ist als bei "konventionellen Verfahren" mit Süsswasser, also 3,5 Cents in den USA, 6 Cents in England, 8 bis 11 Cents in Israel; vorderhand beträgt er aber noch 10 bis 25 Cents.

Diese Entsalzungsverfahren können auch bei der Abwasserreinigung eingesetzt werden, wozu noch weitere Verfahren wie sieben, absetzen, filtern, belüften, entkeimen und enthärten kommen.

 

Seit 1964 wohnt man unter Wasser

 

Mit dem. Leben unter Wasser gibt sich Hans-Heinrich Vogt ("Das programmierte Leben", "Fortschritt ins Chaos"), Dr. rer. nat. und Sporttaucher ab. Die submarinen Pioniere Yves Le Prieur (Presslufttaucher), Jacques-Yves Cousteau (Aqualunge "Denise") und Hans Hass (Unterwasserfilm) werden vorgestellt, ebenso William Beebe (Bathysphäre), Wilhelm Bauer (Tauchboot) und Auguste Piccard ("FRNS 3" und "Trieste") sowie sein Sohn Jacques ("Mesoscaph") und Dimitri Rebikoff ("Pegasus").

 

Das Atom-U-Boot „Nautilus“ erreichte 1958 unter der 8 bis 40 Meter dicken Eisdecke den Nordpool; am 10. April 1963 sank die "Tresher" mit 129 Mann an Bord, am 16. Januar 1965 ein "Tigerhai" Im Langensee mit zwei Mann Besatzung.

 

1964 "wohnten" erstmals Menschen unter Wasser ("Man in Sea" 49 Stunden; "Seelab 1" 12 Tage); zwei Jahre vorher hatte schon Cousteau sein Unterwasserhaus "Précontinent" - allerdings nur in 10 Meter Tiefe, nicht in 130 resp. 65 Meter - auf der Reede von Marseille aufgestellt; erst 1965 ging man auf 110 Meter Tiefe vor Cap Ferrat.

Im selben Jahr testeten die Russen erstmals eine Unterwasserstation in 15 Meter Tiefe und blieben zwei Engländer vor Plymouth eine Woche 10 Meter unter Wasser.

1967 verbrachten zwei Tschechen vier Tage und drei Nächte ebensotief unter der Eisdecke eines Sees bei Bruntal.

Eine ganze Unterwassersiedlung entstand 1969 im Lago di Cuvazzo bei Udine; das deutsche Labor "Helgoland" wurde auf 23 Meter abgelassen.

 

In diesen Häusern tiefer als 10 Meter leben die Aquanauten unter Druck und atmen ein Gemisch von Helium und Sauerstoff. Im amerikanischen Unternehmen "Tektite I" wurde jedoch eine Mischung von 92 % Stickstoff und 8 % Sauerstoff verwendet; vier Wissenschafter verbrachten 1969 zwei ganze Monate 15 Meter unter der Wasseroberfläche. Nebst den Auswirkungen des „Stress" wurde vor allem das Verhalten von Langusten, Garnelen und Algen studiert. 1970 bezogen fünf Frauen als eine der Einsatzgruppen diese Unterwasserwohnung,

 

Naheliegend ist, dass Vogt auch auf die Entstehung des Lebens im Wasser vor Jahrmilliarden eingeht. Vor 300 Millionen Jahren begann die Tierwelt dann das Festland zu erobern. Kann auch der Mensch wie die Ichthyosaurier, Wale und Robben wieder ins Meer zurückkehren? Dazu müssten ihm Kiemen eingesetzt werden. Mäuse und Hunde haben in Versuchen schon erfolgreich Wasser "geatmet", und ein Hamster lebte mit einer künstlichen Kieme aus glasklarem Silikon-Gummi-Kunststoff.

Auch ohne diese vorerst für den Menschen utopischen Hilfsmittel plant man ganze Städte im Meer, z. B. in 9 Meter Tiefe vor der Küste von Norfolk.

 

Was es so alles im Wasser gibt (Kuppen, Canyons, Lavaquellen sowie Salze, Sprungschichten, Strömungen) und was man für Forschungsgeräte hat („PX 15“, bemannte oder unbemannte Bojen, Bohrer) wird genau beschrieben.

 

Selbstverständlich darf die Verschmutzung der Meere nicht unerwähnt bleiben. DDT, Quecksilber, Blei, Öl- und Waschmittelrückstände, Fäkalien, Speisereste usw. finden sich an Stränden, manches davon auch auf hoher See.

 

Auch über die militärische Nutzung des Meeres und seines Grundes, die Versenkung von Giftstoffen und radioaktiven Abfällen und den Walfang kann man sich nicht freuen. Eher schon über die Möglichkeiten von Fischzucht und Tangernte, Salzgewinnung und Süsswassererzeugung, Erz-, Erdöl- und Erdgasnutzung: "Reserven für Milliarden" wären vorhanden, man muss sich ihrer nur sinnvoll bedienen. Derart positiv beschliesst Vogt sein unterhaltendes und dennoch streng wissenschaftlich gehaltenes Buch.

 

Lebenselement und Quelle der Kultur

 

Der Fairness halber darf für den Sachbereich Wasser – neben dem „Klassiker" von Karl Höll (1943; 4. völlig neu bearbeitete Aufl. 1968) - das farbige Life-Bildsachbuch „Wasser“ (1968) nicht unerwähnt bleiben.

Es ist auch bei rororo in der bereits über zwei Dutzend Bände umfassenden Taschenbuchreihe der Life-Nachdrucke herausgekommen (1970) - wie alle mit hundert  Farbbildern und vielen Zeichnungen, zu einem erstaunlich günstigen Preis noch dazu.

 

Man kann den Band "Wasser" nicht, anders denn als hervorragend bezeichnen: Exzellentes Fotomaterial und ein klar aufgebauter, leicht verständlicher Text mit aller wissenschaftlich notwendigen Genauigkeit führen uns in die Chemie dieses Lebenselements, seinen Kreislauf, die Formung der Erdoberfläche - basierend auf des Beobachtungen und Theorien der Schweizer Perraudin und Agassiz - sowie den Wasserhaushalt der Lebewesen ein.

Die Bedeutung des kostbaren Nass für die Kultur, für Landwirtschaft und Verkehr, als Kraftquelle, Wärme- und Abfalltransporteur, Rohstoff und Lösungsmittel wird knapp aber trefflich geschildert. Über einige Zahlenangaben könnte man sich allerdings streiten.

 

(Weshalb Ex Libris das Buch von Franz Kurowski „Unsere Zukunft – das Meer“ (Verlag Ueberreuter, Wien, 1970), zu dem dasjenige von H.-H. Vogt eine verblüffende Parallele darstellt, als Jugendbuch klassiert, ist allerdings völlig rätselhaft.)

 

Erschienen - ohne die roten Passsagen - in den Basler Nachrichten, 8. Dezember 1971

 


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