Home Bezeichnungen mit dem Namen Müller

                     (ca. 1800-1940)

 

Siehe auch:    Zum Familiennamen Müller

                        Mühlen, Müllerei und Müller

 

Ich müllere, du müllerst

 

Aus: Ludwig Merkle: Müller heisst nicht jeder. München: Südwest Verlag 1971, 72-80;

mit Ergänzungen

 

lm Jahr 1904 veröffentlichte Jörgen Peder Müller aus Dänemark ein Buch, das „Mein System" hiess. Es enthielt Anleitungen zur Heimgymnastik, wurde in vierundzwanzig Sprachen übersetzt, und bald begann die halbe Welt frühmorgens eine Viertelstunde nackt vor ihrem Bett zu stehen und sich durch Armeschwenken, Rumpfbeugen und kalte Wäsche für den Lebenskampf zu stählen. Diese Betätigung nannte man „müllern": ich rnüllere, du müllerst, er, sie müllert ...

Etymologisch ist das ein hochinteressanter Fall und kommt verhältnismässig selten vor - etwa bei kneippen (wasserkuren nach dem Pfarrer Kneipp) oder guillotinieren (so genannt zu Ehren des Erfinders Dr. med. Guillotin).

 

Aber auch in Wissenschaft und Technik begegnet man dem Namen Müller allenthalben; er hat dort einen guten Klang.

 

Ins Müllerbad zum Beispiel (nicht zu verwechseln mit dein Münchner Müller-Volksbad) taucht man Viskoseseidenfäden, bevor man sie verspinnt [Patent: Max Müller und Paul Koppe 1904], nicht aber in die Müllersche Lösung (die bei der Zuckerfabrikation benötigt wird) und auch auf keinen Fall in die Müllersche Flüssigkeit. Diese nämlich, vom Würzburger Anatomen Heinrich Müller [1820-1864] aus zwei Teilen Kaliumbichromat, einem Teil Natriumsulfat und 100 Teilen Wasser zubereitet, eignet sich besser zur Konservierung edler Tierkadaver.

 

Der Müller-Umformer ist ein Maschinensatz zur Kupplung von frequenzverschiedenen Wechselstromnetzen;

die Müller-Röhre ein technisches Röntgenrohr, zwar ohne Strahlenschutz, aber mit strichförmigem Brennfleck.

Mit Hilfe des Müller-Kühne-Verfahrens [vor 1937] erzeugt man Schwefelsäure und noch Zement.

Dagegen ist Geiger-Müller-Zählrohr der eigentliche und richtige Name für den Geigerzähler. Hans Geiger und Walther Müller [*1905] haben es erfunden (1928); der Volksmund aber, ungenau und etwas faul, liess den Müller einfach weg (der dann auch 1954 [genauer: 1951] nach Australien ausgewandert ist [bis 1958] und 1965 starb).

 

Mitten auf Borneo erhebt sich, 1960 Meter hoch, das Müllergebirge, das als quellen- und waldreich gilt.

Hierzulande - wovon man sich in Müllers Grossem deutschem Ortsbuch (vom Postmeister a. D. Friedrich Müller) überzeugen kann - gibt es zahlreiche Gemeinden, die Müllersdorf und Müllerwald, Müllersöd, Müllersommer und so ähnlich heissen.

 

Strudelwürmer schlüpfen aus Müllerschen Larven aus: Das sind einfach gebaute Larven, die man unschwer an ihrem Flimmerepithel und an acht lappigen Fortsätzen erkennt [nach Johannes Peter Müller, 1801-1858].

Die Müllersche Mimikry (nach Fritz Müller [1821-1897], Brasilien, benannt [1878 entdeckt]) ist eine vorzügliche Warntracht wehrloser, doch wohlschmeckender Tiere, die, zwecks Abschreckung der Feinde, in Farbe und Gestalt anderen, schwerverdaulichen Tieren ähneln, welche im Verrufe der Ungeniessbarkeit stehen.

 

Man muss sich hüten, so nahe der Gedanke liegt, diese Erscheinung mit der Müller-Lyerschen Täuschung [1889] zu verwechseln, die mehr zu den optischen Scherzeffekten zählt: Der Trick besteht darin, dass die einwärts gewandten Winkelschenkel die Strecke a bei weitem kürzer als die Strecke e b erscheinen lassen, obwohl beide gleich lang sind. (Erfinder: Franz Müller-Lyer, 1857 bis 1916, Sozio- und Psychologe.)

 

Auch die Müllerschen Streifen treten in der Optik auf, und zwar bei der Polarisation.

 

Müllersche Gänge [siehe auch weiter unten] - hübscher und lateinischer „Ductus Mülleri" [ductus (para)mesonephricus] genannt -, nach Johannes Peter Müller [1801-1858], befinden sich nah dem Urnierengang des Embryos der meisten Säugetiere (inklusive Menschen). Es sind Kanäle, die sich beim weiblichen Embryo zum Eileiter entwickeln; beim Mann jedoch zu gar nichts.

Müllersche Körperchen enthalten Eiweiss und fettes Öl und hängen an den Blattstielen von Ameisenpflanzen und heissen nach Fritz Müller [1821-1897; auch unter dem Namen Müller-Desterro bekannt] aus Brasilien so.

 

Hinter dem Namen von Eucalyptusbäumen steht im botanischen Schrifttum des öfteren „F. v. Muell." geschrieben. Zum Beispiel hinter „Eucalyptus ficifolia" (eine der hübschesten Sorten, klein, aber dicht und breitkronig) oder hinter „Eucalyptus sieberiana" (30 bis 50 Meter hoch, mit rauher, tiefrissiger Borke). F. v. Muell. bedeutet Ferdinand von Müller [1825-1896], der in Melbourne lebte.

Müll. Arg. erinnert, ebenfalls in der Botanik, an Jean Müller [1829-1896; Direktor des Botanischen Gartens von Genf],

K. Müll. an Karl Müller von Halle,

H. Müll. an dessen Bruder Hermann (1829 bis 1883), der ein grosser Blütenbiologe war.

 

Die Müller-Thurgau-Rebe jedoch an den Professor Hermann Müller-Thurgau, einen Schweizer Weinbauforscher (1850 bis 1927), der diese anspruchslose, frühreife und mildbeerige, reichtragende Rebe (100 Hektoliter auf den Hektar) aus Riesling und Silvaner kreuzte [das war 1894; die Rebe erhielt erst bei der Einführung nach Deutschland um 1913 ihren heutigen Namen].

 

Das Müllersche Gesetz (von Johannes [Peter] Müller [1801-1858; das Gesetz datiert aus dem Todesjahr]) betrifft die Acantharien. Acantharien sind Strahlentierchen (Radiolaria), gehören zu den Einzellern und wohnen im Meer. Sie sollen, steht in Brehms Tierleben, überaus hübsche, wenn auch äusserst kleine Skelette haben.

Das Müllersche Gesetz dazu lautet so: „Zwischen zwei stachellosen Polen stehen fünf Gürtel von je vier radiären Strahlen. Die Stacheln des Äquators und diejenigen der beiden Polkreise stehen auf denselben Meridianen, diejenigen der beiden Tropenkreise auf denjenigen Meridianen, welche von den ersteren im Winkel von 45° entfernt sind."

 

Egänzung von Merkle:

 

Ludwig Christian Müller (1744-1804) war preussischer Major und Autor militärischer Abhandlungen. In seiner Terrainlehre [postum 1807] wird zum ersten Mal die sogenannte Müllersche Bergzeichnungsmanier beschrieben, deren Eigenart darin besteht, dass die Nivellierung des Geländes durch stärkere und schwächere Striche dargestellt wird. [Merkle, 58-59].

 

Weitere Ergänzungen:

 

Der Horopter ist in der horizontalen Ebene ein Kreis, der durch den Fixationspunkt und die optischen Zentren der beiden Augen läuft. Dieser Zusammenhang wurde von Vieth (1818) herausgearbeitet und von Johannes Peter Müller (1826) unabhängig davon nochmals entdeckt und ausgearbeitet. Man spricht auch vom Vieth-Müller-Kreis.

 

Es gibt ein weiteres Müllersches Gesetz

Es ist das Johannes Müller 1826 aufgestellte "Gesetz der spezifischen Sinnesenergien". "Danach kommt jedem Sinnesnerven eine eigentümliche Weise der Empfindung zu; jeder kann zwar durch eine ganze Anzahl von Erregungsmitteln in Tätigkeit gebracht werden, aber dasselbe Erregungsmittel kann meist auch verschiedene Sinnesorgane affizieren, und wie dies auch geschehen mag, immer entsteht im Sehnerven nur Lichtempfindung, im Hörnerven nur Tonempfindung, überhaupt in jedem einzelnen empfindenden Nerven nur eine seiner besonderen spezifischen Energie entsprechende Empfindung ... Die Tragweite dieses Müllerschen Gesetzes ist durch die weiteren Forschungen nur vergrössert worden."         

                    Hermann von Helmholtz (1869) in Hansjochem Autrum (Hrsg.): Von der Naturforschung zur Naturwissenschaft. Vorträge, gehalten auf Versammlungen der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte (1828-1958). Berlin: Springer 1987, 56.

 

Müller-Rochow-Synthese

Der US-amerikanische Chemiker Eugene G. Rochow und der deutsche Chemiker Richard Müller fanden im Jahre 1940 fast zeitgleich eine Möglichkeit zur großtechnischen Herstellung der Methylchlorsilane. Sie erfolgt durch Einwirkung von Metallchlorid in der Dampfphase bei 350° C auf gepulvertes Silicium in Gegenwart von Kupfer als Katalysator.

Die Methylchlorsilane dienen als Ausgangsstoffe für Silicone.

 

 

Müller-Handgriff

Falsche Angabe:

(nach dem deutschen Gynäkologen Arthur Müller, 1863-1926): Manualhilfe bei Beckenendlage zur Lösung und Entwicklung der kindlichen Schultern und Arme.

Richtige Anagbe:

Peter Müller, geboren von deutschen Eltern in New Orleans, war wie Paul Zweifel als Schweizer Professor unter den Mitbegründern der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie (1885) zu finden. [Peter Müller lebte von 1836-1922 und wirkte von 1874-1910 auf dem Lehrstuhl für Gynäkologie der Universität Bern.] Man wird sich an den Müller-Handgriff zur Schulterlösung bei der Beckenendlage erinnern. Er wurde bis vor kurzem noch in jedem Lehrbuch der Geburtshilfe beschrieben und in den geburtshilflich-operativen Kursen gelehrt.

 

In: Pschyrembel Wörterbuch Gynäkologie und Geburtshilfe, hrsg. von Thomans Römer und Wolfgang Straube, 2. Aufl. Berlin: Walter de Gruyter 1999, 183, steht:

 

Müller-Armlösung (Arthur M., Gyn., Gebh., München, 1863-1926): s. Müller-Handgriff.

 

Müller-Handgriff (Peter M., Gyn., Bern, 1836-1923): (engl.) Müller's manoeuvre; gebh. Handgriff zur Schulter- u. Armlösung bei Beckenendlage; Entw. der vorderen Schulter durch starken Zug abwärts, der hinteren Schulter durch starken Zug nach oben; anschl. Veit-Smellie-Handgriff.

 

Ferner:

 

Müller-Gang (Johannes P. M., Physiol., Anat., Berlin, 1801-1858): (engl.) müllerian duct; syn. Ductus paramesonephricus; embryonaler Geschlechtsgang, der zu Beginn des 2. Embryonalmonats aus einer Einsenkung des Zölomepithels seitlich vom Wolff-Gang entsteht; entwickelt sich beim weibl. Geschlecht im oberen Abschnitt zu Fimbrien u. Tuben, durch kaudale Verschmelzung mit dem kontralateralen M.-G. zu Uterus u. oberer Vagina; beim männl. Geschlecht zur gestielten Hydatide (Appendix testis) u. evtl. zum Prostataschlauch (Utriculus prostaticus). Vgl. Müller-Epithelzyste, Müller-Mischtumor.

 

Müller-Epithelzyste (gr. epithelein auf etwas wachsen; kystis Blase) f: (engl.) Müller's epithelial cyst; aus versprengten Resten der Müller-Gänge entstehende, klin. meist unauffällige Epithelzyste; vorwiegend in Uterus u. Vagina (75 % aller Vaginalzysten) lokalisiert.

 

Müller-Mischtumor (lat. tumor Geschwulst) m: (engl.) Müller's mixed tumour; maligner Tumor aus epithelialen u. mesenchymalen Komponenten des noch pluripotenten Epithels der Müller-Gänge; traubenförmiges Wachstum, Lok. meist im Uterus.

 

 

Aus dem Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm: Leipzig: Hirzel 1885:

 

Müllerblau oder Müllerfarbe: weisslich blau

 

Müllerchen: Name der Grasmücke

Müllerfloh: Laus

Müllerkäfer: Juliuskäfer und Mehlkäfer

Müllerschabe: Küchenschabe

Müllertier: Esel

 

Mülleringwer: Gelbwurz

 

Müllerrebe oder Müllertraube oder Müllerwein: eine Art burgundischer Trauben

 



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