Home Stichworte zum Stress

 

 

siehe auch: Gesammelte Lebensweisheiten

 

 

Stress erinnert in vielem an die Frage nach der Henne und dem Ei. Dasselbe kann entweder Ursache oder Wirkung sein! Es gibt sichtbare und unsichtbare Folgen. Da niemand allein auf der Welt lebt, hat sein Verhalten Einfluss auf andere Menschen. Alles in allem ergibt sich ein ganzes Geflecht von Teufelskreisen - und den Letzten beissen die Hunde.

 

1. Alles kann Stress hervorrufen: der tropfende Wasserhahn so gut wie das Dröhnen von Motoren - oder auch nicht." Es kommt darauf an" ist mehr als eine Redewendung. Ort, Zeit und Situation, Bedürfnisse, Strebungen, Stimmungen und vieles andere spielen eine Rolle, ob jemand einen "Reiz" als Stressor auffasst. Und alle diese Moderatoren verändern sich.

 

2. Kein Reiz kommt allein. Zudem sind verschiedene Arten gleichzeitig wirksam; physikalische, chemische, biologische, psychische, soziale, kulturelle.

 

3. Reize wirken unterschiedlich lang und in verschiedener Intensität. Dasselbe gilt für die "Gesamtbelastung": sie wechselt in Stärke, Dauer und Zusammensetzung.

 

4. Reize und Reaktionen können einander "aufschaukeln".

 

5. Reize wie Moderatoren sind ambivalent, d. h. sie können Stress erhöhen oder mindern. So können z. B. Ehe und Familie eine Quelle von chronischem Stress, aber auch wichtige Systeme sog. "sozialer Unterstützung" sein.

 

6. Auch die Auswirkungen von Stress können neuen Stress erzeugen, bei der Person selber wie bei andern Personen. Im Verlauf der Zeit ist Ursache und Wirkung nicht mehr deutlich auseinanderzuhalten.

 

7. Körperlicher Stress kann seelischen erzeugen und umgekehrt.

 

8. Jedes Individuum reagiert gemäss seiner Biographie und Persönlichkeit anders. Was dem einen sin Ul, ist dem andern sin Nachtigall.

 

 

Mehrere Kreise:

 

1. Bewertung - Bewältigung

 

2. Risikoindikatoren können Moderatoren oder Stressoren sein

 

3. Tätigkeiten können Stressoren oder Ventile sein

 

4. Ketten: Aus Stress -> Fehler -> weiterer Stress

 

5. Was der eine aus Stress tut, ist für den andern Stressor

 

6. Mehrfachbelastungen können sich summieren

 

7. Rollenkonflikte z. B. Ehefrau + Mutter

energischer Manager und sensibler Vorgesetzter

selbstbewusster Partner, der nicht überheblich sein soll

empfindsamer Partner, aber kein Softie, Schlaffi

 

8. Eigene Unsicherheit:

  • man ist selber mal hochgemut, mal gedämpft mal überzeugt von sich, mal zweifelnd
  • in einigem ist man kompetent, anderswo nicht
  • manches gibt und hat Sinn, anderes nicht

 

9. Zorn über andere oder nicht viel eher über sich selbst?

Ist das immer so klar?

 

10. Stimmungen, Launen: manchmal ist man explosiv, manchmal ist einem alles egal

 

11. Ist der Grund immer so leicht angebbar, innen oder aussen, für Hetze, Reizüberflutung, Nervosität?

 

 

Stress und Reaktion

 

1. Dieselbe Situation wird nicht von jedem als Belastung wahrgenommen.

Dasselbe Geräusch (z. B. Schritte in der Nacht) kann Angst auslösen (wenn Einbrecher vermutet), Ärger (wenn Störenfried vermutet) oder Freude (wenn ersehnter Partner vermutet).

 

2. Auf dieselbe Belastung reagiert nicht jeder gleich. Auch der einzelne reagiert im Verlauf der Zeit und je nach Situation anders.

Der gleiche Stressgrad, der durch den gleichen Reiz hervorgerufen wird, kann bei verschiedenen Personen zu unterschiedlichen Schäden führen (Hans Selye).

Ein tropfender Wasserhahn oder eine dröhnende Maschine kann Stress auslösen - oder auch nicht.

 

3. Unter Belastung reagiert der ganze Organismus. Psychische Eindrücke haben körperliche Folgen.

 

4. Jeder Stressor hat spezifische und unspezifische Wirkungen.

 

5. Negative wie positive Ereignisse können Stressoren sein (Hans Selye: Distress und Eustress).

 

6. Verschiedene Reize können dieselbe Reaktion hervorrufen

(Allg. Anpassungssyndrom), und diese stereotype Reaktion kann bei verschiedenen Menschen unterschiedlich krankhafte Veränderungen bewirken (Hans Selye).

 

7. Qualitativ unterschiedliche Reize gleicher Schädlichkeit rufen bei verschiedenen Personen nicht zwangsläufig das gleiche Syndrom hervor (Hans Selye).

 

8. Stress hat positive Funktionen ("Wer rastet, der rostet"; Schonungsatrophie, lt. Hans Selye). Stress steigert die Anpassungs- und Leistungsfähigkeit, ist Warnsignal, sensibilisiert.

 

9. Stress ist unvermeidbar. Jedes Tätigsein ist mit Stress verbunden.

 

10. Stress ist ein Lebensrisiko, wenn er zu gross ist, wenn der Ausgleich überdosiert ist und Anpassungsmittel und -zweck nicht im richtigen Verhältnis zueinander stehen.

 

11. Die Stressreaktion verläuft in Phasen (Hans Selye; "vegetativer Dreitakt" H. Siedeck 1955; C. und H. Selbach 1956), man kann sie auch als gestaffelte Reaktion bezeichnen. Vermutlich deshalb hängen die verschiedenen physiologischen Reaktionen untereinander kaum zusammen.

 

12. Stressreaktionen können ohne Stress auftreten, wenn etwas erwartet wird oder ein Signal als Hinweis auf ein künftiges Ereignis gedeutet wird.

 

13. Durch Vorstellung und Erinnerung können auch vergangene Ereignisse nachträglich Stress auslösen, z. B. bei Beinahe-Unfällen.

 

14. Die Stressanfälligkeit einer Person ist für verschiedene Reize und in verschiedenen Situationen unterschiedlich hoch.

 

15. Stress kann als krankheitsverursachender, krankheitsdisponierender oder krankheitsbegünstigender Faktor aufgefasst werden. Umgekehrt kann Krankheit ein Stressor sein.

 

16. "Es ist nichts schwerer zu ertragen, als eine Reihe von schönen Tagen."

 

17. Stress kann auch erst viel später zum Ausbruch kommen:

  • Entlassene aus dem KZ
  • Herzinfarkt in den Vierziger- oder Fünfzigerjahren
  • Plötzliches Durchdrehen eines sonst unauffälligen Bürgers.

 

18.a) Stress ist eine übermässige seelische und körperliche Reaktion bezüglich

  • Schnelligkeit (zu rasche Reaktion)
  • Ausmass (zu starke Reaktion)
  • Dauer (zu lange Reaktion).

D. h. die Reaktion ist nicht reizadäquat, nicht verhaltensökonomisch und nicht effektiv.

 

b) Stress ist ein unbewältigter Konflikt zwischen Müssen und Können, Wollen und Dürfen.

 

19. Es gibt ganze Ketten von Ereignissen: Ein Verkehrsunfall kann durch Stress verursacht sein. Aber was nachher kommt - bis die Wunden ausgeheilt, das Auto repariert ist und alle Versicherungsfragen geklärt und erledigt sind - bedeutet für manchen oft noch wochenlangen Stress.

 

20. Jeder Mensch steht in Mehrfachbelastungen, insbesondere die Frau, z. B. als

  • Geliebte und Hausfrau
  • Ehefrau und Mutter
  • Berufstätige und sozial oder kulturell Engagierte.

 

 

Die Ambivalenz von Stress

 

1. Man kann gefährliche Situationen (Niederdorf, Drogenszene, Bergklettern) suchen oder meiden.

 

2. Der selbe Reiz kann positiv oder negativ eingeschätzt werden:

  • Scheidung kann Befreiung aus unerträglicher Lage oder Verlust, mit nachfolgender Betrübnis, sein, ähnlich ein Arbeitsplatzverlust.
  • Ein Arbeitsplatz- oder Berufswechsel kann Stress oder Entlastung bedeuten.
  • Offensichtlicher Misserfolg kann Entmutigung bedeuten oder aber ein "Nochmals probieren", "Trotzdem" oder "Jetzt erst recht" auslösen.
  • Eine Anforderung kann als Belastung, Bedrohung, Beeinträchtigung aber auch als Herausforderung betrachtet werden.

 

3. Jeder Wirkstoff hat spezifische Folgen und unspezifische. So senkt Insulin den Blutzuckergehalt, während Adrenalin ihn erhöht. Beide rufen aber auch ein "allgemeines Bedürfnis" nach Anpassung, nach Wiederherstellung des Normalzustandes hervor.

 

4. Medikamente haben oft eine spezifische Wirkung (wenn auch mit begrenzter Wirksamkeit), aber meist auch unerwünschte Nebenwirkungen.

Rauchen, Alkohol, Tranquilizer und Essen können Nervosität beheben, aber auch süchtig machen.

 

5. Jede Reaktion kann als Anpassung an ein gestörtes Person-Umwelt-Verhältnis oder als Versuch der Wiederherstellung eines inneren Gleichgewichts aufgefasst werden.

 

6. Ein übertriebenes Mass von täglicher Ausübung der Transzendentalen Meditation oder anderer Methoden kann Störungen hervorrufen, die denen der Beschränkung der Sinneswahrnehmungen (eine Form von Hypostress) ähnlich sind.

Immunisierung kann zur Apathie führen.

 

7. Man kann zuviel essen und doch zuwenig von notwendigen Vitaminen und Spurenelementen aufnehmen.

 

8. Notfallreaktion (W. B. Cannon), Aktivierung (E. Duffy), Alarmreaktion (H. Selye) ist gut, aber oft nicht nötig.

"Stress" mobilisiert Energie und sensibilisiert gleichzeitig, kann aber auch schädigen.

Stress bietet doppelte Chancen:

a) zur Bewältigung von Gefahren oder Aufgaben

b) zur Selbstbesinnung

  • Aktivierung sinnvoll nutzen
  • eine andere Einstellung zu Stressoren sowie zu den eigenen Fähigkeiten und Bedingtheiten gewinnen.

 

9. Der Versuch einer Abwehr des Stressors (Reklamation, Kampf) kann selber einen Stressor darstellen.

Ist Sport ein Stressor oder ein Ventil?

Falsche Bewältigungsmechanismen können also selber Stressoren sein.

 

10. Moderatoren können selber Stressoren, aber auch Auswirkungen von Stress sein, z. B. Invalidität, mangelndes Selbstwertgefühl, Hilflosigkeit, Überdruss, Langeweile, usw.

Reaktionen auf Stress können selber zu Stressoren werden:

  • Schlaflosigkeit, schlechte Träume
  • Kopfweh: ist es Reaktion, Moderator oder Stressor?
  • Diabetes und Parkinson: Sind es Stressoren oder Moderatoren?

 

D. h. dasselbe kann Ursache, Moderator oder Wirkung sein.

 

11. Manches kann Ventil sein, aber auch Stress, z. B. starke körperliche Betätigung (führt zu Muskelermüdung).

 

12. Kann es heissen: "Was ich nicht weiss, macht mir nicht heiss", oder ist das Selbstbetrug?

Wie schädlich ist Verdrängung (psychoanalytisch)?

Was sind seelische Störungen, wenn der einzelne meint, er lebe ganz gut und richtig?

 

13. Anästhetika können Stressdämpfung oder als Stressoren in der experimentellen Medizin eingesetzt werden.

 

14. Arbeitsbedingungen sind nicht nur eine Quelle von Belastungen, sondern bestehen zugleich aus Freiräumen, Handlungsspielräumen oder Dispositionschancen.

 

15. Es besteht auch eine Ambivalenz der bewussten Person zu eigenen Bedürfnissen, Charakterisierungen, usw.

"Muss ich das wirklich haben?"

'Ist es gut wenn ich sofort aufbrause oder müsste ich mich mehr zusammennehmen?"

 

16. "Nicht die Dinge selbst beunruhigen die Menschen, sondern die Vorstellungen von den Dingen" (Epiktet, um 100 n. Chr.) Ähnlich Montaigne 1588; ferner Shakespeare: "Dinge sind weder gut noch schlecht, erst unser Denken macht sie so."

 

17. Alle reden davon; man weiss ungefähr, was es ist, aber man kann es nicht definieren.

 

18. Man kann etwas hinnehmen oder bekämpfen.

 

19. Manche Forderungen sind ambivalent: Töten ist verboten, aber es wird im Militärdienst geübt und im Krieg praktiziert.

 

20. "Würde bringt Bürde".

 

21. Erhöhte Ansprechbarkeit auf äussere und innere Reize (Stresssensibilität) ist mit ständig erhöhter psychophysischer Labilität verbunden. Mit abnehmender Sensibilität wächst jedoch das Risiko plötzlicher Zusammenbrüche, da vorbeugende Massnahmen (z. B. Erholung) unterlassen werden und die Reaktion erst zu spät einsetzt (Kompensation), wenn der Stressor bereits wirksam geworden ist oder sich massive Stressfolgen eingestellt haben (Jürgen R. Nitsch).

 

22. Was bei den einen Ausdruck von Stress sein kann, z. B. Rücksichtslosigkeit, Kriminalität oder Terrorismus, kann für andere einen Stressor darstellen.

 

 


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