Home Akt und Operation, Handeln und Tun, Ausdruck, Funktion und Verhalten

                     Begriffsklärungen

 

siehe auch:

Systemtheorie als Orientierungshilfe?

Was heisst definieren?

Behaviorismus (behaviorism)

 

 

Inhalt

Begriffsverwirrungen und Modewörter

Was bieten Wörterbücher und Nachschlagewerke?

Akt, u. ä.

Operation u. ä.

Handeln und Tun

Heerscharen von bedeutungsverwandten Wörtern

Ausdruck

Verschiedene Oberbegriffe

Funktion

Verhalten

Verhalten als Oberbegriff?

Woher kommt der Verhaltensbegriff?

Literatur

 

 

Wenn man sich eine Weile der Lektüre kybernetischer und systemanalytischer Bücher hingegeben hat, deren Anzahl in den letzten paar Jahren geradezu sprunghaft angestiegen ist - mindestens ein halbes Hundert erscheint jährlich allein in deutscher Sprache -, dann fragt man sich ab und zu besorgt: "Was soll das alles?"

 

 

Begriffsverwirrungen und Modewörter

 

Ganz abgesehen davon, dass niemand diese Fülle der Publikationen (von Zeitschriftenaufsätzen ganz zu schweigen) zu lesen vermag - erfordert doch die ernsthafte Durcharbeitung eines wissenschaftlichen Werkes in vielen Fällen eine Woche Zeit, wenn nicht mehr -, beschleicht einen ein quälendes Unbehagen über die gewaltigen Begriffsverwirrungen, die sich auch in diesem Bereich breit machen.

Nun sind freilich solche nichts Neues unter der Sonne, hat sich doch schon. Konfuzius darüber aufgehalten: Sowohl auf der Ebene des Gemeinwesens wie auf derjenigen der Institutionen., aber auch des einzelnen Staatsbürgers und Wissenschafters schien ihm weniges so verderblich für Frieden, Wohlfahrt und Rechtschaffenheit wie die Verwirrung der Namen und Begriffe.

 

Da nun die verhältnismässig neuen systemtheoretischen Strömungen ihren Absichten gemäss besonders auf Klarheit und Deutlichkeit ihrer Begriffe, Aussagen und Theorien ausgerichtet sein sollten, ist es umso bedauerlicher, dass es mit der Selbsterziehung des Denkens, insbesondere der "Richtigstellung der Begriffe" gar nicht weit her ist. (Wie sehr gerade auch Politik und Wirtschaft darunter leiden, ist für viele recht häufig am eigenen Leibe schmerzlich spürbar - was heisst und bedeutet denn schon "Freiheit", "Gerechtigkeit", "Mitbestimmung", "sozial", "demokratisch" oder eben "Friede, Wohlfahrt, Rechtschaffenheit"?).

 

Dass auch in Tageszeitungen dem eifrigen Leser eine geballte Ladung von Modewörtern entgegenschlägt, zeigt sich nur schon etwa an solchen mit der Vorsilbe "Ko-". Mit Leichtigkeit lassen sich da von Konzept, Kontamination, Kontingent, Konstitution, Konkupiszenz und Konnex über Komplement und Korrelat, Konfiguration und Konklusion mehrere Dutzend meist wohlklingende Wörter zusammenbringen.

 

 

Was bieten Wörterbücher und Nachschlagewerke?

 

Kein Wunder, dass manch einen die zunehmende Häufung von Fremdwörtern schon in der täglichen Lektüre konfus macht und er sich fragt, ob denn ohne ein Wörterbuch oder Lexikon gar nicht mehr auszukommen sei. Nimmt er jedoch aus lauter Verzweiflung ein Nachschlagewerk zur Hand, gerät er erneut ins Staunen, kommt er doch mit dem angegebenen „Wortsinn" häufig nicht zu Rande. Dies weil, wie besonders W. v. Humboldt und- Wittgenstein betont haben, die Sprache in ihrem Gebrauch lebt, d. h. sich ständig wandelt.

Das wiederum ist aber auch ein. Grund, weshalb in verschiedenen Wörterbüchern ganz verschiedene Definitionen zu finden sind - sofern nicht ein Autor dem andern bloss abgeschrieben hat (was tatsächlich vorkommt).

 

Hinzu kommt, dass nicht einmal klar ist, was denn eigentlich in solchen Nachschlagewerken steht. Sind es Begriffsbestimmungen, Nominal- oder Realdefinitionen, Explikationen, Erklärungen, Erläuterungen, Angaben, Charakterisierungen, Umschreibungen, Analysen, Darstellungen, Aufweisungen., Hinweise, Rückführungen, Einführungen, Determinationen, Festlegungen, -stellungen, -setzungen, Verifikationen, Operationalisierungen, Verallgemeinerungen, Konventionen, Wesensaussagen., Behauptungen, Einordnungen, Tautologien oder was?

 

Ganz offensichtlich umgibt also bereits "der allgemeine Begriff der Bedeutung der Worte das Funktionieren der Sprache mit einem Dunst ..., der das klare Sehen unmöglich macht" (Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, § 5).

 

Ob das nun eine Übertreibung, der Situation ist, oder ob der Leser seines Leibblatts oder von Büchern seines Fachgebiets "schon ungefähr weiss, was mit den einzelnen Wörtern gemeint ist" - dies bleibe dahingestellt. Immerhin sei im folgenden in einer kurzen historischen Skizze darauf hingewiesen, weshalb gerade im Bereich der "Systemwissenschaften" (im weitesten Sinne) eine doch recht heillose Verwirrung etwa bezüglich der Begriffe System, Struktur und Modell, Aktion, Funktion, Operation und Verhalten zu konstatieren ist.

 

Ein Grund liegt ganz sicher darin, dass in den letzten hundert Jahren einige Dutzend von "Ismen" gerade diese Wörter zu Grundbegriffen ihrer Weltanschauung oder Theoriebildung gemacht haben, wobei sich diese Ismen oft ins Gehege kommen (konfligieren, kollidieren) und manche Denker je nach eigener oder fremder Auffassung mehreren Ismen zuzurechnen sind.

Anderseits können Strömungen unter derselben Bezeichnung durchaus verschiedene Absichten verfolgen. Sie können kontrovers sein, also einander kontrastieren und konfrontieren, umgekehrt aber auch kohärieren, koinzidieren, koexistieren, kooperieren und konvergieren, einander kontaktieren, komplementieren oder kompensieren; man kann sie kombinieren und komparieren, aber auch komplizieren, usw.

 

Doch genug der Wortspielereien. Erwähnen wir loser Folge einige wichtige Punkte:

 

1. Der Ahnherr des modernen Strukturalismus, der Genfer Ferdinand de Saussure (1857-1913), hat den Begriff "Struktur" gar nie verwendet, sondern stets von "System" gesprochen.

 

2. Sowohl die sog, verstehende, geisteswissenschaftliche oder Strukturpsychologie, (Wilhelm Dilthey, Edurad Spranger, Theodor Litt) wie die Gestaltpsychologie (Christian von Ehrenfels, Alexis Meinong, Wolfgang Köhler, Kurt Koffka, Max Wertheimer) und Komplex- oder Ganzheitspsychologie (Felix Krueger, Friedrich Sander, Walter Ehrenstein, Hans Volkelt) haben "Struktur" meist so definiert oder aufgefasst, wie das heute für "System" zutrifft.

(Vgl. bei Goethes Morphologie: Gestalt als „Komplex des Daseins eines wirklichen Wesens“)

 

3. Schon um 1900 wurde aber im angelsächsischen Sprachbereich die strukturelle Psychologie (als introspektive, auf Bewusstseins- oder Erlebnis-Inhalte gerichtete) von der funktionellen (als auf das beobachtbare Verhalten gerichtete) unterschieden. Als Hauptvertreter dieses "Structuralism" galten Wilhelm Wundt und Edward Bradford Titchener. Als Gegenströmung dazu entwickelte sich in. Russland die Psychoreflexologie (Iwan Pawlow) oder objektive Psychologie (Wladimir Bechterew), in den USA die Psychotechnik (Hugo Münsterberg) und der Behaviorismus (John Broadus Watson). Das enfant terrible Watson stützte sich dabei auf den Funktionalismus (James Rowland Angell) und Pragmatismus (Charles Sanders Peirce, William James, John Dewey), der seinerseits auch als Funktionalismus bezeichnet wird. Es war aber der englische Psychologe William McDougall, der als erster (1908) die Psychologie als "die positive Wissenschaft vom Verhalten lebender Wesen" definiert hatte; seine Sozialpsychologie heisst aber, da er sie von den Antrieben her aufzubauen suchte, "hormische Psychologie".

 

4. Ungemein kompliziert hat sich die Angelegenheit dadurch, dass der Behaviorismus nicht nur mit der Tierpsychologie (Morgan, Thorndike, Small, Yerkes), Kinderpsychologie (Hall, Baldwin) und Testpsychologie (Binet, McKeen Cattell, Terman), sondern auch mit Pädagogik, Intelligenz- und Milieutheorie sowie dem Darwinismus Verbindungen einging. Bekanntlich resultierten daraus die Lerntheorien von Tolman, Hull, Guthrie, Holt, Skinner, usw.

Wie weit der Behaviorismus mit der Verhaltensforschung (Ethologie) ä la Lorenz, der Verhaltensphysiologie (Erich von Holst) und Instinktforschung (Otto Köhler, Nicholas Tinbergen) oder kurz Verhaltensbiologie zusammenhängt, ist eine offene Frage.

 

5. Als Vertreter des Funktionalismus in der Philosophie und Physik wird schon der Physiker Ernst Mach genannt, dem dann der Begründer der Logistik, Gottlob Frege, und der Philosoph Ernst Cassirer folgten. Ähnlich setzten auch die „mathematische Schule“ der Nationalökonomie (Antoine-Augustin Cournot, Gustav Cassel, Vilfredo Pareto) eine funktionale Betrachtungsweise an die Stelle einfacher Kausalität.

Als europäische Funktionspsychologen bezeichnet man etwa Franz Brentano und Carl Stumpf, die beide aber auch als Aktpsychologen gelten, zu welcher Gruppe dann wiederum Alexius Meinong und Eduard Spranger sowie die Phänomenologen Edmund Husserl und Max Scheler gezählt werden.

 

6. Es verwundert deshalb nicht, dass der sog. "Funktionskreis" (beim Biologen Jakob von Uexküll), Psychologen Philipp Lersch und Physiologen Ferdinand Hoff oder "Handlungskreis" (Hermann Schmidt, Arnold Gehlen) auch als "Gestaltkreis" (Victor von Weizsäcker) aufgefasst werden kann, womit Gestalttheorie und Funktionalismus sich zu einer "Feldtheorie" (Kurt Lewin) verbinden konnten, während anderseits die "Umweltlehre" Jakob von Uexkülls unter Aufnahme der Reflexlehre in die vergleichende Umweltforschung ausmündete.

 

7. Seit der Bauhaus- und Werkbundzeit gilt der Funktionalismus als Leitlinie in Architektur und Design, doch herrscht auch hier keineswegs Einigkeit, was denn eigentlich darunter zu verstehen sei - ausser vielleicht, dass "Strukturen" oder "Konstruktionen" offen sichtbar sein sollen.

 

8. Selbstverständlich hat sich die neuere Mathematik in zahlreiche Funktionen-, Modell- und Strukturtheorien (z. B. Bourbaki) breit aufgefächert, wobei sich die intuitionistischen resp. konstruktivistischen Ansätze von den formalistischen resp. axiomatizistischen und beide von den logizistischen deutlich unterscheiden. Ferner spricht man von Konventionalismus.

Erwähnenswert ist etwa, dass erst zwei Jahrzehnte nach der Begründung der Mengenlehre Georg Cantor eine komplizierte Definition von „Menge“ – und zwar als Zusammenfassung von Objekten zu einem Ganzen – gegeben hat (1895); vorher sprach er von „Mannigfaltigkeiten“ und „Inbegriff“, sein Freund Richard Dedekind (1888) sogar von „System“ (letzteres tat auch David Hilbert in seinen „Grundlagen der Geometrie“, 1899).

 

9. Die moderne Systembetrachtung hat ausser in der mathematischen Mengenlehre (Cantor, Dedekind, Hilbert, Zermelo, Russell, usw.) zahlreiche andere Wurzeln in der Philosophie, Biologie, Physiologie, Nachrichtentechnik, aber auch in der Soziologie. Die von Robert King Merton und Talcott Parsons in den dreissiger und vierziger Jahren daselbst inaugurierte "strukturell-funktionale" Analyse greift dabei u. a. wie der moderne Strukturalismus (Claude Lévi-Strauss, Roland Barthes) auf die Kulturanthropologen Bronislaw Malinowski und Alfred Reginald Radcliffe-Brown (Funktionalismus ab ca. 1922) zurück.

 

10. Auf der andern Seite hatte schon Max Weber Soziologie als "Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf ursächlich erklären will" definiert.

Das sah auch der Pragmatist George Herbert Mead ähnlich, der durch seine „Rollentheorie“ bekannt geworden ist (man spricht auch vom „sozialen Behaviorismus“) und dessen "Philosophy of the Act" ein erst neuerdings beachtetes Manifest der Sozialpsychologie geworden ist, lange nach Parsons vielbeachtetem Buch "The Structure of Social Action" (1937).

In der Psychologie hatte bereits Hugo Münsterberg mit seiner Aktionstheorie viel Erfolg gehabt, die keinesfalls mit dem philosophischen Aktualismus Giovanni Gentiles und Michele Federico Sciaccas, noch mit der Aktualitätstheorie von Wundt verwechselt werden darf. Wundts Theorie hat eine lange Tradition hat und wird ebenfalls als Aktualismus bezeichnet. Für die Philosophie werden etwa namhaft gemacht: Heraklit, Plotin, Leibniz, Fichte, Schopenhauer, Hegel; für die Psychologie: Protagoras, Spinoza, Hume, Beneke, Herbart, Fortlage, Fechner und Paulsen. An Wundt schlossen sich zahlreiche weitere Forscher an.

(Die Aktualismus-Theorie in der Geologie sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt.)

 

Ebenfalls davon auseinandergehalten werden muss die Handlungstheorie des russischen Psychologen und Pädagogen Sergej Leonidowitsch Rubinstein sowie der sog. Operationalismus, der vom Physiker Percy William  Bridgman (1927) ausgeheckt wurde und über Hugo Dingler und Eduard May bis in die neuere Diskussion über die erkenntnislogischen Grundlagen der modernen Physik (Bela Juhos) nachgewirkt hat. In der amerikanischen Psychologie fasste er durch Stanley Smith Stevens und Egon Brunswik Fuss. Letzterer war ein Vertreter nicht nur des Denkens im "Wiener Kreis", sondern auch der Gestalttheorie.

So verschmolzen in den USA nach der Emigration zahlreicher Gestaltpsychologen - bedeutend war der Einfluss von Kurt Koffka ("Principles of Gestalt Psychology", 1935) und Kurt Lewin ("Principles of Topological Psychology", 1936), später Begründer der Gruppendynamik - Logistiker, "Einheitswissenschafter" resp. Physikalisten, Phänomenologen, usw. alle diese Strömungen schliesslich zu dem heute kaum mehr entwirrbaren Geflecht von "Social/ Behavioral Sciences", worunter neben Tiefenpsychologie und Verhaltenstherapie auch Zeichentheorie (Charles Sanders Peirce, Charles William Morris), Linguistik und alle die neuen Spezialdisziplinen der Systemwissenschaft bis hin zur Bionik und Managementtheorie fallen.

Einer der Mitbegründer der Kybernetik, William Ross Ashby, fasst dieses neue Gebiet ebenfalls als Verhaltenswissenschaft auf. Er behauptet, der Kybernetiker gehe "grundlegend funktional und behaviouristisch vor".

 

11. Zum Schluss sei nicht verhehlt, dass auch viele andere Ismen sich allein mit dem Problem der Ganzheit herumgeschlagen haben, man denke an Monismus, Holismus, Organizismus, Evolutionismus, Morphologie, Einheitslehre, Identitätsphilosophie, Pantheismus, -logismus, -psychismus und -vitalismus.

 

Es kann also keinesfalls verwundern, wenn es ausserordentlich schwer fällt, einen Konsensus nur schon über diese wenigen zentralen Begriffe herzustellen. Dennoch sei ein kurzer Versuch gemacht, in der Verfolgung eines ernsthaften interdisziplinären Ansatzes eine "Kennzeichnung" dieser Begriffe zu geben, wobei wir uns auf ein Dutzend Wörterbücher stützen. Dabei fällt auf, dass manchmal für die ursprünglich lateinischen oder griechischen Wörter einfach Übersetzungen angeboten werden.

 

Da heisst es also z. B.:

 

 

Akt, u. ä.

 

Akt (lat. actus, "das Getriebenwerden", "das Sich-in-Bewegung-Setzen"):

1. Vorgang, Handlung, Teilvorgang, Tat, Tätigkeit, Reaktion, Erlebnis, Vollzug, Bewegung (Verhalten) (im Unterschied von Funktionsabläufen einerseits, Inhalten anderseits - aber nicht immer),

2. philosophische Bezeichnung für die eigentliche, entfaltete Wirklichkeit (Vollzug; Energeia) oder Wirksamkeit im Gegensatz zu der noch unentfalteten Möglichkeit (Potenz; Dynamis); möglicherweise müsste man wie Neuhäusler (1967) genauer Akt als „Faktor der Verwirklichung eines bestimmten Seienden“ betrachten; der Vollzug wäre dann eher die Aktion;

3. Aufzug eines Theaterstücks;

4. ursprünglich Stellung des nackten Modells für die Aktstudie, später jede künstlerische Darstellung eines nackten menschlichen Körpers;

5. Vollzug des Beischlafs;

6. (auch Akte) Schriftstück, Urkunde, insbesondere Staatsurkunde; Sammlung zusammengehöriger Schriftstücke (Akten).

 

Der Zusammenhang der einzelnen Bedeutungsgruppen ist hier leicht einzusehen, rühren doch alle vom gemeinsamen Ausgangspunkt, dem lateinischen Wort her. Interessant ist, wie dabei in einigen Fällen eine Fixierung des "Vorgangs" erfolgt - einerseits zur Stellung eines "Modells", anderseits zur schriftlichen Aufzeichnung -, oder wie eine Spezifizierung vorgenommen wird, und zwar auch wieder in zwei Richtungen: einerseits auf eine ganz bestimmte Handlung (wohl eng verbunden mit dem philosophischen, insbesondere scholastischen Hintergrund - actus purus, Umsetzung von Potenz (!) in Wirklichkeit), anderseits auf die Heraushebung von Teilen oder Abschnitten einer Handlung (im Theater, aber auch in der Psychologie).

 

Nun gibt es aber im Umkreis von actus noch andere Begriffe, als da wären:

 

Aktion:

Handlung, Unternehmung, Verfahren, Ereignis, Tat, Tätigkeit (im Gegensatz zum Leiden; Passion), Wirkung (im Gegensatz zur Reaktion).

Ein Sonderfall sind heute günstige Verkaufsangebote bestimmter Güter während einer begrenzten Zeit. Ebenso erfreuen sich seit Mitte der 60er Jahre Bürgerinitiativen oder -aktionen (citizen actions) einiger Beliebtheit.

 

Aktionsforschung:

Gebiet der Demoskopie zur Untersuchung von Aktionen und Reaktionen (Verhaltensforschung, Meinungsforschung).

 

Aktivität:

1. Tätigkeitsdrang, Tätigkeitsentfaltung, tätiges Verhalten, Wirksamkeit, Tatkraft (frz.: activité), Wirkungsfähigkeit, Selbsttätigkeit, aktiver Charakter, Vermögen spontaner selbständiger Tätigkeit, Fähigkeit zu handeln, Reaktivität; Gesamtheit der äusseren oder inneren Vorgänge, speziell:

a) planvolle, zielorientierte Handlung,

b) neurale Vorgänge, vorwiegend elektrochemischer Natur,

c) willkürliche Bewegungen oder Beteiligungen beim Lösen von Problemen,

d) Aufnahme und Intensivierung sozialer Beziehungen.

2. Zahl der pro Zeiteinheit radioaktiv zerfallender Kerne eines Isotope,

3. optisch: das Vermögen eines Stoffes, die Polarisationsebene von hindurchfallendem Licht zu drehen.

 

Aktivitätsanalyse:

In der Volkswirtschaftslehre „Verfahren zur Behandlung bestimmter produktions- und allokationstheoretischer Probleme, besonders im makroökonomischen Bereich“ Sie „steht in enger Beziehung zur Input-Output-Analyse“ (Brockhaus Enzyklopädie).

 

Aktivismus:

Lehre oder Anschauung, die das zielstrebige, tatkräftige Handeln (im Gegensatz zum Passivismus) oder das Tätigkeitsmoment im Geistigen, das zielbewusste Wollen betont.

1916 gründete Kurt Hiller eine revolutionär-pazifistische Bewegung unter dem Namen „Aktivismus“.

"Der Aktivismus erfordert die direkte Einbeziehung des Wissens in den Dienst des Lebens wie der Pragmatismus" (Hoffmeister).

Hier kann der Gegenstandpunkt auch Quietismus, Pessimismus, laisser faire oder rein theoretische Haltung resp. Betrachtung lauten.

 

Die Angelegenheit droht sich rasch ins Uferlose auszuwachsen, nimmt man noch Wörter wie Aktivation oder Aktivierung, Akteure und Aktive (Menschen), Aktiven resp. Aktiva (Summe der Vermögenswerte), Aktivisten und Aktivatoren, Aktualität oder Agens, Agenten, Agenzien und Agentur dazu.

 

 

Operation, u. ä.

 

Zu "Operation" finden wir in den philosophischen und psychologischen Lexika kaum Angaben. Einzig im "Marxistisch-Leninistischen Wörterbuch der Philosophie" finden sich die Sätze:

"Operation (lat.) - materieller oder ideeller Prozess, der in der Anwendung eines Operators, (materielle oder geistige Einwirkung) auf einen Operanten materieller oder ideeller Art besteht ... Die Operation des Differenzierens einer Funktion (Operant) besteht in der Anwendung des Differentialoperators auf diese Funktion. In gewisser Weise können alle materiellen und geistigen Tätigkeiten des Menschen als Operationen in diesem Sinne aufgefasst werden."

 

Bei Hoffmeister steht:

"Operation, lat. die Handlung, das Werk. In der Mathematik und Logik soviel wie Funktion, insbesondere die algebraischen Operationen der Addition und Multiplikation und die logischen Operationen der Negation, Konjunktion und Disjunktion. - Operator, in der Mathematik und Logik ein Zeichen für eine Abbildung oder Funktion.“ Genaugenommen ist die Operation freilich die „Durchführung einer bestimmten Vorschrift“, wobei diese Vorschrift der Operator ist.

 

Früher (1929) hatte Eisler als elementare logische Operation das Urteil bezeichnet (mit dem Schluss als eingeschränkteste). Nach Otto Selz fasst er psychologische Operationen als „spezifische Reaktionen, welche zur Lösung einer Aufgabe dienen“, als Lösungsmethoden.

 

In Hehlmanns "Wörterbuch der Psychologie" ist Operator allerdings die

"'Art des Vorgehens', Leitgrösse; Rechenvorschrift, durch deren Anwendung aus gegebenen Funktionen andere Funktionen entstehen, z. B. in der Differentialrechnung die Ableitung f(x) → f'(x)." Zusätzlich erwähnt er, dass Skinner und andere Behavioristen ein operatives Verhalten (das von der Person gesteuert wird) vom reaktiven Verhalten unterscheiden.

Da liegt der „Operant“ nicht weit, was ein durch die Konsequenzen seiner Ausführung gesteuertes Verhalten ist.

 

Bei Drever/ Fröhlich ist:

"Operation

1. Leistung, Handlung, (etwas) tun.

2. das Ergebnis eines Handelns, durch das neue Beziehungen ermittelt beziehungsweise hergestellt wurden".

Ferner erwähnen sie als "Forschungstechnik" Operational research, "die dazu dient, die in einem technischen oder sozialen System wirksamen Tatsachen und Variablen zu erfassen, sie in quantitativer Weise auszudrücken und sie so aufeinander zu beziehen, dass ein Funktionsmodell resultiert, aus dem Vorhersagen in bezug auf komplexe Ereignisse möglich werden."

 

Die allgemeinen Lexika stecken natürlich weitere Bereiche für Operation ab, z. B.

 

1. Verrichtung, Arbeits(vor)gang, Verfahren,

2. chirurgischer Eingriff,

3. militärische Handlungen oder Unternehmen im strategischen und taktischen Rahmen; Bewegung von Truppen oder Schiffsverbänden,

4. mathematisch, logisch: Verknüpfung (Zuordnung).

 

Operator bedeutet hier entweder "Abbildung" oder "Funktor" (Zeichen für eine Funktion, speziell Junktor oder Quantor).

 

In seiner Autobiographie („Mathematik – mein Leben“) nimmt Norbert Wiener für sich in Anspruch, Mitte der 20er Jahre die Operatorenrechnung eingeführt zu haben.

 

Wie sehr es auf jeden Buchstaben ankommt, zeigt sich etwa darin, dass ein Operateur zwar sicher eine "Einwirkung" ist, doch eine ganz spezifische. Es ist entweder ein operierender Arzt (Chirurg), ein Phototechniker bei der Filmaufnahme (Kameramann) oder bei der Vorführung eines fertigen Streifens, neuerdings auch ein "Wärter" einer EDV-Anlage, also eine Art "In-Betrieb-Setzer" (doch heisst er nicht Aktor oder Akteur, höchstens auch Operator).

Schliesslich ist in der Genetik ein Operator Teil eines Operons, in der Linguistik ein „synsemantisches Wort“.

In Zeitungsinseraten werden in neuerer Zeit auch „Operations Manager“ und Operational Auditors“, ja sogar eine „Operatrice“ („dynamische Frau mit Führerausweis Kat. A“) gesucht.

 

Interessant ist, was für Bilder mit einzelnen Bedeutungsaspekten verbunden sind. Es ist anzunehmen, dass sie ausserordentlich stark von der persönlichen Erfahrung und Erlebnisfähigkeit bestimmt sind. Wohl jeder wird sich unter einem Aktmodell "etwas ganz Besonderes" in einer ganz bestimmten Umgebung vorstellen. Anderseits kommt unter Umständen bei der medizinischen wie der militärischen Operation Blut ins Spiel, wobei freilich einmal das Blutvergiessen unerwünscht ist, auf der andern Seite - welch verfänglicher Doppelsinn – aber als Ziel auf dem Operations-Plan steht.

 

 

Handeln und Tun

 

Noch weniger Auskunft erhält man über "Handeln" und "Tun", da dies so "populäre" Wörter sind, dass sie kaum eine Aufnahme in Fachwörterbücher zu erwarten haben.

 

Bei Hoffmeister ist Handeln, "mittelhochdeutsch handeln 'mit den Händen fassen' (gr. praxis, lat. actio), das zweckvolle Tun und Wirken ... Das philosophische Teilfach, das sich mit den Zielen und Geboten des sittlichen Handelns beschäftigt, ist die Ethik."

 

Bei Hehlmann heisst handeln "tätig sein, sinnvolle Bewegungen vollziehen, im weiteren Sinne unter Einschluss aller emotionell, affektiv oder instinktiv ausgelösten Verhaltensformen; im eigentlichen, engeren Sinne: zielgerichtet und bewusst tätig sein; gestaltend in die Wirklichkeit eingreifen".

 

Sehr ausführlich äussert sich das Marxistisch-Leninistische Wörterbuch zum Handeln (3 Spalten):

"das bewusste, zielgerichtete und zweckmässige Einwirken individueller und kollektiver Subjekte auf Objekte ihrer natürlichen und gesellschaftlichen Umwelt".

Noch ausführlicher (fast 10 Spalten) geht es auf "Tätigkeit" ein:

"das Funktionieren irgendeines Systems, genauer das wirkliche Verhalten eines technischen, organischen oder auch gesellschaftlichen Systems".

 

Bei Eisler (1927) sind Handlungen als „Verwirklichung einer triebhaften oder willkürmässigen Willensintention eines (personalen) Wesens … Abfolgen psychischer Momente, deren jeder zugleich eine physische (physiologische, z. T. zerebrale) ‚Aussenseite’ (Erscheinungsweise) hat“. Es sind „gefühlsbetonte Vorstellungen“ (vgl. später „Komplex“), welche die „Motive des Handelns“ bilden.

Umgekehrt betont die Brockhaus Enzyklopädie, wie die griechischen Philosophen die „Freiwilligkeit“ des Handelns als wesentlich herausstellten.

 

Handlung ist bei Schmidt/ Schischkoff "jedes Sichbetätigen des Menschen, an dem sein Organismus beteiligt ist und für das er sich (im Unterschied zu den Reflexbewegungen) verantwortlich fühlt." Das liegt also in der Nähe des operativen Verhaltens.

 

Bei Drever/ Fröhlich ist Handlung (engl. action) entweder "Synonym für Verhalten" oder "durch Einsicht, Erfahrung und Motivation gesteuertes, zielgerichtetes Verhalten des Menschen".

 

Als "ein mehr oder weniger bewusst-willentliches, oft sehr komplexes zweckgerichtetes Verhalten" fasst Dorsch die Handlung, wobei ihr Plural "als die zielgerichtete Art des Verhaltens einen der wichtigsten Gegenstände der Psychologie" bildet.

 

In der Dichtung ist Handlung ein „Geschehen“, in der Wirtschaft ein „Geschäft“ – im doppelten Sinne.

 

"Tat" findet sich nur in älteren Wörterbüchern, z. B. bei Eisler (1922) als "Produkt der Tätigkeit, also eine durch Willensenergie, Aktivität hervorgebrachte Veränderung oder auch die Handlung eines wollenden, vernünftigen Wesens".

Bei Eisler (1930) ist sie dann „sowohl das Tun als auch das Produkt desselben, das Getane“.

 

Tätigkeit ist bei Eisler (1922) als "Aktion, Aktivität, Energeia, actio, operatio ... Wirksamkeit, Äusserung eines Kraftzentrums ... Als Übergang von der Potenz zur Wirklichkeit betrachtet die Tätigkeit Aristoteles. Ebenso die meisten Scholastiker ... Psychologisch bestimmt Lipps die Tätigkeit als 'strebende Bewegung'.

1930 betont Eisler die Willensbestimmtheit viel stärker."

 

Nirgends jedoch findet sich "Tun", nicht einmal in der 20bändigen Brockhaus Enzyklopädie oder im 8bändigen "Grossen Duden Lexikon", welch letzteres aber z. B. Handeln resp. Handlung als "zielgerichtetes, sinnvolles Tätigsein" zusammenfasst, "das im Unterschied zur Reflexaktion oder zum Instinktverhalten von Einsicht und Motivierung gelenkt wird (Psychologie)". Tat und Tätigkeit fehlen jedoch in diesem Lexikon genauso wie in der Brockhaus Enzyklopädie.

Im Duden wird schliesslich "tätigen" oder "abschliessen" in der Kaufmannssprache erwähnt.

 

 

Heerscharen von bedeutungsverwandten Wörtern

 

Halten wir also erstens fest, dass sich hinter ganz alltäglichen Wörtern manchmal mehr Philosophie und Brisanz verstecken kann als hinter Fremd- oder Lehnwörtern. Zweitens enthält die Sprache ganze Heerscharen von bedeutungsverwandten Wörtern, die im Einzelfall gar nicht so leicht auseinanderzuhalten sind, da sie häufig sowohl einen Vorgang wie das Ergebnis desselben oder denn ein einzelnes Ereignis wie eine ganze Gruppe von Ereignissen (Allgemeinbegriff) benennen.

 

Das zeigt die nachfolgende Liste sehr schön, wobei durchaus Nuancen, Doppel- und Spezialbedeutungen festzustellen sind:

 

Arbeit, arbeiten, verarbeiten, Verarbeitung, erarbeiten ,bearbeiten, Bearbeitung;

Leistung, leisten, Geleistetes;

Werk, werken, werkeln, wirken, bewirken, erwirken, Wirkung, Wirksamkeit;

erbringen, erstellen, Erbrachtes, Erstellung;

machen, Mache, Gemachtes;

Leben, leben, erleben, Erleben, verleben, beleben, Belebung;

Bau, bauen, erbauen, bebauen, ausbauen, Bauten, Erbauung, Bebauung, Ausbau;

gestalten, Gestaltung, Gestalt;

schaffen, erschaffen, schöpfen, Geschöpf, Schöpfung, Erschaffung;

vollenden, vollbringen, Vollendung, Vollbringung;

vollführen, vorführen, Vorführung, Vorgeführtes;

ausführen, Ausführung, Ausfuhr, Ausgeführtes;

durchführen, Durchführung;

wollen, Wille, Wollung, Gewolltes;

unternehmen, Unternehmen, Unternehmung;

verrichten, Verrichtung;

(sich) einrichten, errichten, Einrichtung, Errichtung;

treiben, betreiben, vorantreiben, Betrieb, Betreibung, Betreiben;

(sich) äussern, entäussern, Äusserung, Entäusserung;

(sich) beschäftigen, Beschäftigung;

(sich) betätigen, Betätigung;

realisieren, Realisierung, Realisation;

erreichen, erlangen, erzielen, Erreichung, Erlangung, Erzielung;

abwickeln, erledigen, bestehen, meistern, usw.

 

 

Ausdruck

 

Unbedingt in dieses weite Bedeutungsfeld gehört schliesslich auch der "Ausdruck", bei dem etwa 9 Varianten festgestellt werden können:

 

1. Jede wahrnehmbare Äusserung (Anzeichen) eines inneren Gehaltes, vor allem die aus körperlichen Erscheinungen (Bau, Haltung, Vorgänge, Bewegungen) deutbare Kundgabe seelischer Inhalte (Zustände, Vorgänge) – bei Dilthey noch umfassender: „Lebensäusserung“.
Dazu kommen aber auch die Verwendung von Zeichensystemen (Sprache, Schrift) und absichtsvoller Gestaltungen (Kunstwerke) wie auch unbewusste symbolische Äusserungen

 

2. Erscheinungen beim Tier, die bestimmte Instinkthandlungen auslösen

 

3. Verhältnis von menschlicher (seelischer und) Geisteshaltung und Kultur seit Jacob Burckhardt (Kulturphilosophie)

 

4. Aussagekraft eines Kunstwerks

 

5. als künstlerische Gestalt Nachbild der ästhetischen Idee (Kant)

 

6. die unwägbaren Mittel der Interpretation (resp. ihre Gesamtwirkung) wie Dynamik, Betonung, Schwankungen des Tempos, Differenzierung der Klaggestaltung, usw. (Musik)

 

7. durch eine spezielle Zeichenreihe dargestellte mathematische Aussageform

 

8. graphisches Zeichen oder sinnvolle Zeichenreihe in der Logistik

 

9. einzelne Wörter oder Wortgebilde (Beziehungen)

 

10. „jedes herkömmliche Mittel zur Wiedergabe von analysierten Erlebnisganzheiten der subjektiven und objektiven Wirklichkeit, das im Sprachschatz zur individuellen Auswahl verfügbar ist“ (Brockhaus Enzyklopädie)

 

11. Druckwerk, neuerdings auch bei der EDV.

 

 

Verschiedene Oberbegriffe

 

Aber auch damit ist das Gebiet noch keineswegs ausgeschöpft, fehlen doch noch die Oberbegriffe für alle diese Wörter. Da bieten sich unter anderem an:

 

Bewegung,

Ereignis,

Transformation, -aktion, -position, usw.,

Umformung, Umwandlung, Umgestaltung, Verwandlung,

Interaktion (Kommunikation),

Wechselwirkung,

Veränderung, Zustandsänderung,

Verlauf, Ablauf, Abfolge, Folge, Sequenz, Durchlauf, Gang, Vorgang,

Prozess, Dynamik usw.

 

 

Funktion

 

Noch immer aber haben wir einen Bogen um Funktion und Verhalten gemacht. Dies, weil es nun recht kompliziert wird.

 

Funktion hat die Grundbedeutung Tätigkeit und zwar unter vier Aspekten:

 

1. als Voraussetzung oder Fähigkeit dazu. So betrachtet Gerhard Pfahler als Grundfunktionen folgende vier "nach Art und Stärke angeborene Voraussetzungen seelischen Geschehens und Wachstums":

  • Aufmerksamkeit (Art des Auffassens oder Aufmerkens),
  • Perseveration (persönliches Tempo),
  • Ansprechbarkeit des Gefühls und
  • vitale Energie oder Aktivität (nach Dorsch).

 

Etwas anders fasst das Marxistisch-Leninistische Wörterbuch Funktion als die

"Fähigkeit eines dynamischen Systems, bestimmte Verhaltensweisen hervorzubringen ... Gelingt es, die verschiedenen Verhaltensweisen eines dynamischen (insbesondere kybernetischen) Systems durch mathematische bzw. logische Funktionen zu beschreiben", so fällt dieser Funktionsbegriff mit dem mathematischen zusammen.

 

2. als Vorgang (Vorsichgehen), wobei entweder die Verrichtung, Betätigung, Ausübung selbst ins Auge gefasst wird, oder das Muss dieser Tätigkeit im Sinne einer Aufgabe, eines Zweckes, einer (Zweck)Bestimmung. So meint Funktion im Berufsleben etwa Dienstleistung, Dienststellung, Obliegenheit, oder in anderer Färbung Amt, Amtspflicht, in der Sprachwissenschaft die semantische oder grammatikalische Aufgabe oder Leistung von Wörtern resp. Wortbestandteilen.

Als Spezialfall wird Funktion als Wirksamkeit oder Geltung betrachtet, meist jedoch im negativen Gebrauch: ausser Dienst, Betrieb.

Ebenfalls spezifisch kann das Augenmerk auf die Betätigungs- oder Verhaltensweise gerichtet sein.

"Funktionscharakter" im Sinne einer Zweckbestimmung kann schliesslich nach Gustav Koffka (1935) in einem Handlungsablauf auch ein Gegenstand erhalten.

 

3. als Ergebnis im Sinne einer (dauernden, zweckdienlichen) Leistung, der Erfüllung einer Aufgabe, beispielsweise „Anpassung“ (William James), „Bearbeitung der Wirklichkeit“ (John Dewey) oder „Erhaltung eines sozialen Systems“ (Talcott Parsons).

 

4. laut Neuhäusler als kausal erklärbare Begleit- oder Folgeerscheinung einer Tätigkeit oder eines Vorgangs (z. B. Magnetfeld). Die Stromstärke aber als „Folgeerscheinung“ von elektromagnetischer Kraft und Leiter-Widerstand zu betrachten, scheint etwas gewagt.

 

Hauptkennzeichen ist bei alledem das Tätigsein eines Teils (z .B. eines Organs) im Rahmen eines Ganzen (z. B. Organismus), wobei dieses Übergeordnete den zu leistenden Beitrag (und Betrag) festlegt. Dahinter steckt die philosophische Bedeutung von Funktion, die im Gegensatz zu Substanz als Eigenstand, Eigen-Sein das "Sein im anderen" betont.

 

(Vgl. dazu etwa die Definition von Wilhelm Roux in „Der Kampf der Teile im Organismus“, 1881, für Funktion: „Verrichtung für das Ganze“, „Leistung, welche dem Ganzen nützt“, und zwar zur „Anpassung“ an die Verhältnisse, was wiederum nichts anderes bedeutet als Erhaltung der „Dauerfähigkeit“ im Wechsel der Verhältnisse – vgl. auch „Die Selbstregulation“, 1914.)

 

Da sich bei einer Veränderung des übergeordneten Ganzen auch die "Funktion" des Teils verändert, kann man zur mathematischen Bestimmung gelangen, welche diese als Abhängigkeit spezifizierte Beziehung zu erfassen sucht.

 

Nun könnte man meinen, dass Mathematik eine exakte Wissenschaft sei und demzufolge der Funktionsbegriff hier scharf definiert sei; doch zumindest aus den Wörterbüchern - die wohl meistens auf Fachliteratur zurückgreifen - kann man recht Unterschiedliches entnehmen. Da heisst es etwa:

 

1. Vorschrift, die jedem Element x (dem Argument der Funktion) einer gegebenen Menge M genau ein Element y einer andern Menge N zuordnet (Abbildung von M in N);

 

2. (zahlenmässige) Abhängigkeit einer Grösse, von einer oder mehreren anderen veränderlichen Grössen, z. B. y = f (x);

 

3. gesetzmässig abhängige Beziehung einer Grösse (Variablen) zu einer oder mehreren anderen;

 

4. ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Grössen;

 

5. die Darstellung abhängiger Variabler;

 

6. Grösse oder Variable, deren Grösse von der Grösse einer andern (gesetzmässig) abhängt resp. mit deren Veränderung selbst Veränderungen erfährt;

 

7. synonym mit Abbildung gebraucht und als Zuordnung verstanden.

 

Etwas allgemeiner lässt sich Funktion wiederum fassen als:

 

1. Ausdruck (!) für die wechselseitige Abhängigkeit eines Faktors (eines Vorgangs oder Tatbestandes) von einem anderen innerhalb eines Gefüges;

 

2. Zuordnung von zwei oder mehr Begriffsgruppen zueinander nach begrifflichen Regeln und Gesetzen (mehrstelliger Begriff);

3, molekularer Ausdruck (Aussagefunktion), in dem eine Variable erscheint; er wird zur Aussage, wenn die Variable richtig durch eine Konstante ersetzt wird.

 

Ein Extrazüglein fahren die Psychologen und Philosophen, wenn sie einmal wie Carl Stumpf die Funktionen (oder Akte) von den seelischen Erscheinungen (Erlebnisinhalten) oder wie Max Scheler als neutrale Abläufe von den "intentionalen" Akten (als meinenden Stellungnahmen) unterscheiden. Bei Eisler (1927) ist Funktion, psychologisch, „das seelische Erlebnis als Reaktion oder Aktion des Ich“.

Nach Drever/ Fröhlich bezeichnet Funktion sogar "den Bereich der Aktivität eines Organismussystems". In der Publizistik bezeichnet Funktion gar die Wechselwirkung zwischen Kommunikatoren (Publizisten) und Publikum (Perzipienten) in einem Kommunikationssystem.

 

"Funktionelle Störungen" sind abnorme seelische Veränderungen, für die keine körperliche Ursache gefunden werden kann, d. h. etwa: nur die Funktion eines Organs, nicht aber das Organ selbst ist krankhaft verändert.

 

Gerade diese letztere Bestimmung durchbricht jedoch das Grundprinzip der "Funktion", wonach bei einer Veränderung des einen sich auch das andere verändert. Besser ist also der Ausdruck "Funktionsstörungen", wobei wir einfach noch nicht wissen, was dahinter steckt. Sonst muss auf jeden Fall das eine stets in Rücksicht auf ein anderes betrachtet werden. Es ist nur im Zusammenhang fassbar.

 

Das trifft auch auf folgende Wörter zu:

fungieren, fungibel;

Funktional, funktional, funktionell, funktionieren;

Funktor, Funktionär.

 

 

Verhalten

 

Die wohl grössten Schwierigkeiten bietet der Verhaltensbegriff. Von den Philosophen bestimmen ihn nur Hoffmeister und die Marxisten (8 Spalten).

Bei ersterem ist es "das äusserlich sichtbare Tun und Reagieren eines Lebewesens". Die Verhaltenspsychologie (Behaviorismus, Reflexologie) anerkenne keinen Unterschied zwischen Verhaltenseigenschaften und Wesenseigenschaften, sie verzichte „bewusst auf die Erkenntnis des zentralen Wesens, das hinter dem peripheren Verhalten steht".

"Psychologie ist für den Behaviorismus die positive Wissenschaft von dem Benehmen lebender Objekte, und Benehmen die zweckhafte körperliche, rein biologisch bedingte Funktionsweise der Organismen."

 

Andere Definitionen für Verhalten sind:

 

1. "Die Gesamtheit der Handlungen oder Reaktionen eines Individuums aus denen die ihnen zugrunde liegenden Erlebnisse oder seelischen Eigenschaften erkennbar. sind" (Dorsch).

 

2. "Jede Form des Agierens und Reagierens, auch das 'innere Verhalten', das in Denkabläufen und Determinationen zum Ausdruck kommt; im engeren Sinn die objektiv beobachtbaren und registrierbaren Äusserungen, auch Dressate, Automatismen, Reflexketten, Instinktverhalten, manchmal im Unterschied hierzu unter Einschluss des (‚motivierten’, ‚bewussten', 'prospektiven') Handelns" (Hehlmann).

 

3. a) "Gesamtheit aller beobachtbaren, feststellbaren oder messbaren Aktivitäten des lebenden Organismus ... Zu den Aktivitäten gehören neben Bewegungen und als Handlung bezeichneten Bewegungsabläufen auch Veränderungen der Herztätigkeit, sekretorische bzw. innersekretorische Vorgänge, alle Arten chemischer oder chemisch bedingter Veränderungen überhaupt sowie elektrische Vorgänge u. ä.".

b) "Die Bedeutung [a] bezieht sich auf alles 'objektiv' Beobachtbare, während manchmal in den Begriff des Verhaltens auch geistige Tätigkeiten (z. B. Denkvorgänge) oder Vorgänge wie bewusstes Erleben einbezogen werden, z. B. im Verhaltensbegriff der Phänomenologie, wo ein Verhalten als ein Sich-verhalten-zu-etwas aufgefasst wird (Intentionalität)".

c) "Verhalten im Sinne von Beobachtungseinheiten bzw. Klassen von Verhaltensweisen werden meist durch zusätzliche Bezeichnungen hervorgehoben, z. B. angeborene, erworbene Verhaltensweisen, emotionales, symbolisches, aufgabenspezifisches, unangepasstes u. ä. Verhalten ..." (Drever/ Fröhlich).

 

4. "Alle Aktivitäten, Vorgänge und körperliche Reaktionen, die beobachtet oder gemessen (z. B. physiologische Vorgänge) werden können; Verhalten wird von der Erlebnis-Aktivität abgegrenzt" (Michel/ Novak - das Stichwort "Erlebnis-Aktivität" fehlt!).

 

5. "… die durch innere oder äussere Bedingungen veranlasste Veränderung eines Organismus durch sich selbst. Tierisches und menschliches Verhalten umfasst Reaktionen, Bewegungen, Aktivitäten oder Handlungen, die entweder in ihrer Abfolge oder in ihrem Ergebnis beobachtbar oder beschreibbar sind. Seit der Definition der Psychologie als Wissenschaft vom Verhalten durch J. B. Watson (klassischer Behaviorismus) wurde der Begriff des Verhaltens erweitert und spezifiziert. Offenes Verhalten umfasst nicht nur Bewegungen und Handlungen, sondern auch sprachliches Verhalten; verdecktes Verhalten bezieht sich nicht nur auf physiologische oder neurophysiologische Prozesse, sondern auch auf kognitive und emotionale" (Lexikon der Pädagogik).

 

6. „Zustandsänderungen eines Organismus, die entweder (wie Bewegungen) direkt (overt behavior) oder auch (wie Schwankungen des Blutdrucks) nur indirekt durch Messapparate (covert behavior) beobachtet werden können“ (Brockhaus Enzyklopädie):

 

7. "… sämtliche beobachtbaren Handlungen und Unterlassungen eines Lebewesens" (Schoeck, Soziologisches Wörterbuch). Im Recht gilt ähnlich auch eine „pflichtwidrige Unterlassung“ als „Handlung“.

 

 

Verhalten als Oberbegriff?

 

Nach diesen Bestimmungen kann man beinahe vermuten, dass Verhalten eine Art Oberbegriff zu allen vorher erwähnten Vorgängen und Leistungen darstellt, und man kann sich fragen, was denn eigentlich nicht zum Verhalten gehört, wenn auch Denkvorgänge, Emotionales, Erleben, Sprechen wie auch Unterlassungen darunterfallen.

 

Gewiss gilt oder galt anfänglich als Kennzeichen des Behaviorismus der Versuch, "Subjektivität", "Annahmen" und "Deutungen" auszuschliessen, vor allem aber der "Selbstbeobachtung" (Introspektion) als Forschungsmethode zu entsagen, doch konnte das sich auf die Dauer wenig fruchtbar erweisen.

Interessant wäre nur die sprachgeschichtliche Erkundung, wieweit das Wort Verhalten mit dem Verb "verhalten" im Sinne von anhalten, stehenbleiben oder medizinisch "zurückhalten" zusammenhängt. In einer Umkehrung der Situation könnte man da meinen, der Beobachter "unterdrücke" seine wertenden oder interpretierenden Stellungnahmen gegenüber dem beobachteten Objekt.

 

Wie dem auch sei, es scheint, als könne man - ganz ähnlich wie bei "Lernen" - vom Verhalten folgende Veränderungen von Organismen ausschliessen:

 

  • Reifung, Wachstumsvorgänge (nach vererbten Plan), Entwicklung, Altern;
  • Ermüdung, Erschöpfung;
  • mechanische Eingriffe wie Schläge und Verbrennungen;
  • Drogeneinwirkungen;
  • Erkrankungen;
  • Stoffwechselvorgänge.

 

Jedenfalls zählen diese sechs Faktorengruppen nicht zu solchen Veränderungen, welche die Lernpsychologie als "durch Erfahrung" entstehend, bestimmt. Desungeachtet können alle diese Ereignisse zu Lernvorgängen führen - sofern sie "verarbeitet" werden - und ebenso als Ursachen zumindest für Verhaltensänderungen und -auffälligkeiten namhaft gemacht werden.

Überdies wird die Zeitspanne der Beobachtung eine grosse Rolle spielen, wobei zu vermuten ist, dass je grösser diese ist, desto mehr zu "Annahmen" Zuflucht genommen werden muss. Grundsätzlich müssen jedenfalls wohl zwei Ebenen auseinandergehalten werden:

 

a) Verhalten als Veränderung oder Reihe (Abfolge) von Veränderungen an einem Organismus (Verhaltensweise);

b) Veränderungen des Verhaltens selbst (also der Verhaltensweise als ganzer).

 

 

Woher kommt der Verhaltensbegriff?

 

Es mag interessant sein, das Aufkommen des Verhaltensbegriffs kurz zu betrachten.

1899 erschien in den USA in einem Sammelband über „Marine Biology“ von Charles Otis Whitman ein Bericht über „Animal Behavior“, ein Jahr später in England von Conwy Llloyd Morgan „Animal Behaviour“.

 

Vom Engländer William McDougall war schon die Rede. 1905 verwendete er noch den Begriff conduct (wie John Dewey noch 1922: "Human Nature and Conduct"), 1908 aber bereits behaviour (im Buch "Introduction to Social Psychology"). Sein Werk "Psychology" (1912) trägt bereits den Untertitel "The Study of Behaviour".

(„Conduct“ bedeutet z. B. bei John Locke jedoch „Leitung“; sinnigerweise heisst auch McDougalls Buch „Character and the Conduct of Life“, 1927, in der deutschen Übersetzung, 1946, „Charakter und Lebensführung“.)

 

1911 hatte der Amerikaner Walter Bowers Pillsbury in seinen "Essentials of Psychology" die Psychologie ebenfalls als "the science of behavior" definiert, und im selben Jahr bestimmte auch Max Friedrich Meyer, ein Schüler von Carl Stumpf und Max Planck in Berlin, in seinen "Fundamental Laws of Human Behavior“ das Verhalten als Gegenstand der Psychologie.

 

James Broadus Watsons "Psychology as the Behaviorist Views It" (1913) hatte also durchaus Vorläufer. Ein Jahr zuvor hatte bereits James Rowland Angell in einem Vortrag über "Verhalten als Kategorie der Psychologie" das Wort "behaviorist" verwendet.

 

Wenn man Watsons Aufsatz heute zum erstenmal liest (deutsch 1968 im Band "Behaviorismus") ist es beinahe nicht mehr nachvollziehbar, welcher Entrüstungssturm sich während Jahrzehnten ausgebreitet hat. Sowohl die Absage an die Introspektion als verlässliches Mittel zur Erkenntnisgewinnung über das menschliche Tun, Lassen und Leiden wie die Absicht, auf Grund streng experimenteller Untersuchungen soviel über das Verhalten des Menschen herauszufinden, dass es möglich sein werde, ihn soweit zu entkonditionieren wie zu konditionieren, auf dass er seine Persönlichkeit "gegen eine bessere eintauschen" (295) könnte resp. "unsere Welt schliesslich für den Menschen bewohnbar wird" (296), diese Reduktion des Forschungsobjekts Mensch auf Drüsen- und Muskelreaktionen und die Aufdeckung der tatsächlich statthabenden sozialen Manipulation des Erdenbürgers von Tag seiner Geburt an, bedeutete für viele eine Bedrohung der "bestehenden Ordnung der Dinge", der "alten, eingefahrenen Sitten", wie Watson selber feststellte.

Desungeachtet wurden zumindest sein Programm und Wortschatz weitgehend zum Allgemeingut ernsthafter psychologischer, genauer physiopsychologischer Forschung.

 

Zu betonen hierbei ist, dass Watson nicht etwa das Bewusstsein negierte, sondern nur die Optik der bisherigen Psychologie umdrehen wollte.

"Wir könnten das die Rückkehr zu einem nichtreflektierten, naiven Gebrauch des Bewusstseins nennen. In diesem Sinne kann man das Bewusstsein als Instrument oder Werkzeug bezeichnen, mit dem alle Wissenschaftler arbeiten" (28).

 

Nun gab es allerdings schon lange Verhaltensuntersuchungen an Tieren. Watson selbst kam ja auch von der Tierpsychologie her. Charles Darwin hatte hier gewiss einen Markstein gesetzt. Der Schotte Alexander Bain begriff schon 1855 Lernen als Ergebnis von "Versuch und Irrtum", und um 1870 setzten erste Laboruntersuchungen durch Douglas Alexander Spalding und Georg Heinrich  Schneider ein.

Es folgten die berühmten "Souvenirs entomologiques" (1879-1904) von Jean Henri Fabre und die Entdeckung der Tropismen durch Jacques Loeb (1890), den Begründer der experimentellen Biologie. Dass selbst Einzeller durch Versuch und Irrtum zu lernen vermögen, wies Herbert Spencer Jennings ("Behavior of Lower Organisms", 1904) nach. Während Albrecht Bethe und Johan Abraham Bierens de Haan noch mit humanpsychologischen Begriffen an das tierische Verhalten herangingen, beschränkten sich der vielseitige Edward Lee Thorndike (1897) und Willard Stanton Small (1899) auf streng experimentelle Versuchsanordnungen und gingen von einer anfänglich starren Reiz-Reaktions-Kausalität aus.

 

Weitere Pioniere waren Robert Mearns Yerkes (mit Regenwürmern und Affen) in den USA, Conwy Lloyd Morgan und Leonard Trelawney Hobhouse in England, Karl Theodor Groos und Jakob von.Uexküll, G. Pagano und Henri Piéron, später Karl von Frisch, Otto und Wolfgang Köhler, Werner Fischel und Frederik Jacobus Johannes Buytendijk auf dem Kontinent.

Hatten sich viele Forscher mit den staatenbildenden Insekten wie Ameisen und Bienen befasst (John Lubbock, Auguste Forel, William Morton Wheeler usw.) und Thorndike seine Versuche mit Katzen und Hühnern begonnen, so zeigte sich bald die ungewöhnliche "Brauchbarkeit" und "Gelehrigkeit" der weissen Ratte. Edward Chace Tolman widmete 1932 sein Hauptwerk dem "Mus norvegicus albinus, MNA". Pawlow - wie Bechterew ein Schüler von Iwan Michailowitch Sechenow, der 1863 seine "Reflexe des Gehirns" veröffentlicht hatte - arbeitete bekanntlich mit Hunden, Burrhus Frederic Skinner viel später mit Tauben. Alexander Bain und James Mark Baldwin entdeckten bereits das "Prinzip der rückempfundenen und selbstkorrigierenden Prozesse", das viel später unter dem Gesichtspunkt der Regelung neu untersucht wurde (z. B. Richard Wagner ab 1925, Walter Bradford Cannon, 1929, Paul Hoffmann, 1934, Erich von Holst, Walter Rudolf Hess, Norbert Wiener, Warren Sturgis McCulloch und Walter Harry Pitts, usw.).

 

Der Begriff "Ethologie" für Verhaltensforschung soll abgeleitet sein vom griechischen ĕthos: Gewohnheit, Sitte, nicht von ēthos: Charakter, Sinnesart (vgl. Aristoteles: Nikomachische Ethik, II, 1, 1103a14ff), und ist jedenfalls nicht zu verwechseln mit éthnos: Volk (davon: Ethnologie, Völkerkunde; nicht: Volkskunde) . Er ist seit 1762 im Sprachgebrauch der Französischen Akademie der Wissenschaften nachweisbar und bezeichnet hier die "Lehre von den Lebensgewohnheiten“. John Stuart Mill forderte in seinem System of Logic“ (1843) eine Charakterlehre oder „Ethologie“.

190 3 benutzte W. M. Wheeler das Wort für das Studium der Verhaltensweisen sozial lebender Insekten, und Oskar Heinroth gab 1910 Beiträge zur "Ethologie und Psychologie der Assatiden" (Entenvögel) heraus, nachdem im Jahr zuvor Louis Dollo die Ethologie als einen der wichtigsten Zweige der Biologie beschrieben hatte.

 

Obwohl man Watson häufig des Transpositionismus bezichtigt, d. h. der Übertragung von Ergebnissen der Tierpsychologie auf den Menschen, muss man doch erwähnen, dass er sehr viel mit Säuglingen und Kleinkindern experimentiert hat. Den kaum einjährigen gesunden Knaben Albert konditionierte er (1920) mit dem legendären Hammerschlag auf eine Eisenstange.

 

Bemerkenswert ist, dass Theodor Beer, Albrecht Bethe und Jakob von Uexküll in ihrer Schrift "Vorschläge zu einer objektivierenden Nomenklatur in der Physiologie des Nervensystems" (1899) bereits wesentliche Punkte des Behaviorismus vorweggenommen haben. Umgekehrt bemerkt Peter R. Hofstätter in seinem Fischer-Lexikon "Psychologie", dass, wie die Autobiographie Watsons (1936) zeige, "auch dieser Autor unbeschadet seiner theoretischen Position sein eigenes Leben und Erleben nach der introspektiven Manier zu betrachten und zu schildern fortfuhr". Diesem Vorwurf kann derjenige von Ludwig J. Pongratz (1967) zur Seite gestellt werden, wonach Watson unter der "Tarnkappe" des "verbal behavior" die von ihm abgelehnte Introspektion doch berücksichtigte. Es sei ein nominalistischer Trick, statt "Bewusstsein" einfach "verbales Verhalten" zu sagen.

 

Wenn diese Vorwürfe eines zeigen, dann ist es das mangelnde Unterscheidungsvermögen der Kritiker, etwa zwischen Psychologie als strenger Wissenschaft und Autobiographie. Watson leugnet weder Bewusstsein noch Erleben. Aber als Gegenstände der Psychologie taugen sie nichts.

Wenn man zu intersubjektiv überprüfbaren Aussagen über den Menschen gelangen will, muss man es eben mit der Verhaltensbeobachtung versuchen. Das heisst nichts gegen das Innenleben des Menschen, sein Planen, Fühlen, Streben und Leiden; es bedeutet nur dass vieles einfach nicht wissenschaftlich fassbar ist, was zumindest im künstlerischen und religiösen Bereich kaum jemand bestreiten wird.

 

 

Literatur

 

Max Apel, Peter Ludz: Philosophisches Wörterbuch. Berlin: de Gruyter, Sammlung Göschen Bd. 1031/1031a, 1958.

Friedrich Dorsch: Psychologisches Wörterbuch. Hamburg: Meiner; Bern: Huber 1963.

James Drever: A Dictionary of Psychology. 1952;
dt. nach der Ausgabe von 1965 durch Werner D. Fröhlich als "dtv- Wörterbuch zur Psychologie", München 1968 (303 Seiten), 7. Aufl. 1972; ergänzt 1983; 20. Aufl. 1994;
ab 21. Aufl. u. d. T.: Wörterbuch Psychologie. 25. Aufl. 2005 (654 Seiten).

Rudolf Eisler: Wörterbuch der philosophischen Begriffe. Berlin: Mittler, 3 Bde 1927-30.

Wilhelm Hehlmann: Wörterbuch der Psychologie. Stuttgart: Kröner 1959,11. Aufl. 1974.

Johannes Hoffmeister: Wörterbuch der philosophischen Begriffe. Hamburg: Meiner 1955.

Peter. R. Hofstätter: Psychologie. Fischer-Lexikon. Frankfurt am Main: Fischer Bücherei 1957.

Georg Klaus, Manfred Buhr (Ed.): Philosophischen Wörterbuch. Leipzig: VEB Bibliographisches Institut 1964, 6. erweiterte ed. 1969; Lizenzausgabe u .d. T.: Marxistisch-Leninistisches Wörterbuch der Philosophie. 3 Bde, Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag 1972.

Christian Michel, Felix Novak: Kleines Psychologisches Wörterbuch. Freiburg: Herder, Herderbücherei Bd. 514, 1975; unverändert noch 1990; 3. Aufl. dieser Neuausgabe 1994.

Max Müller, Alois Halder: Kleines philosophisches Wörterbuch. Freiburg: Herder, Herderbücherei 1971.

Richard Müller-Freienfels (Hrsg.): Eislers Handwörterbuch der Philosophie. Berlin: Mittler 1922.

Anton Neuhäusler: Grundbegriffe der philosophischen Sprache. München: Ehrenwirth 1963; 2. Aufl. 1967.

Ludwig J. Pongratz: Problemgeschichte der Psychologie. Bern: Francke 1967, 2. Aufl. als UTB 1984.

Heinrich Schmidt, Georgi Schischkoff: Philosophisches Wörterbuch. Stuttgart: Kröner 11. Aufl. 1951, 18. Aufl. 1969.

Helmut Schoeck: Soziologisches Wörterbuch. Freiburg im Breisgau: Herder Taschenbuch 1969.

John B. Watson: Behaviorismus. Köln: Kiepenheuer & Witsch 1968;
enthält in erstmaliger Übersetzung von Lenelis Kruse Psychologie, wie sie der Behaviorist sieht (1913), und Der Behaviorismus (1930).

Wörterbuch der pädagogischen Psychologie. Freiburg: Herder, Herderbücherei Bd. 9016, 1974; 4. Aufl. 1977
(bearbeiteter Auszug aus dem "Lexikon der Pädagogik", 4 Bde, 1970ff.).

 

besonders:

Hermann Krings, Hans Michael Baumgartner, Christoph Wild (Hrsg.): Handbuch philosophischer Grundbegriffe. München: Kösel, I und II, 1973, III 1974.

darin z. B.:

Manfred Riedel: Arbeit, 125-141

Norbert Herold: Bewegung, 209-220

Christian Thiel: Funktion, 510-519

Bela von Brandenstein zu Handlung und Tätigkeit, 677-685

Walter Hoering: Konstruktion, 799-806

Josef Simon: Leben, 844-859

Alfred Schmidt: Praxis, 1107-1138

Klaus Hammacher: Verhalten, 1589-1597

Alfred Schöpf: Wille, 1702-1722

 

(geschrieben im Herbst 1975)

 


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