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Die Freimaurer. Geheimnis und Enthüllung. München: List 1963, 167-175; 2. Aufl. 1964.

 

 

Das Verlangen, ein Mehreres zu wissen

 

Die Logen nehmen einen „freien Mann von gutem Ruf" als Mitglied auf; den Frauen bleibt der Zugang zu den Logen verschlossen. Ihnen wurde in der freimaurerischen „Arbeit" eine Stellung zugeteilt, die sich auf den ersten Blick recht bescheiden ausnimmt. Nur an einer Stelle des Schröderschen Rituals heisst es:

Meister: Nach alter Sitte empfängt jeder Freimaurer bei seiner Aufnahme ein Paar Frauenhandschuhe. Wir zeigen dadurch, dass wir das weibliche Geschlecht, obgleich unsere Logen ihm verschlossen sind, in seiner wahren Würde achten und ehren.

Wenn der Aufgenommene verheiratet ist, wird der Text mit den Worten fortgesetzt:

„Geben Sie diese Handschuhe der treuen Gefährtin Ihres Lebens als ein Zeichen unserer Achtung, und erneuern Sie ihr den Schwur unverbrüchlicher Treue."

 

Dem Unverheirateten sagt der Meister vom Stuhl:

„Bewahren Sie diese Handschuhe, bis Sie sie einst der würdigen Gefährtin Ihres Lebens geben können."

 

Ausserdem werden Frauen bei geselligen Veranstaltungen zugelassen und treffen sich zum „Schwesternkränzchen".

 

Eine zureichende Begründung dafür, warum auch heute noch keine Frauen Logenmitglieder werden können, gibt es nicht. Die Erklärungen sind recht einsilbig und bestehen eigentlich nur aus zwei Hinweisen: es sei Tradition, die Frauen fernzuhalten, und Logen, die sich nicht an diese Tradition gehalten hätten, seien immer schnell wieder geschlossen worden. Dabei wird übersehen, dass die Voraussetzungen, die vor 200 Jahren diese Tradition sinnvoll erscheinen liessen, heute nicht mehr gegeben sind.

 

Franz Carl Endres schrieb in seinem Buch „Das Geheimnis des Freimaurers" (1957 [die 1. Auflage erschien 1927, die zweite 1929, 210-212 – für den vollständigen Text siehe: Endres]):

„Mit dem Kult der Schönheit scheint es ganz unvereinbar zu sein, dass der Frau, dieser grössten Schönheitsbringerin im Leben des Mannes, in der Loge nicht Platz und Stimme eingeräumt wird. Man kann Begründungen dieser Ausschaltung der Frau lesen, die gewiss unrichtig sind.
Wenn da behauptet wird, die Frau sei intellektuell nicht so weit fortgeschritten, so ist das geradezu lächerlich. Die Frau ist, was ihren Intellekt anbelangt und in jeder anderen Hinsicht, geeignet für das Freimaurertum. Sie hat sogar für den charitativen Teil der Pflichten ganz entschieden eine grössere praktischere Begabung als der Mann. Ihre feine Intuition und das Mütterliche, das jede edle Frau auszeichnet, wären uns Männern ausserordentlich wertvolle Ergänzungen. Was der Intellekt eines Mannes in mühevoller Arbeit nicht erreicht, das fällt der Intuition der Frau fast mühelos zu. In der Menschenkenntnis ist uns die Frau weit überlegen. Es wäre also ein grosser Vorteil, wenn die Frau Freimaurer werden könnte."

 

Die Eignungsprüfung fällt also - mit Recht - positiv aus. Der Freimaurerbund will eine Gesinnungs- und Erlebnisgemeinschaft sein. Es ist nicht einzusehen, warum Frauen an dieser Form der Gemeinschaft nicht unmittelbar teilhaben sollten.

Endres lehnt nach seiner überzeugenden Verteidigung jedoch ebenfalls die Aufnahme von Frauen in den Logen ab und gibt dafür diese Erklärung:

 

„Das ist die Verschiedenheit des Geschlechtes und die Möglichkeit, dass innerhalb der auf Freundschaft beruhenden Bruderkette Eros sich einnistet. Von diesem Augenblick an wäre die freimaurerische Gemeinschaft vernichtet. Die sexuelle Frage ist hier die massgebende ... Diese Gefahr würde nicht bei jeder Frau bestehen. Es gibt sehr viele Frauen, die ganz geschlechtslos wirken. Aber von dieser Wirkung kann man nicht die Aufnahme abhängig machen."

 

Auch dieses Argument ist nicht sehr überzeugend. Bei anderen kultischen Handlungen - so zum Beispiel in den Kirchen - kann von einer „Gefahr der sexuellen Ablenkung" wohl kaum die Rede sein.

Immerhin gibt Endres eine Empfehlung, die so etwas wie einen Kompromiss darstellt:

„Wir werden gerne sie in Schwesternabenden begrüssen und ihnen auch die Erbauung durch ein besonderes Ritual zuteil werden lassen. Aber Freimaurer kann die Frau nicht werden. Es sei denn, dass sie einen Schwesternorden bilde, in dem Frauen-Freimaurer ... den gleichen Zielen wie wir zustreben. Das ist in Frankreich schon mit Erfolg geschehen. Und es steht dem nichts im Wege, dass es auch in Deutschland geschieht ... Wenn die Frauen freimaurerische Logen gründen wollen, so wird kein vernünftiger Freimaurer dem widersprechen."

 

Dann wird jedoch wieder eingeschränkt:

„... es könnte der Fall eintreten, dass die weiblichen Freimaurerlogen sich zumeist aus denjenigen Frauen zusammensetzten, die unverheiratet und in Neigungen und Interessen mehr männlicher Art sind, was den betreffenden Logen nicht zum Vorteil gereichen würde."

 

Eine ähnliche Unsicherheit bei der Behandlung der Frage, ob Frauen für die Freimaurerei „geeignet" sind, zeigt sich in manchen freimaurerischen Veröffentlichungen.

Hans K. Werner erklärt in seinem Aufsatz „Königliche Kunst und Frauen" („Die Bruderschaft", November 1960)

 

„Freimaurerei ist der Versuch, aus dem ‚Animalischen’ zum ‚Humanen' vorzudringen ... Wendet sich dieser Anruf nur an den Mann, den Bruder? Ich glaube es nicht. Mag sich auch für die Frau bei dem, was wir die Arbeit am rauhen Stein nennen, hier und dort eine andere Schattierung ergeben, mag sie dabei im Denken hier oder dort aus einer anders gearteten Schau zu anderen Nuancen und Deutungen kommen als der Mann - schliesst das die Gemeinsamkeit des Weges aus? Immer vorausgesetzt ist allerdings, dass die Frau als Individuum die innere Aufnahmebereitschaft, jene Erlebnisfähigkeit besitzt, die wir bei dem Manne, der sich als Bruder in unsere Kette einreihen will, ebenso voraussetzen müssen."

 

Nachdem hier - so eindeutig wie bei Endres - der Weg freigemacht wurde, kommt die überraschende Wendung: auch Hans K. Werner weicht in sehr allgemein gehaltene Empfehlungen aus. Da soll dem „meditativen Moment" ein breiterer Raum eingeräumt werden, und es wird' die Frage gestellt:

„Ist es aber nicht noch schöner und wertvoller, diese Momente unmittelbar hinauszutragen in das gemeinsame Leben der Familie?"

Von der Konsequenz, die sich zunächst anzudeuten schien, nämlich Frauen an der gemeinsamen Arbeit zu beteiligen, ist nicht mehr die Rede.

Auf jeden Fall: die Frage wird diskutiert, wenn auch mit jenem Unbehagen, das in den Zeilen von August Horneffer (Die Freimaurerei, 1948, 117-118 [bereits 1922, 134-135, geschrieben, aber noch nicht nicht in der 1. Aufl. 1917]) zum Ausdruck kommt:

 

„Der Ausschluss der Frauen vom Bunde muss den Aussenstehenden in der Tat eigentümlich berühren. Er erklärt sich zunächst durch die Tradition: fast alle jene freundschaftlichen Geistesbünde, auf die die Freimaurerei als auf ihre Ahnen zurückblickt, waren Männerbünde. Neben ihnen entstanden hier und da weibliche Parallelbünde (man denke etwa an die Mönchs- und Nonnenorden verschiedener Religionen), die es aber meist nicht zu hoher Blüte brachten, weil die weibliche Natur weniger zur kameradschaftlichen Vereinigung mit anderen Frauen als zur treuen Anhänglichkeit an das Familienband neigt.
Auch in der Freimaurerei sind zu verschiedenen Zeiten Versuche mit weiblichen Logen, auch Versuche mit gemischten Logen gemacht worden. Aber weder diese noch jene haben sich bis jetzt bewährt. Dass die Mitarbeit der Frauen namentlich bei den sozialen Werken der Freimaurer unentbehrlich ist und dass eine Geistesbewegung nicht auf eines der beiden Geschlechter beschränkt werden kann, ohne sich eines Teiles ihrer Kraft zu berauben, das empfinden die Freimaurer natürlich selber; es ist nur sehr schwer, die richtige Form zu finden, in der sich diese Mitarbeit vollziehen kann, ohne das traditionelle Logentum zu berühren."

 

Vorerst gibt es also keine Lösungen, die sowohl den traditionellen als auch den modernen Forderungen gerecht werden.

 

 

Es gibt zögernde Versuche, die Frauen näher an die freimaurerischen Grundgedanken heranzuführen, und als eins der Mittel wird der mehrfach abgedruckte Brief des Logensekretärs Jakob Friedrich Bielfeld benutzt, der am 6. Februar 1738 an die Dame seines Herzens schrieb:

 

„Sie fordern nicht von mir, ich hoffe es, dass ich Ihnen unsre Geheimnisse entdecken soll. Sie denken zu gut in diesem Stücke. Sie wollen einen ehrlichen Mann lieben, nicht aber einen verrätherischen. Mir liegt nicht wenig daran, Sie von meiner Verschwiegenheit zu überzeugen, und Ihnen fühlbar zu machen, dass ein Mensch, welcher im Stande ist, sein Geheimniss vor einer Person, die er anbetet, zu bewahren, gar wohl das Glück verdiene, dass sie gütig genug gegen ihn ist, ihm auch gewisse andere Geheimnisse aufzugeben zu geben.
Sie sind also verbunden, meine Verschwiegenheit zu belohnen, und dieser so schönen Tugend fernere Nahrung zu geben. Ich hingegen will Ihnen, zur Vergeltung, von alledem, was mir von unserer Gesellschaft zu sagen erlaubt ist, auch nicht das Geringste verschweigen. Nur ihre Geheimnisse werde ich nicht berühren; diese sind mir heilig.

 

Der vornehmste Bewegungsgrund, welcher über meine Zweifel den Sieg davongetragen, und meine Aufnahme beschleunigt hat, ist dieser, dass ich diesen Orden aus einer grossen Menge rechtschaffener Männer, deren Frömmigkeit und Sitten ich gar wohl kannte, bestehen sah. Sie würden, ich weiss es ganz gewiss, nimmermehr ihren Fuss wieder in die Logen gesetzt haben, wenn nur etwas, welches im mindesten ihrem zärtlichen Gewissen zum Anstoss gereichen könnte, darinnen vorginge.
Es ist wahr, dass sich in dieses Heiligthum der Tugend einige falsche Brüder mit eingeschlichen haben, deren Sitten nicht so rein sind, und deren Aufführung nicht so untadelhaft ist, als ich es wohl wünschte: aber so unvollkommen sind alle irdische Dinge, dass selbst die Vermischung des Bösen mit dem Guten unvermeidlich ist, und dass selbst die kleine Anzahl der zwölf Apostel nicht ganz ohne ein unwürdiges Mitglied seyn konnte. Ich stellte mir auch gleich vor, da ich mich in den Orden der Freymäurerei begab, dass ich in eine Gesellschaft nicht heiliger Engel, sondern tugendhafter Menschen treten würde, und ich habe mich in meiner Vorstellung nicht betrogen.

 

Ich räume es ein, dass man den Orden der Freymäurer so wohl zu einem niedrigen Kinderspiel, als zu einer sehr verehrungswürdigen Stiftung machen kann. Wenn ein Haufen junger Leute, ohne Verdienste und Klugheit, sich in dieser Absicht versammelt, dass sie einander wechselweise mancherley wunderliche Gebärden vormachen, und einander in einer ungewöhnlichen Sprache abgeschmackte Dinge vorsagen; wenn dergleichen Versammlungen nach verschlossener Loge ihr einziges Vergnügen im Schmausen suchen: so ist wohl nichts verhasster, als die Freymäurerey.
Aber wenn Sie diese Gesellschaft als eine der allerfeyerlichsten Brüderschaften betrachten, in welcher man die Personen nicht nach der Mannigfaltigkeit der Sprachen, die sie reden, nicht nach der Kleidung, die sie tragen, nicht nach dem Range, in dem sie geboren worden, nicht nach der Würde, die sie bekleiden, unterscheidet; in deren Augen die ganze Welt eine einzige Republik ist, wovon eine jede Nation eine Familie, und eine jede Person ein Kind ausmacht; welche sich daher alle nur mögliche Mühe gibt, die ursprüngliche Denkungsart des Menschen in ihrer grössten Vollkommenheit wieder herzustellen; welche sich bemüht, nur Männer vom erleuchteten Verstande, tugendhaftem Herzen und angenehmen Umgange bey ihrer Fahne aufzunehmen; welche also aus solchen Mitgliedern bestehet, die sich wechselweise bemühen, einander durch ihr Ansehn zu beschirmen, und durch ihre Erkenntniss zu unterrichten, die der gemeinschaftlichen Freundschaft allen persönlichen Groll und Hass aufopfern, die alles dasjenige, was der Gemüthsruhe oder sittlichen Wohlanständigkeit zuwider ist, aus ihren Logen verbannen, und die in dem Zwischenraume ihrer angenehmen Beschäftigungen ein unschuldiges Vergnügen des Lebens geniessen;
wenn Sie, sage ich, aus diesem letzteren Gesichtspunkte die Freymäurerey betrachten: so werden Sie mit mir einig seyn, dass diese Gesellschaft dem ganzen menschlichen Geschlechte wichtig werden sollte, und dass sie vielmals dasjenige bewirket, was selbst die Religion Oft nicht anders als mit vieler Mühe im menschlichen Herzen hervorzubringen im Stande ist."

 

 

Eine indirekte Antwort haben die Frauen selbst gegeben: ihre Neigung, sich zur gemeinsamen Logenarbeit mit den Männern zu treffen, scheint gering zu sein, denn sonst wäre die Zahl der Winkellogen grösser.

Wer sich mit den Frauen von Freimaurern unterhält, hat darüber hinaus den Eindruck, dass sich Respekt und lächelnde Duldung die Waage halten. Man wird gelegentlich den Satz hören: „Die Mitgliedschaft bei den Freimaurern hat meinen Mann verändert, und diese Veränderung kommt auch unserer Ehe zugute." Oder: „Wir sind mit einem anderen Lebenskreis in Berührung gekommen. Wir treffen uns privat in einem Kreis, der mir sympathisch ist. Wir haben uns etwas zu sagen, und mehr will ich nicht." Oder: „Ich habe keine Einwände. Wenn mein Mann dort etwas findet, was ihm im Berufsleben fehlt, warum sollte ich etwas dagegen haben? Mein Mann hat mir erzählt, was der Bund will, und ich finde, dass das nichts Unehrenhaftes ist."

 

Die Frauen der Freimaurer sind zurückhaltend in ihren Äusserungen. Sie erkennen die ethisch-philosophischen Bemühungen ihrer Männer an, aber von dem Wunsch, auch die freimaurerischen Formen mit ihnen zu teilen, ist im allgemeinen wenig zu spüren.

 


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