HomeAristoteles Schrift: Peri Psyches (Über die Selele)

 

Allgemeines - Zusammenfassung des Inhalts von "Peri psyches" (Buch I-III)

- Systematische Zusammenfassung der aristotelischen Seelenbetrachtung

 

zum Vergleich:

Zur Logik von Aristoteles

Techne - Episteme - Phronesis - Nous - Sophia

 

 

 

Allgemeines

 

In dieser Schrift (geschrieben etwa 335 v. Chr.) fehlt fast ganz das Bild des Menschen, der sich geistig formt.

In der "Nikomachischen Ethik": mit praktischer Vernunft begabt die richtige Mitte suchen. Mittelpunkt der "Nikomachischen Ethik": die wirkende Leistung (energeia); Leistung des Menschen ist strengste Wahrheit (aletheia) in Hinsicht auf die Wesenheiten.

 

"Peri psyches" ist primär dem Menschen als Wesen der Natur, als höherem Tier gewidmet. Die Leistung der Seele wird hier im Vollzug der psychophysischen Prozesse gesehen. Die Seele wird also nicht als allein und frei waltend betrachtet, sondern als des Körper verhaftet und ihn organisch gestaltend, sie gehört zur belebten Natur (zoike physis) und ist also in festem Zusammenhang mit dem Körperlichen. Die Psychologie gehört demnach ausdrücklich zur Naturwissenschaft.

 

Das Lebewesen hat seine Form, die nicht abtrennbar von der Materie ist und Seele heisst. Der Physiker gibt sich aber ebenso mit der Form ab wie mit der Materie. Natur ist die nur gedanklich abtrennbare Gestalt oder Form, die Wesenheit, die in sich das Prinzip der Bewegung haben kann (den Bewegungsantrieb). Der Mensch ist somit Verbindung von Materie und Form (Seele).

 

Für Platon war die Seele verwandt dem Immerseienden der Idee, Zeuge des Reiches des Seins in unserer Welt, nach dem diese ein Sehnen hat. Bei Aristoteles wirkt aber (also) die Form nur noch mit und in der Materie; sie wirkt, so dass sie selbst Betätigung, Verwirklichung (energeia) heissen kann (Fortsetzung der ethischen energeia, durch die der Mensch sein Wesen verwirklicht und erfüllt) oder auch Erfüllung (entelecheia).

Freilich korrigiert Aristoteles seine Platoferne, dass der Naturwissenschafter, Physiker doch nicht über die ganze Seele handle. Sonst gäbe es neben der Naturwissenschaft keine höhere Philosophie: Mathematik und Theologie; der Physiker betrachtet die Seele soweit sie nicht ohne Materie ist. Also nur ein Teil der Seele, die Seele als Natur, könnte diese Bedeutung als Wesenheit haben, die zugleich Bewegungskraft ist und Ziel.

 

Die Materie ist nur der Möglichkeit nach die Form. Über aller seelischen Bewegungskraft, dem Kennzeichen der Natur, steht das denkende Prinzip (noetikon). Wie es also jenseits der Physik, der Wissenschaft der von Natur bestehenden bewegungsfähigen Substanzen (Wesenheiten), die Metaphysik als ursprünglichere Wissenschaft, Erste Philosophie gibt für die bewegungslose, unbewegte, geistige Wesenheit (den nous als Teil der Seele, den dynamischen Erben der platonischen Idee), so hinter der Psychologie die Metapsychologie.

 

Aristoteles behandelt deshalb in der zur Physik gehörenden Psychologie nicht die wirkende Kraft des freien Geistes (also: Ausschluss der Vernunft), sondern diese Schrift ist der notwendige Grund der biologischen Werke, der sogernannten 8 "Kleinen Naturschriften".

Allerdings sind die psychophysischen oder gar physiologischen Einzelvorgänge doch nicht so sehr Mittelpunkt wie in den kleinen Naturschriften, denn dort übernimmt das Herz (als beseelter Körperteil, Zentral-Organ) statt die Seele die Hauptrolle bei den Lebensvorgängen, ohne aber als (philosophisch gewonnene) entelecheia aufzutreten.

 

Dass die Psychologie zu den Naturwissenschaften gehört, zeigt sich auch darin, dass Aristoteles von den alten Ansichten fast nur auf die Physiker Bezug nimmt, nicht aber etwa auf Homer und die Hervorhebung des hohen Geistes der Götter. Der Geist ist in die Psychologie nur hereingekommen, weil er bei den alten Physikern zusammen mit der Wahrnehmung behandelt worden war.

Wenn sie die Seele bald als sinnliches und geistiges Aufnahmeorgan, bald als bewegendes Prinzip betrachten, so folgt ihnen Aristoteles darin und verbindet diese beiden Seiten, sodass sie zusammen das Wesen der Seele ausmachen. Mit dieser Betrachtungsweise war gegeben, dass auch die emotionalen Regungen an die Wahrnehmung gehängt wurden und (aber) die reichen Möglichkeiten, die die platonische Seelenteil-Lehre (Gegensatz von Sinneswahrnehmung und geistigem Erfassen) zur Erschliessung den Innenlebens bot, nicht ausgenutzt sind.

 

 

Zusammenfassung des Inhalts von "Peri psyches"

 

(Benützt wurde die Übersetzung von Willy Theiler, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2. Aufl. 1966, 7. Aufl. 1994)

(Andere Ausgaben: Übersetzung von Olof Gigon. München: Deutscher Taschenbuch-Verlag 1996 [zuerst Zürich: Artemis 1950];

Übersetzt und mit Erläuterungen, Gliederung und Literaturhinweisen hrsg. Von Willy Theiler. Reinbek: Rowohlt 1968.

Zweisprachige Ausgabe, griechisch-deutsch. Mit Einleitung, Übersetzung nach Willy Theiler und Kommentar, hrsg. von Horst Seidl. Griechischer Text in der Edition von Wilhelm Biehl und Otto Apelt. Hamburg: Meiner 1995.)

 

 

Buch I

 

Kapitel 1

 

Aristoteles entwirft das Untersuchungsprogramm: Er stellt die Frage nach dem Sein, der Natur, dem Wesen und den begleitenden Eigenschaften der Seele (Affektionen: erga kai idia pathe oder pathemata) und fragt weiter, zu welcher Gattung die Seele gehört, was sie ist, ob ein bestimmtes Etwas oder eine Wesenheit, ob Qualität oder Quantität oder eine der anderen Kategorien, ob Möglichkeit oder eine Art Erfüllung (entelecheia), ob sie teilbar oder teillos und ob jede Seele gleichartig sei oder nicht.

Aristoteles unterscheidet bei der Seele:

·        Teile (Vermögen, moria oder dynameis),

·        Leistungen (erga oder energeia, praxis)

·        und Affekte;

statt Objekte (antikaimenon) und Tätigkeiten stehen sich Objekte und Vermögen gegenüber.

 

Ein wichtiger Punkt ist das Verhältnis Körper-Seele (Materie und Form); die Seele ist vorwiegend als nicht getrennt vom Körper betrachtet (d. h. Wahrnehmung ist beispielsweise eine Art Bewegung der Seele Mittels des Körpers), die Seele ist also Form des Körpers; dennoch kann Aristoteles später vom Körper als Träger der Seele sprechen.

 

Die Affekte können von zwei Seiten her angegangen werden: physiologisch, d. h. von der Materie her oder von der Form und dem Begriff (to eidos kai ton logon) her. Verbindet man die Gesichtspunkte (im Sinne: begriffliche Substanz), so kann man z. B. sagen: Zorn ist eine Art Bewegung (Form) des so und so beschaffenen Körpers oder Körperteiles oder Vermögens (oder: in der und der Materie) unter der und der Einwirkung (antreibendes Bewegungsprinzip) zu dem und dem Zweck.

 

Weiter gibt es vier Arten von Affekten:

·        die natürlichen, vom Körper unabgetrennten (welche der Naturforscher, Physiker untersucht, beurteilt),

·        die nicht natürlichen, getrennt in technische (welche den Arzt oder Architekten angehen) und abstrakte (welche des Mathematiker beurteilt)

·        und schliesslich die abgetrennten Affekte (welche den Metaphysiker oder Theologen angehen).

 

Kapitel 2

 

Dieses Kapitel enthält die sogenannte Doxographie, d. h. die Ansichten der Früheren, beispielsweise dass sich das Beseelte vom Unbeseelten durch Bewegung (Selbstbewegung und Bewegendes) und Wahrnehmung unterscheidet.

Aristoteles nimmt betreffs Bewegung zuerst auf die kugelförmigen (warmen und feurigen) Seelenatome Demokrits und Leukipps Bezug, die im Vorgang der Ein- und Ausatmung Bewegung, Leben bewirken; die Pythagoreer und Anaxagoras vertreten ähnliche Ansichten. Undeutlich ist bei allen die Gleichsetzung von Seele und Geist oder deren Verschiedenheit.

Betreffs Seele als Erkennendes und Wahrnehmendes geht der erste Bezug zu Empedokles: Die Seele besteht aus Elementen oder jedes Element ist Seele, und Gleiches wird (nur) durch Gleiches erkannt.

Im Folgenden wird die Zahlenvorstellung der Seele erörtert, und nochmals greift Aristoteles auf verschiedene Vorsokratiker zurück.

 

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Gemeinsamkeit besteht bei den Vorsokratikern in der Bestimmung der Seele nach drei Eigenschaften:

·        Bewegung (auf Grund der Selbstbewegung),

·        Wahrnehmung (auf Grand ihrer Elementenhaftigkeit)

·        und Unkörperlichkeit (wegen ihrer Feinteiligkeit; Feuer- oder Luftcharakter).

 

Kapitel 3

 

Es bringt, zusammen mit Kapitel 4 und 5, die Kritik an den vorher ausgeführten Ansichten.

 

1. Zur Bewegung: Es gibt zweifache Art von Bewegung, mittelbare und unmittelbare (z. B. Matrosen auf einem Schiff) sowie Ortsveränderung, Umwandlung, Schwund und Wachstum (und Entstehen, Vergehen). Hauptpunkt der Kritik ist die Frage, ob das Bewegende sich notwendigerweise auch selbst bewegen müsse. Bewegte sich nämlich die Seele unmittelbar (Ortsbewegung), müsste sie auch Raum besitzen.

Recht verwirrende Erläuterungen folgen, bezugnehmend auf die Vorsokratiker und die Schrift Platons "Timaios".

 

Die Betrachtung von Geist, Denken, Ausgedehntem und Harmonie, Kreisbewegung, die hier breit  dargelegt wird, führt zum Schluss, dass bisher dem Körper und seiner Verbindung zur Seele, der Verfassung des Körpers und der Ursache der Verbindung zur Seele zuwenig Beachtung geschenkt worden sei.

Aristoteles Ansicht ist also etwa, dass es weder Auferstehung noch (pythagoreische) Seelenwanderung (d h. Eindringen einer beliebigen Seele in einen beliebigen Körper) gibt und dass sich Seele zu Körper wie Kunst zu Instrument verhält, beide sich entsprechen und nützen.

 

Kapitel 4

 

2. Es befasst sich zuerst mit der Kritik an der Seele als Harmonie. Wenn Harmonie

a)     Mischung und

b)     Zusammenfügen von Gegensätzlichem, ein bestimmtes Verhältnis oder Zusammenpassen (synthesis) von (Körper-)Teilen ist,

kann Seele weder der eine noch der andere Pol sein; auch kann Harmonie nicht Bewegung bewirken.

Es gibt ein vielfaches und verschiedenartiges Zusammenpassen von Teilen; die drei Seelenvermögen - nous, aisthetikon und orektikon - lassen sich nicht als Zusammenpassungen erklären.

 

Seele ist also weder Harmonie noch Kreisbewegung (die gehört eher zur Bewegung des Geistes, zum Denken).Sie wird vielmehr mittelbar (nebenbei) bewegt und bewegt sich selbst, nämlich: Sie wird in dem bewegt, in welchem sie sich befindet (Körper) und das von ihr bewegt wird; auf andere Weise kann es für sie keine räumliche Bewegung geben.

 

Gemütsbewegungen (Freude, Betrübnis, Wagemut, Furcht) sind nicht Bewegungen der Seele, sondern eines von der Seele bewerten Körperorgans, Furcht z. B. eine Art Bewegung des Herzens. Man sollte also besser nicht sagen, die Seele habe Mitleid oder lerne oder denke nach, sondern der Mensch mittels der Seele.

Bewegung ist also ein Hinbewegen-zu und Ausgehen-von den Wahrnehmungsgegenständen beispielsweise oder den Rückständen (monai; Engramme?) in den Sinnesorganen.

 

Der betrachtende, nichtleidende, unzerstörbare und nicht alternde Geist  kommt als etwas anderes von aussen (oder von der Seele) in den Menschen hinein, ist wohl etwas Göttliches. Nachdenken (Tätigkeit des Geistes) und Affektionen können im Alter schwinden, weil sie zum Träger, der Geist (und Seele) in sich trägt, gehören.

 

Wiederum greift Aristoteles auf Demokrits und Xenokrates Ansicht zurück, dass die Seele als Bewegungsprinzip und als Element, Idee, Zahl (aus Monaden und Punkten, d. h. Monaden mit bestimmter Ortslage) Erkenntnisprinzip sei.

 

Kapitel 5

 

Die Kritik an Demokrit bezüglich Ineinsverflechtung von Bewegung und Zahl dauert hier vorerst noch an.

3. Anschliessend folgt die Kritik an der Seele als aus Elementen bestehende und so wahrnehmende.

Wie aber kann sie, wenn sie so beschaffen ist und Gleiches mit Gleichem erkannt wird, das Ganze erkennen und wahrnehmen, beispielsweise was Gott ist, oder Mensch, Fleisch oder Knochen? Denn nicht beliebig verbunden machen die Elemente Zusammengesetzes aus, sondern in bestimmtem Verhältnis und in bestimmter Zusammenfügung (logo tini kai synthesei). Hierbei geht die Kritik vor allem gegen Empedokles.

 

Im folgenden Teil dieses Kapitels geht Aristoteles auf verschiedene Einzelschwierigkeiten ein, besonders bezüglich der Unterscheidung von Pflanzen, Tieren und Mensch hinsichtlich Ortsbewegung, Wahrnehmung und Überlegung(sfähigkeit), Vernunft. Vor allem stösst sich Aristoteles daran, dass verschiedene Denker immer nur einzelne Aspekte der Seele betrachtet haben, nie aber allgemein über jede Art Seele und nicht über die Seele in ihrer Gesamtheit sich ausliessen.

 

Der letzte Teil dieses Kapitels bringt schliesslich eine kurze Zusammenfassung: Es kommt der Seele weder Erkennen zu weil sie aus Elementen bestehe, noch kann ihre Selbstbewegung mit Fug und Recht ausgesagt werden.

"Da aber zur Seele Erkennen, Wahrnehmen, Meinen (= Leistungen), dazu auch Begehren, Wollen und überhaupt die Strebungen gehören (und die Affekte), aber auch die Ortsbewegung bei den Lebewesen von der Seele ausgeht, dazu Wachstum, Reife und Hinschwinden, ist es so, dass der gesamten Seele jedes davon zukommt und wir mit der ganzen denken, wahrnehmen, uns bewegen und alles andere tun und erleiden (poiein, paschein) oder mit immer wieder anderen Teilen?" Liegt das Leben in einem Teil oder in mehreren oder in allen?

 

Platon sagt, die Seele sei geteilt in einen begehrenden und denkenden Teil; was hält dann die Seele zusammen? Nicht der Körper, eher umgekehrt. Am ehesten macht die Seele sich selber zur Einheit.

 

Es dreht sich also die Frage um Gesamtseele, einheitliche oder vielteilige. Später wird sich zeigen, dass bei Aristoteles die Seelenteile hierarchisch gegliedert sind; der untere ist je im oberen, höheren aufgehoben.

Wird die Seele ganzheitlich betrachtet, so ist sie es nicht nach der Zahl (dem Subjekt),sondern nach der Art.

 

 

Buch II

 

In diesem und dem 3. Buch folgen nun Aristoteles' eigene Bestimmungen der Seele und die Beschreibung ihrer Vermögen. Was ist also die Seele, welches ihr allgemeinster Begriff?

 

Kapitel 1

 

Es bringt eine allgemeine Bestimmung der Seele. Jeder natürliche Körper (ousiai) ist zusammengesetzte (aus Materie und Form) Wesenheit (ousia), ist so und so beschaffen, d. h. von bestimmter Art; er hat nämlich Leben und ist wie die Grundlage, Unterlage (Substrat) und Materie.

Die Seele hingegen ist nicht Körper (wie der Körper nicht Seele).sondern Wesenheit im Sinne der Form (eidos) (und des bestimmten Wesens) des natürlichen Körpers, der seiner Möglichkeit nach Leben hat; sie ist vorläufige Erfüllung (entelecheia) eines solchen Körpers auf eine Art wie das Wissen (episteme). (Die andere Art ist wie das Betrachten, theorein, d. h. die Anwendung des Wissens im Wachen - im Gegensatz zum Schlaf, der nur der Besitz und das Nichtbetätigen ist.)

 

Nochmals: Seele ist, anders ausgedrückt, Wesenheit im begrifflichen Sinne (ousia kata ton logon), der Begriff, oder dass eigentliche Sein, Wesen (to ti en einai).

 

Der der Möglichkeit nach lebendige Körper ist näher beschrieben: Er ist ein organischer, d. h. einer mit Werkzeugen (Organen) für bestimmte Lebenstätigkeiten.

 

Die Beziehungen des organischen Körpers und seiner Teile (z. B. Auge) wird in ein proportionales Verhältnis zur Gesamtseele, in Beziehung zu ihren einzelnen Leistungsvermögen gebracht. Die Sehkraft des Auges, wobei dieses als Materie von jenem gefasst wird, ist sozusagen die Teilseele. Wie die Pupille und die Sehkraft zusammen das Auge sind, so sind der Körper und die Seele zusammen das Lebewesen; die Seele ist also (wie jede Form) nicht abtrennbar; abtrennbar könnte einzig der (absolute) Geist sein.

 

Kapitel 2

 

Es bringt, zusammen mit Kapitel 3, die Bestimmung durch Stufung der Seele. Nicht bloss Tatbestand, sondern such Ursache (begriffliche Begründung) soll dargelegt werden. Die Unterscheidung von Beseeltem und Unbeseeltem durch das Leben (was eine verschwommene, aber anschauliche Beschreibung ist) soll durch begrifflich Klares und somit Deutlicheres, Kenntlicheres, im Fall Seele durch das Aufzeigen von Stufen, präzisiert werden.

 

Die niedrigeren Vermögen implizieren nicht die höheren, wohl aber umgekehrt. Die Seele ist die Grundkraft dieser Vermögen und durch sie bestimmt.

 

·        Die Pflanzen haben Vermögen zu Ernährung (Ernährungskraft), Wachstum und Hinschwinden.

·        Tiere haben primär Wahrnehmungs-, Sinnesvermögen (das erste, notwendigste ist der Tastsinn) und meist auch Ortsbewegungsvermögen.
Mit dem Wahrnehmungsvermögen ist das Vorstellungsvermögen (phantasia) verknüpft, mit der Wahrnehmung zugleich Lust und Unlust, Schmerz und die infolge davon entstehende Begierde.

·        Abtrennbar (also die dritte Stufe) ist Geist (nous), wie das Ewige vom Vergänglichen, und, identisch mit ihm, das betrachtende Vermögen (theoretike dynamis); daneben gibt es noch die Fähigkeit zum Meinen (doxastikon).

 

Die Fragen bei der Stufung der Seele sind: Soll von einzelnen Seelen oder Seelenteilen gesprochen werden und ist die Scheidung nur eine gedankliche und begriffliche (logo), wie beim Verhältnis von Form und Materie, oder eine räumliche (wie bei Platon: Leber = begehrend, Herz = mutvoll, Kopf = vernünftig)? Schon eine örtliche Trennung der Sinneswerkzeuge ist beispielsweise in manchen Fällen schwierig.

 

Wissen (der Seele) und Gesundheit (des Körpers) werden nicht nur als einem Träger angehörig verstanden, sondern als Leistungskräfte, "Ideen" (ähnlich der Platonischen Idee, derjenigen von der Tugend, der Leistungskraft [arete]); Wissen und Gesundheit sind also Gestalt (morphe) und eine Art Form (eidos), Begriff und gleichsam Wirksamkeit (energeia) (der wirkungsfähigen Kräfte) des Aufnahmefähigen, also des Trägers (der eine Einwirkung erleidet), also des zum Wissen Befähigten und des zur Gesundheit Befähigten (Heilbaren).

 

Kurz: Seele ist das Leistungsfähige, das Massgebende (Form und Begriff),im Unterschied zu seinem Träger, dem Körper von bestimmter Beschaffenheit; Seele ist also die Erfüllung eines bestimmten Körpers; das Zusammengesetzte ist der beseelte Körper. Seele ist also weder ohne Körper noch ein Körper (das zielt gegen den Materialismus), sie ist am (in einem) so und so beschaffenen Körper.

Nochmals: Seele ist eine Art Erfüllung und der Begriff von dem, was die Möglichkeit hat, so und so (nämlich dass die Seele innewohnen kann) zu sein.

 

Kapitel 3

 

Es greift nochmals auf bereits Gesagtes zurück: Seelenkräfte (dynameis),Vermögen werden genannt:

·        das Ernährungs-(threptikon),

·        Wahrnehmungs-(aisthetikon),

·        Strebungs-(orektikon),

·        Ortsbewegungs- (kinetikon) und

·        Überlegungsvermögen (dianoetikon).

 

Die Pflanzen haben nur das Ernährungsvermögen, Tiere zusätzlich Wahrnehmungs- und Strebungsvermögen (und zum Teil Ortsbewegungsvermögen); zum Streben gehören Begierde (epithymia), Mut (thymos) und Wille (boulesis).

Für die wahrnehmenden Wesen (mit mindestens dem Tastempfinden als Wahrnehmung der Nahrung) gibt es auch Lust und Schmerz, Lustvolles und Schmerzvolles, und wo es das gibt, besteht auch Begierde; diese ist ja das Streben nach dem Lustvollen; Hunger und Durst sind auch Begierden.

 

Die Hierarchie der Seelenteile wird nochmals aufgerollt: Der obere (nachfolgende) enthält immer (der Möglichkeit nach) notwendig den unteren, hat aber noch etwas mehr (Neues).

Die Untersuchung über die Seele (logos peri psyches) darf ebenso wenig im allgemeinen bleiben wie die Definition der Seele (logos psyches).

 

Kapitel 4

 

Von hier an geht nun bis zum Ende des 3. Buches die Betrachtung über die einzelnen Seelenvermögen.

Aristoteles kombiniert die Ansicht der im 1. Buch behandelten Vorsokratiker über die Erkenntnisseite und die Bewegungsseite und stellt die dort vermisste Ernährungsseele voran.

 

Vor den Vermögen aber möchte er, entsprechend der begrifflichen Priorität, die Tätigkeiten (Betätigungen und Ausübungen; energeia, auch praxis) besprechen; noch vorher müsste man, aus demselben Grund, eigentlich die zugehörigen Objekte (antikeimenon) der Tätigkeiten ins Auge fassen.

 

Die Ernährungsseele ist die unterste und allgemeinste Seele; ihre Leistungen sind Zeugung  und Verdauen der Nahrung (etwas sozialer: Liebe und Hunger). Die natürlichste Leistung ist: ein anderes gleichartiges erzeugen, damit sie nach Vermögen am Ewigen und (unbewegten)  Göttlichen Anteil haben; denn nach diesem strebt alles, und auf diesen Endzweck hin wirkt gemäss der Natur alles, was wirkt; der Endzweck ist in doppeltem Sinne zu verstehen: als Endzweck von etwas und für etwas. Das Streben besteht also nicht nach individueller  Fortdauer, sondern der Art  nach (eidei), als Erhaltung der Form (eidos).

 

Ein Einschub behandelt nochmals die Seele generell. Die Seele ist Grund (arche) und gleichzeitig Bewegungsanstoss (für Ortsbewegung, begrenztes und massvolles Wachstum und Hinschwinden), (End-)Zweck und Wesen (als Ursache des Seins verstanden) des beseelten Körpers (des der Möglichkeit nach bestehenden).

Ursache (aitia) des Seins und Wesen fallen beim Lebewesen zusammen, oder andere ausgedrückt: Sein ist aber für die lebenden Dinge das Leben, und Ursache und Grund dafür ist die Seele; von Sein und Leben ist die Seele also Prinzip.

Zugefügt wird, was die Seele bisher im zweiten Buch war: Erfüllung oder/und Begriff des der Möglichkeit nach Bestehenden.

Alle natürlichen Körper (gegenüber den technischen, von der Vernunft ebenfalls zweckhaft geschaffenen) sind Werkzeuge (organa), Mittel der Seele; in zweifacher Bedeutung kommt Zweck vor: Zweck von und Zweck für.

 

Nach dem Einschub wird nun vom ernährenden und zeugenden Seelenvermögen gesprochen und  zuerst über das Objekt, die Nahrung gehandelt. Die einen sagen, es nähre sich Gleiches von Gleichem, andere Entgegengesetztes von Entgegengesetztem; man darf auf beide Weisen von der Nahrung sprechen: soweit sie unverdaut ist von letzterem, soweit sie verdaut ist von ersterem.

Es folgt eine Unterscheidung: Nahrung oder Mittel für das Wachstum (Erhaltung nicht Erzeugung) nach den Kategorien des beseelten Körpers Wesenheit (bestimmtes Etwas) und Quantität.

Die bezeichnete Grundkraft der Seele ist ein Vermögen, ihren Träger zu erhalten (ist das Ernährende); die Nahrung (als Mittel) macht das Vermögen (das zugleich Möglichkeit gegenüber Verwirklichung ist) zur Wirksamkeit. "Da (weiter) mit Recht alles nach dem Zweck zu benennen ist, Zweck aber die Erzeugung eines gleichartigen Wesens ist, so ist die unterste Seele (eben die Ernährungsseele) die ein gleichartiges Wesen zu erzeugen fähige."

 

Schliesslich: Da die Verdauung vermittels Wärme geschieht, hat jedes beseelte Wesen Wärme.

 

Kapitel 5

 

In diesem und vielen folgenden Kapiteln werden die Sinneswahrnehmungen behandelt.

 

Die Sinneswahrnehmung beruht auf einem Bewegtwerden (kinesthai) und Erleiden (paschein), d. h. die verwirklichte Wahrnehmung ist Bewegung mittels des Körpers, wobei das Sinnesvermögen etwas leidet; die Sinneswahrnehmung ist also eine Umwandlung.

 

Wiederum ist Wahrnehmen (aisthanesthai), Wahrnehmungsvermögen (aisthetikon, aisthesis) und Wahrnehmungsgegenstand unterschieden, zudem nach Möglichkeit und Wirklichkeit (Betätigung, Verwirklichung, Erfüllung); das Vermögen und der Gegenstand sind nur der Möglichkeit nach da.

Ebenfalls kann man wie beim Ernähren sagen: Es leidet das Ungleiche; ist das Leiden vorüber, ist es ein Gleiches.

Erleiden ist ein Doppeltes: Seinsverlust durch ein Gegenteiliges (Vernichtung durch ein Entgegengesetztes) oder, im seelischen Bereich, der Übergang von der Möglichkeit zur Verwirklichung, von der Anlage zum Wissen, zum Besitz, also Erweckung des der Möglichkeit nach Bestehenden durch das, was der Erfüllung nach da ist (der Besitz wird verschafft von einem verwirklichten Tätigen aus).

 

Der Übergang vom Besitz (Wissen) zur Anwendung (theorein, Ausübung des Wissens; gleich: Betrachten) ist nicht mehr ein Erleiden (Sichverändern, Bewegt-, Verwandeltwerden), sondern eine Entwicklung zum Eigenen (auto), zum Wesen selbst und zur Erfüllung, Vollendung. Der Übergang vom möglichen Wissen zum Besitz ist nicht Belehrung sondern Lernen.

Die oberste Stufe ist dann das verwirklichte Wahrnehmen (theorein, Betrachten).

 

Ein Unterschied zwischen Wahrnehmen und Wissen besteht im Gegenstand: Was die Verwirklichung hervorruft, besteht bei ersterem draussen (das Einzelne), bei letzterem befindet es sich in der Seele selbst (das Allgemeine; ähnlich: Platons Wiedererinnerungslehre). Deshalb liegt das Denken in der Gewalt des Wollens, nicht aber das Wahrnehmen, denn das Wahrnehmbare muss da sein.

 

Kapitel 6

 

Nochmals wird allgemein gehandelt: diesmal nicht von den Wahrnehmungsvermögen, sondern vom Wahrnehmbaren (aistheton).

Es gibt "eigentümlich Wahrnehmbares", das man nicht mit einem anderen Sinn als dem dafür bestimmten wahrnehmen kann und worüber man sich nicht täuschen kann, z. B. Gesicht-Farbe, Gehör-Schall, Geschmack-Nahrungssaft.

 

Kapitel 7

 

In diesem und den folgenden Kapiteln werden die einzelnen Sinne besprochen, auf eher psychophysische Art.

Zuerst das Gesicht: aisthesis bedeutet sowohl Sinn, Sinnesvermögen als auch die Tätigkeit der Wahrnehmung. Sichtbar ist hauptsächlich die Farbe, die (nur) in Helligkeit (im Licht, phos) erblickt wird, welche das Durchsichtige (Transparente) verwirklicht, erfüllt, sichtbar macht. Helligkeit ist weder Feuer noch ein Körper sondern die Gegenwärtigkeit (ähnlich: Wissen) des Feuers (der Sonne, des Äthers). Einiges, z. B. Glühendes, Leuchtendes, Phosphoreszierendes wird im Finstern gesehen.

 

Das Wesen der Farbe ist, fähig zu sein, das wirklich Durchsichtige zu erregen; die Erfüllung des Durchsichtigen aber ist die Helligkeit; oder: Das Durchsichtige wird kraft des Feuers durchsichtig. Das Durchsichtige ist die Luft, für die andern Sinne auch Wasser oder (Körper-) Fleisch. Denn: Das wahrnehmende Organ braucht ein Medium, Zwischenstoff, um mit dem Gegenstand in Berührung zu kommen; auf Berührung, Kontakt beruht jede Sinneswahrnehmung.

 

Kapitel 8

 

Gehör: Für den Schall (psophos) braucht es immer zwei Gegenstände: eine Schlagenden und einen Geschlagenen; aber nicht alle Gegenstände haben die Möglichkeit zum Schall, z. B. Wolle, Schwamm. Auch das Echo als Schallverstärkung in Hohlkörpern wird angeschnitten.

Schall ist bewegte Luft (-masse; zusammengehaltene, nicht zerflatternde).

Das Gehörorgan ist von Luft umgeben und hat Luft im Innern. Die Unterschiede der schallenden Dinge zeigen sich im verwirklichten Schall: hoch (scharf), tief (schwer), welche Ausdrücke vom Tastsinn her übernommen worden sind; hoch wird subjektiv (nicht objektiv), akzidentiell als schnell, tief als langsam empfunden.

 

Die Stimme (phone) wird als Unterart des Schalls, als Schall eines beseelten Wesens verstanden. Stimme hat, was Luft einzieht. Stimme, Sprache wird als "zum Wohlsein" (anagkaion) verstanden.

Nicht jeder Ton des Lebewesens ist Stimme, z. B. Husten, sondern nur der Ton, der etwas bedeutet (semantikos), eine bestimmte Vorstellung (des Anschlagenden, d. h. Lebewesens) ausdrückt.

 

Kapitel 9

 

Geruch (osme) als Geruchssinn. Ungenügend, gegenüber den Tieren, riecht der Mensch, und zwar nur als angenehm oder unangenehm empfunden.

Der Geruchssinn verhält sich analog dem Geschmackssinn (der ist beim Menschen schärfer); er kann (nach den Geschmacksbezeichnungen) differenzieren: süss, bitter, scharf, herb, stechend und ölig.

Auffallend ist, dass der Mensch nur beim Einatmen, nicht aber beim Ausatmen riecht (die Tiere können auch ohne Atmen riechen).

Der Geruch gehört zum Trockenen, der Geschmack zum Feuchten.

 

Kapitel 10

 

Geschmack: Er hat grosse Verwandtschaft mit dem Tastsinn (sein Gegenstand ist ein Tastbares und liegt im Feuchten).

Für den Geschmack gibt es kein Medium, sondern einen Träger, die Feuchtigkeit. Wichtig ist, dass dieses Sinnesvermögen im Wahrnehmen zum Gegenstand wird, also der Geschmack beim Schmecken mit dem Feuchten zusammenfällt.

Es gibt acht Geschmacksdifferenzen: süss und fettig, bitter und salzig, dazwischen: scharf, herb, sauer und stechend. Der Geschmack, also das Schmeckbare führt das (fähige, d. h. das der Möglichkeit nach süsse, saure ...) Geschmacksorgan zur Verwirklichung.

 

Kapitel 11

 

Tastsinn: Hier stellt sich die Frage, ob das (Körper-) Fleisch (d. h. zwischen Haut und Knochen) Medium oder (inneres) Organ ist, weiter, ob es nur eine Art oder viele, eine Mehrzahl von Arten des Tastens gibt.

Es kann getastet werden: warm, kalt, trocken, feucht, rauh, weich, usw.

Aristoteles führt eine Hilfskonstruktion ein: eine Luft-Membrane (ähnlich einem Schild) an der ganzen Fleisch-Oberfläche. Er erläutert diese ausführlich und macht dann die Unterscheidung, unter Bezugnahme auch auf die andern Sinne, zwischen Nah- und Fernwahrnehmung.

 

Das Wahrnehmungsvermögen des Tastbaren ist im Innern. (In andern Schriften führt Aristoteles alle Wahrnehmurigen auf ein gemeinsames Organ [koinon aistheterion], im Herzen, zurück.)

Die Tastwahrnehmung ist die Mitte zwischen den Gegensätzen (z. B. warm-kalt, rauh-weich), eine Art Oszillieren.

 

Kapitel 12

 

Nach der Einzelbetrachtung der Sinne folg eine Deutung, die an Kapitel 5 anschliesst, aber erst auf Grund dieser Einzelbetrachtungen möglich geworden ist.

Einerseits ist die Wahrnehmung das, was fähig ist, die wahrnehmbaren Formen ohne Materie (also: die begriffliche Form) aufzunehmen, andererseits ist das eigentliche Wahrnehmungsorgan das, in dem sich dieses Vermögen, die Wahrnehmung findet. Wahrnehmung und Wahrnehmungsorgan (-werkzeug) fallen zusammen (sind ihrer Aufgabe nach identisch), aber ihrem Sein nach verschieden; das Werkzeug (to aisthanomenon) ist eine ausgedehnte Grösse, während die Wahrnehmung Begriff (Form) und Kraft ist.

 

Weiter ist wichtig, dass jedes Lebewesen nur insofern es wahrnehmungsfähig ist, einen Schaden vom betreffenden Wahrnehmungsgegenstand erleiden kann (infolge zu starker Ausprägung dieses). Allerdings wirken chemische Mittel auch auf  unbeseelte Dinge.

 

 

Buch III

 

Es fährt noch einige Zeit mit den Wahrnehmungsvermögen fort und geht dann über zum Vorstellungs-, Denk- und Bewegungsvermögen (Streben).

 

Kapitel 1

 

Es dient dem Nachweis, dass es nicht, wie Demokrit angenommen hat, mehr als 5 Sinne gibt. Aristoteles versucht die Sinne den vier klassischen Elementen zuzuordnen, was er in andern Schriften, z. B. "De sensibus", genauer ausführt, etwa:

·        Wasser - Auge,

·        Luft - Ohr,

·        Feuer - Geruch,

·        Erde - Tast- (und Geschmacks-) sinn.

 

Bewegung und Ruhe, Grösse und Gestalt, Zahl (Nicht-Eins; Negation der Kontinuität) und Einheit werden nebenbei wahrgenommen, es gibt  für diese nicht je einen eigenen, zusätzlichen Sinn.

 

Dass die verschiedenen Sinne, beispielsweise zur Feststellung von Bewegung, zusammenarbeiten, ist klar; dass es verschiedene Sinne sind, ist notwendig, damit die einzelnen Gegenstände als verschiedene klar heraustreten.

 

Kapitel 2

 

Die Frage ist nun: Womit stellen wir fest, dass wir z. B. sehen oder hören?

 

Wiederum fehlt der Hinweis auf ein gemeinsames Hauptorgan (Herz); hier heisst es etwa, dass der Sinn sich selber wahrnimmt, dazu müsste er aber selber Farbe  haben.

Weiter ist komplizierend, dass wir auch ohne (Farbe zu) Sehen mit dem Gesichtssinn  Finsternis und Helle unterscheiden können.

 

Die Wirklichkeit des Wahrnehmbaren (Wahrgenommenen) und der Wahrnehmung ist ein und dasselbe, ihr Sein ist aber nicht dasselbe; die Wahrnehmung ist identisch mit dem wahrgenommenen Gegenstand.

Die Wirksamkeit des Wirkungs- und Bewegungsfähigen findet sich in dem (die Einwirkung) Erleidenden, im Wahrnehmungsfähigen. Durch die Unterscheidung  zwischen Möglichkeit und Wirksamkeit wird verständlich gemacht, dass wenn gleich z. B. Farbe vom Sehakt abgesehen nur der Möglichkeit nach da ist, eben doch, nur in anderer Weise da ist.

 

Einige Einzelbeispiele folgen: Gehör ist ein Zusammenstimmen (Zusammenklang der Stimme beispielsweise), also ein Verhältnis (logos); desgleichen bei den anderen Sinnen.

 

Übermass zerstört oder schädigt den Sinn (macht Beschwerden); reine, unvermischte Geschmacksqualitäten sind angenehm, noch angenehmer: (harmonische) Verhältnisse (das Gemischte, der Zusammenklang, die Temperierung).

 

Eine lange Ausführung folgt über die Aufnahme verschiedenartiger Sinnesgegenstände in "einem Akt" (ama). Die Frage ist: Wie nehmen wir wahr, dass die Wahrnehmungsgegenstände voneinander verschieden sind? Kann nur ein Ungetrenntes (dasselbe Organ) oder das im Hinblick auf sein Sein Getrennte die Getrenntheit aussagen? Die Lösung ist: Zwei Wahrnehmungen sind doch auch eine, wie der Punkt des Geometers einerseits Eins ist, andererseits als Grenze zweier aneinander schliessender Strecken Zwei, Anfang und Ende.

 

Kapitel 3

 

Es bringt den Übergang zum Denkvermögen: das Vorstellungsvermögen.

 

Zuerst wird die Ansicht der Vorsokratiker besprochen, dass Denken (Erfassen, Begreifen, phronein) eine Art Wahrnehmung  sei. (Irrtum ist zudem den Lebewesen eigen.)

Wichtig ist die Feststellung, dass Kenntnis (Wissen) des einen Dinges auch die des entgegengesetzten einschliesst.

 

Nun sind aber Wahrnehmen und Denken gewiss nicht dasselbe. Das Denken teilt sich in richtiges :

Einsicht, phronesis;

Wissen, episteme;

wahre Meinung, doxa; und

geistiges Erfassen, nous

 

und falsches (d. h. ihr Gegenteil).

 

Die Wahrnehmung der eigentümlichen Gegenstände ist immer wahr, und sie kommt auch allen Tieren zu, das Nachdenken (dianoia) kann auch falsch sein und kommt nur dem Wesen zu, das Verstand (logos) hat.

 

Die Vorstellung (phantasia) liegt zwischen Wahrnehmen und Denken. Denken oder Nachdenken und Annahme (hypolepsis) stehen über der Vermutung, Meinung (doxa); diese Substantive sind aber oft austauschbar in Aristoteles' Gebrauch.

 

Vorstellung ist unserer Willkür anheim gegeben, das denkende Erfassen oder Meinen (fast) nicht, sondern ist wahr oder falsch. Wenn wir etwas  Schreckliches meinen, werden wir sofort innerlich ergriffen, bei der Vorstellung verhalten wir uns eher beschauend.

 

Die Vorstellung als ein Teil des Denkens (der andere: Denktätigkeit, hypolepsis) wird nun besprochen. Sie ist nicht Wahrnehmung (auch nicht verwirklichte), deshalb auch nicht bei allen Tieren vorhanden. Die Wahrnehmungen sind immer wahr, von den Vorstellungen ist die Mehrzahl falsch. Ist die Vorstellung also Meinen (Vermuten), da es ein solches falsch und richtig gibt? Nein, denn mit Vermuten ist Zutrauen verbunden, mit diesem Überzeugtsein, mit diesem Verstand.

 

Vorstellung ist also weder Wahrnehmung noch Vermutung (denn gleichzeitig kann Wahrnehmung das eine, Vermutung etwas anderes behaupten) noch deren Verbindung, sondern eine Art schwache Bewegung (Wahrnehmung).

 

Aristoteles gibt hierauf auf dem Umweg über die Wahrnehmung eine Erklärung des möglichen Irrtums; dann schliesst er: Die Vorstellung ist die Bewegung, die von der verwirklichten Wahrnehmung ausgeht; weil die Vorstellungen zurückbleiben (verblassen) und den Wahrnehmungen ähnlich sind, tätigen die Lebewesen vieles nach den Vorstellungen, die einen, weil sie keine Vernunft haben, wie die Tiere, die anderen, weil die Vernunft zuweilen durch Leidenschaft, Krankheit oder Schlaf verhüllt wird, wie die Menschen.

 

Kapitel 4

 

Es bringt die Besprechung der Denktätigkeit (hypolepsis), also des Seelenteiles, mit dem die Seele erkennt (gignoskein) und begreift (phronein).

Das Denken (noein) ist ganz analog, parallel wie die Wahrnehmung als ein Erleiden gesehen, seitens des gedachten Gegenstandes (des Denkbaren). Erleiden ist aber nur ein behelfsmässiger Ausdruck, denn der denkende Seelenteil ist auch leidensunfähig, d. h. er ist fähig, die Form aufzunehmen (ist aber nicht die Form selber), er ist, genauer, der Möglichkeit nach so beschaffen wie die Form (der Form gleich) und ein noch nicht Bestimmtes. Er ist rein ein Vermögen (dynaton), unvermischt, damit er herrsche (wie bei Anaxagoras), d. h. damit er erkenne; er ist durch nichts schon Verwirklichtes in der Freiheit gehemmt.

 

Der Geist (nous, noetikon) besitzt Nachdenken (dianoeisthai) als höchste Funktion, daneben Vermuten; er hat kein körperliches Organ (Werkzeug) in der Art der Sinneswerkzeuge (ist irgendwie vom Körper getrennt). Man kann richtig sagen: Die Denkseele ist der Platz der Denkformen (Platon).

Im Gegensatz zur Wahrnehmung wird der Geist durch übermächtige Gegenstände nicht beeinträchtigt oder zerstört, sondern er wird eher angeregt dadurch.

 

Zusammenfassend: Der Geist ist irgendwie der Möglichkeit nach die denkbaren Dinge, aber in der Erfüllung (Wirklichkeit) keines, bevor er denkt.

 

Zusätzlich: Der Geist ist auch selbst denkbar wie die denkbaren Dinge; denn bei Dingen ohne Materie ist Denkbares und  Gedachten dasselbe (nach Anaxagoras), d. h. dasselbe kann man denken und kann sein; das betrachtende Wissen (episteme theoretike) im Sinne der Betätigung (Verwirklichung)  und das entsprechend Gewusste (theoretikos) sind dasselbe.

 

Dinge, die Materie haben, sind  der Möglichkeit nach Denkgegenstände, bis sie der Geist im Denken von der Materie ab trennt und in verwirklichte Denkgegenstände verwandelt. Diesen Dingen kommt also nicht Geist zu; denn der Geist ist die Kraft (im Sinne der Formkraft, oder: Inbegriff) dieser  materiebehafteten Dinge und ist wesensmässig mit ihnen gleich nur nach Abtrennung der (ihrer) Materie. Umgekehrt, da die Formen abgetrennt von der Materie nur im denkenden Geist existieren, fällt dieser mit den Formen, den Denkgegenständen zusammen (und ist damit auch selbst denkbar). Dem materielos Denkenden (nicht wie bei Platon den materielosen Denkgegenständen) kommt die Führung zu.

 

Kapitel 5

 

Seine Dunkelheit und Kürze sind berüchtigt.

 Wehrend bei der Wahrnehmung der Gegenstand aussen ist und so wirkend (poietikon), dass die Möglichkeit der Wahrnehmung verwirklicht wird, ist beim Denken der Denkgegenstand nicht aussen; er fällt mit dem Denken zusammen (das Denken hat die Führung).

Da ist also eine höhere Instanz nötig ,das Denken anzutreiben, ein Wirkendes, Tätiges (poietikon), der sogenannte nous poietikos (dem Wesen nach Betätigung), dem gegenüber der ganze zugrundeliegende dreigestufte Geist nous pathetikos ist.

 

Die drei Stufen sind

·        1) vor dem Lernen( prin mathein, dynamei)

·        2) Wissen (episteme, dynamei pos)

·        3) betätigtes Denken (noein, energeia).

Wichtig ist, dass 3), das verwirklichte Denken, nicht mit dem tätigen Geist zusammenfällt. Der Geist (nous poietikos) ist der Materie überlegen, er denkt immer, seine Seligkeit ist eine dauernde und so abgetrennt von jeder anderen; er ist also unsterblich, ewig und "Einheit des absoluten Geistes". Der leidende Geist (nous pathetikos) ist sterblich und denkt ohne den nous poietikos nichts.

 

Kapitel 6

 

Es schliesst an Kapitel 4 an und handelt über die Denkgegenstände, sei es in der Vereinzelung, sei es in ihrer Verbindung in Satz und Urteil.

Das Denken läuft auf Verbindung oder Trennung des Zusammengehörigen und Nichtzusammengehörigen hinaus. Weiter: Der Geist ist das Einheitsbewirkende. Eine Einheit (= Unteilbares) kann nur der Möglichkeit nach aufgeteilt werden, also nebenbei und nicht dem Wesen nach (Beispiele sind Länge und entsprechende Zeit).

 

Das Erkennende muss der Möglichkeit nach auch sein Gegenteil sein; die (einzige) Wesenheit, die kein Gegenteil neben sich hat, sich selbst erkennt und reine Tätigkeit (Betätigung) und abgetrennt ist, ist der göttliche Geist.

 

Ein bejahendes oder verneinendes Urteil sagt etwas aus, und jedes ist wahr oder falsch. Nicht jede geistige Erkenntnis (nous) ist es (so),vielmehr ist die auf das Wesen des Dinges bezogene (= Intuition) wahr und sagt nicht etwas über etwas aus.

 

Kapitel 7

 

Es enthält eine Anzahl von Einzelüberlegungen, greift bereits Gesagtes wieder auf.

 

Parallelen zur Wahrnehmung werden gezogen. Bei der Betrachtung von Lust-Unlust (angenehm - unangenehm, schmerzlich) fällt zum erstenmal der Begriff orexis (Streben, Begehren), d. h. annehmendes oder abweisendes Urteil führen zum praktischen Streben oder Meiden, Ausweichen (phyge).

Die Betätigung der "wahrnehmenden Mitte" (da Wahrnehmung gleichsam die Mitte ist zwischen der Gegensätzlichkeit im Wahrnehmbaren) in Richtung auf die Extreme: das Gute bzw. Schlechte als solches (Angenehmes bzw. Unangenehmes) fällt nun auch mit den Betätigungen von Streben und Meiden, wie auch mit diesen Vermögen zusammen, sowie letztere untereinander (das Sein aber ist in all diesen Fällen verschieden).

 

Parallel wie bei der sinnlichen Wahrnehmung ist auch mit dem geistigen Erfassen Streben und Meiden verbunden. Zudem: Für die Denkseele sind die Vorstellungsbilder wie Wahrnehmungsbilder, erstere sind also conditio sine qua non für das Gedächtnis, die denkende Seele.

 

Die Denkkraft (to noetikon oder dianoetike psyche) denkt die Formen anhand von Vorstellungsbildern (phantasmata, ähnlich: noemata),und da ihr in diesen das zu Erstrebende und zu Meidende beschlossen ist, so wird sie auch ohne die Wahrnehmung, wenn sie bei den Vorstellungsbildern weilt, in Bewegung versetzt, d. h. zum Handeln (praxein).

 

Schliesslich: Der verwirklichte Geist fällt mit den Denkgegenständen zusammen (oder: das verwirklichte Wissen mit der Sache).

 

Kapitel 8

 

Es knüpft an die vorhergehenden Ausführungen an und schliesst sie, zusammenfassend, ab.

 

Die Seele ist gewissermassen die Gesamtheit der Dinge; denn die Dinge sind entweder sinnlich wahrnehmbar oder denkbar; das Wissen ist gewissermassen die Summe des Wissbaren, die Wahrnehmung die des Wahrnehmbaren.

Das wahrnehmende und wissende Vermögen der Seele ist der Möglichkeit nach gleich den Dingen, dem Wahrnehmbaren auf der einen dem Wissbaren auf der anderen Seite; diese zwei Vermögen sind die Formen der Dinge.

 

Man kann sagen: Gott gab dem Körper die Hand, der Seele den Geist; der Geist ist also wie ein Werkzeug. Die Hand ist das Werkzeug der Werkzeuge, der Geist ist die Form der (Denk-) Formen (der denkbaren Dinge [eidos (eidon) noeton]) und die Wahrnehmung die Form der wahrnehmbaren Dinge.

 

Wichtig ist, dass die denkbaren Formen in den wahrnehmbaren enthalten sind. Und deswegen kann niemand ohne Wahrnehmung etwas lernen oder verstehen, und wenn man etwas erfasst, muss man es zugleich mit einem Vorstellungsbild erfassen; denn die Vorstellungsbilder sind gleichsam Wahrnehmungsbilder, nur ohne Materie. Aber weder die verknüpften (verbundenen) Begriffe in einem wahren oder falschen (und bejahenden oder verneinenden) Urteil noch die unverbundenen (ersten) Begriffe sind Vorstellungsbilder (allerdings sind diese Begriffe nicht ohne Vorstellungsbilder).

 

Kapitel 9

 

Zusammen mit Kapitel 10 und 11 behandelt es das Bewegungsvermögen.

 

Aristoteles greift zurück auf die beiden Bestimmungen der Seele bei den früheren Philosophen als

a)     Erkenntnis- und

b)     Bewegungsvermögen.

 

Von der Seele im ersten Sinne hat er seit dem 2. Buch gehandelt, insbesondere von Wahrnehmung und Denken, das die alten Philosophen kaum schieden.

 

Nun muss noch untersucht werden, was in der Seele das Bewegende ist (die Veranlassung der Ortsbewegung), ob einer ihrer Teile (gedanklich oder räumlich getrennt) oder die ganze Seele.

Es stellt sich also wiederum die Frage, inwiefern man von Seelenteilen sprechen kann oder soll. Platon trennt in überlegenden (logistikon), mutvollen (thymikon, thymoides) und begehrenden (epithymetikon) Teil, andere (Platoniker) in einen vernünftigen (logon) und unvernünftigen (alogon).

Aristoteles selbst geht von der Dreiteilung zur Zweiteilung über. Die Schichtung der Teile beispielsweise nach der "Nikomachischen Ethik"

ist:

 

vernünftig / herrschend

betrachtend (theoretikon)

überlegend (logistikon)

vernunftnah (logon echon)

strebend (orektikon)

unvernünftig / gehorchend

ernährend (threptikon).

 

Dabei gehört der strebende Teil sowohl zum Unvernünftigen wie zum Vernünftigen; dies weil er dem Höheren zu gehorchen vermag.

Die "Nikomachische Ethik" erörtert die Teilbarkeit der Seele nicht; Hauptsache ist dort, dass es unterschiedliche Seelenkräfte (dynameis) gibt. Als die "Nikomachische Ethik" lange nach der Niederschrift von "Peri psyches" und der anschliessenden Schriften von Aristoteles redigiert wurde, änderte er nur den ethischen Teil, nicht aber den psychologischen um.

 

Das Problem aber ist, dass sich der wahrnehmende sowie der vorstellende Seelenteil nicht in das Vernünftige oder Unvernünftige der Zweiteilung einordnen lassen.

Nun, der strebende Teil (orektikon), der nach Begriff (logo) und Vermögen (dynamei) von allen anderen verschieden ist (zu sein scheint), könnte dreiteilig sein:

·        im vernünftigen Teil Wille (boulesis),

·        im unvernünftigen Mut (thymos) und Begierde (epithymia).

 

Das eigentliche Thema kommt hier: Was veranlasst im (beim) Lebewesen die Ortsbewegung? Da Ortsbewegung immer um eines Zweckes willen und entweder mit Vorstellung oder Streben (und Meiden) verbunden ist, scheidet Aristoteles sukzessive alle bisher besprochenen Vermögen aus: Ernährungsvermögen, Wahrnehmungsvermögen, überlegender Teil (logistikon) oder sogenannter Geist (kaloumenos nous) oder praktische Vernunft, betrachtender Geist, da, als Vergleich, etwas anderes die Entscheidung darüber hat, gemäss dem Wissen zu handeln, nicht das Wissen selbst, oder: Auch wenn der Geist gebietet und Überlegung die Anweisung gibt, wird man nicht in Bewegung gesetzt; schliesslich entscheidet auch nicht das blosse (d. h. irrationale, widervernünftige) Streben über die Bewegung. (Der Unbeherrschte handelt nach seiner Begierde; der Beherrschte tut trotz allem Streben und Begehren nicht das, wonach er strebt, sondern er folgt der Vernunft.)

 

Kapitel 10

 

Es bringt die Aufklärung nach der vorangegangenen Eliminierung u. a. von Geist (Denkentscheidung, Vernunft) und Streben. Denn diese beiden scheinen doch die Bewegung zu bewirken; es ist ein Zusammenwirken der zunächst scheinbar auch allein, einzeln ausreichenden Kräfte; beide (nous kai orexis) machen das Ganze der Seele aus.

 

In der "Nikomachischen Ethik": Strebender Geist (Denken) ist der Vorsatz (proairesis) oder denkendes Streben (orektikos nous e orexis dianoetike); es ist hier an die praktische Vernunft (nous praktikos) gedacht, an das zweckgerichtete Denken (Vernunft, die um eines Zweckes willen überlegt [logizomenos]).

 

Die praktische Vernunft unterscheidet sich von der theoretischen durch den Zweck, wenn sich ja auch alles Streben auf ein Ziel richtet; denn das, worauf das Streben geht (d. h. sein Ziel, das orekton), ist der Ausgangspunkt der praktischen Vernunft; der Endpunkt (d. h. der letzte Schritt der praktischen Vernunft) ist der Anfang des Handelns (arche tes praxeos). Also: Die praktische Vernunft bewegt, weil ihr Ausgangspunkt das Erstrebte (der Gegenstand des Begehrens) ist.

Die Vorstellung, die bei den Tieren die Rolle der Vernunft übernimmt, ist ebenfalls mit dem Streben verbunden.

 

Das Bewegende ist also etwas Einheitliches: das Strebenvermögen (to orektikon).

Vernunft und Streben gehören als zwei gleichgeordnete Wesenheiten einer übergeordneten Art (eidos) an, sie ist zugleich Form (bei Platon: Idee).

Bewegt man sich nach der Überlegung, bewegt man sich nach dem Willen; bewegt man sich entgegen der Überlegung, so nach der Begierde. Gemeinsamer Ausgangspunkt (Prinzip) ist das Erstrebte; dieses ist entweder das scheinbar Gute (für das Streben) und das Gute (für die Denkentscheidung), doch nicht jedes Gute, sondern nur das im Handeln sich verwirklichende (praktikon), im Unterschied zum (durch das epistomenikon) theoretisch erfassten Seinswert.

 

Dieses Vermögen der Seele, das sogenannte Streben, bewirkt also die Bewegung. Die Strebungen sind einander entgegengesetzt nach Überlegung (logos) und Begierde; erstere richtet sich nach dem Zukünftigen, letztere nach dem Jetzigen.

Das allererste (der Art) nach ist also das Erstrebte, welches bewegt, ohne (selbst) bewegt zu sein, dadurch dass es gedacht oder vorgestellt wird; der Zahl nach gibt es mehrere bewegende Kräfte.

 

Es gibt also dreierlei

1) das Bewegende (es ist einheitlich):

a) unbewegt: das Erstrebte, das gedacht oder vorgestellt wird, das sich im Handeln verwirklichende Gute (prakton agathon)

b) bewegend und bewegt: das Strebende (Strebevermögen), insofern es strebt, bewegt es, betätigt es sich; zugleich ist es eine Art Bewegung oder Betätigung

2) das, womit es bewegt: das körperliche Werkzeug; das eingeborene, materielle, nicht selbstentscheidende "Pneuma", das sich als Bewegendes und Bewegtes sekundär zum Unbewegten verhält (in ihm fallen Unbewegtes und Bewegtes zusammen wie bei der Türangel oder bei Konvexem und Konkavem, d. h. es ist hier nur begrifflich, nicht räumlich zu trennen) und

3) das Bewegte: das Lebewesen.

 

Nochmals: Insofern ein Lebewesen ein Strebevermögen hat, bewegt es sich selbst; ein Strebevermögen hat es aber nicht ohne Vorstellung; eine solche ist aber entweder mit Denken oder sinnlicher Wahrnehmung (bei den Tieren) verbunden.

 

Kapitel 11

 

Die mit sinnlicher Wahrnehmung verbundene Vorstellung findet sich also bei den Tieren, die mit Planung verbundene (d. h. aus einem Schluss hervorgehende) nur bei den mit Überlegung begabten Lebewesen (welche eben mit einem einheitlichen Massstab messen, d. h. sie können aus mehreren Vorstellungen eine einheitliche machen).

 

Das blosse (d. h. irrationale) Streben bei den Tieren hat nichts Planendes, es besiegt zuweilen den Wille, ist unbeherrscht; von Natur aus aber hat immer das obere Streben (der Wille) mehr Macht und  bewegt.

 

Das Erkenntnisvermögen (epistemonikon) ist mehr ein unbewegt Bewegendes (d. h. es ruht) als ein bewegt Bewegendes wie das Strebevermögen; nicht das theoretische Verhalten, sondern das Handeln ist mit Bewegung verbunden.

 

Kapitel 12

 

Es bildet zusammen mit Kapitel 13 einen Nachtrag, Anhang und hebt die notwendigen Grundbedingungen (Ernährungs- und Wahrnehmungsvermögen) der höheren (im Gegensatz zu den unvollkommenen) Lebewesen hervor.

1)     Die Ernährungsseele ist notwendig für jedes Lebewesen, sie macht Wachstum, Reife und Dahinschwinden möglich.

2)      Für den Tastsinn (den primitivsten Sinn des Wahrnehmungssinnes) ist Fleisch, also ein Gemischtes als Medium notwendig.

Jeder der Fortbewegung fähige (beseelte) Körper ginge ohne Wahrnehmungsvermögen (zur Nahrungsfindung und Erhaltung) zu Grunde. (Den Pflanzen steht als Nahrung das zu Gebote, woraus sie herausgewachsen sind. (Denn alles Natürliche ist ,um eines Zweckes [Zieles] willen da; die Leistung der Natur liegt also darin, zum Ziel zu gelangen.)

 

Der Geschmackssinn ist etwas (ähnlich) wie der Tastsinn. Er ist die Wahrnehmung des Tastbaren und Nährenden. Tastsinn, Geschmack (und eventuell Geruch) dienen dem Leben,  Gehör und Gesicht dem Wohlleben (Wohlsein).

Wenn die der Fortbewegung fähigen Lebewesen erhalten bleiben sollen, müssen sie auch nicht nur durch Berührung wahrnehmen, sondern auch aus der Ferne (Schall, Farbe und Geruch); die Medien sind Wasser und Luft; sie erleiden von Schall, Farbe und Geruch (und Gestalt) eine Einwirkung, solange sie Einheit  sind, und sie bewegen ihrerseits die Sinnesorgane.

 

Kapitel 13

 

Der Körper der Lebewesen muss also gemischt sein (aus Erde, Feuer und, hauptsächlich, Luft und Wasser); er kann keines dieser Elemente einfach sein, da die Sinne gewissemassen immer die Mitte sind.

Das Lebewesen müsste nur bei Verlust (und Übermass) des Tastsinnes sterben (denn das Übermass von Tastbarem zerstört den Tastsinn; durch ihn ist aber das Lebewesen bestimmt). Übermass der übrigen Sinnesgegenstände zerstört nur die Sinneswerkzeuge, nicht aber das Lebewesen im Ganzen.

 

 

 

Systematische Zusammenfassung der aristotelischen Seelenbetrachtung

 

Polaritäten, Wesenheiten, Erfüllungsstufen

 

Die aristotelische Seelenbetrachtung steht unter den Polaritäten von:

a)     Stoff, Materie (hyle; causa materialis) und

b)     Form oder Art (eidos; causa formalis), Gestalt (morphe), Begriff (logos), von

c)      antreibendem Bewegungsprinzip, Bewegungskraft (kinesis; causa efficiens) und

d)     End-Zweck (eneka; causa finalis), verbunden mit Notwendigkeit (anagkes) sowie Zweck, Ziel (ielos; perata)

a), b), c) und d) sind die 4 Gründe oder Prinzipien aus der "Physik" sowie die zwei Ursachen: Zweck und Notwendigkeit

 

e)     Möglichkeit (dynamis) und

f)        Wirklichkeit (energeia), Verwirklichung, Betätigung oder Leistung, Vollendung, Erfüllung (entelecheia)

e) und f) sind bedeutungsgleich

 

g)     Leiden (paschein) und

h)      Tun, (Be-) Wirken (poiein).

 

Stoff ist Möglichkeit, Form Erfüllung.

 

Wesenheit (ousia) gibt es, im Sinne der ersten Kategorie, als

 

A1) zu gestaltender Stoff und

B1) gestaltende Kraft.

 

A2) unbestimmte, ungeformte Materie (also kein bestimmtes Etwas), die die Möglichkeit hat, geformt, d. h. verwirklicht zu werden - ähnlich bei Platon: unbestimmtes Unendliches.

Materie ist nur der Möglichkeit nach (dynamei) bestehend (oder Form), ist das Unerfüllte und so Unwirkliche und Unwirkende, ist der Möglichkeit nach das, was zur Form gelangen kann; sie ist auf Erfüllung und Gestalt angelegt; ist sie verwirklicht, ist sie in der Form, Gestalt ;nur diese sind wirklich und wirkend (energeia).

(Im ethischen Bereich ist bei Platon die [Idee der] Tugend [arete] das Wirkende, die Leistungskraft. Materie kann auch als unbestimmte Zweiheit bezeichnet werden, die durch die Grenzen [peras] oder die Eins [ens, ähnlich Form] geformt werden muss.)

 

B2) bestimmtes Wesen, begriffliche Wesenheit, eigentliches Sein, also Form und Gestalt (vermöge deren nun von einem bestimmten Etwas - tode ti - gesprochen werden kann), die höchstens gedanklich, begrifflich, nicht aber räumlich, real von der Materie abtrennbar ist (wie bei Platon) und in sich, zugleich, das Prinzip der Bewegung hat.

Das Fehlen der Form ist Beraubung, Ermangelung (steresis).

 

C) Zusammengesetztes (Verbindung) aus Form und Materie (A und B). Jeder natürliche Körper ist so, also auch die Lebewesen, der Mensch.

 

Es gibt drei Erfüllungsstufen:

 

a) der Möglichkeit nach:

1) blosses Vermögen (dynamis), Veranlagung, Anlage, Fähigkeit (= der Gattung nach), z. B. Wissen (episteme; dynamei pos),Wahrnehmen. Beim Denken heisst es "vor dem Lernen" (prin mathei; dynamei).

2) nicht immer gut von 1 unterscheidbar: latentes Haben, d. h. Besitzen, Innehaben und Nicht-betätigen, -verwenden (hexis = Kraft, Besitz), z. B. das Wahrnehmungsvermögen. Solches Besitzen findet sich im Schlaf, es ist sogleich zur Ausübung fähig.

 

b) in der Vollendung:

3) Ausüben, Gebrauchen, Vergegenwärtigen, Betätigen, Wirken (energeia = wirkende Leistung; aplos energeia = Betätigung schlechthin; Verwirklichung) theorein (Betrachten = Anwenden des Wissens). Beispiele: verwirklichte Wahrnehmung, betätigtes Denken (noein). Dies findet statt im Wachen. (All dies ist "früher", d. h. primär.)

 

Wesenheiten, Bewegung

 

Wesenheiten.(ousiai) scheinen am meisten die Körper, Gegenstände (somata) zu sein und unter ihnen besonders die natürlichen (physika), welche die Grundlage für die technisch bearbeiteten sind.

Von den natürlichen haben die einen Leben (zoen), die andern nicht. Leben heissen wir Ernährung eines Körpers (trophen), Wachstum (auxesis) und Abnahme durch sich selbst (phtisin). Jeder natürliche belebte Körper ist zusammengesetzte Wesenheit.

 

Das Beseelte ist vom Unbeseelten durch das Leben geschieden. Ein Wesen hat Leben, wenn ihm auch nur eines der folgenden zukommt: Vernunft (nous), Wahrnehmung (aisthesis, als Umwandlung), Bewegung und Stillstand an Ort, Bewegung in der Ernährung, Wachstum und Hinschwinden.

 

(Die Arten der Bewegung sind, etwas genauer:

a)     Ortsbewegung (Fortbewegung) und Stillstand

b)     Umwandlung (d. h. Veränderung der Beschaffenheit; alloiosis); hierzu gehört die Wahrnehmung

c)      Wachstum (und Reife, Altern und Hinschwinden, Schwund; also Entstehen und Vergehen; zudem Ein- und Ausatmen sowie Schlaf und Wachen)

d)     Ernährung, Erhaltung, Fortpflanzung.)

 

Seele: allgemein

 

1. Es gibt keinen allgemeinen Begriff (logos) der Seele, keine zusammenfassende Gattung (genos).

 

2. Die Seele ist einheitlich (Einheit), nicht nach der Zahl (dem Subjekt), sondern nach der Art; sie ist also der Erfüllung nach eine Einheit, der Möglichkeit nach eine Vielheit.

 

3.Die Seele hält den Körper zusammen. Seele und Körper sind zusammen das Lebewesen. Die Seele ist im allgemeinen vom Körper nicht getrennt, d. h. sie ist dem Körper verhaftet und gestaltet ihn organisch (man kann sagen, in Mensch und Lebewesen ist die Seele physis geworden); dennoch kann Aristoteles den Körper getrennt, als Träger (dektikon) oder Unterlage, Substrat, hypokeimenon) oder wie die Materie betrachten.

Die Seele ist weder ohne Körper noch ein Körper; sie ist etwas am Körper, und deswegen ist sie in einem so und so beschaffenen Körper.

Die Seele muss den Körper als Instrument (Organ, Werkzeug) benützen wie die Kunst die (Musik-) Instrumente; beide entsprechen und nützen sich.

 

4. Die Seele ist gewissermassen die Gesamtheit der Dinge, denn die Dinge sind entweder sinnlich wahrnehmbar oder denkbar; das Wissen ist gewissermassen die Summe des Wissbaren, die Wahrnehmung die des Wahrnehmbaren.

 

5. Die Seele als Natur (als zur belebten Natur = zoike physis gehörig) - daneben gibt es den vom Naturwissenschafter nicht behandelten vernünftigen Geist, eine "überphysische Seele", mit welcher der Metaphysiker sich beschäftigt; der Naturwissenschafter gibt sich nur mit den Leistungen und Affekten (erga kai pathe) ab - ist:

 

a) Grund, Prinzip der Lebewesen (arche ton zoon), des Seins und des Lebens; Grundkraft der Vermögen und durch sie bestimmt

 

b) Ursache (aitia) als:

1)     Wesen (ousia)

2)     Bewegungsanstoss, -prinzip (kinesis)

3)     Endzweck, Ziel (eneka) von etwas und für etwas

 

c)

1)     Form des Lebens (eidos tes zoes), Wesenheit im Sinne der Form des natürlichen (somatos physikos), d. h. des beseelten Körpers, der in sich das Prinzip, den Grund der Bewegung und des Stillstandes hat, somit seiner Möglichkeit nach Leben hat, also organisch ist, d .h. mit Werkzeugen (organa) für bestimmte Lebenstätigkeiten ausgerüstet. Seele (wie auch Natur [physis]) ist Form des der Möglichkeit nach Bestehenden (dynamei ontos), dessen was die Möglichkeit hat, so und so zu sein, nämlich so, dass die Seele innewohnen kann

2)     ähnlich c) 1): Begriff (logos), Wesenheit im begrifflichen Sinne (ousia kata ton logon), eigentliches Sein (to ti en einai)

3)     aus c) 1): (vorläufige) Erfüllung (entelecheia; nach endelecheia = Fortdauer gebildet) des Körpers

4)     Verwirklichung, Leistung, Betätigung, Wirksamkeit (energeia, ähnlich arete) des Körpers, des Trägers. Die Leistung der Seele liegt im Vollzug psychophysischer Prozesse.

5)     also Leistungsfähigkeit, wie das Wissen, die dritte Erfüllungsstufe.

 

Zusammenfassend und kurz: Die Seele ist die Wirklichkeit des Leibes.

 

Seele: Doxographie und Kritik

 

Aristoteles zerpflückt und verneint in seiner Doxographie (De an. Kap. 2-5) die Auffassungen der Vorsokratiker, nach welchen die Grundeigentümlichkeiten der Seele sind:

 

a) Bewegung, Bewegungsfähigkeit auf Grund der Selbstbewegung; sie ist bewegtes (und) Bewegendes, das Bewegungsfähigste; d. h. sie bewegt den Körper und bewegt sich wesensmässig selbst (Platon)

 

b) Wahrnehmung(s-) und Erkenntnisvermögen auf Grund ihrer Elementenhaftigkeit, d. h. dem Grundsatz: Gleiches wird von/mit Gleichem erkannt

 

c) Unkörperlichkeit auf Grund ihrer Feinteiligkeit, ihres Feuer- oder Luftcharakters, sowie

 

d) Harmonie (Mischung, Verhältnis oder Proportion, Zusammenpassen, -fügung von Körperteilen), Kreisbewegung

 

e) Seelenwanderung (Beliebiges Ein- und Austreten in einen beliebigen Körper), Unsterblichkeit, Auferstehung.

 

Aristoteles Ansicht ist demgegenüber:

 

Die Seele ist bloss das Bewegende, nicht aber das Bewegte. Die Seele ist unbewegt, sie wird (höchstens) nebenbei bewegt; sie wird in dem bewegt, in welchem sie sich befindet, und dieses wird von ihr bewegt.

Die Seele ist also eher Ursache der Bewegung für den Körper.

Die Seele scheint das Lebewesen mittels eines Vorsatzes (proairesis), als überlegendes Streben (bouleytike orexis) und mittels einer Denktätigkeit (noesis) zu bewegen.

 

Seele: begleitende Eigenschaften und Teile

 

Die Seele hat (neben dem Wesen):

 

1) begleitende Eigenschaften, Eigentümlichkeiten (symbebekota)

A) eigentümliche Affektionen (idia pathe)

Ba) hauptsächlich gemeint: psychophysische, d. h. mit dem Körper verbundene Affekte oder Affektionen (pathe oder pathemata; verbal: paschein und poiein). Diese sind von der Seele aus dem Lebewesen zukommend; man kann sie auch Triebregungen, Emotionen nennen

Bb) ähnlich Ba): Leistungen (erga),Tätigkeiten, Betätigungen, Ausübungen (energeia oder praxis) oder Akte, z. B. das Wahrnehmen, das Denken

 

2) Teile (moria) oder Vermögen (dynameis oder kineseis) oder Fähigkeiten (Leistungs-) Kräfte (hexis), Grundkräfte (arche); auch Anlagen, Begabungen genannt, z. B. das Ernährungs-, Wahrnehmungs- und Bewegungsvermögen, der denkende, betrachtende Geist, das betrachtende, das Denkvermögen (Überlegen)

 

3) Objekte der Tätigkeiten (bei Aristoteles eher den Vermögen gegenüberstehend) (antikaimenon), z. B. das Wahrnehmbare, das Denkbare (dazu kommen als Bewegungsvermittler die Medien)

 

4) erworbene Fertigkeiten, Kenntnisse (Können; techne), z. B. die Künste, Wissenschaften

 

5) Grundhaltungen, Gesinnungen (hexeis),welche freiwillige Entscheidungen verlangen ("Nikomachische Ethik")

 

zu 1) den Affekten:

 

Gemütsbewegungen, Affekte sind Bewegungen (kineseis) und Bewegtwerden (kinesthai), nicht der Seele, sondern von der Seele her, also Bewegungen eines von der Seele bewegten Körperorgans (Sinnesorgans), z. B. Furcht eine Art Bewegung des Herzens.

Nicht die Seele hat Gemütsbewegungen, sondern der Mensch mittels der Seele; nicht in ihr vollzieht sich also die Bewegung, sondern die Affektionen sind solche des Trägers, des Lebewesens, insofern dieses die Seele (und den Geist) in sich trägt.

Somit sind Affekte materiegebundene Begriffe (logoi enhyloi), Wesensform.

 

Die Definitionen sehen etwa so aus: Zorn ist eine Art Bewegung (Form) des so und so beschaffenen (= beseelten) Körpers oder Körperteiles oder Vermögens (oder: in der und der, in einer so und so beschaffenen Materie) unter der und der Einwirkung (pathemata; antreibendes Bewegungsprinzip) zu dem und dem Zweck. Affektionen sind also Erleiden wie Tun, wirken.

Zu den Affekten gehören auch irgendwie Nachdenken, Wahrnehmen, Überlegen, Wiedererinnern.

 

Die Affekte können

a)     nach Form und Begriff und Gestalt (vom Dialektiker, dialektikos)

b)     nach der Materie, also physisch (vom Naturforscher, physikos)

sowie

c)      nach ihrer Verbindung (Form in der und der Materie)

betrachtet und behandelt werden.

 

Genauer (revidiert): Es gibt vier Arten von Affekten:

1) die Leistungen und Affektionen (Form; materiegebundene Begriffe) der so und so beschaffenen Materie, also die unabgetrennten (untrennbaren) des natürlichen belebten Körpers (welche der Physiker behandelt),

2) die unabgetrennten nicht natürlichen Affektionen der Materie:

a) die technischen (welche Techniker, Arzt und Architekt behandeln),

b) die abstrakten, durch Abstraktion von der Materie gewonnenen (welche der Mathematiker beurteilt),

3) die abgetrennten (welche der Metaphysiker, der Erste Philosoph oder Theologe betrachtet).

 

Die Seelenvermögen (Übersicht)

 

Aristoteles findet: "Dass die Untersuchung über jedes einzelne Vermögen gleich die angemessenste über die Seele ist, leuchtet ein."

Diese Vermögen sind (sie bilden eine Hierarchie):

 

Nur bei Pflanzen (phynomena; phyta)

 

1. Ernährungs- und Zeugungsvermögen (threptikon)

es leistet Verdauung und Er-Zeugung eines gleichartigen Wesens

sowie Bewegung in Wachstum und Schwund

(möglicherweise: Ein- und Ausatmen, Schlaf und Wachen)

 

Nur bei Tieren (zoon; Plural: zoa)

 

2. (Sinnes-) Wahrnehmungsvermögen (aisthetikon - aisthesis)

a) primär und notwendig:     Tastsinn (haphe) zur Wahrnehmung der Nahrung

Geschmack (geysis)

b) die andern Sinne, welche mehr zum "Wohlsein" dienen:

Geruch (osme; osphresis)

Gehör (akoe)

Gesicht (opsis)

 

3. Ortsbewegungsvermögen (kinetikon - kinesis kata topon)

nicht bei allen Tieren, z. B. nicht bei den Zoophyten

oder: Strebevermögen (orektikon - orexis) verbunden mit Begierde, Mut, Wille

sowie mit Lust und Schmerz (Unlust), Angenehm und Unangenehm,

z. B. Hunger und Durst

 

4. Vorstellungsvermögen (phantastikon - phantasia)

 

Nur beim Menschen (vernüftige Vermögen)

 

5.a)     Meinungsvermögen (doxastikon - doxa)

5 b)     Überlegungs-, Nachdenkungs- (ev. Vermutungs-) vermögen

(logistikon - logismos oder hypolepsis)

(dianoetikon - dianoia)

 

6.a)     betrachtendes Vermögen (theoretikon, theoretike dynamis)

Denkvermögen, Denkkraft (dianoetike psyche)

Geist (Vernunft) (nous oder noetikon - noein - noesis)

6.b)     Erkenntnisvermögen (epistemonikon)

 

6. bildet den nous pathetikos;

 

7. darüber steht der nous poietikos (als höchste Instanz, die das Denken antreibt, die dem Wesen nach Betätigung ist, unsterblich und ewig, ähnlich also irgendwie dem absoluten, göttlichen Geist (somit etwa abtrennbar).

 

Das niedrigere Vermögen impliziert nicht das höhere, aber umgekehrt: Der untere Teil ist also je im oberen aufgehoben, inbegriffen, das Spätere enthält (der Möglichkeit nach) immer das Frühere mit; das Obere bedarf des Unteren, hat aber noch etwas mehr.

 

(Wo bleibt das Gedächtnis?)

 

Die Vermögen und das Erleiden, Bewegen, Wirken

 

a) Nahrung:

·        sie hat die Möglichkeit, verdaut zu werden und macht so das Vermögen zur Wirksamkeit; sie ist das Mittel der Ernährung.

·        sie erleidet eine Veränderung seitens des Genährten (des das Ernährende = unterste Seele tragenden Körpers), nicht aber dieses seitens der Nahrung. Was die Verdauung betätigt, verwirklicht, ist das Warme des beseelten Körpers.

 

b) allgemein:

·        Vermögen ist zuerst Möglichkeit (nur der Möglichkeit nach das) gegenüber der Verwirklichung

·        Doch sowohl Vermögen wie die Akte, wie die Gegenstände (von denen die Wahrnehmung ausgeht) haben Möglichkeit und Wirklichkeit.

·        Alles leidet und wird bewegt von einem Tätigen (poietikon) und Verwirklichten (energeia ontos).

·        Erleiden ist
a) Seinsverlust durch ein Gegenteiliges, Vernichtung durch Entgegengesetztes (das spielt bei der Wahrnehmung keine Rolle)
b) Übergang von Möglichkeit zur Verwirklichung, von der Anlage zum Besitz (und zum Anwenden); sie ist Erweckung des der Möglichkeit nach Bestehenden durch das, was der Erfüllung nach da ist (durch das in der Erfüllung Stehende); also der Besitz (hexis) wird verschafft (wie auch die Anwendung) von einem verwirklichten Tätigen aus.

 

c) Die Wahrnehmung:

 

1) Die Wahrnehmung ist eine Umwandlung (Sich[ver]wandeln, -ändern) und beruht auf Bewegt werden (kinesthai), Verwandelt werden und hauptsächlich Erleiden (paschein) einer Einwirkung (Aufnehmen und Erleiden einer Form) sowie Sich betätigen, Verwirklichen (energein)

 

2) Also: Die verwirklichte Wahrnehmung (das Wahrnehmen) ist eine Bewegung (der Seele) mittels des Körpers, wobei das Sinnesvermögen etwas leidet (seitens des Mediums); der Sinn erleidet Einwirkung und Veränderung (Leiden und Wandel)

 

3) Verwirklichtes Wahrnehmen (= Betrachten, betätigtes Wissen) (aisthanestai) kommt durch das verwirklicht Wahrnehmbare zustande, ist (wird) identisch mit ihm. Die verwirklichte Wahrnehmung ist die Wirklichkeit des Wahrnehmbaren. Der Sinnesgegenstand (= das Wirkende) macht das Organ, das nur der Möglichkeit nach so ist, zu etwas derartigem, wie er selbst ist.

Das Sehfähige wird also vom Sehgegenstand zum Wirken gebracht. Das Wahrnehmbare macht aus dem der Möglichkeit nach bestehenden Wahrnehmungsvermögen das Verwirklichte (es bewegt und bewirkt).

 

4) Das Wahrnehmungsvermögen ist der Möglichkeit nach so beschaffen, wie das Wahrnehmbare schon der Erfüllung nach ist, d. h. es erleidet eine Einwirkung solange es nicht gleich ist; ist das Erleiden aber vorüber, so ist es angeglichen und gleicht dem Wahrnehmbaren.

Das (wahrnehmende oder wissende) Vermögen ist der Möglichkeit nach gleich den Dingen (dem Wahrnehmbaren oder Wissbaren). Es (der Geist und die Wahrnehmung) ist die Form der (wahrnehmbaren und denkbaren) Dinge. Die denkbaren Dirne sind in den wahrnehmbaren enthalten.

 

5) Wahrnehmung ist das, was fähig ist, die wahrnehmbaren Formen ohne Materie aufzunehmen. Das "Wahrnehmungsbild" ist der Gegenstand ohne Materie.

 

6) Einwirkung und Erleidung sind im Erleidenden, nicht im Einwirkenden. Die Wirksamkeit des  Wahrgenommenen (z. B. Schall) wie des Wahrnehmungsfähigen (Gehör) sind beide im Wahrnehmungsfähigen (zusammenfallend), haben aber verschiedenes Sein.

Also: In dem von der Einwirkung betroffenen (dem der Möglichkeit nach Vorhandenen = Vermögen) sind die Bewegung und die Einwirkung (der Schall) und das Erleiden und die wirkliche Wahrnehmung.

Kurz: Im Organ findet die Wahrnehmung statt. Das Vermögen und Organ fallen zusammen, aber ihr Sein ist verschieden. Das Organ ist eine ausgedehnte Grösse, die Wahrnehmung Form, Begriff und Kraft (dynamis).

 

7) Was bei der Wahrnehmung die Verwirklichung hervorruft ,ist aussenstehend und einzeln. Was beim Denken die Verwirklichung hervorruft (= das Denkbare) ist das Allgemeine und ist irgendwie in der Seele; deshalb liegt das Denken in der Macht (Gewalt) des Wollens.

 

8) Über den Gegenstand des einzelnen, nicht austauschbaren Sinnes ist keine Täuschung möglich, d .h. die Wahrnehmung der eigentümlichen Gegenstände ist immer wahr.

 

9) Es gibt eine Zweiseitigkeit:

1.      Das Vermögen muss wirken (sich betätigen) = wirkliche Wahrnehmung (z. B. Hören)

2. Der Gegenstand muss wirken, z. B. wirklicher Schall (Schallen).

 

10) Wie die Seele Erfüllung des Körpers ist, so ist die Sehkraft die Erfüllung des körperlichen Organs, also sozusagen eine Teilseele. Das Verhältnis Seele/ einzelne Leistungsvermögen ist gleich dem Verhältnis Organischer Körper/ seine Teile.

 

11) Übermass der wahrgenommenen Dinge zerstört das Organ (Sinneswerkzeug) - nicht aber das Lebewesen -, da zu starke Bewegung des Organs die Form zerstört. Doch das Übermass des Tastbaren zerstört das Lebewesen, denn durch den Tastsinn ist es bestimmt.

 

12) In dem, was die Einwirkung erleidet und was in eine Verfassung gesetzt wird, scheint die Wirksamkeit der wirkungsfähigen Kräfte (des Wirkungs- und Bewegungsfähigen, d .h. des Gegenstandes) gegenwärtig zu sein.

Die Erfüllung eines jeden Dinges pflegt in dem der Möglichkeit nach Bestehenden und in der zugehörigen Materie innezuwohnen.

 

13) Das wahrnehmende Organ braucht ein Medium (Zwischenstoff; metaxe; ähnlich: Träger), um mit dem Gegenstand in Berührung zu kommen, denn auf Berührung, Kontakt beruht jede Sinneswahrnehmung.

Dieses Medium kann sein: Luft (einheitliche, zusammenhängende, nicht zerflatternde)

Wasser,

beide für Gesicht, Gehör, Geruch,

Fleisch (zwischen Haut, Haaren und Knochen), und zwar ein Gemischtes (nicht einfach; kein einzelnes der vier Elemente); es ist bei Geschmack und Getast.

Von Farbe, Geruch und Schall (Ton, Stimme) wird das Medium erregt, bewegt (kinei), erleidet eine Einwirkung, von diesem das jeweilige Sinnesorgan, -werkzeug, das also etwas von Medium erleidet. Das Medium ist Bewegungsvermittler.

 

d) Einzelnes:

 

Sichtbar sind hauptsächlich die Farbe und das Phosphoreszierende, Glühende, Leuchtende; sie haben in sich die Ursache der Sichtbarkeit.

Die Farbe erregt das wirklich Durchsichtige (das Medium).

 

Beim Geschmack: Statt dem Medium gibt es hier einen Träger des Geschmackes, die Feuchtigkeit. Das Sinnesvermögen wird in der Wahrnehmung zum Gegenstand, fällt also beim Geschmack mit dem Feuchten zusammen. Das Schmeckbare führt das Geschmacksorgan (das zuvor die entsprechende Fähigkeit hat), das Vermögen (das der Möglichkeit nach so beschaffen ist) zur Verwirklichung, Erfüllung.

 

Das Wahrnehmungsvermögen des Tastbaren ist im Innern, etwa das Herz, ein gemeinsames Sinnesorgan (kyrion aistheterion). Herz als überhaupt zentrales Organ: koinon oder eschaton aistheterion.

 

e) Wahrnehmende Mitte:

 

Jedes Sinnesvermögen bezieht sich auf einen Gegensatz.

Die Wahrnehmung ist gleichsam die Mitte (mesotes) (eine Art Verhältnis, logos) zwischen der Gegensätzlichkeit im Wahrnehmbaren (aller wahrnehmbaren Gegenstände) - wir nehmen nur die Überschüsse wahr - , denn das Mittlere hat die Fähigkeit zur Unterscheidung. Das Mischungsverhältnis ist das Wahrnehmungsvermögen. Also: Wahrnehmende Mitte.

 

f) Schema:

 

Gegenstand

 

Tätigkeit

 

Seelenteil, -vermögen

Objekt

Medium

Akt (ama)

 

 

-bares

 

das Wahrnehmen

die Wahrnehmung

im Sinnesorgan, -werkzeug

 

 

das Denken

die Einsicht (z. B.)

im Körper

möglich

 

möglich

möglich

möglich

wirklich

 

wirklich

verwirklicht

betätigt

 

 

Ortsbewegung und Streben

 

Das Beseelte unterscheidet sich vom Unbeseelten, wie bereite erwähnt, hauptsächlich durch zwei Merkmale (Kräfte, Tätigkeiten, Hauptfunktionen, Grundeigentümlichkeiten):

1)     Veranlassung der Ortsbewegung; Bewegungsprinzip; (Orts-) Bewegung, die immer um eines Zweckes willen und mit Vorstellung (oder Wissen) oder Streben (oder Meiden) verbunden,

2)     sinnliches und geistiges Aufnahmeorgan;

a)Sinneswahrnehmung (zusammen mit den emotionalen Regungen, d. h. den Affekten und Leistungen,

b) Denken (geistiges Erfassen, Begreifen, Erkennen, Erkenntnis)

- die Leistung beider ist: Unterscheiden (kritikon).

 

Zusammen mit Angenehm und Unangenehm (Lust und Schmerz, Unlust) kommt das Streben oder Meiden (Ausweichen). Streben und Meiden sind mit der sinnlichen Wahrnehmung verbunden wie auch mit dem geistigen Erfassen.

Die Vermögen zu begehren, zu meiden und wahrzunehmen sind identisch, aber dem Sein nach verschieden.

 

Die Ortsbewegung nun, die Fortbewegung des Lebewesens veranlasst, bewirkt (d. h. das Bewegende ist) weder das Ernährungs- (das nur Bewegung in Ernährung, Wachstum usw. bewirkt), Wahrnehmungs- noch das Denkvermögen (der überlegende Teil oder der sogenannte Geist - logistikon kai o kaloumenon nous - oder der betrachtende Geist - theoretikos nous -, weil dieser nichts betrachtet, was sich auf das Handeln bezieht; auch nicht die Denkentscheidung und -anweisung) noch das Streben (orexis) allein.

Sondern: Streben und Denken (Vernunft, Geist), und zwar der nous praktikos (oder die dianoetike psyche), d. h. die Vernunft, die um eines Zweckes willen überlegt (das zweckgerichtete Denken), machen zusammen die Ortsbewegung, den Bewegungsanstoss dazu aus.

 

In der "Nikomachischen Ethik" ist formuliert:

Der strebende Geist (Denken) oder das denkende Streben (orektikos nous e orexis dianoetike) ist der Vorsatz (proairesis) als Bewegungsprinzip. Denn das, worauf das Streben zweckhaft geht (alles Streben ist auf einen Zweck gerichtet), ist der Ausgangspunkt (arche) der praktischen Vernunft; der Endpunkt (eschaton) ist der Anfang (arche) des Handelns; und das Denken bewegt, weil sein Ausgangspunkt (arche) das Erstrebte (orekton), der Gegenstand des Begehrens ist.

 

Der strebende Teil gehört sowohl zum vernünftigem (weil er diesem gehorchen kann) wie auch zum unvernünftigen Seelenteil. Wo der strebende Teil vernünftig ist, ist er Wille (boulesis), wo unvernünftig, widervernünftig, irrational, also blosses Streben, da ist er Begierde (epithymia) und Mut (thymos). Nach Begierde handelt der Unbeherrschte (akrates), d. h. das Streben besiegt den Willen. Der Vernunft folgt der Beherrschte (egkrates) trotz allem Streben und Begehren.

 

Die Denkkraft (sowie die Vorstellung) bewegt nicht ohne das Streben, das Wille genannt wird (also nach Überlegung). Das Streben bewegt auch entgegen der Überlegung, es wird Begierde genannt.

Alle Vernunftentscheidung ist richtig, Streben aber und Vorstellung richtig und unrichtig. Deshalb ist gemeinsamer Ausgangspunkt (Grund, Prinzip) das Erstrebte (dieses bewegt dadurch, dass es gedacht oder vorgestellt wird); dieses ist entweder das Gute (nach und für den nous) oder scheinbar Gute (nach der Vorstellung, für das Streben), doch nicht jedes Gute, sondern nur das sich im Handeln verwirklichende Gute.

lm Handeln sich verwirklichend ist das Gute, das, so aber auch anders sein kann (d. h. theoretisch als Seinswert erfasst).

Das Erstrebte ist also eines, die Kräfte sind mehrere (der Zahl nach).

 

Die Strebungen sind einander entgegengesetzt nach Überlegung (logos) und Begierde, nach Zukunft und Jetzt.

Von Natur aber hat immer das obere Streben (der Wille) mehr Macht.

 

Also Insofern ein Lebewesen ein Strebevermögen hat, bewegt es sich. Strebevermögen hat es aber nicht ohne Vorstellung; jede solche ist entweder mit Denken (Planung; bouleytike; die aus einem Schluss hervorgegangene Vorstellung) oder sinnlicher Wahrnehmung verbunden.

 

Aristoteles geht also von der platonischen Dreiteilung der Seele - begehrender, muthafter und vernünftiger Teil - langsam zur Zweiteilung über, indem er die beiden ersten Teile als begehrenden Teil zusammenfasst oder vielmehr den muthaften Teil einfach weglässt, vernachlässigt.

 

Ebenso nimmt er den platonischen Gegensatz von Sinneswahrnehmung und geistigem Erfassen nicht auf sondern schaltet beide gleich.

 

Begierde und Begehren sind dasselbe. Begierde ist das Streben nach dem Lustvollen.

 

 

Das Denken

 

Wenn die Bestimmungen der Seele sind:

1) Ortsbewegung

2) Wahrnehmung (Wahrnehmen = aisthanestai) und Denken,

so ist das Denken noch zu besprechen.

 

Denken (noein) oder Nachdenken (dianoia, dianoeisthai) kann sein:

·        Vorstellung (phantasia), meist falsch und dem Willen unterworfen, im Gegensatz zur Wahrnehmung

·        Denktätigkeit (hypolepsis).

 

Es kann sein:

A) richtig (orthos):

1) phronesis (Einsicht); phronein = Erfassen, Begreifen, mit Gedächtnis und Voraussicht

2) episteme (Wissen)

3) doxa alethes (wahre Meinung)

B) falsch (me orthos).

 

Die Denktätigkeit (hypolepsis = Vermutung, Annahme, ähnlich: Meinen = doxazein) ist ein Denkakt noesis); sie kann wie das Denken dreifach richtig und falsch sein.

Die Denktätigkeit ist der Seelenteil, mit dem die Seele erkennt (gignoskein) und begreift (phronein).

Das Denken ist ähnlich oder parallel dem Wahrnehmungsvermögen. Es ist ein Erleiden seitens des Denkbaren; es ist fähig Form aufzunehmen.

 

Der Geist ist nur der Möglichkeit nach so beschaffen wie die Form (den Formen gleich) oder die Dinge und ein noch nicht Bestimmtes. Der Geist ist in Wirklichkeit keines der Dinge bevor er denkt.

Bei Dingen ohne Materie ist Denkendes und Gedachtes dasselbe. Das betätigte, betrachtende Wissen und das entsprechend Gewusste sind dasselbe.

Dinge, die Materie haben, sind der Möglichkeit nach Denkgegenstände, bis sie der Geist im Denken von der Materie abtrennt und in verwirklichte Denkgegenstände verwandelt.

 

Der Geist ist die Kraft (Inbegriff), Formkraft dieser materiellen Dinge und mit ihnen gleich nur nach Abtrennung der Materie. Da die Formen abgetrennt nur im denkenden Geist existieren, fällt dieser mit den Formen, den Denkgegenständen zusammen.

 

Der Geist ist das Einheitsbewirkende.

 

Das Erkennende muss der Möglichkeit nach auch sein Gegenteil sein, es muss zum Positiven hinzu auch das Negative sein. Die Wesenheit, die kein Gegenteil neben sich hat, sich selbst erkennt und reine Tätigkeit ist, ist der göttliche Geist.

 

Das verwirklichte Wissen (der verwirklichte .Geist) fällt mit der Sache (dem Denkgegenstand) zusammen.

 

Das Denkvermögen denkt die Formen anhand von Vorstellungsbildern (diese sind also conditio sine qua non - auch für das Gedächtnis -; sie sind gleichsam Wahrnehmungsbilder ohne Materie), und da ihr in diesen das zu Erstrebende und zu Meidende beschlossen ist, so wird sie auch ohne die Wahrnehmung (als Bedingung für die Vorstellungsbilder), wenn sie bei den Vorstellungsbildern weilt, in Bewegung versetzt, zum Handeln.

 

Die Bewegung des Geistes (parallel: Kreis) ist das Denken (parallel: Umlauf). Das Denken ist aber eher Ruhe und Anhalten als Bewegung, es ist eine Art Affektion.

 

Bewegung ist eine unvollendete Betätigung, ein Sich betätigen (energein), die Betätigung des Unvollendeten.

 

 

12.7.1967




Return to Top

Home

E-Mail





Logo Dr. phil. Roland Müller, Switzerland / Copyright © by Mueller Science 2001-2016 / All rights reserved

Webmaster by best4web.ch