Huahine Iti und Huahine Nui (Gesellschaftsinseln)

 

18.2.

 

 

07.00: Kurz vor der Einfahrt in die Baie Maroe. Sie liegt zwischen den beiden Inseln Huahine Nui (gross) und Huahine Iti (klein), die seit 1950 durch eine Brücke verbunden sind (backbord vom Bug ganz im Hintergrund). Beide Inseln sind von einem schützenden Korallenriff umgeben

 

 

Na ja. Gestern Abend habe ich im Salon gegessen, weil eine der Tischnachbarinnen Geburtstag feierte. Nach dem Essen brachte ihr die Mannschaft ein Ständchen dar, inklusive „La Bamba“. Die hernach gereichte Geburtstagstorte war so süss und fett, dass wir (insgesamt sieben) auf dem Kopernikusdeck zuerst einen Vodka zum Verteilen trinken mussten. Beim anschliessenden Champagner stellte sich die Gefeierte als Maren vor und bald darauf meine direkte Tischnachbarin als Anke.

Hernach ging’s zum Tanz. In der Casablanca Bar stand Anke und mir die Tanzfläche zwei Stunden lang ganz allein zur Verfügung; Shirley & Rainer spielten und sangen für uns Foxtrotts, Country, Englischwalzer und dergleichen. Höchstens ein Dutzend Gäste schauten uns aus dem schummrigen Halbdunkel zu.

 

Nach einer Stunde dachte ich: „Ich beginne langsam, sie zu mögen.“ Ich schätze sie so alt wie ich. Sie stammt (mütterlicherseits) aus einer alten Seefahrerfamilie aus Deutschlands Norden, Schleswig-Holstein, wohnt aber seit langem in München. Sie arbeitete bei Siemens und wurde frühpensioniert. Sie hat eine krächzende Stimme. Ihr ganzer Körper ist, soweit sichtbar - also Arme Beine, Schultern - grässlich verunstaltet durch Brandwunden. Sie trägt eher kurze blonde Strähnen, und ihrem sonnenverbrannten Gesicht mit runzligen Augenhöhlen entspringt eine Adlernase, nein: Habichtnase, die mich an das Porträt eines Renaissancefürsten mit grellrotem Hut erinnert.

 

Heute Morgen fuhren wir schon Nullsiebenhundert in die Baie Maroe von Huahine ein.

Seit 14 Tagen habe ich nun Schnupfen und Husten. Auch bei andern Passagieren bessert es nicht. Immerhin habe ich keine Fieber. Viele Passagiere bleiben in der Kabine.

Die Wandlung meines Haarschopfes von der Pagodenfrisur (wie die Coiffeuse sagte) zum Rasenmäherschnitt (wie die Freundin von Anke sagte) erregt weitherum Aufsehen. So sprachen mich bei Essenfassen zwei weibliche Gäste an, die ich noch nie beachtet hatte, lobten meinen Entscheidung, endlich die Haare schneiden zu lassen, und meinten, ich sähe nun zehn Jahre jünger aus.

 

Beim Frühstück sprach ich Anke zwischendurch noch mit Sie an.

Gelesen habe ich noch nie in der Bordzeitung, auch sonst keine Zeile, ausser in Reiseführern und im Tagesprogramm. Ich vermisse nicht, was in der Welt läuft.

 

 

***

 

Eine Panoramafahrt mit dem Geländewagen zeigt: Huahine ist sauber und gepflegt, fruchtbar und üppig. Es ist eine wunderschöne Insel, aber langweilig. Das einzige von Belang sind die Marae.

 

 

 

Die MS Albatros ankert in der Mitte der Baie Maroe von Huahine. Hier das Panorama von Süden über Westen nach Norden

 

 

 

Auch auf Huahine Iti (das Kleine Huahine) gibt’s bizarre Formen

 

 

 

So blau ist eine Lagune von Huahine Iti

 

 

 

Die Farben der Lagune sind wirklich atemberaubend

 

 

 

Typische Insellandschaften, aus den fahrenden Geländewagen aufgenommen

 

 

 

Die Buckelketten versetzen einen in träumerische Stimmung

 

 

 

Ein Haus in dem Bereich der Insel, wo es weder Elektrisch noch Wasser gibt. Den Strom erzeugen  Solarzellen auf dem Dach

 

 

 

Dieselbe Felsformation von der Strasse und vom Strand aus gesehen

 

 

 

Man spürt heute noch etwas von der heiligen Stätte. Das grösste Marae von Huahine im früheren Hauptort der Insel: Maeva. Die Inselbewohner sind heute noch sehr „spirituell“

 

 

 

Mehr als nur eine Ansammlung von Steinen: Marae, vielleicht 1000 Jahre alt. Die Holzskulpturen auf dem rechten Bild sind – ein Graus für unseren Fahrer, einen Puristen – importiert von Tahiti, nur der Touristen wegen

 

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Am See, der Salzwasser enthält (Lac Fauna nui): eine Fischreuse aus Stein, vierhundert Jahre in Gebrauch. Heute noch arbeitet die königliche Familie damit. Die Fische werden bei Flut in die trichterförmig ausgehöhlten Steine getrieben und sind dann in einer hölzernen Falle gefangen

 

 

 

Das „nationale“ Marae von Huahine (links von vorne und rechts von hinten). Hier war nicht nur eine Tempelbezirk, sondern trafen sich auch die Häuptlinge der Stämme für gemeinsame Beratungen und zum festlichen Empfang fremder Gäste

Die Menschenopfer erfolgten folgendermassen: Das Objekt erhielt einen tödlichen Schlag auf den Hinterkopf. Hernach wurde der Kopf vom Rumpf getrennt, von Ohr zu Ohr mit einem Stück harten Eisenholzes durchbohrt und zwischen Pfählen aufgehängt

 

 

 

Kontraste auf Huahine: Seitenarm einer Lagune im Inneren …

 

 

 

… Wellenbrecher ohne Riff direkt am Pazifik

 

 

 

Faie auf Huahine: Fütterung von bis zu zwei Meter langen, dicken, aber beweglichen blauäugigen Flussaalen aus der Konservenbüchse mit der Hand …

 

 

 

… oder mit dem Mund

 

 

 

Unser Schiff wieder in Sicht: die MS Albatros in der Maroe-Bucht von Huahine, also zwischen Huahine Nui (üppiges Grün im Vordergrund) und Huahine Iti (die Bergkette im Hintergrund)

 

 

Na ja. Als wir um 18 Uhr versuchten, die Anker zu lichten – das Manöver misslang mehrmals, das Ding wollte nicht in die Klüse –, sass Anke mit einem attraktiven neuen Passagier auf dem Kopernikusdeck. So leistete mir Jürgen beim Bier und dem Blick auf das entschwindende Huahine Gesellschaft.

Beim Abendessen trafen Anke und ich kurz zusammen und bestaunten den (beinahe) Vollmond. Hernach strebte ich Anatoli zu, und sie entschwebte anderswohin. In der Karibik-Lounge sass ich, da zu früh, zuerst eine Viertelstunde alleine; die vier fröhlichen und lauten Grazien fehlten mir. Etwas entfernt sassen zwei Männer und ein Paar. Sie bildeten mit mir die einzigen aufmerksamen Zuhörer.

 

Paradox: Anatoli spielte „am Flügel weltbekannte Schlager“, darunter Rock’n’Roll, zuerst Stücke von Chuck Berry, dann, wie er sagte, „intelligenten Rock’n’Roll“. Majestätisch hämmerte er „Great Balls of Fire“ in die Tasten. Es klang wie Bach, die folgenden bekannten Melodien von ABBA eher wie Tschaikowski.

Nach fünf Viertelstunden bot  er eine Zugabe: „As Times Goes By“. Als ich mich nachher eine halbe Stunde mit ihm unterhielt, meine er freudig und schelmisch, dass ich zehn Jahre jünger aussähe, und berichtete aus seiner Jugendzeit. Rock’n’Roll durfte man weder hören noch spielen. Sein Vater war beim KGB. Er durfte daheim nicht berichten und auch nicht seine eigenen Meinung zum Regime äussern. Hätte sein Sohn seinen Klassenkameraden erzählt, sein Vater möge Stalin nicht, wäre dieser für zehn Jahre nach Sibirien verbannt worden.

 

Um halb Zwölf machte ich mich auf, um mich bei Anke zu entschuldigen, dass ich diesen Abend nicht mit ihr getanzt habe (hätte? hatte?). Ich fand sie unmittelbar neben der wie stets beinahe leeren Casablanca-Bar in der nur mässig gefüllten „Harry’s Bar“ an der Theke mit dem attraktiven neuen Mann an der Theke sitzend.