Home Zur Herkunft der Freimaurerei aus dem Bauwesen

                     ca. 1-1717

 

Siehe auch:               Die phantastische Vergangenheit der Freimaurerei

                                   Behauptungen über die Wurzeln der Freimaurerei

Vorgeschichte und Frühgeschichte der Bauhütten

                                   Deutungen früherer Architektur

 

 

Zum Vergleich:         http://freemasonry.bcy.ca/aqc/history_theories.html

                                   http://web.mit.edu/dryfoo/Masonry/Essays/omt_ii3.html

                                   http://www.freimaurerloge.ch/glengl2nn.htm

                                   http://www.takver.com/history/benefit/ctormys.htm

                                   http://www.glnf.asso.fr/                     („… de Tradition“)

 

 

Inhalt

Teil I: Das erste Jahrtausend n. Chr.

Die Legende von den „Vier Gekrönten“

Ablehnung der „Geheimkulte“, Verfolgung Andersdenkender

Bau von Kirchen und Klöstern

Die legendäre Herkunft der Bauhütten

Freie und unfreie Bauleute

Es gab keine klösterlichen Bauhütten, nur mobile Bauleute und Künstler

 

Teil II: 1000-1350: Bauwut und Bauorganisation

1000-1350: Zwischen Weltuntergangsängsten die Bauwut in Europa

Organisation des Bauens

Bruderschaften

Hütte, Loge

Bildliche Darstellungen

"Die Templer als Baukünstler"

 

Teil III: 1350-1500: Blütezeit der Handwerkervereinigungen

Neue Verhältnisse seit 1350: „Loge“, später „Hütte“ als Organisation

Ab 1360: Erste überregionale Versammlungen

Die „Vier Gekrönten“ und „Johannes“ als Schutzpatrone

Die grosse Zeit der Bauvereinigungen dauerte nur 150 Jahre

Ab 1360: Nicht-Werkmaurer in Versammlungen und Logen dabei

Nicht-Werkmaurer als Mitglieder der Logen

Lehrlinge wurden „wie Vieh“ gehalten

 

Teil IV: 1500-1700: Von der operativen zur spekulativen Maurerei in England und Schottland

1500-1600: Organisatorische und inhaltliche Veränderungen

Logenaufzeichnungen seit 1537

Ab 1600: zunehmende Infiltration der Werklogen durch Adelige und Geistliche

Ab 1600: dokumentierte Freimaurer

1598/99: erste Richtlinien der spekulativen Maurerei

1650-1700: zentrale Oberleitung – erste Schmähschriften

 

Teil V: Gründe für den Beitritt von Nicht-Maurern zu Maurerlogen

Erforschung und Erziehung

Beschaffung und Beratung

Willkommener finanzieller Zustupf

Vielfältige Interessen an Geheimnissen, Baukunst und Geselligkeit

Wissenschaftliches Interesse

Politische, religiöse und gesellschaftliche Gründe

Solidarität mit den Templern

 

Teil VI: Umstrittene Abstammung von den Steinmetzen

Direkte oder indirekte Abstammung von den Steinmetzen?

Gemeinsame Grundlage von Werk- und Freimaurerei

 

Literatur

 

 

Naheliegend und doch immer wieder umstritten ist die Verwurzelung der modernen Freimaurerei in Organisation und Brauchtum der Bauleute im Mittelalter. Wie andere Handwerke stützen sie sich vielfach auf biblische Geschichten, betonen eine lange Tradition, benützen Verschwiegenheitsrituale und bestimmte Werkzeuge und haben eine hierarchische Organisation.

 

Die auf realen historischen Daten beruhende Genese der Freimaurerei lässt sich - aus der Sicht der Freimaurerei - in 4 Etappen gliedern:

 

  1. Teil I: Das erste Jahrtausend n. Chr.
  2. Teil II: 1000-1350: Bauwut und Bauorganisation
  3. Teil III: 1350-1500: Blütezeit der Handwerkervereinigungen
  4. Teil IV: 1500-1700: Von der operativen Maurerei zur spekulativen Maurerei

 

 

Teil I: Das erste Jahrtausend n. Chr.

 

 

Die Legende von den „Vier Gekrönten“

 

Um 300 verlangte Kaiser Diokletian - der Sage nach - von einer Gruppe von Steinmetzen, sie sollten heidnische Götterstatuen anfertigen. Ihre Weigerung brachte ihnen den Tod, aber ihre Auflehnung gegen diese Einschränkung sowohl der persönlichen wie korporativen Freiheit erhielt symbolische Bedeutung. Deshalb wurden sie als die "Vier Gekrönten" ("Quatuor Coronati") von den Steinmetzen zu ihren Schutzheiligen erkoren.

 

Sie wurden bereits in einer Kirche des 7. Jh. in Rom verehrt. Weitere Nachweise für ihre Schutzfunktion finden sich erst 700 Jahre später.

 

Ablehnung der „Geheimkulte“, Verfolgung Andersdenkender

 

Was sich zusammenschliesst und von der Umwelt absondert, läuft stets Gefahr, Diffamierungen oder gar massiven Formen der Feindseligkeit von Seiten der "Öffentlichkeit", der Behörden oder Kirchen ausgesetzt zu sein.

 

Nach der Zeitwende galten die Vereine und „collegia“ den römischen Behörden als Zentren politischer und sozialen Aufruhrs. Bischof Cyprian von Karthago erklärte um 250 die Teilnahme von Christen an den „turpia et lutulenta convivia“ der Kollegien für unstatthaft.

 

Die Christen des 1. und 2. Jahrhunderts n. Chr. wurden der Praktizierung eines "Geheimkultes" verdächtigt (z. B. W.-E. Peuckert, 1997, 534-548). Bekannte Christenverfolgungen fanden unter den Kaisern Nero (64), Domitian (um 90) und Trajan (um 110) sowie Decius und Valerian (250-260) und schliesslich Diokletian (um 300) statt. Auch die Gnostiker wurden drangsaliert.

 

Sobald das Christentum 313 etabliert war, wurde der Spiess umgedreht. Die Heiden und Juden wurden verfolgt. Der erste „Ketzer“ wurde 385 hingerichtet.

 

Religiöse Bruderschaften (confratriae; fraternitates) gibt es, vermutlich im Zusammenhang mit den frühen Klöstern, seit dem 4. Jahrhundert. Dazu Vereinigungen von Klerikern und Laien, sogenannte „convivia“ (Verbände).

 

Laut Otto Gerhard Oexle (1981) gab es im Reich der Franken seit etwa 500 Schutz- und Ortsgilden, seit 800 auch in England. Es handelte sich um geschworene Einungen (conjuratio), also durch gegenseitig geleisteten Eid entstandene Personenvereinigungen "zu gegenseitigem Schutz und Beistand, zu religiöser und gesellschaftlicher Tätigkeit, sowie zur beruflichen und wirtschaftlichen Förderung ihrer Mitglieder".

Neben dem freiwilligen Eid war auch das Gildemahl, das gemeinsame Essen und Trinken (convivium) wichtig. Das Vorlesen der Statuten beim gemeinsamen Mahl bewirkte eine stete Erneuerung der geschworenen Einung. Eng damit verbunden waren auch Gottesdienst und Almosenspendung, ferner Totenkult und Totenmahl.

 

Alle derartigen Vereinigungen waren der offiziellen Kirche suspekt und der Lasterhaftigkeit oder Verschwörung (conspiratio) verdächtigt. Daher wurden sie auch immer wieder bekämpft. Dabei tat sich Bischof Augustin (um 400) besonders hervor. Verbote erfolgten unter anderem durch die Konzile von Chalcedon (451) und Orléans (538), die Synoden von Vannes (461/491) und Agde (506) und die Kapitularien von 779, 789 und 884 (vgl. auch M. Dierickx, 1968, 201-202).

 

Bereits rund 20 Jahre vor ihrer offiziellen Gründung, nämlich 1698, bezeichnete ein religiöser Eiferer in London die Freimaurerei als „teuflische Sekte von Männern“ und „Antichrist“. Dann schoss sich die katholische Kirche auf die Freimaurerei ein. Seit 1738 hat der Papst etwa ein Dutzend Bullen gegen sie erlassen.

 

In einem vielfach erschienen Spottgedicht der Jahre 1722 und 1723 unter dem Titel „An Hudibrastick Poem“ wurden die Freimaurer derart diverser Obszönitäten verdächtigt, dass die Herausgeber der „Early Masonic Pamphlets“, die englischen Forscher Douglas Knoop, Gwilym P. Jones und Douglas Hamer, sich genierten den ganzen Text abzudrucken (1945, 83-90). Sie liessen von insgesamt 366 Zeilen nicht weniger als 200 aus mit der Begründung: „displeasing the modern taste, wich accuse the freemasons of the time of indulging in sexual excesses“.

 

Bau von Kirchen und Klöstern

 

Eine Generation nach Diokletian begründete Konstantin der Grosse das byzantinische Reich. Er führte nicht nur die Gleichberechtigung des Christentums ein, sondern liess auch zahlreiche prächtige Bauten dafür errichten: etwa die erste grosse Peterskirche und die sogenannte Maxentius- oder Konstantinsbasilika (ein Gerichtsgebäude) in Rom, ferner die Grabeskirche in Jerusalem.

200 Jahre später liess Kaiser Justinian S. Vitale in Ravenna fertig stellen und die Hagia Sophia in Konstantinopel neu erbauen. Zur gleichen Zeit (529) wurde auf dem Monte Cassino in Italien das erste Benediktinerkloster gebaut. Seither breiteten sich Kirchen- und Klosterbau über das ganze Abendland aus. Allerdings ruhte der Kirchenbau in Italien und Byzanz von etwa 550 n. Chr. bis ins 10. Jahrhundert fast vollständig.

 

Gebaut wurde auch im frühen Mittelalter wie eh und je. Im merowingischen Gallien (431-751) und in den meisten Völkerwanderungsgebieten herrschte eine rege allgemeine Bautätigkeit.

Die grossen Bauten entstanden erst etwa ab 750 in den Gebieten, die unter dem Einfluss des Islams oder der Karolinger standen.

 

Zwar herrscht die Meinung vor, man habe vorwiegend aus Holz gebaut, doch heisst es in einem Handbuch, von 750-850 seien im ganzen Karolingerreich 544 steinerne Grossbauten, Kirchen und Pfalzen entstanden, darunter 417 Klöster und 27 Kathedralen. Vielfach wird man aber auch bloss Ziegel verwendet haben. (Nach Mathias Pflanzl, 1960, 9, waren es nur 115 Klöster.)

Schon um 650 liess Bischof Desiderius von Cahors eine Kirche "nach Art der Alten", nämlich "aus behauenen Quadern" errichten und nicht "nach unserer gallischen Art".

Bald darauf wurden auch in England Steinkirchen "nach römischer Art" von Bauleuten errichtet, die aus Gallien geholt wurden.

 

Die legendäre Herkunft der Bauhütten

 

Über die Organisation der Berufsleute im frühen Mittelalter (500-1000) wissen wir recht wenig. Es sind bloss einige „Zünfte“ in Italien und Spanien, Ägypten und Byzanz bekannt.

 

Für die Organisation der Bauleute fehlen etwa vom Jahre 400 bis zum Jahr 1200 n. Chr., also für 800 Jahre, jegliche Zeugnisse in Europa.

 

Kein Wunder, dass sich deshalb ein reiches Geflecht von Legenden entsponnen hat. So leiten sich etwa

  • die italienischen Bauleute von den "Meistern von Como" (643, 741),
  • die französischen Bauleute von Karl Martell (gest. 741),
  • die englischen Bauleute von König Athelstan (926) oder dessen Bruder Edwin (932),
  • die schottischen Bauleute vom Bau von Kilwinning (1140),
  • die deutschen Bauleute von Odo von Metz (um 800),
    Wilhelm von Hirsau (gest. 1091)
    von einer Bauhütte am Dom von Magdeburg (876 oder 1211 oder 1241)
    oder am Dom von Strassburg (1273)
    oder von Albertus Magnus (gest. 1280) ab.

 

Sämtliche Herleitungen halten der historischen Forschung nicht stand.

 

Die „Meister von Como“ und die langobardische oder  lombardische Bauschule gehören zu den Fehlinterpretationen, wie unter anderem Knoop/ Jones (1968, 59-60) und der Tessiner Aldo Crivelli (1969/71) mit Akribie nachgewiesen haben.

 

Freie und unfreie Bauleute

 

Aus dem Edictum Rothari von 643 geht hervor, dass es damals zwei Arten von Baumeistern gab: selbständige (magister commacinus) und angemietete. Es gab also freie und unfreie Bauleute. Sie arbeiteten auf dem Lande genauso gut wie in der Stadt und am Hof.

 

Dass nicht nur Kaufleute, sondern auch Bauunternehmer und andere Handwerksmeister (z. B. Schmiede) weit über die Grenzen ihrer engeren Heimat hinaus wanderten, ist zur gleichen Zeit belegt. Aber auch unfreie Handwerker wurden unter geistlichen und weltlichen Herren ausgetauscht.

 

Ebenfalls bestand die Möglichkeit des sozialen Aufstiegs. Bischof Leo von Tours (vor 500) war einst Drechsler gewesen, Argerich von Verdun (605) soll als "architectus" und Maler hervorgetreten sein. Manche der freien Bauleute kamen im 7. Jh. zu Ansehen oder Besitz. So führte ein Maurermeister den Titel "vir honestus“, und ein anderer verfügte über umfangreichen Grundbesitz.

 

Es gab keine klösterlichen Bauhütten, nur mobile Bauleute und Künstler

 

Seit der unseligen Schrift von Carl Heideloff "Die Bauhütten des Mittelalters in Deutschland" (Nürnberg 1844) spuken die „klösterlichen Bauhütten“ durch die Publikationen zur Freimaurerei, so noch 1977 in der Schrift von Bernhard Wein, 1986 beim Anthropologen Prof. Hans Biedermann, 1990 bei Alfried Lehner, 1991 in der Dissertation von Alfred Schottner, in der kleinen Schrift von Alexander Giese und im „Freimaurer-Lexikon“ von Reinhold Dosch (1999).

 

Dabei gibt es Klarstellungen bereits bei den Freimaurern Heinrich Boos (1894), Knoop/ Jones (1968, 54, 59f), Mathias Pflanzl (1960) und Otto Winkelmüller (1970).

 

Gewiss haben die Mönche zahlreiche Handwerke und Gewerbe ausgeführt, aber sie waren Selbstversorger. Sie betätigten sich nicht als Bauleute. Diese Arbeit taten hörige Bauern, Leibeigene und Wanderhandwerker. Die Mönche übten nur die Aufsicht aus.

 

Die Bezeichnung Wanderhandwerker ist allerdings ungenau, denn diese Bauleute, Baumeister und Künstler wanderten nicht, sondern wurden an einen wichtigen Bauplatz geholt.

So finden sich schon im Jahre 560 Bauhandwerker aus Italien in Trier. Gut 100 Jahre später wurden Maurer und Glasmacher von Gallien nach England geholt, um die Angelsachsen in den Steinbau und in die Glaskunst einzuführen (vgl. James Anderson in seinem Konstitutionsbuch, 1723, 29-30)

 

Als Karl der Grosse die Aachener Pfalzkapelle erbauen liess, soll er Arbeiter "aus allen Teilen des Abendlandes" berufen haben. Besonders darauf bedacht, fremde Künstler beizuziehen, waren die islamischen Kalifen, sei es für die Ausschmückung der grossen Moschee in Damaskus (Anfang 8. Jh.) oder für den Bau der Residenz von Bagdad (762).

 

Der Kunstgeschichtsprofessor Martin Warnke (1976, 100) spricht vorsichtig von der Hausbildung eines "spezialisiertes Arbeitspotential" seit dem Jahr 1000, das "auch überregional mobilisierbar" war.

 

 

Teil II: 1000-1350: Bauwut und Bauorganisation

 

1000-1350: Zwischen Weltuntergangsängsten die Bauwut in Europa

 

Im Jahre 999 befürchteten viele Menschen im christlichen Abendland, dass der Weltuntergang bevorstehe. Als er beim Jahreswechsel zu zweiten Jahrtausend nicht eintrat, breiteten sich nicht nur eine Welle der Erleichterung, sondern Zuversicht und Optimismus aus. Eine richtiggehende Bauwut packte das ganze Abendland. Bald konnte ein Zeitgenosse berichten:

"Es war, als ob die Welt sich heftig geschüttelt, ihr Alter abgeworfen und ein glänzendes Kleid von Kirchen angezogen hätte."

 

Kirchen, Burgen, Paläste, Brücken wurden gebaut, und zwar allüberall. Die Baustile nennen wir romanisch und gotisch. Allein in Frankreich wurden in 300 Jahren (von 1050-1350): 80 Kathedralen, 500 grosse Kirchen und 10'000 Pfarrkirchen errichtet.

 

Der Hundertjährige Krieg (1339-1453) und die Pest um 1350 brachten wiederum Angst. Leid und Not. Die Bautätigkeit kam vielerorts zum Erlahmen.

 

Organisation des Bauens

 

Die Bauführung und das Bau-Unternehmen hiess "fabrica" (seit 750) oder "opus" (Werk). Ein erster Belege für die fast immer erwähnten „alten Übungen und Gewohnheiten“ stammt von 850 (Warnke, 1979, 179-180); weitere Erwähnungen finden sich erst ab etwa 1200.

 

Die Organisation war nicht so, wie es in den meisten Büchern steht.

 

Wie Martin Warnke (1979, 93-128) berichtet, erforderte die fast explosionsartig gewachsene Bautätigkeit seit dem Jahr 1000 nicht nur den Einsatz von grossen Geldmitteln, die Beschaffung von Baumaterialien und spezialisierten Arbeitskräften von fernher, sondern auch eine andere Organisation als vorher. Zwischen den Bauherrn und den ausführenden Arbeitern und Künstlern bildete sich eine Schicht von Verwaltern und Beamten. Warnke spricht sogar von einer „Managerschicht“ (105).

Etwa zur gleichen Zeit bildeten sich langsam und vereinzelt „zentrale, überregionale Bauzuständigkeiten“ (111) heraus. Die Verantwortung für Bauprojekte wurde einem Beamten am königlichen oder fürstlichen Hof übertragen.

Richtiggehende Hofbauämter bildeten sich erst nach 1240 in England („master of king’s masons“ oder“ master of the works“) und Frankreich („la mestrise des maçons“) und etwas später im Königreich Neapel heraus (122-128, 139-143, 184). Gleichzeitig bildeten sich in Deutschland, Frankreich und Italien Stadtbauämter.

 

Bruderschaften und Zünfte

 

Wie steht es nun mit den Bruderschaften und Bauhütten?

Vereinigungen von Berufsleuten hat es schon im Altertum gegeben; meist waren auch Frauen dabei.

Seit 500 n. Chr. gibt es Gilden als "geschworene Einigungen".

Seit dem Jahr 1000 gibt es drei neue Gruppierungen:

  • Gilden der Kaufleute
  • städtische Organisationen (communen)
  • Bruderschaften mit religiösen Zielen (fraternitates; zuerst, ab 1100, zur Finanzierung des Kirchenbaus).

 

Vereinigungen von Handwerkern wie Zünfte, Korporationen bildeten sich zwischen 1150 und 1350 (in England noch später). Auch sie verlangten einen Eid und Verschwiegenheit. Erkennungszeichen und Passworte waren üblich.

 

Die Bauleute hinkten bezüglich Organisation und Bräuchen den andern Handwerken meist hintendrein. So lassen sich die ersten zunftähnlichen Vereinigungen erst ab 1250 in Basel, Paris und Florenz fassen. Die älteste erhaltene Urkunde einer Zunft der Bauleute stammt aus Basel (1248).

Bald gab es innerhalb davon auch eine Bruderschaft, die vor allem den Kirchendienst zu versehen hatte. Das war also keine Baubruderschaft.

Das sogenannte Maurerwort taucht frühestens 1550 auf. Besondere Zeremonien sind erst im 17. Jahrhundert festzustellen.

 

Hütte, Loge

 

Das lateinische Wort für Hütte ist Loge (oder Laube). Das war zuerst (1000-1300) einfach ein Vorbau mit Säulenhalle an einem Palast, wie wir es heute noch unter dem italienischen Wort Loggia kennen.

Als Unterstand oder Aufenthaltsraum für die Bauarbeiter ist das englische Wort „loge“ erst seit 1270/80 fassbar, das deutsche Wort „Hütte“ seit 1350. In bildlichen Darstellungen finden sie sich seit 1350.

 

Bauabrechnungen für Burgen, Schlösser und Abteien sind in England seit etwa 1250 erhalten, für Kirchenbauten im deutschsprachigen Europa ab 1350.

 

Bildliche Darstellungen

 

Das illustrierte „Bauhüttenbuch“ von Villard de Honnecourt: wird auf das Jahr 1235 datiert.

Ab 1250 finden sich erste erhaltene Baurisse (Baupläne), beispielsweise von den Münstern in Reims, Strassburg und Köln.

 

Ebenfall seit 1250 finden sich bildliche Darstellungen von Architekten, die Winkelmass und Zirkel tragen sowie Gott als Weltbaumeister mit Zirkel.

 

„Die Templer als Baukünstler“

 

Charles von Bokor (1982, 37-39) behauptet: „Die Templer waren Krieger und Geschäftsleute, aber auch Baukünstler. Die Kirchen und Festungen des Ordens waren eigenhändig errichtet worden … Da die Kampftruppen nur aus Rittern und dienenden Brüdern bestanden, musste der Orden seine eigenen Bauhütten bilden. So entstanden die ‚Vereinigungen der Bauleute’, die unter der Leitung von Zimmerleuten (magister carpentarius) standen und die nebst den ihnen zugeteilten dienenden Brüdern eine grosse Anzahl von Maurern, Steinmetzen und Zimmerleuten beschäftigten … Die an den Orden gebundenen Bauleute konnten sich in allen christlichen Ländern frei bewegen. Die Bedeutung dieses Privilegs darf man nicht unterschätzen. Der Orden zählte 900 Komtureien, ungefähr 10 000 Schlösser [42: „rund 10 000 Häuser und Schlösser“] und zahlreiche Bauhütten, wo Facharbeiter immer willkommen waren.“

John Charpentier (1981, 55) berichtet dagegen: „Nach Mathieu Pâris [um 1250] gab es neuntausend Komtureien oder Herrenhäuser mit Nebengebäuden; die Chronik von Flandern setzt die Zahl auf 10 500 fest.“

 

Bedeutsam für die Legendenbildung – zumindest eine Verwandtschaft von Freimaurern und Templern – ist folgendes: „Da der Schutz der Templer vielseitig war und sich nicht nur auf seine Güter und die Werkleute allein beschränkte … lebten hier neben Maurern und Zimmerleuten hermetische Philosophen, Alchimisten, Kabbalisten und andere Leute aus allen Gesellschaftsschichten“ (Charles von Bokor, 1982, 39).

Dies hat etwa Andreas Gössling (2007, 52-53) aufgenommen.

 

 

Teil III: 1350-1500: Blütezeit der Handwerkervereinigungen

 

Wenn man in einem Satz zusammenfassen will:

Erst als die grossen gotischen Kathedralen schon gebaut waren, sind die Bauhütten als Organisationen neben den Zünften fassbar. Und erst seit 1350 gibt es überörtliche und überregionale Verbindungen zur Sicherung einer einheitlichen Ausbildung und eines gemeinsamen Berufsverständnisses (in anderen Berufen seit ca. 1300).

 

Neue Verhältnisse seit 1350: „Loge“, später „Hütte“ als Organisation

 

Um 1350 wütete in ganz Europa die Pest (der „Schwarze Tod“) und raffte etwa einen Viertel bis einen Drittel der Bevölkerung dahin, in England und Frankreich möglicherweise zwei Drittel. Angst und Verzweiflung packte die Menschen. Als dann noch ein Erdbeben in Südeuropa zahlreiche Städte verwüstete, glaubten die Menschen, das Weltende sei gekommen. Sie versuchten sich Erleichterung zu schaffen in „Geisslerzügen“ oder in der Verfolgung von Sündenbücken, den Juden.

 

Das könnte auch den Hintergrund bilden für markante Veränderungen im Bauwesen und in der Organisation der Bauleute.

 

In England übertrug sich die Bezeichnung Loge auf die Leute, die darin arbeiteten. 1352 wird am Münster von York eine „loge“ erstmals nicht nur als Werkstatt, sondern auch als Organisation der Bauleute fassbar. Für diese wurden vom Dekan und vom Kapitel Statuten (by-laws) und Verordnungen (ordinances) erlassen, und zwar 1352, 1370 und 1408-1409.

In Deutschland wurde die Bezeichnung Hütte erst später (um 1400) zur Bezeichnung der Organisation der Bauleute.

 

Eine ständige Organisation der Maurer in London wird erstmals 1376 fassbar. In Schottland werden solche Organisationen erst 100 Jahre später greifbar (in Aberdeen und Edinburgh).

 

Die englischen Logen waren aber nicht selbständig. Der Eid musst vor der geistlichen oder weltlichen Aufsichtsbehörde abgelegt werden.

Freimaurer waren nicht „freie Maurer“, sondern Steinmetzen, die besondere Steine bearbeiteten, die „free-stones“. Die Bezeichnung „freemason“ taucht erstmals 1376 in London auf.

 

Harry Carr, der langjährige Sekretär der freimaurerischen Forschungsloge „Quatuor Coronati“ in London setzt die Geschichte der Freimaurerei bei den „trade regulations“ von 1356 in London an (1984, 1-4, 44-46), aus denen zwanzig Jahre später die „London Masons’ Company“ hervorging. Carr sieht sie als „direkten Ahnherrn“ der heutigen Freimaurerei (vgl. Knoop/ Jones, 1968, 45-47, 250).

 

Ab 1360: Erste überregionale Versammlungen

 

Erste überregionale Versammlungen der Bauleute (assemblies; congregations) verzeichnen das Regius-Poem (1390) und das Cooke-Manuskript (1410). Es handelt sich um Provinzial- oder Grafschaftsversammlungen von Meistern und Genossen, die vermutlich ab 1360 alle ein, zwei oder drei Jahre stattfanden (Knoop/ Jones, 1968, 48-49, 123, 199). Ihre Aufgaben waren, „die Gewohnheiten des Handwerks zu erläutern und ihnen Geltung zu verschaffen“.

 

Im deutschsprachigen Raum wurden erst 100 Jahre später eine überregionale Steinmetzbruderschaften gebildet.

 

Die gemeinsame Quelle für das Regius-Poem (etwa zwei Drittel des Textes auf Deutsch bei Christopher Hodapp, 2006, 267-280) und für das Cooke-Manuskript (etwa drei Viertel des Textes auf Deutsch bei W.-E. Peuckert 1997, 580-588) könnte ein „Book of Charges“ gewesen sein. Es wird von Knoop/ Jones (1968, 50-51, 78-80) auf etwa 1360 datiert. Es ist die älteste schriftliche Fassung der „Gewohnheiten“.

In ihm findet sich dreierlei:

  • eine Geschichte (die Legende)
  • Anordnungen (regulations) und
  • die Verschwiegenheitspflicht (für gewerbliche und technische Geheimnisse).

 

Die grosse Zeit der Bauvereinigungen dauerte nur 150 Jahre

 

Die grosse Zeit der Vereinigungen des Bauhandwerks dauerte nicht einmal 150 Jahre, von 1350-1500.

Dann begann das Bauwesen zu erlahmen, die Werklogen verloren an Bedeutung, aber auch die Berufsverbände, zumindest auf den britischen Inseln.

 

Die moderne Freimaurerei bildete sich in England und Schottland. Das dauerte etwa 350 Jahre.

Wenn man versucht, die Kenntnisse über diese Zeit (1350-1700) in eine Reihenfolge zu bringen, kann man den Übergang der Werklogen in die modernen Freimaurerlogen in zwei Etappen gliedern:

1360-1500: Aufsicht und Protektion durch Vertreter der Krone, Kirche oder Stadt;

Beitritt von Bauschreibern oder aufsichtsführenden Fachleuten

1500-1700: Entwicklung der spekulativen Maurerei

 

Ab 1360: Nicht-Werkmaurer als Aufsicht in Versammlungen und Logen

 

Bemerkenswert ist, dass bei den erwähnten überregionalen Versammlungen auch Nicht-Werkmaurer dabei waren, und zwar entweder (Knoop/ Jones, 1968, 47-48)

  • sollten erste Verwaltungsbeamte der Grafschaft (Sheriff) oder der Bürgermeister der Stadt oder der Vorsteher der Gemeinde, in der die Versammlung abgehalten wurde, den Vorsitzenden Meister unterstützen (Cooke-Manuskript), oder
  • es sollten die grossen Adelsherren, Ritter und Landjunker, der erste Verwaltungsbeamte der Grafschaft und dazu der Bürgermeister der Stadt und der Vorsteher der Gemeinde, in welcher die Versammlung stattfand, der Versammlung beiwohnen (Regius-Manuskript).

 

Jedenfalls haben seit etwa 1360 Bürgermeister, Sheriffs oder örtliche niedere Adlige “wahrscheinlich … mehr oder weniger als Vertreter der Behörden“ bei den Maurerversammlungen zu tun gehabt (144).

 

Dieter A. Binder (1998, 34) malt dies noch etwas weiter aus und behauptet, man könne auf Grund gewisser Stellen im Regius-Manuskript (1390) schliessen, dass Nicht-Werkmaurer, wie „Geistliche, Notare, Ätzte und Adelige“ Protektorfunktionen über die schottischen Logen ausgeübt hätten.

 

Vielfach erwähnt wird die erbliche Aufsichtsfunktion der Familie St. Clair, „Lairds of Rosslyn“, über die schottischen Werkmaurer seit 1439 oder 1441 (Lennhoff/ Posner, 1932, Sp. 1341; Knoop/ Jones, 1968, 100-101; v. Bokor, 1982, 27; Naudon, 1982, 34; Baigent/ Leigh, 1991, 195-199). Deutliche Worte zu dieser „Fabel“ fand schon 1914 Wilhelm Begemann.

 

Nicht-Werkmaurer als Mitglieder der Logen

 

Nun könnte es durchaus sein, dass sich im Laufe der Zeit Nicht-Werkmaurer den Maurervereinigungen anschlossen, beispielsweise Männer, „die als Bauschreiber oder in irgendwelcher aufsichtsführenden Eigenschaft mit den Maurern und ihrer Arbeit in ziemlich enge Berührung kamen und Interesse für die Probleme des Bauens und der Bauverzierung zeigten“ (144). Knoop/ Jones halten es daher für möglich (145), dass der Verfasser des Cooke-Manuskripts (um 1410) ein nicht-operativer Maurer gewesen sein könnte.

 

Charles von Bokor (1982, 84) schreibt die Niederschrift der „Old Charges“ katholischen Geistlichen zu.

Er vermischt das allerdings (1982, 29) mit der Aufsichtsfunktion und behauptet keck, „dass die Aufnahme der ersten Nichtwerkmaurer weiter zurückliegt, als es in den bereits genannten Urkunden und gewissen Manuskripten, besonders dem Cooke-Manuskript, bestätigt wird. Die Handschrift preist die Steinmetzenzunft und betont, dass sie sich rühmen dürfte, Edelleute, Geistliche und Gelehrte zu ihren Mitgliedern zu zählen.”

 

Ähnlich ungenau formuliert Jan K. Lagutt (1971, 73): „Gelegentlich sollen solche Gentleman-Masons von schottischen Logen bereits während des Mittelalters aufgenommen worden sein.“ Und: „Es darf als sicher angenommen werden, dass während der Blütezeit der Werkmaurerei im Hochmittelalter Gelehrte und Künstler in regem Kontakt zu den Werklogen standen.“

 

Ähnlich unrichtig ist die Behauptung von Paul Naudon (1982, 34): „Im Mittelalter hatten die Verbände der Werkmaurer oft hermetische und alchemistische Philosophen bei sich aufgenommen, denn deren symbolische Sprache verband sich gut mit der Vorstellungswelt der Maurer und ergänzte sie. Die Spuren dieser Wechselwirkung finden sich in den Werken der damaligen Kunst.“

 

Schon Eugen Lennhoff (1931, 42) hatte behauptet, dass bereits im 15. Jahrhundert den hochgestellten Protektoren, aber auch allerlei Leuten vom Bau, wie Zimmerleute, Spenglern, Glasmalern, usw., unter bestimmten Voraussetzungen der Zutritt zur Bauhütte gestattet wurde, „wodurch sich eine Art ‚äusserer Ring’ der ‚spekulativen Maurer’ bildete, eine Bruderschaft um die eigentliche Organisation herum. Eine Loge neben der Gewerkschaft, die dann später, als das eigentliche Bauhandwerk niederging, zunächst zum ‚inneren Ring’ wurde …“

 

Auch auf dem Kontinent gab es ähnliches. Jedenfalls berichtet Otto Winkelmüller (1964, 11), dass im „Teuerdank“ zu lesen sei, dass Kaiser Maximilian I., welcher 1498 die Strassburger Ordnung der Steinmetzen bestätigte, „Mitglied der Bruderschaft gewesen sei“. Eugen Lennhoff (1931, 26) ergänzt: „Sein Hüttenbruder Albrecht Dürer hat den Kaiser als Baumeister in der ’Ehrenpforte’‚ in Holz geschnitzt.“

 

Lehrlinge wurden „wie Vieh“ gehalten

 

Im Kontrast dazu weisen Knoop/ Jones (1968, 30) darauf hin, dass im Mittelalter die überwiegende Mehrzahl der Bauleute Gesellen waren mit geringer oder keiner Sicherheit einer Dauerstellung. Der typische Steinmetz oder Maurer war ein Lohnempfänger (20). Die wenigen Meister hatten leitende Funktion. Ferner gab es „kleine Meister“ (25, 34).

 

Von Lehrlingen im Bauwesen hören wir erstmals im "Livre des Métiers" (1268), in England hundert Jahre später (1359/82) und in deutschsprachigen Landen noch später (erst nach 1400). Aber es handelte sich um Einzelfälle.

 

Bei den englischen Maurern war noch im 15. Jahrhundert das Lehrlingswesen fast unbekannt (Knoop/ Jones, 1968, 29-30). Die meisten Maurer scheinen ihr Gewerbe erlernt zu haben, ohne eine förmliche Lehrzeit durchzumachen (45).

 

Bedeutsam ist, dass in England vielleicht schon seit 1500 sowohl Meister wie Gesellen Lehrlinge einstellen durften (Knoop/ Jones, 1968, 81, 119). Dabei erhielt der Meister resp. Geselle den ganzen Lohn des Lehrlings, da er für dessen Verpflegung, Wohnung und Kleidung aufzukommen hatte. Das führte dazu, dass ein beträchtlicher Teil der Bauarbeiten von Lehrlingen ausgeführt wurde. Harry Carr formuliert drastisch, „that an apprentice was the chattel of his master” (1984, 5, 163, 369).

 

Eine echte Anerkennung des Status „Lehrling“ erfolgte in England erst um 1550 (Carr, 1984, 289).

 

 

Teil IV: 1500-1700: Von der operativen zur spekulativen Maurerei in England und Schottland

 

1500-1600: Organisatorische und inhaltliche Veränderungen

 

Bereits 1909 hat Wilhelm Begemann (329ff, ähnl. 203; Textstellen 193 und 195) eindrücklich darauf hingewiesen dass sich schon um 1500 Bestimmungen finden lassen, die auf Nicht-Werkmaurer anwendbar waren. Die Urfassung des William-Watson-Manuskripts könnte jedenfalls aus dieser Zeit stammen; Knoop/ Jones beziehen sich ausdrücklich auf Begemanns Datierung auf 1471-83, schlagen allerdings eher 1520 vor (76, 81, 146), denn die geschichtlichen Erläuterungen gelten für „jeden ehrlichen Mann oder sonstigen würdigen Arbeiter, der das Maurerhandwerk liebt und wissen möchte, wie es zuerst nach England kam“. Ferner haben „ehrwürdige Meister und Genossen“ Pflichten aufgestellt und verordnet, „dass Leute jeder Art (all manner of men), die zu masons gemacht und zugelassen werden sollen (shall be made and allowed masons), auf ein Buch vereidigt werden müssen, dieselben nach äusserstem Vermögen zu halten, soweit sie können“ (Begemann, 1909, 195, 203, 329).

 

In den Londoner Freimaurer-Verordnungen von 1509-1510 werden die Werkzeuge der Freimaurer erwähnt, und es ist vorgesehen, dass der Aufseher der Freimaurer die Prüfungsgewalt haben soll „mit diesen Verordnungen, das heisst mit Bleilot, Zirkel, Wasserwaage und Winkelmass“ (250).

 

Die Ablösung Englands von der katholischen Kirche um 1530-50 und die damit verbundene Auflösung der Klöster und religiösen Organisationen brachte neue Wandlungen. Auch die Gegenreformation mit einer erneuten Inquisition (1542) und der Bartholomäusnacht (1572) brachte manches aus dem Gleichgewicht.

 

Knoop/ Jones vermuten (1968, 123, 223-224), dass um 1539 eine Änderung eintrat:

  • die alte Einrichtung der Anwendung und Abänderung der Gewohnheiten in regelmässigen Zeitabständen durch regionale Versammlungen (assemblies) verfiel, und
  • die „alten Gewohnheiten“ wurden verändert
  • vielleicht gab es schon eine „kurze und einprägsame Belehrung“ (250).

 

Zur selben Zeit (1539) belegen Aufzeichnungen zum Bau der Burg Sandgate:

  • dass ein Nicht-Maurer, nämlich ein Ingenieur und Erfinder, die Pläne anfertigte (125)
  • dass „Übungen und Gebräuche der freien Maurer und Hartsteinhauer“ bestanden (223).

 

Die erste Ernennung eines „Generalaufsehers und Hauptbauleiters“ der schottischen Krone ist ebenfalls bereits 1539 dokumentiert (Knoop/ Jones, 1968, 40, 106), also ein halbes Jahrhundert vor Schaw.

 

Ferner berichten Knoop/ Jones, dass schon 1549 in Kendal eine “Loge von angenommenen Maurern” bestanden haben könnte (1968, 149) und erwähnen “Geistliche der Kirche von Schottland, die das Maurerwort vielleicht schon 1560 besassen” (145; vgl. 139-140, 106-108: möglicherweise 1550).

 

Wilhelm Begemann (1909, 334) hält es ebenfalls für möglich, dass bereits ab 1547 „Leute gebildeter Stände“ von der Brüderschaft der Masons angezogen wurden, vielleicht wegen der Zunftsage.

 

Sogenannte „Territoriallogen“ gab es in Schottland vermutlich bereits seit etwa 1550 (40-42, 99-100, 105-106) für die Aufsicht über das Mauerhandwerk und die Ausbildung.

 

Die Urformen des Grand Lodge Ms. Nr. 1 und des Levander-York-Manuskripts (77, 86, 156) mit ihren „Konstitutionen“ sowie des Harleian Ms. Nr. 2054 könnten um 1550/60 vorliegen.

 

Richard DeHaan (Instructor in Philosophy and Social Science) behauptet, der Ökonom Thomas Gresham soll 1567 zum Grossmeister der Londoner Maurer gewählt worden sein; Nachfolger wurde der berühmte Architekt Inigo Jones. Das ergäbe eine frühe Beziehung zur Gelehrsamkeit, hat doch Gresham in seiner letztwilligen Verfügung (1579) die Errichtung eines College bestimmt, “das erste Institut in England, in dem die Wissenschaft gelehrt wurde … Gresham College sollte über ein Jahrhundert lang das wissenschaftliche Zentrum Englands bilden und die Royal Society beherbergen, die ursprünglich dort zusammentrat (Bernal, 1970, 393-394).

 

Logenaufzeichnungen seit 1537

 

„The auld use and consuetude of Our Lady Luge of Dundee“ ist 1537 dokumentiert (Knoop/ Jones, 1968, 39).

„Minutes“ der Loge von Aitchison’s Haven sind seit 1588 erhalten (Carr, 1984, 57; v. Bokor, 1982, 49 schreibt: „Aitchesons’s“).

 

Die Loge von Edinburgh könnte laut Henry Carr (1984, 52) bereits um 1500 bestanden haben. Laut Charles von Bokor (1982, 49) stammt ihr Siegel aus dem Jahre 1475. Seit 1599 sind „minutes of meetings“ erhalten. Die „No. 0“ trägt die Loge erst seit 1848 (Carr. 1984, 97).

 

Unbestimmbar ist das vermutlich hohe Alter der Loge von Kilwinning. Aufzeichnungen sind erst seit 1599 vorhanden (72), „minutes“ seit 1642 (57, 74).

Die Loge von Aberdeen wird 1483 zum erstenmal erwähnt (v. Bokor, 1982, 49); Aufzeichnungen sind aber erst seit 1670 erhalten (Carr, 1984, 58).

 

Ab 1600: zunehmende Infiltration der Werklogen durch Adelige und Geistliche

 

Jedenfalls sind ziemlich genau seit 1600 zahlreiche Dokumente erhalten, die belegen, dass Geistliche und Adelige, bald auch Kaufleuten und Gelehrte die Gelegenheit zur Infiltration der Werklogen nutzten (Knoop/ Jones, 1968, 140).

 

In Schottland schlossen sie sich seit 1600 als Nicht-Werkmaurer, sogenannte "gentleman masons" den Werklogen an.

In England bildeten sich neben den Werklogen separate Vereinigungen von "adopted" oder "accepted masons“ (u. a. Lennhoff/ Posner, 1932, Sp. 10-12; 1412-1413). Von der Londoner „Acception“, welche mit der Londoner Maurerkompanie in enger Verbindung stand, sind über die Jahre 1619-1682 zahlreiche Dokumente vorhanden (Knoop/ Jones, 1968, 149-152, 205).

 

Ab 1600: dokumentierte Freimaurer

 

Als erster anerkannter spekulativer Freimaurer gilt Laird of Auchinleck, John Boswell (in Originalschreibweise laut Wilhelm Begemann, 1914, 259: Jhone Boiswell of Achinflek), der kurz vor 1600 in eine Loge in Edinburgh aufgenommen wurde (siehe laut David Stevenson, 1988, 197-198, vermutlich auch William Schaw und die Sinclairs, Herren von Roslin).

 

Dokumentiert sind nachher (Knoop/ Jones, 1968, 147, ferner 143, 150, 153; Lennhoff/ Posner, 1932, Sp. 1412; Charles von Bokor, 1982, 29; Allan Oslo, 2002, 126-127):

  • Lord Alexander (Viscount of Canada), Sir Anthony Alexander und Sir Alexander Strachan (1634)
  • Henry Alexander (1638)
  • General Alexander Hamilton (1640)
  • Sir Robert Moray, erster Präsident der Royal Society (1641)
  • Sir Patrick Hume and the Earl of Machmount
  • Elias Ashmole (1646)
  • Alexander Seaton (1672)
  • Earl of Cassillis, Earl of Eglintoune, Sir Alexander Cunnigham, Lord William Cochrane (1672-74)
  • Randle Holme, englischer Schriftsteller (1688)
  • Sir Christopher Wren, Erbauer der St. Pauls Cathedral (1691).

 

1598/99: erste Richtlinien der spekulativen Maurerei

 

Der schottische Forscher David Stevenson (1988) betrachtet die Richtlinien, welche der königliche Baumeister ("Maister o' Work“ and "Warden o'er a' the masons") in Schottland, William Schaw, in den Jahren 1598 und 1599 ausgearbeitet hat, als Anfang der spekulativen Maurerei. Sie könnten auf Verhältnisse zurückgehen, die bereits um 1550 herrschten (Knoop/ Jones, 1968, 40-41, 100-101, 106). Es kommen darin bereits eine maurerische Einweihung vor und die beiden Grade Lehrling und Geselle (vgl. auch Paul Naudon, 1982, 31-36, 55). Allerdings betreffen diese Statuten noch die operative Maurerei.

 

Doch im Laufe des Jahrhunderts kamen immer mehr spekulative Elemente in die handwerkliche Maurerei.

 

1650-1700: zentrale Oberleitung – erste Schmähschriften

 

Der Londoner Theaterdesigner und Architekt Inigo Jones wurde 1616 zum königlichen Oberbauleiter (“Surveyor of His Majesty’s Work”) ernannt (Knoop/ Jones, 1968, 126).

 

Um 1650 gab es vielleicht (Knoop/ Jones, 1968, 157-159) bereits eine zentrale Oberleitung für die englischen nicht-operativen Maurer. Diese mussten zwei Eide ablegen, nämlich: 1. den Pflichten zu gehorchen, und 2., das esoterische Wissen zu bewahren (84-85).

 

Im Jahre 1670 zählte die Loge in Aberdeen unter 49 Mitgliedern nur 10 echte Maurer; alle anderen waren Adelige, Geistliche, Kaufleute, Ärzte, Professoren, usw. (Dierickx, 1968, 28; vgl. Lennhoff, 1931, 41; genauer Knoop/ Jones, 1968, 147; Carr, 1984, 58).

 

1686/88 wird zum ersten Mal die Formel erwähnt: "Society of Free-Masons".

 

Und schon gab es die ersten Schmähschriften. Fast 20 Jahre vor der offiziellen Gründung der Freimaurerei, nämlich 1698 (Knoop/Jones, 1968, 151, 189, 322) schrieb ein religiöser Eiferer unter anderem

 „... Denn diese teuflische Sekte von Männern trifft sich insgeheim und flucht allen ausserhalb ihrer Gefolgschaft. Sie sind der Antichrist, der kommen sollte, um die Menschen von der Gottesfurcht abzubringen.“

 

 

Teil V: Gründe für den Beitritt von Nicht-Maurern zu Maurerlogen

 

Erforschung und Erziehung

 

Was bewog Nicht-Maurer, wie Geistliche, Adelige und Gelehrte, Geschäftleute, Gutsherren und Richter, zum Beitritt zu Werkmaurerlogen (wie in Schottland) oder zu Nebenorganisationen (wie in England)?

 

Im allgemeinen wird etwa behauptet: Es war ein doppeltes Interesse, einerseits an Forschung, an der wissenschaftlichen Erschliessung der Welt, anderseits an Aufklärung, an der Erziehung des Menschen, an der Verbesserung der Welt.

 

Demgegenüber formuliert Harry Carr (1984, 70) apodiktisch, dass wir darüber nichts wissen. Aber wenn sie mehr als Kameradschaft und Geselligkeit gesucht hätten, wären sie schwer enttäuscht gewesen.

 

Beschaffung und Beratung

 

Eugen Lennhoff (1931, 42) behauptet, unter Berufung auf „exakte“ freimaurerische Geschichtsforschung, dass „im Zusammenhang mit den Gilden ausgebreitete Genossenschaften sich bildeten, zu deren Mitgliedern Adelige, Priester, Bürger und Bauern gehörten, deren Aufgabe die Beschaffung und Heranbringung der aus weiter Ferne geholten Baustoffe war“. Zusammen mit anderen Männern aller Status- und Berufsgruppen hätten sie den oben erwähnten „äusseren Ring“ um die eigentliche Organisation herum gebildet.

 

Ebenso eigenartig ist die Behauptung von Heinz-Günter Deiters (1963, 14) wenn er den Nicht-Werkmaurern philanthropische Gründe unterstellt. Er schreibt: „Auch Angehörige anderer Stände liessen sich in diese Bauhütten aufnehmen, Künstler, Geistliche und Adelige. Ohne Zweifel waren sie zum Teil die Berater und Vertreter der Steinmetzbruderschaften, Anwälte gewissermassen, die ihre Kenntnisse den weniger gebildeten Logenbrüdern zur Verfügung stellten.“

 

Willkommener finanzieller Zustupf

 

Ähnliche Gründe macht Michel Dierickx (1968, 28) namhaft: Die operativen Logen gerieten in Geldnöte und gingen dazu über, „besondere Vorschriften für jene Mitglieder auszuarbeiten, die Nicht-Werkmaurer waren; offenbar brachten es finanzielle Nöte mit sich, dass man, um die Kasse zu füllen und die Gilde vor dem Untergang zu bewahren, Nichthandwerker in die Loge aufnahm“.

Auch Jürgen Holtorf (1983, 14-15) bezieht sich auf den Niedergang der operativen Logen und spricht davon, dass sie im 17. Jahrhundert zunehmend von Intellektuellen „unterwandert“ wurden. „Da die Logen schon damals erhebliche karitative Pflichten ihren Angehörigen gegenüber übernommen hatten, waren ihnen vermutlich auch die finanziellen Beiträge der ‚angenommenen Maurer’ zur Erfüllung ihrer Aufgaben hoch willkommen.“

 

Charles von Bokor (1982, 30, ähnl. 33) erwähnt in Anschluss an Alec Mellor ebenfalls die Funktion von „Ehrenmitgliedern“ als Mäzene. „Aus Achtung vor einer ehrwürdigen Vergangenheit forderte man ihnen den Eid, die Geheimnisse nicht zu verletzen“ (Mellor, 1985, 48).

 

Vielfältige Interessen an Geheimnissen, Baukunst und Geselligkeit

 

Knoop/ Jones (1968) erwähnen von all diesen Gründen nichts und sehen es ganz anders. Sie nennen neben einem ganz allgemeinen Grund, irgendwelchen Geheimnissen auf die Spur zu kommen (138), und dem Wunsch, „sittliche Lehren aus den Erfahrungen der Bauhandwerker zu ziehen“ (138-139), drei ganz prosaische Absichten der Beitrittswilligen (vgl. auch 5-6):

  • Liebhaberinteresse an der Baukunst (140-142)
  • Geschichtliches Interesse an der Maurerei (142-144)
  • Die Lust am geselligen Schmausen und Bechern (144-145; auch Carr, 1984. 67-68).

 

Auch Dierickx (1968, 29-30) und Imhof (I, 44; ähnl. II, 64) nennen ganz ähnlich das Geheimnis, ästhetische Interessen, Kunstbegeisterung und kultivierte Geselligkeit. „Symbolik im strengen Sinne des Wortes suchte man damals sicher aber nicht in den Logen und hätte diese auch nicht finden können.“

 

Bei Paul Naudon (1982, 31) hatte der Wunsch nach Zulassung verschiedenen Gründe: „Die Maurer boten eine der seltenen erlaubten Möglichkeiten der Vereinsbildung, und die Stellung und der Ruf der Baumeister war ein nicht geringer Anziehungspunkt. Man konnte frei über vieles sprechen, und vielfach gab es mächtige Schutzherren. Nicht ohne Interesse mochten auch die Verbindungen der Maurer von Land zu Land sein.“

 

Dieter A. Binder (1998, 35) nennt eine breite Auswahl von Gründen:

  • Berufliche Interessen
  • Ökonomische Überlegungen
  • Sozialprestige
  • Suche nach Geselligkeit

„andererseits die Neugier, die Suche nach alten Mysterien, nach den sagenhaften Weisheiten der Druiden, das steigende Architekturinteresse“.

 

Wissenschaftliches Interesse

 

Charles v. Bokor (1982, 29) beschreibt: „Bald nach seiner Aufnahme bildeten Elias Ashmole, der Astrologe Willliam Lilly, der Arzt Thomas Wharton, der Mathematiker William Oughtred, die Doktoren John Harwitt und John Pearson und einige andere innerhalb der Loge eine Gruppe, die sich der leidenschaftlichen Suche nach den tiefsten Mysterien der Natur zum Ziel gesetzt hatte. Es ist begreiflich, dass sich von diesem Augenblick an viele Leute aus allen gesellschaftlichen Schichten dafür interessierten, was in den Logen geschah, und sich aus Neugier oder wissenschaftlichem Interesse aufnehmen liessen, um sich an den Arbeiten zu beteiligen.“

 

Laut Lennhoff/ Posner (1932, Sp. 95, 1334f; vgl. dagegen Sp. 116) hat sich diese Gruppen nur in der „Mason’s Hall“ eingemietet. Bei Luigi Ranieri (2000, 73) heissen die Mitglieder Lyly, Haerwitt und Proson.)

 

Politische, religiöse und gesellschaftliche Gründe

 

Michael W. Fischer sieht die Gründe in Anlehnung an Reinhard Koselleck politisch. Es ist die Abneigung gegen den absolutistischen Staat (1982, 117-118): „Diese politische Herausforderung wird zum verbindenden Element der neuen Elite. In den bestehenden Einrichtungen des absolutistischen Staates fanden etliche Gruppen keinen hinreichenden Platz: so unter anderem der Adel, der zwar anerkannt war, aber ohne politischen Einfluss; die Bank- und Kaufleute, die zwar wirtschaftliche Macht hatten, aber sozial als homini novi abgestempelt wurden; die Wissenschafter, vorweg die Philosophen, die zwar sozial ohne rechten Ort, aber von höchster intellektuell-kultureller Bedeutung waren. Aus diesen äusserst heterogenen Gruppen formierte sich eine neue Schicht.“

 

Noch drastischer schildert es Bernhard Wein (1977, 39): „Das ganze 17. Jahrhundert hindurch war das 1553 protestantisch gewordenen Land [England] der Tummelplatz der hässlichsten Leidenschaften gewesen. Unter den Stuarts hatte jeder gegen jeden gestanden, Krone gegen Parlament, Tories gegen Whigs und Katholiken gegen die verschiedenen Gruppen des Protestantismus, Anglikaner, Presbyterianer, Puritaner und Independenten.“

 

Religiöse Gründe macht auch Daniel Béresniak (1998, 14) geltend. Nach eineinhalb Jahrhunderten der Religionskriege (siehe auch Lennhoff, 1931, 23) stelle sich ein unsicheres Gleichgewicht ein. „Jeder war verpflichtet, die Religion seines Potentaten anzunehmen.

Zur Zeit der Verfassung des Konstitutionenbuches von Anderson herrschten in England und Frankreich Intoleranz und Fanatismus. Hier wurden Katholiken, dort Protestanten verfolgt. … Die Katholiken durften [seit 1689] nicht mehr in London residieren und weder Waffe noch Pferd besitzen. Ihre Steuern wurden verdoppelt, auch verloren sie das Recht, ein Grundsstück zu kaufen oder zu erben … In Frankreich hatten die Protestanten seit der Aufhebung des Ediktes von Nantes [1685] ihre Religionsfreiheit verloren. Seit der Erklärung von 1724 war jede Versammlung zur Ausübung einer anderen Religion als der katholischen verboten. Den Protestanten drohte die Todesstrafe … Intoleranz war Gesetz.“

Deshalb fanden sich Freimaurer zusammen, Menschen „die den absoluten Vorrang des Individuums vor der Gruppe bekunden, die Identität nicht auf eine bestimmte Zugehörigkeit reduzieren und die für Meinungsfreiheit eintreten“ (14-15).

 

Heinz-Günter Deiters (1963, 15-16) zitiert aus einer Schrift von August Horneffer: „Das 17. Jahrhundert war erfüllt von blutigen Religionskriegen und furchtbaren sozialen und politischen Wirren … Nicht  weniger blutig war das heftige Ringen um die Staatsform und die politischen Rechte … Da war denn in den Besten allmählich der Wunsch übermächtig geworden, einen Ort des Friedens zu finden oder zu schaffen … Sie sehnten sich nach jenem Reiche, in welchem alle Gegensätze sich auflösen, alle persönlichen Wünsche und Vorteile zu schweigen haben. Dieser Ort, dieses Reich, so hofften und forderten sie, sollte die Loge sein.“

Auch Dierickx (1968, 30; ähnl. 34-35) spricht von einer „Oase des Friedens und der Brüderlichkeit, wo Freundschaft zwischen andersgläubigen Menschen erwachsen konnte“. Charles von Bokor (1982, 30) erwähnt sie ebenfalls.

 

Weniger positiv sieht es Paul Naudon (1982, 26, 36): Alle Arten von politischen und religiösen Richtungen bedienten sich der Freimaurerei und verfolgten ihre eigenen Ziele „unter dem Deckmantel von Toleranz und Liberalismus“ oder „unter dem Deckmantel der maurerischen Verpflichtung, ‚Gott und der Hl. Kirche treu zu sein’“.

 

Solidarität mit den Templern

 

Charles von Bokor lässt aber auch weitere Gründe Revue passieren und betrachtet alle als unwahrscheinlich oder unlogisch, sei es das Bedürfnis nach einem „Ort des Friedens“ (30; demgegenüber 98-99), das Interesse an Geheimwissenschaften (32-33) oder die Suche „nach Zuflucht vor seinen Verfolgern“ (33).

Er hat eine andere Erklärung bereit: Die Freimaurerei existierte seit der Aufhebung des Ordens der Templer „im Schatten“ (34). Einige Templer hatten ja die grausamen Verfolgungen 1312/14 überlebt und waren nach Schottland geflüchtet. „Da die Templer berühmte Baumeister waren, bereitete es wenig Schwierigkeiten, eine Deckorganisation zu finden: sie wurden den Bauhütten eingegliedert“ (48, 57).

Dies könnte erklären, warum später Adelige, Reiche und Intellektuelle sich als Ehrenmitglieder der Steinmetzbruderschaften aufnehmen liessen: „um den Templern ihre Solidarität, ihre Freundschaft und ihr Mitgefühl zu bekunden. Dieses Zeichen der Anteilnahme war gleichzeitig eine Geste der Missbilligung und des Vorwurfs dem König und dem Papst gegenüber“ (49).

 

Immerhin diskutiert v. Bokor (47-66) ausgiebig das Für und Wider seiner These, wobei er sich unter anderem auf die gefälschte „Kölner Urkunde“ (siehe Deiters, 1963, 36-41; vgl. auch Lennhoff/ Posner, 1932, Sp. 849-851) und auf Behauptungen des Freiherrn Karl von Hund stützt.

 

 

Teil VI: Umstrittene Abstammung von den Steinmetzen

 

Direkte oder indirekte Abstammung von den Steinmetzen?

 

Trotz alledem bleibt die Abstammung der Freimaurerei von den Steinmetzen umstritten.

 

Ob sie direkt oder indirekt sei, lässt der Bibliothekar und Kurator von „Library and Museum of the United Grand Lodge of England“ (seit 1983), John M. Hamill (1992/93, 145), offen. Er erwähnt zwar, dass in Schottland die Logen ab 1600 „Gentlemen“ aufnahmen und mit der Zeit zu „Logen für spekulative Maurer“ wurden, doch in England gebe es keinen Beweis für eine solche Organisation innerhalb der Steinmetzzunft.

 

An anderer Stelle behauptet er allerdings das Gegenteil:

„Es gab vermutlich seit den zwanziger Jahren des 17. Jahrhunderts einen kleinen Kreis innerhalb der Londoner Steinmetzzunft, der sowohl aus ‚operativen Maurern’ bzw. ‚Werkmaurern’ als auch aus Nichtangehörigen des Bauhandwerks bestand“ (159).

Und noch zweierlei: Vermutlich gab es in den siebziger Jahren des 17. Jahrhunderts in ganz England „angenommene Maurer“; schon in den neunziger Jahren „fanden sich in London Logen, die regelmässig zusammentrafen“(159).

 

Genau das haben einst Knoop/ Jones (1968, 157) recht überzeugend nachgewiesen. Die „Acception“ in London (Mitglied: Elias Ashmole), die Loge zu Chester (Randle Holme), die Loge im Dubliner Trinity College und die Loge in York „scheinen“ ständige Logen gewesen zu sein. Weitere Logen in Warrington (152), Chichester (155) und Scarborough (156-157) sind nur punktuell dokumentiert.

Diese englischen und irischen Logen hatten es leichter als die schottischen, die Zeremonie zu ändern.

Bemerkenswert ist übrigens die Erwähnung einer irischen Loge mit „Gentlemen“ 1688. Knoop/ Jones meinen dazu: „Angesichts der damals sehr engen Verbindung zwischen Dublin und England möchten wir glauben, dass die angenommene Maurerei von England nach Irland eingeführt wurde und sich nicht unabhängig aus der irischen Werkmaurerei entwickelte“ (1968, 155; ausführlicher 243-244, 304, 332).

 

 

Noch apodiktischer als Hamill ist sein Kollege im Paris, der Konservator des Freimaurermuseums der Grossloge von Frankreich, Philippe Henri Morbach (1992/93, 150; ähnlich 153), wenn er schreibt:

„Die Behauptung, die Zünfte und die da und dort weiter bestehenden Bauhütten seien direkte Vorläufer der Freimaurerei in ihrem modernen Sinne, ist daher unrichtig ... Überdies gibt es keine Beweise dafür, dass eine Kontinuität zwischen diesen teilweise permanenten Bauhütten und den Werkmaurerlogen, die zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Schottland entstanden, besteht ...

Ebenso erscheint es unrichtig, zu behaupten, die moderne Freimaurerei sei in England entstanden …

Schliesslich gibt es keine Beweise für einen ununterbrochenen Entwicklungsprozess zwischen den damals weiterhin bestehenden Organisationen der Werkmaurer und der Freimaurerei.“

 

Gemäss Morbach handelt es sich daher um eine „Neuschöpfung“, und zwar, in Anlehnung an David Stevenson (1988), durch den schottischen Baumeister William Schaw (150, 151).

 

Gemeinsame Grundlage von Werk- und Freimaurerei

 

Weniger auseinander gehen die Auffassungen über das überdauernde Gemeinsame der Werkmaurerei und der Freimaurerei.

 

Knoop/ Jones (1968, 7) schreiben: „Von den Leitgedanken der Freimaurerei, die in verschiedenen Zeitabschnitten ihr Wesen ausgemacht haben, ist ein einziger mit ihr offenbar seit Jahrhunderten verbunden …: der Gedanke der Einschärfung sittlichen Verhaltens.“

Demgegenüber formuliert Gottlieb Imhof (I, 32): „Das einzig nachweisbare geistige Erbe, das ungestört und erkennbar sich bis in die Neuzeit in den angelsächsischen Logen erhalten hat, ist der ausgesprochen christliche und religiöse Charakter der alten Werkmaurerei, die Ideen der Menschenbruderschaft und der Gotteskindschaft.“

 

Ähnlich meint Paul Naudon: „Niemand konnte sich als vollkommener Werkmaurer betrachten, wenn er sich nicht auch in allen Lebenslagen als guter Christ erweisen konnte, Die Bruderschaft wachte über die Beachtung der Pflichten durch die Gesamtheit des Berufs“ (1982, 31).

 

Eugen Lennhoff (1931, 11-12) greift etwas weiter aus und zitiert Wilhelm von Humboldt:

 

„Wenn wir eine Idee bezeichnen wollen, die durch die ganze Geschichte hindurch in immer mehr erweiterter Gestalt sichtbar ist, so ist es die Idee der Humanität, das Bestreben, die Grenzen, die Vorurteile und einseitigen Ansichten aller Art feindselig zwischen die Menschen gestellt zu haben, aufzuheben und die ganze Menschheit ohne Rücksicht auf Nation, Religion und Farbe als einen grossen nahe verbrüderten Stamm, als ein zur Errichtung eines Zweckes der freien Entwicklung innerlicher Kraft bestehendes Ganzes zu bezeichnen.“

 

 

Literatur

 

James Anderson: The Constitutions of the Free-Masons. Containing the History, Charges, Regulations, &c. of that most Ancient and Right Worshipful Fraternity. For the Use of the Lodges.London : William Hunter 1723, 2. Erweiterte Aufl. 1738;
dt.: Faksimilausgabe des gesamten englischen Originaltextes mit deutscher Übersetzung von Rudolf Ebel. Bayreuth: Quellenkundliche Arbeit Nr. 18 der Forschungsloge Quatuor Coronati Nr. 808, 1983.

Michael Baigent, Richard Leigh: The Temple and the Lodge. London: Cape/ New York: Arcade Publications 1989; London: Corgi 1990;
dt.: Der Tempel und die Loge.
Das geheime Erbe der Templer in der Freimaurerei. Bergisch Gladbach: Bastei-Lübbe Taschenbuch Bd. 64106, 1990; 6. Aufl. 1999; Augsburg: Bechtermünz 1999.

Wilhelm Begemann: Vorgeschichte und Anfänge der Freimaurerei in England. Berlin: Mittler, Bd. 1, 1909.

Wilhelm Begemann: Vorgeschichte und Anfänge der Freimaurerei in Schottland. Berlin: Mittler, Bd.1, 1914.

Daniel Béresniak: Symboles des Franc-Maçons. Paris: Editions Assouline 1997;
dt.: Symbole der Freimaurer. Wien: Brandstätter 1998;
engl.: Symbols of Freemasonry.
Paris: Assouline 1997 (printed in Italy); New York: Assouline 2000.

John Desmond Bernal: Wissenschaft. Bd. 2, Reinbek: Rowohlt 1970 (engl.: Science in History, 1954).

Hans Biedermann: Das verlorene Meisterwort. Bausteine zu einer Kultur- und Geistesgeschichte des Freimaurertums. Graz: Böhlaus Nachfolger 1986; Heyne Taschenbuch 1988.

Dieter A. Binder: Die diskrete Gesellschaft. Geschichte und Symbolik der Freimaurer. Graz: Styria Edition Kaleidoskop 1988, 2. Aufl. 1995;
als Herder Taschenbuch u. d. T.: Die Freimaurer, 1998, 2.
Aufl. 2000.

Harry Carr: Harry Carr's World of Freemasonry. The Collected Papers and Talks of Harry Carr. London: Lewis Masonic 1984.

John Charpentier: L’ordre des templiers. Paris: La Colombe 1961;
dt.: Die Templer. Stuttgart: Klett 1965; als Taschenbuch (Klett-Cotta im Ullstein Taschenbuch) 1981.

Aldo Crivelli: Collezione Artisti Ticinesi nel Mondo. Unione di Banche Svizzere. Vol. II-IV, 1969-71.

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unkorrigierter scan:
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