Pitcairn Island

 

 

 

Volle Kraft voraus. Das Schiff fährt meist mit 18 Knoten (ca. 33 km/h). Die Aussentemperatur beträgt 28°, die Wassertemperatur 25°, die Luftfeuchtigkeit 86%. Endlich kommen wir in tropische Gefilde.

Das Meer ist seit einigen Tagen bloss noch etwa 3000 bis 3500 m tief

 

 

„Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein …“

 

 

 

 

Und immer diese Abendwolken

 

 

4.2.

Ein Kontrast: Die Karibik-Lounge befindet sich am Bug des Schiffes und hat Panorama-Fenster vornehinaus und seitwärts. Wenn man um 9 Uhr abends beim Eingang sitzt, sieht man an den Tischen und Sesseln vorbei in die Abendwolken hinaus Da leichter Seegang herrscht, schwankt das Wolkenbild ständig. Ich sitze mit Roswitha und Martina an einem Eingang, trage Adiletten und trinke einen Bacardi. Die Blechdecke des Salons giert und knistert – und Anatoli spielt Beethoven, zuerst einige kleine Stücke, dann die Pathétique und wirklich ergreifend die Mondscheinsonate. Alle Sessel sind besetzt und die Gäste sprechen kein Wort, sondern hören andächtig zu.

 

Als Sibylle und Helga um halb Elf zu uns stossen, fängt die Alberei bald wieder an.

 

 

5.2.

 

 

 „Dir, Seele des Weltalls …“

 

 

Beim Erwachen um sechs Uhr fährt mir das Liedwerk „Dir, Seele des Weltalls“ durch den Kopf. Im Gymnasium organisierten mein Gesangslehrer Robert Boog und der Musiklehrer Armin Schibler eine Aufführung dieses grossen Stücks, und ich erinnere mich, dass wir viele Male auf der Empore einer Kirche (Neumünster?) üben mussten, immer und immer wieder.

 

Merkwürdig, dass ich stets so früh aufwache. Freilich müssen wir jeden Tag die Uhr eine Stunde zurückstellen, sodass heute bei Sonnenaufgang (06.45) schon bald drei Uhr nachmittags zu Hause  ist. Aber dennoch schlafe ich dort beträchtlich länger.

 

Gestern, bei der Mondscheinsonate, streifte mich der Liebeskummer, und im Hals verspürte ich ein scharfes Stechen. Die Halsschmerzen blieben. Ich möchte aber keine Erkältung bekommen! Viele andere Passagiere beklagen eine solche, erworben vor allem durch den häufigen Wechsel von stark klimatisierten, d. h. zu stark gekühlten Räumen in den Zugwind auf Deck, vom Schwitzen in der schwülen Hitze des Mittags und Abkühlung im halbwarmen Schatten. Sie husten laut in die Welt hinaus.

 

Heute Abend muss ich mich entscheiden zwischen der Vorführung spanischer Tänze durch unser Tanzlehrerpaar und Jazz von Anatoli. Bis vor zwei Minuten war mir noch klar: Jazz. Nun habe ich beim Üben im Salon jedoch Pepi Alvarez (in Bochum aufgewachsen) getroffen. Sie erwartet sicher, dass ich zu ihrer Show komme.

 

Als ich Anatoli beim Abendessen auf dem Deck fragte. Ob er heute Abend Fats Waller spielen werde, schaute er mich mit grossen Augen an. Es sieht so aus, als kennte er ihn nicht.

 

 

 

So, wie die Sonne am Abend ihre Laufbahn vollendet, so halten ... auch wir uns dort auf, um die Arbeit in Zufriedenheit zu beschliessen

 

 

6.2.

 

 

 

06.15 Jetzt bin ich genau zwei Wochen unterwegs und habe von der Südsee noch nichts gespürt – ausser einer Erkältung.

 

Anatoli spielte „süsse und zärtliche“ (wie er sagte) Jazzstücke wie Beethoven. Nach zehn Minuten verliessen Martina, Roswitha und ich die Karibik-Lounge und stiegen gerade noch rechtzeitig hinunter in die Atlantik-Lounge. Helga und Sibylle hatten für mich ein schmales Plätzchen in der ersten Reihe reserviert. Unsere Tanzlehrer tanzten eine ganze Stunde, in wechselnder Kostümierung, zu feuriger Musik, absolut korrekte Schritte – wie Tanzlehrer.

 

Kaum reklamiert – werden die Verhältnisse besser.

 

Von weitem (30 Seemeilen)  sieht Pitcairn Island aus wie ein grosser Buck auf  den unendlichen Weiten des Stillen Ozeans. Die Polynesier nennen das grosse Meer, wie ich erst gesehen habe, nachdem ich den vorherigen Satz schrieb, „Klang der Unendlichkeit“ (Moana).

 

Die Insel misst 5 Quadratkilometer und zählt rund 50 Einwohner. Sie wohnen in 40 Häusern der „Hauptstadt“ Adamstown. Sie leben von Fischfang und Lobsterzucht, Landwirtschaft, besonders Honig  und - Souvenirverkauf. Etwa 15 Kreuzfahrtschiffe besuchen die Insel pro Saison (5 Monate des Jahres). Vielfach verhindern Dünung und Wellen jedoch den Landgang. Die Eingeborenen jedoch kommen mit ihren Waren auf die grossen Schiffe und bieten sie, offenbar zu überrissenen Preisen, feil.

 

 

 

Wir nähern uns Pitcairn Island. Auf dem linken Bild wäre – kurz vorher - über der linken Steilküste der schwarze Schlauch eines kräftigen Tornados zu sehen gewesen

 

 

 

Pitcairn Island rückt immer näher. Aber das Schiff muss weit draussen ankern

 

 

 

Eine ungewöhnliche Hauptstadt: Adamstown auf Pitcairn Island besteht aus 40 Häusern und beherbergt gut 50 Einwohner (sämtliche der Insel). Der Hafen besteht aus einer Mole unten an einer Felsenküste (hier nicht sichtbar): „Bounty Bay“.

Von da führt die einzige asphaltierte Strasse einige Dutzend Meter hinauf. Es gibt eine Fernsehschüssel auf dem „Ship Landing Point“ (mit Empfang von Turners TNT) und eine Telefon- und Internetschüssel hinter der Polizeistation, Schule und Kirche, Spital und Gefängnis sowie einen Supermarkt und ein (leeres) Gefängnis, aber keinen Flugplatz.

 

 

So gefällt es mir!

Wie schon bei der Osterinsel setzten Kapitän, seine tüchtige Mannschaft und Reiseleitung alles daran, uns einen Landgang zu ermöglichen. Zwar konnte unser Tender nicht landen, aber die Eingeborenen  brachten innerhalb von zwei Stunden je 30 „hundertprozentig fitte“ Passagiere, insgesamt 200, mit ihren massiven Langbooten ans Ufer.

 

 

 

Das Ausschiffen ist sehr riskant. Es erfolgt über eine Strickleiter oder eine frei bewegliche Gangway. Die mächtigen Langschiffe der Eingeborenen fassen dreissig Personen, am Boden sitzend. Sie schwanken wegen der starken Dünung und des heftigen Wellengangs mehrer Meter an der Gangway auf und ab.

 

 

 

Glücklich im Eingeborenenschiff auf dem Hintern gelandet und auf allen Vieren herumgekraxelt,  blicken wir erleichtert zum Mutterschiff zurück, umrunden den Bug und nehmen Fahrt auf Pitcairn Island zu

 

 

Auf mittlerweile bewährte Manier stand ich etwas hilflos herum, bis die meisten andern Passagiere schon mit einem vorsintflutlichen Mobil, einer Art kleiner Traktor mit Vierradantrieb („Quad Bike“), zu den paar Häusern hochgefahren waren. Ein älterer Seebär mit rotem Kopf und weissem Haarschopf stand mit seiner Maschine noch da. Ich haute ihn an und er erklärte, er sei ein Kiwi, also Neuseeländer. Ich gab zurück:  … und ich ein Schweizer aus den Bergen. Er verlangte drei Dollar für eine Bergfahrt. Ich fragte ihn, ob er sonst noch was anbieten könne. Er antwortete: Inselrundfahrten. Ich überredete einen andern noch herumstehenden Gast der MS Albatros mitzukommen, und so setzen wir auf ein Holzbrett hinter dem Fahrer. Ich musste mich am Sonnendach festhalten. Die Waden mussten wir auf die heiss werdenden Kotflügel der hinteren Räder auflegen.

 

Auf dem ersten schönen Aussichtspunkt erklärte der kräftige Fahrer, er sei der Pfarrer von Pitcairn. Zwei volle Stunden kurvte er mit uns auf der Insel herum, bis wir am Schluss völlig gerädert und staubbedeckt wieder an der Hafenmole waren. Die Insel kam mir wesentlich grösser als zwei Meilen lang und eine Meile breit vor.

 

 Auf dem „Highest Point“ hatten wir noch Thomas und einige Begleiter von der Reiseführung getroffen. Als ich mit dem Pfarrer als unserem Fahrer aufschneiden wollten, stelle er uns die junge Gouverneurin der Insel vor, die er schon neun Jahre lang kenne. Der Vater der Gouverneurin betrieb die Radiostation auf dem Bergrücken, die heute dank der Satellitenschüsseln nicht mehr gebraucht wird. Es ist geplant, dort ein Museum einzurichten.

 

 An der Hafenmole warten bereits alle auf meinen Begleiter und mich.

 

Der Pfarre war schon fünf Jahre auf der Insel. Wenn die weitere Verlängerung seines Aufenthalts um zwei Jahre genehmigt wird, möchte er ein eigenes Haus bauen und nachher seinen Lebensabend hier verbringen. Er fühlt sich hier wohl.

 

 

 

Pitcairn Island: Links die „Hauptstadt“ Adamstown vom „Ship Landing Point“ aus. Rechts unser Schiff im türkisblauen Meer vor der Küste ankernd

 

 

 

Unser Vehikel („Quad Bike“) auf einem der staubtrockenen Feldwege. Die rötliche Farbe deutet auf den vulkanischen Ursprung der Insel hin

 

 

 

„St. Paul‘s Pool“: Ein gerne zum Schwimmen benützes, „ruhiges“ Bassin an der Felsküste

 

 

 

Die Gewächse werden von unsrem Fahrer als „Unkraut“ bezeichnet

 

 

 

Felsenküsten rundum

 

 

 

Thomas Gleiss, der Kreuzfahrtdirektor mit der Gouverneurin der Insel (im roten T-Shirt) und einer Mitarbeiterin auf einem Bänklein auf dem „Highest Point“ von Pitcairn Island, behütet vom Pfarrer, unserem Fahrer.

Thomas‘ weisse Hose und das türkisfarbene T-Shirt waren am Schluss der Tour weitgehend rötlich, vom vulkanischen Staub gefärbt

 

 

 

Ganz links die „Hauptstadt“ Adamstown und das Kreuzfahrtschiff

 

 

 

Der Friedhof von Adamstown und der Pfarrer daselbst, vor dem Eingang seiner Kirche

 

 

 

Die Kirche der 7. Tages–Adventisten von Pitcairn Island: spartanisch, aber praktisch eingerichtet, mit elektronischer Orgel (links vorne) und Leinwand, auf welche die Predigt projiziert wird

 

 

 

 

Der „Hafen“ von Adamstown: eine runde Hafenmole in der Bounty Bay. Ziemlich genau in der Bildmitte  - also unweit des Ufers - wurden 1957 die Überreste der „Bounty“ entdeckt

 

 

 

 

Die Bounty Bay: kein Palmenstrand, stets von heftigem Wellengang bedrängt. Der Anker stammt nicht von der „Bounty“, sondern von einem um. 1880 gestrandeten Schiff

 

 

Farewell Pitcairn Island

 

 

 

So kurz der Aufenthalt auf Pitcairn Island war (2 Stunden), so unerwartet und reichhaltig waren die Erlebnisse