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                    Teil 2: Typologien, Polaritäten

 

Serie für die Werbe-Woche

10.6.1985 - 19.10.1987

 

Inhalt

 

IX. Menschentypen: von aussen abgestempelt oder innerer Säfte-Mix?

Dazu Abb. IX.1: Die vier Temperamente nach Hippokrates

Abb. IX.2: Nicht klüger als die Alten Griechen: Hippokrates - Eysenck

Abb. IX.3: Die Figuren der Commedia dell'Arte

Abb. IX.4: Menschentypen: Frauentypen - Formtypen - Klinische Typen - Psychoanalytische Typen

Abb. IX.5: Typisierungen der Bevölkerung

 

X. Der lange Weg zu werberelevanten Typologien

Dazu Abb. X.1: Konsumententypen: Käufertypen - Verbrauchertypen - Kategorien von Übernehmern - Frauentypen - Männertypen - Naschertypen - WEMF-Typen 1983

Literatur zu Typologien

 

XI. Die Alpha-Omega-Typologie: revolutionär oder reaktionär?

Dazu Abb. XI.1: Charakterisierung der sechs Schweizer Typen von SCOPE

Abb. XI.2: : Fast eine halbe Million Schweizer Superfrauen

 

XIX. Don Quijote und Sancho Pansa

Dazu Abb. XIX.1: Einige Polaritäten

Abb. XIX.2: Kreative Polaritäten

Abb. XIX.3: Aktuelle Polaritäten

Abb. XIX.4: Die vier psychischen Grundfunktionen nach C. G. Jung

Abb. XIX.5: Der Weg des Kreativen zur Totalität im Taigitu

Literatur zu "Don Quijote"

 

XX. Der Hemisphärenfimmel

Dazu Abb. XX.1: Sally P. Springer, Georg Deutsch: Dichotomania (1985)

Abb. XX.2: Jacquelyn Wonder, Priscilla Donovan: Balancing Jobs (1984)

Abb. XX.3: Polarität und Komplementarität

Literatur zum Hemisphärenfimmel

 

 

 

 

IX. Menschentypen: von aussen abgestempelt oder innerer Säfte-Mix?

 

Nicht nur Konsumenten haben Strebungen und Träume, sondern auch Werbeleute. Sie streben nach Wirkung und träumen von "Typen". Sie warten mit heissen Ohren, auf dass sie die Muse küsse und flüstere: "So musst du die Leute fangen!"

 

Vor 4400 Jahren: die unruhige, unzufriedene Hausfrau

 

Schon im dritten Jahrtausend vor Christus beschäftigten sich die Sumerer mit Menschentypen. Sie glaubten, der Mensch sei von den Göttern aus Lehm geformt und habe ihnen zu dienen.

Auf einer Tontafel fand man einen Bericht über die Schaffung von sechs unvollkommenen Typen. Zwei davon sind entzifferbar:

• die unfruchtbare Frau (mit dem ihr auferlegten Los, im "Frauenhaus" zu wohnen)

• das geschlechtslose Wesen, ohne männliches Glied und weibliches Organ (mit dem Los, vor dem König zu stehen).

 

Eine Fülle von Sprüchen - Aphorismen und Sprichwörtern - schildert mannigfache Typen wie z. B.

• den "Raunzer", der alle seine Fehlschläge dem Schicksal zur Last legt

• die ewigen "Schlaumeier", die mit durchsichtigen Vorwänden kommen

• die "schlecht angepassten" Zeitgenossen

• der Arme und der Wucherer

• berechnende junge Damen

• die unruhige, unzufriedene Frau ("Ein rastloses Weib im Haus/ fügt Schmerzen zur Pein")

• die Schwiegertochter

• der kampflustige Bootsmann.

 

Ähnliche "Weisheitssprüche" formulierten auch die Alten Ägypter. Aus dem 12. Jahrhundert v. Chr. ist ferner ein "Reisebericht des Wenamon" erhalten, der sich durch überzeugende Charakterportraits, einen dynamischen Handlungsablauf und eine bemerkenswerte Beobachtungsgabe auszeichnet.

 

Viele Auffassungen und Erzählungen aus Mesopotamien wie Ägypten kehren in der Bibel wieder. Besonders häufig machte später Jesus von Typisierungen Gebrauch: Zöllner und Dirnen, Pharisäer und Schriftgelehrte, Reiche und Heiden. Bemerkenswert ist Math. 19, 12.

 

Verfängliche Schlüsse und Analogien

 

Die meisten der heute noch gebräuchlichen Arten der Typisierung stammen aus genau derselben Zeit, aus der Hochblüte des Griechentums (500-300 v. Chr.).

Eine Grundlage bildete der Schluss von Äusserem auf Inneres. So meinte etwa Aristoteles, einem schönen Körper entspreche eine gut geartete Seele, ein hässlicher Körper sei dagegen Ausdruck einer schlechten Seele.

Ferner schloss er von sichtbaren auf verwandte, aber nicht gut sichtbare Eigenschaften: z. B. ein zorniger, mürrischer und verbitterter Mann sei auch neidisch (das nennt man "Halo-Effekt"). Das Ideal des Männlichen verglich er mit dem Löwen, der tapfer und stark sei, das Ideal des Weiblichen mit dem Leoparden, der zahmer, schwächer, weniger zornig, boshafter und mutwilliger sei.

 

Jeder hat Tugend

 

Die Tugenden, die dem freien Bürger eines freien Staates ziemen, sind stets die "richtige Mitte" zwischen zwei zu vermeidenden Extremen, z. B. die Tapferkeit zwischen Feigheit und Tollkühnheit, die "Seelengrösse" zwischen Aufgeblasenheit und kleinmütiger Selbstunterschätzung.

Platon sah den Menschen als eine Art Staat im kleinen, den Staat umgekehrt als einen Menschen im grossen. Daher entsprechen den drei Seelenteilen oder -kräften drei voneinander abgesonderte Stände:

1. Dem Begehren das "Volk", die Menge der Ackerbauer, Handwerker und Kaufleute. Sie sind "Lohngeber und Ernährer" der beiden andern Stände und bilden die wirtschaftliche Grundlage des Staates. Ihre Tugend ist Besonnenheit: die Zügelung der Triebe durch Selbstbeherrschung.

2. Dem Mut entsprechend haben die "Hüter" oder "Helfer" den Bestand der Staates nach aussen durch Abwehr der Feinde, nach innen mittels Durchsetzung der Gesetze zu sichern. Ihre Tugend ist die Mannhaftigkeit.

3. Die edelsten und weisesten der Krieger steigen zur obersten, der Vernunft entsprechenden Klasse der Regierenden oder Philosophen auf. Ihr Beruf ist Gesetzgebung und ihre Überwachung sowie Erziehung. Ihre Tugend besteht in der Geistesbildung (sophia).

 

Gerechtigkeit ist bei Platon wie Aristoteles die höchste Tugend: Grundlage und Vollendung des Ganzen, des Menschen wie des Staates.

 

Was im Säfte-Mix überwiegt, ergibt den Typ

 

Was nach Hippokrates und seiner Schule das Temperament des Individuums ausmacht, ist sein Innenleben (Abb. IX.1; IX.2).

In jedem Menschen gibt es vier verschiedene "Säfte": Blut (lat. sanguis), Schleim (gr. phlegma), gelbe und schwarze Galle (cholé und melaina cholé). Sie bestimmen einerseits je nach Lebensalter und Jahreszeit seine Gesundheit und Krankheiten. Anderseits bestimmt der vorherrschende Saft sein Temperament.

Bereits hier wird der Mensch als Ganzheit gesehen, der alles in sich enthält; die unterschiedlichen Ausprägungen der "Säfte" (und der daraus resultierenden Strebungen) machen den Typus aus.

Da aber auch die Umwelt (Landschaft, Winde, Klima und politische Ordnung) einen Einfluss hat, ist in jedem Stamm oder Volk ein anderer Typus vorherrschend.

 

Prägungen von aussen

 

Mutet uns dies recht modern an, so sind Theophrasts "Charaktere" ein echtes Schmunzelbuch (bei Reclam). Ungleich gröber als die klassische Tragödie oder Komödie findet hier eine Prägung von aussen anhand auffälliger Verhaltensweisen statt. Die 30 kleinen Portraits zeigen, wie nahe Charakterisierung bei Karikierung steht.

Da heisst es etwa über

  • den Gefallsüchtigen: "Überaus häufig geht er zum Friseur, hält seine Zähne weiss, wechselt seinen Mantel, so dass er immer sauber aussieht, und schmiert sich mit Salben ein."
  • den Unaufrichtigen: Er pflegt Redensarten zu gebrauchen wie: "Begreife ich nicht", "Ich bin erschüttert", "Du sagst, er sei anders geworden", "Die Sache erscheint mir paradox", 'Sieh nur zu, dass du nicht zu rasch Vertrauen schenkst."

 

Der letztere Rat ist z. B. auf die Tierkreistypologien anzuwenden. Sie stammen nämlich nicht von den Babyloniern, sondern erst aus der hellenistischen (also griechisch-ägyptischen) Vorstellungswelt.

 

Plakativ, aber unfair

 

Vor 400 Jahren wurde das Typisieren wieder aktuell. Einerseits begründete der Napolitaner Universalgelehrte della Porta die Physiognomik als Lehre vom Ausdruck des Inneren durch Äusseres, anderseits riefen die neuen Kunstformen wie Commedia dell'Arte (Abb. IX.3), Ballett und Oper nach plakativen Typisierungen. Die Gefahren blieben die alten: Anhand weniger hervorstechender Merkmale wird jemand in ein Schema gepresst.

 

Diese Prägung erfolgt ausschliesslich durch Männer. Typenlehren von Frauen gibt es erst im 20. Jahrhundert (Madame Bessonet-Favre, Karen Horney, Helen Deutsch, Hildegard Hetzer). Sie sind originell.

"Wissenschaftliche" Charakterisierungen "der Frau" dagegen sind eher selten und seit Furneaux Jordan (1890), Otto Weininger (1903) und Gerhard Heymans (1910) nicht über die uralten volkstümlichen Stereotypisierungen hinausgekommen (Abb. IX.4).

 

Fair sind Typisierungen allemal nicht (Abb. IX.5).

 

 

 

X. Der lange Weg zu werberelevanten Typologien

 

(in der Werbe-Woche: Sind Raucher neurotisch?)

 

"Marktanalyse ist... das sorgfältige Studium einer Auswahl individueller Konsumenten, ihrer Wünsche und ihrer Kaufsgepflogenheiten. Zu diesem Zweck müssen Konsumenten als Individualitäten oder Einheiten studiert werden. Sie müssen aber auch als Gruppen festgestellt werden. Wieviel es von jeder Type gibt, wieviel Geld sie haben, welche Zeitungen sie lesen, wann und wieviel sie kaufen, ob sie andere beeinflussen und noch vieles mehr, muss der Marktanalytiker sagen können."

 

1926: Schichtung von Käufertypen

 

So formulierte Franz Findeisen 1929 eine Aufgabe der betriebswirtschaftlichen Analyse und Erforschung des Marktes. Schon drei Jahre zuvor hatte Kurt Kliemann einen Aufsatz über die "Schichtung von Käufertypen" veröffentlicht, und 1928 gab er einem Buch den Titel: "Wie und wo erfasse ich Käuferschichten?"

 

Otto R. Schnutenhaus meinte ebenfalls 1929, jede Absatzanalyse sei "im letzten Kern eine Käuferanalyse, denn mit dem Käufer steht und fällt das Unternehmen". Als Ziel der Käuferanalyse bezeichnete er es, "möglichst viele typische Regelmässigkeiten und Übereinstimmungen unter den Käufern zu entdecken".

 

1937: Verbraucherhaltungen von Schichten und Geschlechtern

 

1937 erscheinen erste Berichte über "Die Verbraucherhaltung verschiedener sozialer Schichten" und "Verschiedenheiten in der Verbraucherhaltung der beiden Geschlechter".

 

1938 machte sich Rudolf Binder an den Aufbau einer Verbraucher-Typologie, die "sämtliche Seinsschichten des Menschen umfasst", und 1941 meinte Wilhelm Vershofen, "wie es möglich gewesen ist, auf dem Gebiet der Charakterlehre eine Reihe von Grundtypen zu entwickeln, so gibt es auch eine nicht allzu grosse Anzahl von typischen Auffassungen beim Verbraucher". Er stellte also die Forderung auf, dass es "eine Typologie der Verbraucherhaltung geben muss, wie schwer sie auch immer zu erarbeiten sein mag".

 

Konkrete Ergebnisse liessen auch nach dem Zweiten Weltkrieg lange auf sich warten. Der Grund lag darin, dass man von Produkten oder Marken ausging - vorab Autos, Bier, Waschmittel und Zigaretten -, nicht von der Persönlichkeit des Verbrauchers. Einige bekannte Untersuchungen sind:

 

1950: Faule Hausfrauen verwenden Pulverkaffee

 

1. Ende der 1940er Jahre wurde in den USA schnell lösliches Kaffeepulver eingeführt (Nescafé Instant). Zwei Gruppen von Hausfrauen wurden fiktive Einkaufslisten vorgelegt, die sich nur bezüglich Kaffee (Instant oder Bohnenkaffee) unterschieden. Die Hausfrauen wurden nun gebeten, die zwei Frauen zu charakterisieren, welche für sich diesen angeblichen Einkaufszettel vorbereitet hatten.

Ergebnis: Nescafé-Käuferinnen wurden häufiger als faul, schlecht planend, verschwenderisch u. ä. gekennzeichnet (Haire 1950).

Schon 10 Jahre später zeigten freilich weitere Untersuchungen, dass das ursprünglich negative Image des schnell löslichen Kaffees sich gewandelt hatte. Heute erscheint die Verwenderin von Schnellkaffee eher als modern und aufgeschlossen.

 

1960er Jahre: Markentreue und Spontankäufer

 

2. Ende der 1950er Jahre versuchte Evans (1959) vergeblich Unterschiede zwischen Ford- und Chevrolet-Fahrern herauszufinden. Spätere Untersuchungen konnten jedoch zwischen "Markentreuen" und "-Wechslern" sowie Impuls- und planenden Käufern differenzieren - dies auch in vielen andern Bereichen.

 

Sind Raucher ängstlicher und  neurotischer?

 

3. 1960 berichteten Koponen sowie Matarazzo und Saslow über Raucher. Diese zeigen gegenüber dem Durchschnitt der Bevölkerung mehr Bedürfnisse nach sexueller Aktivität, Aggression, Leistung und Dominanz. Sie sind aber auch ängstlicher und neurotischer als Nicht-Raucher und konsumieren mehr Kaffee und Alkohol. Starke Raucher zeigen im Vergleich mit mässigen Rauchern eine grössere Zahl von Anzeichen für psychische Spannungen und "bezeichnen sich als weniger glücklich, weniger entspannt, nervös, mürrisch".

 

Eysenck (1960/68) meinte, Rauchen. sei durch Vererbung festgelegt und fand: "Der Grad der Extraversion steigt von den Nicht-Rauchern zu den schwachen, den mässigen und schliesslich zu den starken Rauchern auf."

 

Reinhold Bergler (1966-70) sah, dass "die Art und Weise des individuellen Selbstverständnisses" einen Einfluss darauf hat, ob jemand Zigaretten raucht oder nicht. Ferner: "Die Welt ist für den Raucher vielgestaltiger, bunter, hat mehr Erlebnisaspekte." Zigarettenraucher sprachen sich in stärkerem Masse als die Nichtraucher "zielgerichtete, ausdauernde Aktivität, Selbstsicherheit und eine positiv gefärbte Lebensgrundstimmung" zu.

 

Verantwortungsbewusste verwenden weniger Mundwasser

 

4. Tucker und Painter (1961) stellten Persönlichkeitszüge und Konsumverhalten gegenüber. Es zeigte sich, dass hohes Verantwortungsbewusstsein mit einem sehr geringen Alkoholkonsum und der Vorliebe für "populäre Limousinen" positiv gekoppelt war, negativ dagegen mit dem Einnehmen von Vitaminen, der Verwendung von Mundwasser und der Vorliebe für sportliche Autos.

 

Orale Befriedigung und andere Verhaltensweisen

 

5. Sherak (1961) versuchte den Biermarkt psychologisch zu segmentieren. Mit seinen Befunden war es dann Johnson (1967) möglich, neun Gruppen ("Clusters") von Bierkonsumenten zu unterscheiden.

Alpert und Gatty (1969) konnten schliesslich den Intensiv-Trinker einer bestimmten Biermarke als "vielgereisten, gepflegten Mann" beschreiben, "der in verstärktem Masse orale Befriedigung sucht (Präferenz von Süssigkeiten, Tabak)".

 

6. Den Umgang mit Geld untersuchten Katona seit 1951 und Schmölders 1959-64, das Risiko-Verhalten Bauer (1960-68), Cox (1962-64) und andere, das Informations- resp. Konfliktlösungsverhalten bei Rauchern N. T. Feather (1963) und Reinhold Bergler (1970; mit 5 Typen), das Planungsverhalten R. Ferber (1966), das Sauberkeitsverhalten Reinhold Bergler (1970).

 

Drogen, Unzufriedenheit und Furcht

 

7. Gottlieb (1967) wies darauf hin, dass der Erziehungsstil wesentlich dafür verantwortlich zu machen ist, ob jemand ein bestimmtes Schmerzmittel regelmässig verwendet oder nicht. Dazu kommen korrelative Zusammenhänge mit Pflichtbewusstsein und Tendenz zu Selbstbestrafung.

Brehm und Back (1968) fanden heraus, dass die Unzufriedenheit mit dem eigenen Selbst die Neigung zum Konsum von Drogen beeinflusst. Bei effektiver Neigung zu Drogen steht sie überdies in Zusammenhang mit der Furcht, über sich selbst die Kontrolle zu verlieren, bei gleichzeitiger Furcht vor körperlichen Schäden.

 

Unterschiedliche Vorlieben klassischer Psycho-Typen

 

8. Auch die psychologischen Typen kamen zu Ehren. Cohen (1967) benützte die 3 Typen von Karen Horney und fand heraus:

• Menschen, die nach Vergesellschaftung streben, verwenden eher Mundwasser und Seife und trinken Wein.

• Aggressive benützen vermehrt "Old Spice"-Deodorant und Aftershave und rasieren sich von Hand.

• Wer von andern Menschen wegstrebt, trinkt häufiger Tee.

 

Eysenck (1968) schrieb den Extravertierten "eine Art Reizhunger" zu: "Daher also ihre Vorlieben für Kaffee und Alkohol, scharf gewürzte Speisen, vor- und ausserehelichen Geschlechtsverkehr und überhaupt ihre impulsive und risikoreiche Lebensführung."

 

Normalerweise nur Zweiteilung des Marktes

 

9. Obwohl Reinhold Bergler in seiner "Marktpsychologie" (1972) die damals weitverbreitete Polarisierung der Märkte beanstandete und meinte: "Es gibt eben beispielsweise nicht nur die konservative und die moderne Hausfrau", gelangten seine seit 1958 vorgenommenen Analysen meist zu zwei Typen, z. B.

• die "dynamisch-selbstbewusste, moderne, aber wenig differenzierte" Frau und

• die "eher zurückhaltend-ruhige, traditionell eingestellte, dabei aber durchaus differenzierte Frau" (1962).

 

Immerhin konnte einer seiner Mitarbeiter 1970 vier "Genusstypen" bei jungen Männern auseinanderdividieren.

 

Seit 1940: Meinungsführer ,dann Geschmacksbildner (1954) und Innovatoren (1962)

 

In ganz andere Richtungen gingen die Entdeckung der Meinungsführer und Innovatoren sowie der Markttypen.

Auf die "Meinungsführer" stiessen Paul F. Lazarsfeld und Mitarbeiter schon 1940 bei einer Studie über den Einfluss der Massenmedien bei den amerikanischen Präsidentschaftswahlen.

Grundlegend waren fünf Erkenntnisse:

 

1. Massenmedien können Einstellungen nicht verändern, sondern lediglich bestehende Einstellungen verstärken.

2. Informationen, die nicht mit der eigenen Meinung übereinstimmen, werden gemieden, uminterpretiert oder rasch wieder vergessen.

3. Einen Einfluss auf die eigene Meinung haben dagegen "andere Leute".

4. Diese "opinion leader" sind nicht etwa höher gestellte Personen oder Politiker, sondern Bezugspersonen, die in jeder sozialen Schicht bestehen.

5. Diese "Einflussreichen" werden nun aber von den Massenmedien stark beeinflusst. Es gibt also einen "Two-step-flow-of-communication".

 

Fünf Jahre später konnte dieser Mechanismus auch für den Konsumbereich nachgewiesen werden.

Der Bericht "Personal Influence", konnte allerdings erst 1955 erscheinen (dt.: "Persönlicher Einfluss und Meinungsbildung", 1962). Er setzte eine Lawine von Untersuchungen und praktischen Anwendungsversuchen in Gang.

Auch die seit dem Ersten Weltkrieg erblühte Innovationsforschung (Ogburn, Gilfillan) erhielt neue Impulse.

 

1962 veröffentlichte Everett M. Rogers sein grundlegendes Werk "Diffusion of Innovations" und berichtete über "Characteristics of agricultural innovations and other adopter categories". Daraus entwickelten Joe M. Bohlen et al. (1968) eine recht brauchbare Typologie von "Übernehmern", allerdings rein statistisch. Die sozio-psychologische Charakterisierung ist jedoch schwierig.

 

Eine andere grundlegende Zweistufigkeit der Kommunikation postulierten schliesslich S. L. Ward und D. Wackmann (1971):

 

1. Die Massenmedien liefern den Heranwachsenden "Modelle" für ihr Konsumverhalten.

2. Aber erst die persönliche Kommunikation mit den Eltern bestimmt, ob und wie diese Modelle tatsächlich umgesetzt werden.

 

Vier grundverschiedene Märkte

 

Den bislang auf Konsumentenmärkte beschränkten Horizont durchbrach Philip Kotler (1967), indem er das Augenmerk auf Produzenten- und Wiederverkäufermärkte sowie die Märkte öffentlicher Betriebe lenkte.

Alle vier Markttypen haben unterschiedliche Kaufziele und Einkaufspraktiken.

 

1973/76: erste konkrete Typologien (Abb. X.1)

 

1973 wartete die Frauenzeitschrift "Brigitte" (Gruner + Jahr) erstmals mit einer konkreten Frauentypologie, drei Jahre später der Burda-Verlag ("Typologie der Wünsche") mit ebenfalls acht Männertypen auf.

Es handelt sich dabei um statistisch verklärte Trivial-Typologien, die kaum Aufschluss über Konsumgewohnheiten und Ansprechbarkeit gaben. Daher wurde rasch wieder auf Konsumdaten umgeschwenkt, bis man bei der "Nascher-Typologie" (1981) landete. So wurde entdeckt, dass die "Riegelfans" meist junge Mädchen sind, die viel tanzen gehen und die "Frau im Spiegel" lesen.

(Kritisches dazu ist bei Gert Gutjahr, 1983, und Eva Heller, 1984, nachzulesen).

 

Einzig die Schweizer blieben auf dem eingeschlagenen Weg. Anfang 1983 präsentierte die WEMF eine "standardisierte Konsumententypologie" (Typ A-E), dazu fünf Hausfrauentypen.

Bald darauf konterte SCOPE mit der "Alpha-Omega-Typologie", die manch Revolutionäres brachte.

 

 

Literatur zu Typologien

 

siehe auch:       Neuere Persönlichkeitstypologien und Tests dazu

 

 

William Thomas Tucker, J. J. Painter: Personality and Product Use. 1963.

Daniel Yankelovich: New Criteria for Market Segmentation. HBR, Vol. 42, March-April 1964, 83-90.

M. J. Gottlieb: Segmentation by Personality Types. In Steuart henderson Britt: Consumer Behavior and the Behavioral Sciences. Theories and applications. New York: Wiley 1967, 327-331.

William Thomas Tucker: Foundations for a Theory of Consumer Behavior. New York: Holt, Rinehart and Winston 1967.

Reinhold Bergler: Konsumenten-Typologie. Vorträge zur Marktforschung, Heft 11, 1968.

Otfried Gerloff: Psychologische Konsumententypologie in der Praxis. Vorträge zur Marktforschung, Heft 12, 1968.

Reinhold Bergler: Konsumententypologie. In Reinhold Bergler (Hrsg.): Marktpsychologie. Bern: Hans Huber 1972, 11-142.

Gert Gutjahr: Markt- und Werbepsychologie. Heidelberg: Sauer Bd. 1: Verbraucher und Produkt. 1972; 2. überarbeitete ed. als: Taschenbuch der Marktpsychologie. 1983.

Gunda Opfer, Ernst Braunschweig, Karlfritz Koeppler: "Typologien" und ihre Aspekte. Hamburg: Heinrich-Bauer-Stiftung 1975.

H. Böhler: Der Beitrag der Konsumententypologie zur Marktsegmentierung. Die Betriebswirtschaft, 1977.

Lutz von Rosenstiel, Guntram Ewald. Marktpsychologie. Bd. 1, Stuttgart: Kohlhammer 1979.

Eva Heller: Wie Werbung wirkt. Theorien und Tatsachen. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag 1984.

 

 

 

XI. Die Alpha-Omega-Typologie: revolutionär oder reaktionär?

 

"Die Frau wird frei geboren und bleibt dem Manne ebenbürtig in allen Rechten. Unterschiede im Bereiche der Gesellschaft können nur im Gemeinwohl begründet sein."

 

So lautet Artikel I der Erklärung der Menschenrechte der Frau von 1791, welche Olympe de Gouges ausgearbeitet hatte.

 

Die echten Revolutionen bleiben weitgehend unbeachtet. Das war vor knapp 200 Jahren mit der feierlichen Erklärung der "natürlichen, unveräusserlichen und heiligen Rechte der Frau" in der französischen Nationalversammlung der Fall.

Gleichermassen wirkungslos blieb die im Herbst 1983 von SCOPE vorgelegte Schweizer Typologie. Dabei wurde hier erstmals in der Weltgeschichte darauf verzichtet, Männlein und Weiblein getrennt zu charakterisieren. Schuld daran ist der Computer.

 

Psychokarte statt Kaufkraftkarte

 

Das Institut für Markt- und Meinungsforschung SCOPE hat seit 1974 eine PKS-Datenbank aus über 20'000 Interviews aufgebaut: "Das Psychologische Klima der Schweiz". Daraus ergab sich 1982 die "Psychologische Karte der Schweiz".

 

 

Hatte die "Kaufkraftkarte" (ca. 1940) der 1934 gegründeten deutschen "Gesellschaft für Konsumforschung" noch durchaus regionale Bezüge, so liegt die Psychokarte völlig im imaginären Raum: Sie stellte auf einem zweidimensionalen Koordinatensystem statistische Felder von Personen gleicher oder ähnlicher Wertvorstellungen und Grundhaltungen dar.

Da gab es z. B. die reformfreudigen und introvertierten Schweizer ("Veränderer" und "Sensible") oder konservative und extrovertierte ("Arbeitsbewusste" und "Bürgerliche").

 

Das vermochte nicht ganz zu befriedigen. Also liess man den Computer eine "Cluster"-Analyse durchführen: Dabei werden 116 Angaben aus den Interviews so in Gruppen (Clusters) zusammengefasst, dass sich innerhalb einer Gruppe möglichst kleine, zwischen den Gruppen aber möglichst grosse Abweichungen ergeben.

 

Die statistische Analyse zeigt, dass die unterschiedlichen Einstellungen, die Menschen kundtun, und Verhaltensweisen, die sie zeigen, viel weniger von ihrem Geschlecht, Einkommen oder Wohnort abhängen, als von ihrem Typus.

 

SCOPE hat zwei klassische Beschreibungsarten aufgegriffen: die Richtung auf äussere oder innere Werte und die Tendenz zur Bewahrung oder Veränderung.

Nun ergab die Cluster-Analyse noch eine bedeutsame 3. Dimension: physisch und psychisch starke Persönlichkeiten und die Gegengruppe: die Schwachen und Minderprivilegierten der Gesellschaft.

 

Magie der Anfangsbuchstaben

 

Als Gedächnisstütze zur Kennzeichnung dieser "sechs Typen von Schweizern" wurden griechische Buchstaben gewählt (Abb. XI.1):

•          Alpha (die Starken, die Elite): Altruisten, Anständige, Autoritäre, Aktive, Ausgewogene

•          Beta (konservativ und extravertiert): Bürger und Biedermann mit Bankkonto und Bodenbesitz

•          Gamma (progressiv und introvertiert): die Grünen und Gewaltlosen mit Gefühl und Gemeinschaftssinn

•          Kappa (konservativ und introvertiert): der keusche Konformist mit Freude an Klatsch und Kitsch, Betonung der drei K: Kinder Küche, Kirche

•          Sigma (progressiv und extravertiert): der sinnliche Sunnyboy, das Sexygirl mit Freude an Sensationen und Shopping, Sea, Sun and Sand

•          Omega ( das ohnmächtige Opfer der Leistungsgesellschaft): Out-and-down, ohne Kraft und Arbeitsfreude, dem ALKOHOL ergeben.

 

Zu je einem solchen Typ lässt sich je etwa ein Sechstel der Schweizer Bevölkerung über 15 Jahren zuordnen (Abb. XI.2). Beim Alpha-, Omega- und Kappa-Typ überwiegen die Frauen, bei den andern Typen die Männer.

 

"Sage mir, was du trinkst ..."

 

Wie überzeugend diese Charakterisierungen sind, muss am Beispiel der "Schweizer Superfrauen" jeder selber mit sich ausmachen.

Eine Diskussion lohnt sich in jedem Fall. Auch Gesellschaftsspiele lassen sich durchführen, z. B. "Sage mir, was du trinkst, und ich sage dir, wer du bist!"

Es trinken nämlich vorzugsweise

Alpha:             Tee

Beta:              Bohnenkaffee

Gamma:         Brunnenwasser

Kappa:           Pulverkaffee

Sigma:           Schokoladengetränke

Omega:          Whisky

 

Das führt, wie so manches, zu philosophischen Fragen: Warum provoziert etwas Revolutionäres meistens Erheiterung, Unbehagen oder Entrüstung? Machen wir uns nur allzurasch lustig oder greifen zu bissigen Kommentaren, um unsere Betroffenheit zu überspielen?

Oder: Stimmt die Sache gar nicht? Hat ideologische Verblendung zur Deklaration der Frauenrechte, statistische Manipulation zur Alpha-Omega-Typologie geführt?

 

Das Revolutionäre: gut gemeint, aber schlecht verkauft

 

Was das Revolutionäre betrifft, so lässt sich zweierlei feststellen:

 

1. So revolutionär ist es allemal nicht. Schon Paulus schrieb: "Da ist nicht Mann und Weib" (Gal. 3, 18); Augustin (um 400) meinte, Christus sei von einer "natürlichen Gemeinschaft der beiden unterschiedlichen Geschlechter" ausgegangen; Vinzenz von Beauvais (um 1250) forderte: "Die Mädchen sollen auch wie die Knaben in den Wissenschaften unterrichtet werden."

 

In seinen "Principles of Advertising" wies Daniel Starch bereits 1925 auf Grund experimenteller und statistischer Unterlagen nach:

• Die populäre Betonung der Geschlechtsunterschiede ist übertrieben und unbegründet.

• Überraschend ist aber gerade die weitgehende Übereinstimmung, der gegenüber bestehende Unterschiede an Bedeutung zurücktreten.

• Für den Werber ist wichtig herauszufinden, ob wirklich ein Unterschied besteht; wenn ja, wie gross und bedeutend er ist.

 

2. Das Revolutionäre ist eine isolierte Spitze auf dem platten Feld herkömmlicher Vorurteile.

Paulus sah weiterhin den Mann als "Haupt der Frau"; sie ist um des Mannes willen geschaffen und hat ihm untertan zu sein; in der Gemeinde soll sie schweigen. Augustin stellte die Jungfrau weit über die Ehefrau, und Vinzenz von Beauvais forderte, die Mädchen sollten "vornehmlich aber in den guten Sitten" unterwiesen werden.

 

Die Frauenrechte von Olympe de Gouges hielten sich willig im Rahmen der damals gängigen Auffassungen, z. B. "Freiheit, Eigentum, Sicherheit und insbesondere das Recht auf Widerstand gegen Unterdrückung".

Leitlinie blieben die "weisen und göttlichen Gesetze ... der Natur und der Vernunft". Daher hiess es etwa: "Niemand darf wegen seiner Meinung ... Nachteile erleiden. Die Frau hat das Recht, das Schafott zu besteigen, gleichermassen muss ihr das Recht zugestanden werden, eine Rednertribüne zu besteigen."

 

Gängige Stereotype

 

Auch die SCOPE-Typologie vermochte sich nicht von gängigen Stereotypen zu lösen:

 

•Alpha:      "Der Interviewer beschreibt sie als von mittlerer Statur, von mittlerem Körpergewicht bis schlank, gepflegt in der Erscheinung und ausgesprochen ausgeglichen im Auftreten."

•Beta:        "Der Herr mit frisch gepressten Bügelfalten, die Dame mit strammem Büstenhalter. Kulinarisch: die Bürgerliche Küche mit viel frischer Butter!"

•Gamma:  "G für Gezielte Provokation, Gewaltlosigkeit, Gesprächsbereitschaft. G für Gelehrter, Gymnasiast, Guru, Gammler."

•Kappa:    "Sein Leben im stillen Kämmerlein wird unterbrochen vom Kirchenbesuch und vom Kaffeekränzlein."

•Sigma:    "Der Sigma-Mann sucht ständig nach einer Traumpartnerin, die ihm eventuell ein noch lustvolleres Leben zu zweit bieten kann, die Sigma-Frau nach einem entsprechenden Wundermann."

•Omega:   "Ein Omega ist beispielsweise ein Ex-Beta, der sein Karriereziel nicht erreicht hat, mit anderen Worten ein Versager. Oder er ist ein Ex-Sigma, der durchgedreht hat, ausgebrannt durch das irre Leben in permanenter Hyperaktivität. Vielleicht ist er aber auch ein frustrierter Ex-Gamma, dessen Kampfkraft am Widerstand der Institutionen zerbrochen ist."

 

Was bringt die SCOPE-Typologie?

 

1. Sie kann den Werber für Geschlechtsrollen und Clichés sensibilisieren - gerade weil sie versucht, solche zu überwinden, es aber weder sprachlich noch inhaltlich schafft: Obwohl sich z. B. Alpha-Eigenschaften häufiger bei Frauen finden, wird als Alpha-Tier der Mann beschrieben

 

2. Sie zeigt, dass Typen statistische Fiktionen sind, die Gruppen, nicht Individuen betreffen. Kaum ein einzelnes wird sämtliche Charakteristiken "seines" Typus aufweisen.

 

3. Zum Nachdenken und zur Selbstprüfung zwingt die Nähe folgender der insgesamt 58 "Persönlichkeitsdimensionen":

•          Egoismus und Realismus (Beta)

•          Nonkonformismus, Arbeitsscheu und Romantik (Gamma)

•          Kultur, Selbstbezug und Verweichlichung (Gamma)

•          Sexuelle Barrieren, Ernst und Friedfertigkeit (Kappa)

•          Stress, sinnvolle Aufgabe, Jugend und Toleranz (Sigma)

•          Gleichberechtigung, Selbstverwirklichung und Aggressivität (Sigma)

•          Bildung, Geniessen, Humor und Fitness (Sigma)

•          Emotional und Schlappheit (Omega)

 

4. Die Unterschiede, zwischen den Gruppen sind bloss graduell:

So bereiten 71% der über 1 Million Beta-Menschen "mindestens alle zwei Tage ihr Essen mit Butter zu (Landesdurchschnitt 63%)".

Oder: 14% der Gamma besuchen Bar, Dancing, Disco häufig, aber 28% der Sigma. Doch 32% der Sigma frequentieren auch Speiserestaurants, gegenüber 17% der Gamma.

 

5. Bei einer derart zusammengesetzten Typen-Bestimmung fallen manche Differenzierunqen flach aus:

•          Über eine Stunde pro Tag sitzen vor dem Fernsehgerät: 60% der Kappa, 57% der Beta, 52% der Gamma, 59% der Omega; bei Alpha ist es nur ein Drittel.

•          Mehr als 20 Minuten widmen der täglichen Zeitungslektüre: 63% der Kappa, 63% der Beta, 58% der Gamma und Sigma, zwei Drittel der Alpha.

 

6. Im Wust des Materials kann man stecken bleiben. So heisst es etwa:

•          "Bei Kappas finden sich besonders viele Nichtraucher ... Alpha hat mit 77% neben Beta die höchste Nichtraucherquote für Zigaretten."

•          Sigma fehlt das nötige Arbeitsethos; Gamma hat ein niedriges Arbeitsethos.

 

Nicht nach Geschlechtern segmentieren

 

Fazit: Die Quadratur des Werbe-Zirkels ist auch SCOPE nicht gelungen. Aber die Ansätze sind bemerkenswert; es lohnt sich, sie zu beachten.

Wie schrieb doch Werner Wyss 1983? "Es erscheint aber im Licht der neuen Erkenntnisse wenig sinnvoll, z. B. Zeitschriften nach Geschlechtern zu segmentieren, also beispielsweise ein 'junges Frauenmagazin' zu lancieren. Da junge Männer und Frauen in überwiegendem Masse gemeinsame Interessen haben, würde eine Profilierung besser nach Typen erfolgen." Voilà.

 

 

 

XIX. Don Quijote und Sancho Pansa

 

In seinem Epos von "Don Quijote und Sancho Pansa" hat der spanische Dichter Cervantes 1615 ein treffliches Bild dessen gezeichnet, was bei der Kreativität zu beachten ist.

 

Noch den grossen Basler Biologen Adolf Portmann hat diese "grossartige Darstellung" begeistert.

Sie zeigt, dass hochfliegende Ideen stets wieder auf den Boden der Realität heruntergebracht werden müssen.

Die neuere Psychologie spricht von Intuition und kontrollierendem Denken.

 

Kreativität durchzieht alle Zeiten und Räume, Natur und Kultur. Die Auffassungen freilich haben sich enorm gewandelt. Am auffallendsten ist die mit dem Beginn der neuzeitlichen Wissenschaft und dem Rationalismus um 1600 aufgetretene "Subjekt - Objekt -Spaltung" (Karl Jaspers), die Heraustrennung des Menschen aus der Welt und damit die Auslöschung des kosmischen Wirkens in seinem Innern.

 

Der Maschinenmensch sehnt sich nach dem Paradies

 

Der von Naturkräften oder göttlichem Odem beseelte Mensch ist dem "L'homme machine" (so der Titel der berüchtigten Schrift von La Mettrie aus dem Jahre 1748) gewichen, einem "psychischen Apparat" mit Triebimpulsen (Sigmund Freud) oder einem Organismus mit "Funktionen", die intern oder extern stimuliert werden (J. B. Watson).

Heute ist er gar ein informationsverarbeitender Sender und Empfänger mit zahlreichen Störungen.

 

Bis Cervantes - und daher ist sein Held der letzte Ritter - war der Mensch "eingebettet in die Welt", durchströmt von lebendigen Kräften, wie unheimlich und wunderbar sie ihm auch vorgekommen sein mögen.

 

Bruchstücke davon hat die Tiefenpsychologie als "Unbewusstes" und "Libido", die Religionspsychologie als "Numinosum" und "Mana" gerettet. Mit Meditationstechniken und Drogen versuchen manche, das verlorene Paradies wieder zu finden.

Was den andern geblieben ist, sind,

Intuition und das Wissen um die

Polarität als Weltgesetz und Lebensprinzip,

beides auch zentrale Begriffe der von Goethe begründeten Morphologie.

 

Ist der Mensch einmal aus der Welt herausgetreten, bleibt ihm nur noch die polare Verbindung mit ihr, wenn er nicht ganz ausserhalb stehen und bloss noch auf ihr herumtreten will. Die Verbindung leistet die Intuition.

 

Intuition = geistige Schau

 

Bei Epikur (300 v. Chr.) bedeutete "epibole" (lat. intuitio) das schlagartige Erfassen des Ganzen im Unterschied zur partiellen Erkenntnis. In der Spätantike stellten die Neuplatoniker - z. B. Plotin (um 250 n. Chr.) - die geistige Schau dem diskursiven, d. h. durch Überlegungen und Schlüsse erfolgenden, Erkennen gegenüber.

 

Noch Shaftesbury (1713) erarbeitete im Rahmen der Lehre von der Spontaneität des künstlerischen Schaffens eine "Ästhetik der Intuition" und nahm dabei Bezug auf Plotins Schrift "Über das Schöne". Auch Descartes musste für das zweifelsfreie Erkennen die Intuition zu Hilfe nehmen, die nun aber noch der Deduktion als zweiter Methode (1628) bedarf.

 

Seit Kant mehrere Arten von "Anschauung" (für contemplatio, intuitio) und die "produktive Einbildungskraft" (für phantasia; imaginatio) einführte, wurde die Sache kompliziert. Bei Eduard von Hartmann (1869) ruschte die Intuition plötzlich ins "Unbewusste", wo sie - ausser für manche Philosophen - bis heute blieb.

 

Polarität = das ewige Ein- und Ausatmen der Welt

 

Mit seiner Definition der Polarität knüpfte Goethe an älteste menschliche Erfahrungen, mythische und philosophische Bilder (Abb. XIX.1; XIX.2) an:

 

• "Das Geeinte zu entzweien, das Entzweite zu einigen, ist das Leben der Natur; dies ist die ewige Systole und Diastole, die ewige Synkrisis und Diakrisis, das ewige Ein- und Ausatmen der Welt, in der wir leben, weben und sind."

 

Polare Spannung

 

Schon Aristoteles überlieferte, dass Heraklit meinte, es könne keine Harmonie geben, wenn es nicht hohe und tiefe Töne gebe, und keine Lebewesen ohne das Dasein von männlichen und weiblichen Prinzipien, die einander entgegengesetzt seien.

 

Nach Nikolaus von Kues (1440) hat Paracelsus diesen Gedanken wieder aufgenommen: De Mensch und alle Dinge können nur dann vollkommen sein, wenn sie einer polaren Spannung unterworfen, "in ein Paar gestellt" sind. "Kein Ding besteht, das ohne ein zweites vollkommen sei." Hört die polare Spannung auf, kann der Mensch die gesetzten Ziele nicht erreichen, wird wankelmütig und unbeständig.

 

Polar = selbander

 

Kein Geringerer als Leibniz studierte Paracelsus genau; an beide konnte Goethe anknüpfen.

Paracelsus brauchte für das Wort polar "selbander". Und Don Quijote und Sancho Pansa ziehen selbander durch die Lande. "Der in einer weltfernen Vorstellungswelt lebende ausgedörrte Ritter: nur einer seiner Art ist der Taten fähig, in denen wir die Macht der Imagination, der Einbildungskräfte in unerreichter Darstellungskraft erfahren. Der fest auf der nährenden Erde stehende Sancho aber und nur er, der untersetzte, gedrungene Erdenbürger, kann sich unbeirrt in allen Lagen im Alltag einrichten" (Adolf Portmann).

 

Moderne Polaritäten sind in Abb. XIX.3 zusammengestellt.

 

Die vier Grundfunktionen nach C. G. Jung (Abb. XIX.4)

 

C. G. Jung hat Intuition und Polarität aktualisiert. Er unterscheidet vier Grundfunktionen, die in jedem Individuum anlagemässig vorhanden sind, zwei rationale (Denken und Fühlen) und zwei irrationale (Empfinden und Intuieren). Und nun bestehen da eigenartige Zusammenhänge:

 

• Nur eine Funktion kann die Hauptfunktion sein; sie bestimmt en Typus des Individuums.

• Die rationalen Funktionen schliessen einander aus, ebenso die irrationalen. D. h. wo z. B. das Intuieren die Hauptfunktion ist, steht ihm das Empfinden als minderwertige (inferiore) Funktion gegenüber, und zwar völlig im Unbewussten.

• Eine der beiden übrigen Funktionen steht der Hauptfunktion als Hilfsfunktion zur Seite, z. B. dem Intuieren das Denken (oder das Empfinden); selbander erfassen und verarbeiten sie alles.

 

Die Intuition erspürt Möglichkeiten

 

Was heisst das?

Gesetzt den Fall, bei kreativen Menschen dominiere die Intuition. Die Intuition liefert Ahnungen, Einfälle, Spekulationen. Während die Empfindung auf einzelne Dinge und Einzelheiten geht, fasst die Intuition den Sinn eines Geschehens, die möglichen Zusammenhänge und Auswirkungen. "Der Intuitive findet sich nie dort, wo allgemein anerkannte Wirklichkeitswerte sind, sondern immer da, wo Möglichkeiten vorhanden sind" (C. G. Jung).

 

Wie nun mit diesen Möglichkeiten umgegangen wird, hängt von der Hilfsfunktion ab. In vielen Fällen ist sie das Fühlen. Dieses besteht im Bewerten von etwas als angenehm oder unangenehm. Da das Fühlen auf dem Lust-Unlust-Prinzip basiert, kommt es dann rasch zur Entscheidung: annehmen oder abwehren. Wir kennen den "Gefühlspolitiker", der seine Entschlüsse auf Grund seiner Gefühle und nicht seiner Erkenntnisse fasst. Ähnliches lasten manche der heutigen Jugend an.

Verarbeitet jedoch das Denken das, was sich als Stimmung oder Möglichkeit zeigt, dann kann es fruchtbar werden. Das Denken nämlich sucht mit rationalen Analysen und logischen Folgerungen "zum Verstehen der Gegebenheiten der Welt und zur Anpassung an sie zu gelangen" (Jolande Jacobi).

 

Der Intuitive sollte sich daher in erster Linie des Denkens bedienen, erst dann dürfen - und sollen - die anderen Funktionen zum Zuge kommen.

 

Das chinesische Taigitu zeigt den Weg, wie sich der kreative Mensch der Ganzheit oder Totalität annähern kann (Abb. XIX.5). Es ist keine lineare Durchbruchsstrategie, sondern eine dialektische Anstrengung, die im lebendigen Rhythmus zur vierdimensionalen Dynamik führt:

 

• Mit der Intuition "erspürt" er die inneren, verborgenen Möglichkeiten eines Gegenstandes, Sachverhalts oder Trends; er schaut ahnend voraus oder erfasst durch "blitzartige Erleuchtung die Ursprünge und die Tendenzen der Geschehnisse" (Jolande Jacobi).

• Mit dem Denken prüft er die Möglichkeiten auf ihre Verwirklichungschancen; er abstrahiert, folgert und konstruiert; er schätzt Potentiale und Situationen ab.

• Mit dem Fühlen bewertet er sie auf ihr Angenehmsein oder Akzeptanz.

• Mit der Empfindung geht er an ihre Realisierung im Sinnlichen, Wahrnehmbaren, Greifbaren.

 

 

Literatur zu "Don Quijote"

 

Siehe auch:               Literatur: Polarität und Gegensatz

                                   Literatur: Intuition/ Anschauung

 

Miguel de Cervantes: Don Quijote. München: dtv 1985.

Adolf Portmann: Don Quijote und Sancho Pansa. Vom gegenwärtigen Stand der Typenlehre. Basel: Reinhardt 1958, 2. Aufl. 1964.

Joachim Ritter et al.: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Basel: Schwabe 1971ff.

Karl Jaspers: Einführung in die Philosophie. München: Piper 1953, 24. Aufl. 1985.

Walter Bloch: Polarität. Ihre Bedeutung für die Philosophie der modernen Physik, Biologie und Psychologie. Berlin: Duncker & Humblot 1972.

Polarität als Weltgesetz und Lebensprinzip. 10 Abhandlungen. Mannheim: Verlag der Humboldt-Gesellschaft 1974.

Jean Gebser: Verfall und Teilhabe. Über Polarität, Dualität, Identität und den Ursprung. Salzburg: Müller 1974.

C. G. Jung: Psychologische Typen. Zürich: Rascher 1921, 8. Aufl. 1950; 14. Aufl. 1981 (Gesammelte Werke, Bd. 6).

Jolande Jacobi: Die Psychologie von C. G. Jung. Zürich: Rascher 1939, 4. erweiterte Aufl. 1959; als Fischer Taschenbuch 1977, 5. Aufl. 1984.

 

 

 

XX. Der Hemisphärenfimmel

 

(Titelergänzung in der Werbe-Woche: … oder: Sehen wir TV-Spots mit "rechts"?)

 

Um 1977 stellten die Werbeforscher wieder einmal die These auf, TV-Werbung funktioniere ganz anders als Print-Werbung. Diesmal begründeten sie das mit dem menschlichen Gehirn: Fernsehen bewirke viel mehr Informationsverarbeitung in der rechten Grosshirnhälfte, (Hemisphäre), Gedrucktes dagegen in der linken Hälfte. Was ist davon zu halten?

 

Moderne Forschung: Mehr Fragen als Antworten

 

Die Erforschung des Gehirns setzte vor bald 200 Jahren ein.

Die ersten Untersuchungen der beiden Grosshirnhälften nach Durchtrennung ihrer Verbindung (dem corpus callosum oder Balken) erfolgten 1940 zuerst ohne bedeutende Erfolge, dann wieder seit 1953 am California Institute of Technology durch Ronald E. Myers und Roger W. Sperry. Letzterer erhielt dafür 1981 den Nobelpreis.

 

Über den aktuellen Kenntnisstand der "Split-Brain"-Forschung orientieren Sally P. Springer und Georg Deutsch ("Left Brain, Right Brain". 1981; dt. 1987; Abb. XX.1). Die umfassende Zusammenstellung zeigt das Bild, das alle Wissenschaften heute bieten: mehr Fragen als Antworten.

Da wimmelt es nur so von stereotypen Formulierungen wie:

 

• "Zaidel disagrees with Gazzaniga's conclusions"

• "existing data are not sufficient to clarify ..."

• "an alternative interpretation holds..."

• "the mechanisms are-not clear, however"

• "some investigators have suggested"

• "we have seen an increasingly complex pjcture unfold"

• "much more work is needed".

 

Es ist das uralte Lied der Forschung: Irgendwie kann man immer etwas feststellen, aber: Hat es Bestand, wie ist es dazu gekommen, kann man es erklären?

 

Was die beiden Grosshirnhälften betrifft, scheint ihre "Spezialisierung" bei Linkshändern, Frauen und Kindern - also etwa bei zwei Dritteln der Bevölkerung - anders zu sein als es so gerne plakativ ausgemalt wird.

 

Grössere Sprachbegabung der Frauen

 

Manche Linkshänder haben ihr Sprachzentrum in der (bei andern eher visuellen) rechten Hemisphäre, einige haben es vielleicht in beiden. Jedenfalls. ist die Asymmetrie ihrer Grosshirnhälften geringer. Letzteres scheint auch für Frauen (gegenüber Männern) zu gelten; sie sind auch eher beidhändig tätig.

Der interessantere Geschlechtsunterschied ist allerdings, dass Frauen eine grössere Begabung im sprachlichen Ausdruck haben als Männer, dafür können sie sich weniger gut räumlich orientieren. Jerre Levy führt diesen Unterschied bis in die Steinzeit zurück: Der Mann als Jäger und Führer bei den vielen Ortswechseln brauchte ein gutes Orientierungsvermögen, die Frau als Kindererzieherin eher die Sprache zur Vermittlung von kulturellen und sozialen Traditionen und Fertigkeiten.

 

Rechts = gleichzeitige, links = schrittweise Verarbeitung

 

Das leuchtet zwar ein, beweisbar ist es nicht. Einigermassen gesichert ist einzig folgendes:

• Die beiden Gehirnhälften weisen zwei "grundsätzlich verschiedene Strategien der Verarbeitung von Informationen" (Mathias Wais 1982) auf.

• Beide Hemisphären erarbeiten ein "Ganzes".

• Die rechte Hälfte verarbeitet Einzelheiten simultan, also gleichzeitig; das ergibt "Strukturierung".

• Die linke erzeugt Ganzheiten durch die Analyse der Sequenz (also: Abfolge) von Einzelheiten; das ist wichtig beim Verstehen und Produzieren von Sprache.

 

Im Gehirn: Abendland und Morgenland?

 

Was hat die blühende Phantasie (die rechte Seite?) daraus gemacht? Schon 1972 ordnete Robert Ornstein der linken Hemisphäre das analytische, rationale, abendländische Denken zu, der rechten Seite dagegen das synthetische und intuitive Denken, die Weisheit des Ostens (Abb. XX.1).

Es konnte nicht ausbleiben, dass man daher die linke Hälfte für alle Übel der heutigen Zivilisation verantwortlich machte und die rechte Seite als Sitz des Unbewussten und seiner schöpferischen Kräfte hochstilisierte (Thomas R. Blakeslee 1980). Zur Entfaltung dieses schlummernden oder gar unterdrückten Potentials (Abb. XX.2) werden seit etwa zehn Jahren auch Trainingsprogramme zuhauf angeboten, z. B. "Ten Ways to Develop Your Right Brain" (G. Prince 1978).

 

Dominanzspezifische Berufseignung und Werbeansprache

 

Der Hirnhälftenfimmel - laut Springer und Deutsch: "dichotomania" (Abb. XX.1) - machte auch vor dem Berufsleben nicht Halt.

General Motors wandte vorläufige Ergebnisse der sogenannten Lateralisationsforschung seit Mitte der siebziger Jahre auf Personalselektion und Ausbildung an. Man meinte, Personen, die eher mit der linken Gehirnhälfte arbeiten, könnten bestimmte Aufgaben besser lösen als "Rechts-Dominante". Dafür vermöchten diese andere Anforderungen zu erfüllen.

 

Auch die Kommunikations- und Werbeforscher wollten da nicht zurückstehen. Sie forderten, man müsse die linke und die rechte Gehirnhälfte ganz unterschiedlich ansprechen:

• die linke mit klarer Sprache, logischen Argumenten und schrittweisem Aufbau,

• die rechte mit viel bildhafteren, impressionistischen und ganzheitlichen Botschaften.

 

Das Medium, welches eher eine Informationsverarbeitung in der rechten Hälfte in Gang setze, sei das Fernsehen. Ferner müsse man die Individuen verschieden behandeln, je nachdem, ob sie eher zu. linker oder rechter Hemisphärendominanz neigten.

 

Soweit so gut. Aber: Die meisten Menschen haben - zum Glück - zwei Gehirnhälften. Diese sind zwar "funktional differenziert", aber sie ergänzen einander. Viele schauen fern und lesen Zeitungen und Zeitschriften, betrachten Prospekte, Kataloge, Schaufenster und Plakatwände. Und schliesslich: Wie kann man im Publikum Linke und Rechte unterscheiden, damit man sie individuell  bearbeiten kann?

 

Die Lösung war "total communication": Man muss beiden Gehirnhälften etwas bieten.

 

Holt uns die Vergangenheit immer wieder ein? (Abb. XX.3)

 

Das ist freilich ein alter Hut. Ausgehend von der (umstrittenen) These, dass bei kleinen. Kindern die Hemisphären noch nicht funktional differenziert sind, forderte ein deutscher Forscher noch 1973 zur Erhaltung der paarig veranlagten Sprachzentren die beidseitige manuelle Betätigung, insbesondere "das Erlernen der Schreibkunst mit beiden Händen". Ein Wunsch, den schon Platon äusserte und der auch schon klagte: "Durch die Torheit der Ammen und Mütter sind wir alle an unseren Händen lahm geworden."

 

Gemäss dem Vorschlag, mit beiden Händen zu arbeiten, kann man daher. auch eine Betätigung und Übung beider Gehirnhälften fordern.

 

Milton Fisher (1981) brauchte dafür folgendes Bild:

• "Unsere beiden Gehirnhälften arbeiten zusammen wie zwei Tennisspieler, die zusammen in einem Doppel spielen.
Wie Tennispartner lernen, sich durch Zeichensprache ohne laute Zurufe zu verständigen, ebenso muss es Ihnen möglich sein, die nicht-verbalen Mitteilungen Ihrer rechten Gehirnhälfte zu lesen. Alles, was Sie tun können, um den 'Informationsfluss' zwischen den beiden 'Partnern' zu stärken, wird ihre Zusammenarbeit verbessern."

 

Carl Sagan, der sonst eher ausserirdischem Leben und den Folgen eines Atomkriegs nachspürt, schreibt in beinahe rührender Traditionsverhaftung (1977):

• Die rechte Hemisphäre findet Muster, reale oder phantasierte, und verleiht ihnen emotionale Tönung. (Don Quijote lässt grüssen).

• Es braucht die linke für die kritische Analyse dieser Muster, um sie auf ihre Realität zu prüfen. (Sancho Pansa ist schon da).

• Also: Die linke Hemisphäre muss die rechte kontrollieren. Anderseits ist blosses Kritisieren, ohne kreative und intuitive Einsichten, ohne Entwurf neuer Muster, steril und nutzlos.

• Die Lösung komplexer Probleme unter wechselnden Bedingungen erfordert die Betätigung beider Hemisphären.

• Nochmals: Die Suche nach Mustern ohne kritische Prüfung und blinde Skepsis ohne Suche nach Mustern sind die Antipoden der Unvollkommenheit.

 

Wie sagte doch Alkmaion von Kroton, der berühmte Arzt, der im 6. Jahrhundert v. Chr. als erster Tiersektionen vornahm und die Funktionen des Gehirns bestimmte:

 

• "Gesundheit wird durch das Gleichgewicht, die Gleichberechtigung (isonomia) der Kräfte erhalten, des Feuchten und Trockenen, Kalten und Warmen, Bitteren und Süssen usw. Die Alleinherrschaft (monarchia) des einen oder andern ist die Ursache der Krankheit. Denn verderblich wirkt die einseitige Herrschaft."

 

 

Literatur zum Hemisphärenfimmel

 

siehe auch:   Literatur: Psychologie - einzelne Themen (Gehirn und Bewusstsein)

 

Sally P. Springer, Georg Deutsch: Left Brain, Right Brain. Oxford: W. H. Freeman 1981, 5. ed. 1997;
dt.: Linkes - rechtes Gehirn. Funktionelle Asymmetrien. Heidelberg: Spektrum 1987, 4. ed. 1998.

Robert Evans Ornstein: The Psychology of Consciousness. New York: Harcourt, Brace, Jovanovich 1972, 3. ed. London: Arkana 1996; als Penguin Taschenbuch 1975;
dt.: Die Psychologie des Bewusstseins. Köln: Kiepenheuer & Witsch 1974; Frankfurt am Main: Fischer-Taschenbuch-Verlag 1976.

Thomas R. Blakeslee: The right brain. A new understanding of the unconscious mind and its creative powers. Garden City, N.Y.: Anchor Press, Doubleday/ London: Macmillan 1980;
dt.: Das rechte Gehirn. Das Unbewusste und seine schöpferischen Kräfte. Freiburg: Aurum 1982.

Jacquelyn Wonder, Priscilla Donovan: Whole-Brain Thinking: Working from Both Sides of the Brain to Achieve Peak Job Performance. New York: Morrow 1984.

G. Prince: Putting the Other half of the Brain to Work. Training: The Magazine of Human Resources Development 15, 1878, 57-61.

Milton Fisher: Intuition. How to use it for success and happiness. New York: Dutton 1981;
Neuausgabe u. d. T.: Intuition. How to use it in your life. Greens Farms, Conn.: Wildcat 1995;
dt.: Intuition. Das Geheimnis, in jeder Situation das Richtige zu tun. Landsberg: mvg Dummer 1983, 3. ed. 1989.

Carl Sagan: The Dragons of Eden. Speculations on the evolution of human intelligence. New York: Random House 1977;
dt.: Die Drachen von Eden. Das Wunder der menschlichen Intelligenz. München: Droemer/ Knaur 1978, als Taschenbuch 1980.

Jerre Levy: Lateral specialization of the human brain: behavioral manifestations and possible evolutionary basis. In John Kiger (Hrsg.): The Biology of Behavior. Corvallis, Oregon: Oregon State University Press 1971.

 

 


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